• Keine Ergebnisse gefunden

Determinanten sedentärer Verhaltensweisen bei Kindern

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Determinanten sedentärer Verhaltensweisen bei Kindern"

Copied!
140
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

1 Universitätsklinikum Ulm

Sektion Sport und Rehabilitationsmedizin Leiter: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jürgen M. Steinacker

Determinanten sedentärer Verhaltensweisen bei Kindern Identifikation von Zusammenhängen und Risikogruppen

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Humanbiologie der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm

vorgelegt von Belinda Brack geb. Hoffmann

Stollberg 2021

(2)

II Amtierender Dekan: Prof. Dr. Thomas Wirth

Erstgutachter: Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen M. Steinacker Zweitgutachter: Prof. Dr. Rainer Muche

Tag der Promotion: 28.10.2021

(3)

III

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ... V Abbildungsverzeichnis... VI Tabellenverzeichnis... VII Hinweis auf bereits publizierte Daten ... X

1 Hintergrund ... 1

1.1 Definition sedentärer Verhaltensweisen ... 1

1.2 Prävalenz sedentärer Verhaltensweisen ... 3

1.2.1 Prävalenz in Deutschland ... 4

1.3 Sedentäre Verhaltensweisen als Gesundheitsrisiko ... 6

1.3.1 Übergewicht und Adipositas ... 6

1.3.2 Kardiometabolisches Risiko ... 7

1.3.3 Körperliche Fitness ... 9

1.3.4 Psychische Gesundheit ... 9

1.3.5 Bestehendes Gesundheitsrisiko ... 10

1.3.6 Physiologie sedentärer Verhaltensweisen ... 10

1.4 Maßnahmen zur Reduktion sedentärer Verhaltensweisen... 12

1.4.1 Interventionen und ihre Wirksamkeit ... 13

1.4.2 Interventionen in Deutschland ... 14

1.5 Problemstellung ... 16

1.5.1 Handlungsbedarf in Deutschland ... 17

1.5.2 Forschungsstand ... 17

1.5.3 Einflussfaktoren sedentärer Verhaltensweisen ... 18

1.6 Forschungsziel und Fragestellungen ... 19

1.6.1 Literaturbasierte Determinanten sedentärer Verhaltensweisen bei Kindern .... 20

1.6.2 Sedentäre Verhaltensweisen bei Grundschulkindern in Baden-Württemberg . 20 2 Material und Methoden ... 22

2.1 Literaturbasierte Determinanten sedentärer Verhaltensweisen bei Kindern ... 22

2.1.1 Suchstrategie ... 22

2.1.2 Studienauswahl ... 25

2.1.3 Datenextraktion ... 25

2.1.4 Klassifizierung der Determinanten ... 26

2.1.5 Bewertung der Assoziationen ... 26

2.1.6 Qualitätsbewertung der inkludierten Studien... 26

2.2 Sedentäre Verhaltensweisen bei Grundschulkindern in Baden-Württemberg ... 28

(4)

IV

2.2.1 Datenbasis ... 28

2.2.2 Tägliche Sitzdauer ... 31

2.2.3 Tägliche Bildschirmzeit ... 35

2.2.4 Untersuchte Einflussfaktoren... 37

2.2.5 Zusammenhänge mit modifizierbaren Faktoren ... 38

2.2.6 Risikogruppen durch nicht modifizierbare Faktoren ... 40

2.2.7 Statistische Datenanalyse ... 42

3 Ergebnisse ... 45

3.1 Literaturbasierte Determinanten sedentärer Verhaltensweisen ... 45

3.1.1 Systematische Identifikation von Determinanten ... 52

3.1.2 Identifikation von Forschungslücken ... 54

3.2 Sedentäre Verhaltensweisen bei Grundschulkindern in Baden-Württemberg ... 55

3.2.1 Stichprobenbeschreibung und Repräsentativität ... 55

3.2.2 Analyse der täglichen Sitzdauer ... 57

3.2.3 Zusammenhänge ausgewählter Faktoren mit der Sitzdauer ... 61

3.2.4 Analyse der Bildschirmzeit ... 64

3.2.5 Anteil der Bildschirmzeit an der Sitzdauer ... 65

3.2.6 Zusammenhang der Bildschirmzeit mit der Sitzdauer ... 76

4 Diskussion ... 81

4.1 Literaturbasierte Erkenntnisse ... 81

4.1.1 Forschungsfrage 1.1: Determinanten aus der Literatur ... 81

4.1.2 Forschungsfrage 1.2: Forschungslücken ... 85

4.2 Sedentäre Verhaltensweisen bei Grundschulkindern in Baden-Württemberg ... 86

4.2.1 Forschungsfrage 2.1: Prävalenz der täglichen Sitzdauer ... 87

4.2.2 Forschungsfrage 2.2: Prävalenz der Bildschirmzeit ... 89

4.3 Forschungsfrage 2.3: Einflüsse sedentärer Verhaltensweisen ... 90

4.3.1 Zusammenhänge mit modifizierbaren Einflüssen ... 91

4.3.2 Risikogruppen durch nicht modifizierbare Faktoren ... 97

4.4 Stärken und Limitationen ... 101

4.5 Übersicht identifizierter Einflussfaktoren und Risikogruppen ... 103

4.6 Fazit ... 108

4.7 Ausblick ... 110

5 Zusammenfassung ... 112

6 Literaturverzeichnis ... 114

(5)

V

Abkürzungsverzeichnis

ATP Adenosintriphosphat

BMI Körpermassenindex (Body-Mass-Index)

BMIPCT Perzentile des Körpermassenindex (Body-Mass-Index) cpm Schläge pro Minute (counts per minute)

DEDIPAC Determinanten des Ernährungsverhaltens und der körperlichen Aktivität (Determinants of Diet and Physical Activity)^

DRKS Deutschen Register Klinischer Studien

EKG Elektrokardiogramm

KI Konfidenzintervall

KiGGS Kinder- und Jugendgesundheitssurvey

LPA leichte körperliche Aktivität (light physical activity)

MESH Medical Subject Headings (Schlagwörter, die den Inhalt eines Zeitschriftenartikels beschreiben)

MET Metabolisches Äquivalent

MVPA moderate bis intensive körperliche Aktivität (moderate to vigorous physical activity)

m.V. missing Value (fehlende Werte)

n Anzahl

N/A nicht verfügbar (not applicable)

p Signifikanzniveau

PA körperliche Aktivität

PROSPERO International prospective register of systematic reviews

RR Relatives Risiko

SCT Bildschirmzeit (screen time)

SES Sozioökonomischer Status (socio-economic status)

SPSS Statistical Package for the Social Sciences (Statistikprogramm)

ST Sitzdauer (sedentary time)

URMEL-ICE Ulm Research on Metabolism, Exercise and Lifestyle Intervention in Children

QualSyst Tool zur Bewertung systematischer Reviews

WHO Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation)

(6)

VI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Übersicht der Fragestellungen und Zielgrößen dieser Arbeit ...21 Abbildung 2: Prozedur zur Erlangung der Stichprobe und Datensätze

(übersetzt und angepasst aus Hoffmann et al., 2017) ...30 Abbildung 3: Berechnungsformel der täglichen Sitzdauer ...34 Abbildung 4: Berechnungsformel der täglichen Bildschirmzeit...36 Abbildung 5: Flussdiagramm der inkludierten Studien für die systematische

Literaturrecherche (übersetzt und angepasst aus Stierlin et

al., 2015, S. 4) ...45 Abbildung 6: Verteilung der mittleren körperlichen Aktivität (ST = Sitzdauer,

LPA = leichte körperliche Aktivität, MVPA = moderate bis intensive körperliche Aktivität) auf die Wachzeit pro Tag von

Grundschulkindern in Baden-Württemberg ...57 Abbildung 7: Mittlere tägliche Sitzdauer der Grundschulkinder in Baden-

Württemberg dargestellt nach Geschlecht,

Migrationshintergrund, Gewichtsstatus und Aktivitätsniveau ...58 Abbildung 8: Mittlere tägliche Sitzdauer der Grundschulkinder in Baden-

Württemberg dargestellt nach Bildungsniveau der Eltern und

Netto-Haushaltseinkommen ...59 Abbildung 9: Prozentanteil der Grundschulkinder in Baden-Württemberg,

kategorisiert nach Stunden der Sitzdauer (s. Tabelle 4),

dargestellt für Wochentage und Wochenende ...61 Abbildung 10: Streu-Punkte-Diagramm der leichten körperlichen Aktivität

(LPA) und der moderaten bis intensiven körperlichen Aktivität

(MVPA) ...62 Abbildung 11: Streu-Punkte-Diagramm der Sitzdauer und der moderaten bis

intensiven körperlichen Aktivität (MVPA) ...63 Abbildung 12: Streu-Punkte-Diagramm der Sitzdauer und der leichten

körperlichen Aktivität (LPA) ...63 Abbildung 13: Mittlere Bildschirmzeit (SCT) neben der mittleren Sitzdauer

(ST) der Kinder in Baden-Württemberg insgesamt, an Wochentagen und am Wochenende, p-Werte der gepaarten

t-Tests zwischen Wochentag und Wochenende ...65 Abbildung 14: Mittlere Bildschirmzeit (SCT) neben der mittleren Sitzdauer

(ST) der Kinder in Baden-Württemberg separiert für Kinder mit

geringer, mittlerer und langer Sitzdauer. ...76 Abbildung 15: Streu-Punkte-Diagramm der mittleren Bildschirmzeit und der

mittleren Sitzdauer am Tag der Grundschulkinder in Baden-

Württemberg ...78

(7)

VII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Schlüsselelemente und zugehörige Schlagwörter (übersetzt

und angepasst aus Stierlin et al., 2015, Zusatzmaterial 1) ...23 Tabelle 2: Ein- und Ausschlusskriterien für die Studien der

systematischen Übersichtsarbeit ...25 Tabelle 3: Checkliste für das Bewertungssystem von QualSyst zur

Beurteilung der Qualität von quantitativen Studien (übersetzt

und angepasst aus Kmet et al., 2004, S. 4) ...27 Tabelle 4: Kategorisierung der Sitzdauer in Stunden zur vereinfachten

Visualisierung der Abbildung 9 ...34 Tabelle 5: Kodierung der Antwortkategorien für die Berechnung der

Bildschirmzeit ...36 Tabelle 6: Kategorisierung des Netto-Haushaltseinkommens (nach

Winkler und Stolzenberg, 2009) ...40 Tabelle 7: Klassifizierung des elterlichen Bildungsniveaus anhand von

CASMIN im deutschen Bildungssystem (nach Lechert et al.,

2006, S. 5) ...41 Tabelle 8: Studiencharakteristiken der inkludierten Studien der

systematischen Übersichtsarbeit (n = 37), kategorisiert nach Kontinent und Herkunftsland der Studie, alphabetisch sortiert nach Autor der Studie (übersetzt, angepasst und ergänzt aus

Stierlin et al., 2015) ...47 Tabelle 9: Übersicht identifizierter Determinanten von sedentären

Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen mit Richtung und Konsistenz der gefundenen Assoziation (in Anlehnung an

Stierlin et al., 2015) ...53 Tabelle 10: Basismerkmale der Stichprobe und der Reststichprobe der

Baden-Württemberg Studie (in Anlehnung an Hoffmann et al.,

2017) ...56 Tabelle 11: Mittlere Sitzdauer der Grundschulkinder pro Tag in Baden-

Württemberg, dargestellt nach Wochentagen für die gesamte Stichprobe und nach Geschlecht, Migrationsstatus, Gewichtsstatus, Aktivitätslevel, Bildungsniveau,

Haushaltseinkommen ...60 Tabelle 12: Univariate Analyse anhand von Korrelationen der

untersuchten Einflussfaktoren mit der mittleren täglichen

Sitzdauer der Grundschulkinder in Baden-Württemberg ...62 Tabelle 13: Regressionsmodell zur Überprüfung der Zusammenhänge mit

der gesamten, objektiv erfassten Sitzdauer bei

(8)

VIII Grundschulkindern in Baden-Württemberg (n = 231) (in

Anlehnung an Hoffmann et al., 2017) ...64 Tabelle 14: Anteile der Bildschirmzeit an der gesamten Sitzdauer, an

Wochentagen und an Wochenenden, separiert für das Geschlecht, p-Werte der t-Tests für unabhängige Stichproben

...66 Tabelle 15: Anteile der Bildschirmzeit an der Sitzdauer an Wochentagen

und an Wochenenden, separiert für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, p-Werte der t-Tests für unabhängige

Stichproben ...67 Tabelle 16: Täglicher Anteil der Bildschirmzeit an der Sitzdauer separiert

für den Gewichtsstatus, p-Werte jeweils aus der ANOVA ...68 Tabelle 17: Unterschiede innerhalb der Gruppen nach Gewichtsstatus der

Kinder, p-Werte der Bonferroni-Tests ...68 Tabelle 18: Täglicher Anteil der Bildschirmzeit an der Sitzdauer separiert

für aktive und inaktive Kinder, p-Werte der t-Tests für

unabhängige Stichproben ...69 Tabelle 19: Täglicher Anteil der Bildschirmzeit an der Sitzdauer der

Kinder, separiert für den primären, sekundärem und tertiärem

Bildungsstatus der Eltern, p-Werte der ANOVA ...70 Tabelle 20: Unterschiede innerhalb der Gruppen nach dem

Bildungsstatus der Eltern, p-Werte der Bonferroni-Tests ...71 Tabelle 21: Täglicher Anteil der Bildschirmzeit an der Sitzdauer der

Kinder, separiert für die Stufen des Haushaltseinkommens ,

p-Werte der ANOVA ...72 Tabelle 22: Mittlere Bildschirmzeit der Grundschulkinder pro Tag in

Baden-Württemberg, dargestellt nach Wochentagen für die gesamte Stichprobe und nach Geschlecht, Migrationsstatus, Gewichtsstatus, Aktivitätslevel, Bildungsniveau,

Haushaltseinkommen ...73 Tabelle 23: Basismerkmale der Stichprobe differenziert nach geringer,

mittlerer und langer Sitzdauer (in Anlehnung an Hoffmann et

al., 2019) ...74 Tabelle 24: Nutzungsdauer der Bildschirmzeit, Länge der Sitzdauer und

Höhe des Prozentanteils der Bildschirmzeit an der Sitzdauer, separiert für Kinder mit geringer, mittlerer und langer

Sitzdauer, p-Werte der ANOVA ...75 Tabelle 25: Univariate Analyse des Zusammenhangs der mittleren

täglichen Bildschirmzeit und der mittleren täglichen Sitzdauer anhand von Korrelationen für die gesamte Stichprobe und

jeweils innerhalb der untersuchten Gruppen ...77

(9)

IX Tabelle 26: Regressionsmodell zur Überprüfung der Einflussfaktoren mit

der gesamten, objektiv erfassten Sitzdauer bei Grundschulkindern in Baden-Württemberg (n = 198), ergänzt

um die Bildschirmzeit der Kinder ...79 Tabelle 27: Regressionsmodelle zur Überprüfung des Zusammenhangs

der mittleren Sitzdauer mit der Bildschirmzeit bei Grundschulkindern in Baden-Württemberg separiert für die

Kinder mit geringer, mittlerer und langer Sitzdauer. ...80 Tabelle 28: Übersicht identifizierter Einflussfaktoren und Risikogruppen

sedentärer Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen ... 106

(10)

X

Hinweis auf bereits publizierte Daten

Einige Teile dieser Dissertation wurden bereits, wie im Folgenden aufgelistet, in Fachzeitschriften veröffentlicht:

• Stierlin AS, De Lepeleere S, Cardon G, Dargent-Molina P, Hoffmann B, Murphy MH, Kennedy A, O’Donoghue G, Chastin SFM, De Craemer M, and on behalf of the DEDIPAC consortium. A systematic review of determinants of sedentary behaviour in youth: a DEDIPAC-study. Int J Behav Nutr Phys Act 12: 133 (2015)

Open Access Artikel unter der Lizenz CC BY 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0

• Hoffmann B, Kettner S, Wirt T, Wartha O, Hermeling L, Steinacker JM, Kobel S and the Research Group “Join the Healthy Boat”. Sedentary time among primary school children in south-west Germany: amounts and correlates. Archives of Public Health 75: 63 (2017)

Open Access Artikel unter der Lizenz CC BY 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0

• Hoffmann B, Kobel S, Wartha O, Kettner S, Dreyhaupt J, Steinacker JM. High sedentary time in children is not only due to screen media use: a cross-sectional study. BMC Pediatrics 19: 154 (2019)

Open Access Artikel unter der Lizenz CC BY 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by/4.0

(11)

1

1 Hintergrund

In den letzten Jahren sind sedentäre Verhaltensweisen bei unter 18-Jährigen deutlich angestiegen (Lou, 2014). Dabei weisen aktuellere Studien eine längere Dauer sedentärer Verhaltensweisen auf als ältere Untersuchungen (Stierlin et al., 2015). Besonders durch die rapide Entwicklung der Digitalisierung mit einhergehender Steigerung des Medienkonsums (z.B. Fernsehnutzung, Internetnutzung), aber auch durch vermehrten passiven Transport (z.B. via Auto, öffentliche Verkehrsmittel) und andere sitzende Tätigkeiten (Essen, spielen, soziale Kontakte pflegen etc.) kann der Alltag schon im Kindesalter vermehrt sedentäres Verhalten beinhalten, welche sich zu mehreren Stunden aufsummieren (Saunders et al., 2018, Verloigne et al., 2016, Arundell et al., 2016a, Katzmarzyk et al., 2015, Bucksch u.

Dreger, 2014; Lou, 2014, Griffith et al., 2013, Nilsson et al., 2009, Matthews et al., 2008).

Beispielsweise verbringen europäische Kinder im Alter von neun Jahren täglich zwischen vier und sechs Stunden sedentär (Nilsson et al., 2009). Ähnlich zeigte sich bei sieben- bis achtjährigen Kindern aus Großbritannien eine Dauer sedentärer Verhaltensweisen von durchschnittlich 6,4 Stunden pro Tag (Griffith et al., 2013). Auch in Amerika wurde im Durchschnitt eine tägliche Sitzdauer von sechs Stunden bei sechs- bis elfjährigen Kindern gemessen (Matthews et al., 2008).

Darüber hinaus existiert zahlreiche Evidenz, dass sedentäre Verhaltensweisen die Gesundheit schon bei Kindern gefährden (Saunders u. Vallace, 2017, Carson et al., 2016, Herman et al., 2015, Saunders et al., 2014, Chastin et al., 2014, Gracia-Marco et al., 2012, Ekelund et al., 2012, Tremblay et al., 2011, Chinapaw et al., 2011). Allein die systematische Übersichtsarbeit von Carson und Kollegen (2016) inkludiert 235 Studien aus 71 verschiedenen Ländern. Sie zeigt bei Kindern von fünf bis 17 Jahren Zusammenhänge von (langer) Bildschirmzeit mit höherem kardiometabolischem Risiko, ungünstiger Körperzusammensetzung, geringerer Fitness, aber auch schlechterem pro-sozialem Verhalten und geringerem Selbstwertgefühl (Carson et al., 2016). Auch negative Auswirkungen auf die Lebensqualität und auf die Ängstlichkeit der Kinder, sowie ein Zusammenhang mit Depression wurden bereits in Studien gefunden (Saunders u. Vallace, 2017). Verhaltensweisen werden aus der Kindheit zumeist in das Erwachsenenalter übernommen (Hirvensalo u. Lintunen, 2011, Singh AS et al., 2008), weshalb das Risiko für (weitere) gesundheitliche Folgen im Erwachsenenalter noch größer ist (Owen et al., 2011).

Aufgrund der hohen Prävalenz sedentärer Verhaltensweisen mit steigender Tendenz und der damit verbundenen Gesundheitsgefährdung bei Kindern sind effektive Maßnahmen erforderlich. Interventionsprogramme sollten durch eine Reduktion der Sitzdauer die Gesundheit von Kindern fördern und der Entwicklung eines sitzenden Lebensstils frühzeitig entgegenwirken.

1.1 Definition sedentärer Verhaltensweisen

Auch wenn sedentäre Verhaltensweisen weitläufig bekannt sind, meist besser unter dem englischen Begriff „sedentary behaviour“, so ist das Verständnis des Terminus und die Interpretation sedentärer Verhaltensweisen durchaus unterschiedlich. Besonders populär unter den sedentären Verhaltensweisen ist der Fernsehkonsum, wobei die Nutzung dieses Bildschirmmediums nur eine von vielen sedentären Verhaltensweisen ist. Definiert sind

(12)

2 sedentäre Verhaltensweisen als jegliche sitzende oder liegende Tätigkeit mit einem Energiebedarf von unter 1,5 metabolischem Äquivalent (=MET: eine Einheit, die eine Vielzahl des Grundumsatzes angibt) (SBRN, 2012). Dazu gehören neben dem Fernsehen auch die Nutzung anderer Bildschirmmedien wie der Computer, aber auch andere Tätigkeiten, die sitzend durchgeführt werden wie das Malen, Basteln, Musik hören oder Spiele spielen, Essen, Freunde treffen usw. (Tremblay et al., 2017).

Aufgrund der vielen Möglichkeiten zur Einordnung sedentärer Verhaltensweisen ist eine genaue Kategorisierung sedentärer Aktivitäten notwendig. Ein Komitee aus Experten zu diesem Forschungsfeld, geformt aus den Mitgliedern des weltweiten Netzwerkes

„Sedentary Behaviour Research Network (SBRN)“ hat daran gearbeitet. Auf Basis einer Literaturrecherche sowie Umfragen an die Netzwerkmitglieder wurden in dem Komitee einige themenrelevante Begriffe (z.B. Sitzen, Stehen, Inaktivität etc.) genau definiert und abgegrenzt. Ziel war es, eine einheitliche Struktur der Begriffe und damit eine Basis zur standardisierten Verwendung in der Forschung zu schaffen (Tremblay et al., 2017).

Neben der Festlegung, dass jegliche Tätigkeit, die einen Energiebedarf von unter 1,5 MET aufweist, zu den sedentären Verhaltenseisen gehört, wurde darin auch die Bildschirmzeit (englisch „screen time“) definiert. Demnach umfasst die Bildschirmzeit jegliche Tätigkeit vor einem Bildschirm wie z.B. Fernsehen oder die Nutzung von Handy, Computer oder Tablet etc. (Tremblay et al., 2017). Diese Tätigkeit kann sowohl sitzend als auch aktiv ausgeführt werden. Unter aktiver Bildschirmzeit versteht man beispielsweise Videospiele aktiv zu spielen, oder während des Fernsehens auf einem Fahrradergometer zu fahren (Tremblay et al., 2017). Insofern Fernsehen und die Nutzung von Computern oder anderen Bildschirmmedien sitzend ausgeführt werden, zählen sie zu sedentären Verhaltensweisen (Tremblay et al., 2017).

Anders hingegen verhält es sich mit der körperlichen Inaktivität (englisch „physical inactivity“). Für sedentäre Tätigkeiten ist keine oder kaum körperliche Aktivität erforderlich, dennoch ist es notwendig den Begriff der körperlichen Inaktivität von sedentären Verhaltensweisen abzugrenzen. Eine Person wird altersunabhängig als inaktiv eingestuft, wenn sie die Aktivitätsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verfehlt, indem sie ein unzureichendes Pensum an körperlicher Aktivität aufweist (Tremblay et al., 2017). Mit körperlicher Aktivität sind moderate oder intensive Tätigkeiten gemeint, die einen Energieverbrauch von drei MET oder mehr aufweisen (WHO, 2010, S. 53). Moderate oder intensive körperliche Aktivitäten (MVPA) können beispielsweise Ballsportarten wie Fußball, Handball, Basketball etc., Ausdauersport wie Radfahren, Schwimmen oder Joggen, aber auch Kraftsport oder Kampfsport sein.

Für Kinder im Alter von fünf bis 17 Jahren empfiehlt die WHO ein tägliches Pensum von 60 Minuten moderate oder intensive körperliche Aktivität (WHO, 2010, S. 17). Demnach ist körperliche Inaktivität bei dieser Altersgruppe durch eine tägliche Dauer von weniger als 60 Minuten moderater oder intensiver körperlicher Aktivität definiert (Tremblay et al., 2017).

Kinder unter fünf Jahren sind körperlich inaktiv, wenn sie sich am Tag weniger als 180 Minuten bewegen, unabhängig von der Intensität (Tremblay et al., 2017). Bei Erwachsenen liegt die Grenze der Inaktivität bei unter 150 Minuten moderater oder intensiver körperlicher Aktivität pro Woche (Tremblay et al., 2017). Die Definition einer aktiven oder inaktiven Person setzt somit keineswegs sedentäre Verhaltensweisen voraus. Körperliche Inaktivität hängt ausschließlich von der Dauer der moderaten und intensiven körperlichen Aktivität pro Tag ab. Diese Dauer der moderaten und intensiven körperlichen Aktivität ist je nach

(13)

3 Altersgruppe zwar unterschiedlich lang definiert. Dabei wird jedoch deutlich, dass unabhängig von dieser empfohlenen Dauer der körperlichen Aktivität genügend Zeit verbleibt, um täglich auch eine lange Zeit sedentärer Verhaltensweisen aufzusummieren.

1.2 Prävalenz sedentärer Verhaltensweisen

Sedentäre Verhaltensweisen sind global alltäglich und das nicht nur bei Erwachsenen.

Weltweit verbringen Kinder und Jugendliche täglich bis zu neun Stunden sedentär mit steigender Tendenz (Saunders et al., 2018, Verloigne et al., 2016, Arundell et al., 2016a, Katzmarzyk et al., 2015, Bucksch u. Dreger, 2014, Lou, 2014, Griffith et al., 2013, Nilsson et al., 2009, Matthews et al., 2008). Kanadische Kinder im Alter von acht bis 13 Jahren sitzen im Durchschnitt etwas mehr als vier Stunden jeden Tag (Saunders et al., 2018). In Amerika wurde bei sechs- bis elfjährigen Kindern mit sechs Stunden eine etwas längere durchschnittliche Sitzdauer berichtet (Matthews et al., 2008). Laut einer im Jahr 2009 publizierten Studie summieren europäische Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre ebenfalls eine tägliche Sitzdauer zwischen vier und sechs Stunden (Nilsson et al., 2009).

Beispielsweise wurde bei sieben- bis achtjährigen Kindern aus Großbritannien eine Dauer sedentärer Verhaltensweisen von durchschnittlich 6,4 Stunden pro Tag gemessen (Griffith et al., 2013). Jugendliche aus Großbritannien im Alter von zwölf Jahren sind täglich etwa sieben Stunden sedentär und mit 16 Jahren liegt die Sitzdauer schon fast bei neun Stunden pro Tag (Mitchell et al., 2012). Eine jüngere Studie von 2016 berichtet, dass europäische Kinder unter 13 Jahren sogar bis zu 9,2 Stunden sedentär verbringen, während Jugendliche (14 bis 18 Jahre) nur bis zu 8,4 Stunden sedentäre Verhaltensweisen pro Tag aufweisen (Verloigne et al., 2016). Bei Kindern und Jugendlichen aus der ganzen Welt im Alter von sechs bis 19 Jahren berichten Bucksch und Dreger (2014) in einer Übersichtsarbeit ähnliche Prävalenzen. Je nach Studie und Alter variiert die Sitzdauer zwischen knapp fünf und über neun Stunden pro Tag. Bei neun Stunden verbringen Kinder laut der Ergebnisse der Helena-Studie über 70 Prozent der Wachzeit sedentär (Bucksch u. Dreger, 2014).

Die hohen Prävalenzen können sich durch diverse sedentäre Tätigkeiten über den Tag hinweg kumulieren. Bei Kindern und Jugendlichen nimmt schon frühzeitig die Schule einen besonders großen Teil der Wochentage ein. Dabei werden je nach Klassenstufe und Schulfach zwischen 76 bis 87 Prozent pro Unterrichtsstunde (á 45 Minuten) sedentär verbracht (Mooses et al., 2017). Laut einer Übersichtsarbeit kann die Freizeit von Kindern im Alter von fünf bis 18 Jahren bis zur Hälfte mit sitzenden Tätigkeiten gefüllt sein (Arundell et al., 2016a). Betrachtet man sedentäre Verhaltensweisen über den Tag hinweg ohne Bildschirmmedien (60 Prozent der gesamten Sitzdauer/Tag), dann tragen bei Neun- bis 16- Jährigen die schulbezogenen Tätigkeiten wie Lesen oder Schreiben mit 42 Prozent am meisten zur gesamten Sitzdauer bei (Bucksch u. Dreger, 2014). Eine etwas jüngere Arbeit berichtet bei Schulkindern zwischen fünf und 18 Jahren einen Anteil von 13 Prozent der täglichen Sitzdauer für Hausaufgaben und Lernen (Arundell et al., 2016a). Bei Grundschulkindern in Japan nehmen die täglichen Hausaufgaben knapp eine Stunde ein (Ishii et al., 2017). Für soziale Aktivitäten, wie zum Beispiel Freunde treffen, werden zwischen neun und 19 Prozent der freien Zeit beansprucht (Arundell et al., 2016a, Bucksch u. Dreger, 2014). Der Anteil für passiven Transport umfasst zwölf bis 15 Prozent (Arundell et al., 2016a, Bucksch u. Dreger, 2014). Allein das Auto nimmt bei japanischen Grundschulkindern unter der Woche etwa 30 Minuten und am Wochenende sogar über 70

(14)

4 Minuten pro Tag ein (Ishii et al., 2017). Für die Selbstfürsorge, wie z.B. Essen liegt der Anteil an der Sitzdauer ohne Bildschirmmedien bei 16 Prozent (Bucksch u. Dreger, 2014).

Auch Bildschirmmedien spielen eine bedeutende Rolle bei der täglichen Sitzdauer. Aus der systematischen Übersichtsarbeit von Arundell und Kollegen (2016a) geht hervor, dass das Fernsehen in der freien Zeit mit 20 Prozent sogar den größten Teil einnimmt. Ähnlich berichtet eine andere aktuelle Studie mit 625 japanischen Grundschulkindern, dass Fernsehen und Videoschauens mit 1,8 Stunden pro Tag den größten Anteil an Wochentagen einnehmen (Ishii et al., 2017). Am Wochenende ist der Anteil des Fernsehens und Videoschauens pro Tag um etwa eine Stunde erhöht (2,7h) und eine weitere Stunde wird für das Spielen von Videospielen genutzt. Damit führt die Bildschirmzeit bei japanischen Grundschulkindern die Liste sedentärer Verhaltensweisen am Wochenende an (Ishii et al., 2017). Dagegen ist bei der japanischen Stichprobe die Internetnutzung ohne Schulbezug mit etwa fünf Minuten täglich vergleichsweise gering (Ishii et al., 2017).

In Europa liegt die tägliche Bildschirmzeit laut einer Übersichtsarbeit bei Kindern bis zwölf Jahren zwischen einer und 2,7 Stunden und bei 13- bis 18-Jährigen zwischen 1,3 und 4,4 Stunden (Verloigne et al., 2016). Insgesamt ist der Medienkonsum im Zeitraum von 2004 bis 2009 um etwa 20 Prozent angestiegen, womit eine drastische Zunahme zu verzeichnen ist. Außerdem hat insbesondere die übermäßig lange Sitzdauer im Kindes- und Jugendalter in den letzten Jahren deutlich zugenommen (Lou, 2014). Für die Anstiege der Sitzdauer und der Mediennutzung werden vor allem neue Konsumwege des Fernsehens, das Internet sowie die Nutzung von Smartphones und Tablets mitverantwortlich gemacht (Lou, 2014).

Laut der Studie der Kaiser Family Stiftung verdoppelte sich bereits von 2004 bis 2009 die Dauer der Videospiele bei acht- bis 18-jährigen Kindern (Lou, 2014). Auch die tägliche Nutzung von Computern stieg in diesem Zeitraum um knapp 30 Minuten an. Das entspricht einem Anstieg von fast 44 Prozent in nur fünf Jahren (Lou, 2014). Zwar sind diese Daten zur Entwicklung der Computernutzung schon etwas älter, jedoch stammen sie aus einer der wenigen Längsschnittstudien. Darüber hinaus liegt der Erhebungszeitunkt der Längsschnittdaten sehr nah an dem Erhebungszeitunkt der in dieser Arbeit verwendeten Daten (aus 2010), weshalb diese Zahlen in diesem Zusammenhang erwähnt wurden.

1.2.1 Prävalenz in Deutschland

Auch in Deutschland findet man bei Kindern und Jugendlichen täglich eine beträchtliche Dauer von sedentären Verhaltensweisen. Laut einer Befragung von 4.385 Kindern und Jugendlichen verbringen vier- bis 20-Jährige in Deutschland 10,6 Stunden an Wochentagen und 7,5 Stunden an Wochenendtagen sedentär (Huber u. Köppel, 2017).

Das entspricht 71 Prozent der Wachzeit unter der Woche und 54 Prozent der Wachzeit am Wochenende (Huber u. Köppel, 2017). Ein sehr ähnliches Ergebnis zeigte eine etwas ältere Studie mit einer täglichen Dauer von etwa neun Stunden bei zwölf bis 18-Jährigen. Das entspricht etwa 71 Prozent der gemessenen Wachzeit (Ruiz et al., 2011). Die tägliche Sitzdauer von 2.200 Jugendlichen wurde mit einem Aktivitätssensor für eine Woche im Zeitraum von 2006 bis 2008 erhoben. Allerdings inkludiert diese Studie neben Jugendlichen aus Deutschland auch Datensätze von Jugendlichen aus acht anderen europäischen Ländern, weshalb die berichtete durchschnittliche Sitzdauer nicht ausschließlich für den deutschen Raum repräsentativ ist (Ruiz et al., 2011). Ähnlich zeigte eine aktuellere Studie, ebenfalls mit kombinierter Stichprobe aus Europäischen Ländern, mit Kindern im Alter von

(15)

5 zehn bis zwölf Jahren, eine tägliche Sitzdauer von etwa 8,5 Stunden (Vik et al., 2015). Eine weitere, aktuelle Studie berichtet eine tägliche Sitzdauer von 7,7 Stunden (via Fragebogen) bis 9,1 Stunden (via Aktivitätssensor) bei einer Stichprobe von 298 Kindern und Jugendlichen im Alter von sechs bis 17 Jahren in Deutschland (Sprengeler et al., 2017).

Ein relevantes Pensum des Tages nimmt, auf den deutschen Raum begrenzt, die sedentär verbrachte Zeit in der Schule ein. Beispielsweise erhalten Kinder in Baden-Württemberg in der Grundschule täglich etwa 3,75 Stunden Unterricht (MKJS, 2004). In weiterführenden Schulen steigt die Unterrichtszeit auf etwa sieben Stunden pro Tag (MKJS, 2016). Wenn man den durchschnittlichen Anteil sedentärer Verhaltensweisen der Schulzeit von 55 Prozent auf Basis der angegebenen Unterrichtsstunden berechnet (Sprengeler et al., 2017), ergibt sich eine Dauer von mehr als zwei Stunden in der Grundschule und von fast vier Stunden in weiterführenden Schulen, die Kinder grundsätzlich an fünf Tagen pro Woche sedentär verbringen. In ganzen Zahlen berichten Sprengeler und Kollegen (2017) sogar von vier bis 4,5 Stunden tägliche Schulzeit, wobei der Sportunterricht exkludiert wurde. Laut der Befragung von Huber und Köppel (2017) nimmt die Schulzeit an Werktagen täglich mit durchschnittlich fast fünf Stunden sogar den größten Anteil ein. Durch Lernen wird die schulbezogene Sitzdauer um eine Stunde erweitert und beläuft sich an einem durchschnittlichen Wochentag auf insgesamt 40 Prozent der Wachzeit (Huber u. Köppel, 2017). Darüber hinaus stehen bei 68 Prozent der sechs- bis 13-jährigen Kinder Hausaufgaben und Lernen bereits täglich auf der Agenda (Feierabend et al., 2019).

In der Freizeit kumulieren sich dagegen bei Kindern und Jugendlichen aus Deutschland nur etwa drei Stunden aus sedentären Verhaltensweisen pro Woche (Sprengeler et al., 2017).

Getrennt nach Wochentagen verbringen unter 18-Jährige an Werktagen sogar nur knapp zwei Stunden sedentär, während es am Wochenende etwa drei Stunden sind (Huber u.

Köppel, 2017). Auch nimmt passiver Transport in Deutschland keinen sehr großen Anteil in Anspruch. Nur drei bis 13 Minuten pro Tag werden dieser Tätigkeit zugeordnet (Sprengeler et al., 2017). Für die Mediennutzung zeigt sich in Deutschland ähnlich wie in den zuvor erwähnten Studien eine steigende Relevanz (Feierabend et al., 2019). Obwohl bei der Befragung von Huber und Köppel keine Dauer angegeben ist, wird die Bildschirmzeit als erheblicher Anteil der Sitzdauer in der Freizeit von Kindern erwähnt (Huber u. Köppel, 2017).

Interessant ist die Beobachtung eines leichten Rückgangs der Fernsehdauer bei Jugendlichen von 2002 bis 2010. Mädchen sahen 2010 an Wochentagen etwa zwölf Minuten und Jungen etwa 18 Minuten weniger fern, während die Dauer am Wochenende nahezu unverändert ist (Bucksch et al., 2014). Trotz der signifikanten Abnahme der Fernsehzeit an Werktagen hat sich die gesamte Bildschirmzeit in diesem Zeitraum nicht reduziert (Bucksch et al., 2014). Die Prävalenz der Fernsehdauer war im Jahr 2010 bei Jungen etwas höher als bei Mädchen und lag zwischen zwei (Wochentag) und drei Stunden (Wochenendtag) (Bucksch et al., 2014). Heutzutage sehen nur noch knapp die Hälfte (45 Prozent) der Jugendlichen (13 bis 19 Jahre) in Deutschland täglich fern, jedoch hat jeder zweite Jugendliche einen eigenen Fernseher im Jugendzimmer (Feierabend et al., 2020). Dabei erhöht der Fernseher im privaten Raum das Risiko einer exzessiv langen Sitzdauer (Santaliestra-Pasías et al., 2013). Die tägliche Nutzungsdauer im Jahr 2018 beläuft sich bei dieser Altersgruppe auf 1,8 Stunden, wobei die Mädchen etwas mehr ferngesehen haben als Jungen (Feierabend et al., 2020). Zum heutigen Medienkonsum bei jüngeren Kindern (sechs bis 13 Jahre) in Deutschland berichtet die jüngste Kinder-Internet-

(16)

6 Medien-Studie (KIM, 2018), dass das Fernsehen in der Freizeit von 74 Prozent der Befragten täglich genutzt wird (Feierabend et al., 2019). Die durchschnittliche Dauer des Fernsehens beläuft sich dabei auf 82 Minuten pro Tag und 34 Prozent der Kinder haben einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer. Trotz der Existenz vieler anderer Medien nimmt das Fernsehen in der Favoritenliste diverser Freizeitbeschäftigungen bei Mädchen den dritten und bei Jungen noch den vierten Rang ein (Feierabend et al., 2019).

Ähnlich wie von Lou (2014) berichtet, ist bei Jugendlichen in Deutschland zwischen elf und 15 Jahren laut Bucksch und Kollegen (2014) besonders die Computernutzung für Hausaufgaben, Emails, Internet, Chatten etc. angestiegen, wobei jegliche Computerspiele ausgenommen wurden. Von 2002 bis 2010 verlängerte sich die Dauer bei Mädchen signifikant um etwa eine Stunde (Bucksch et al., 2014). Erklärt wird der Zuwachs von den Autoren mit (vermehrter) schulbedingter Nutzung wie Hausaufgaben, aber auch durch mehr Chatten und Mailen (Bucksch et al., 2014). Insgesamt verbrachten deutsche Jugendliche im Jahr 2010 etwas mehr als zwei Stunden am Wochenende und etwa 1,5 Stunden an Werktagen mit einem Computer, wobei sich die Dauer zwischen den Geschlechtern kaum unterscheidet (Bucksch et al., 2014). In der heutigen Zeit werden Computer von Jugendlichen, besonders von den Jungen meistens für Spiele genutzt. Dennoch kommt das Smartphone bei 41 Prozent der Befragten für Spiele am häufigsten zum Einsatz und ist heutzutage das am weitesten verbreitete Mediengerät unter den Jugendlichen (Feierabend et al., 2020). 93 Prozent der Jugendlichen besitzen ein eigenes Smartphone und zwei Drittel der Jugendlichen haben einen eigenen Laptop oder Computer. Die durchschnittliche Prävalenz der Spieldauer allein beläuft sich pro Tag auf 81 Minuten unabhängig vom Gerät und Geschlecht (Feierabend et al., 2020). Bereits knapp ein Drittel (27 Prozent) der Kinder im Alter von sechs bis 13 Jahren nutzen täglich das Internet und 42 Prozent dieser Altersgruppe nutzen Smartphones jeden Tag. In diesen jungen Jahren besitzen bereits 39 Prozent der Kinder ein eigenes Smartphone (Feierabend et al., 2019). Die Internetnutzung der sechs bis 13-Jähringen via Handy, Smartphone und Tablet hat sich im Vergleich zur Befragung 2016 zwischen acht und 13 Prozentpunkten erhöht, wohingegen der Computer für die Internetnutzung an Relevanz leicht verloren hat (Feierabend et al., 2019).

All diese Publikationen aus den letzten zwei Jahrzehnten zeigen weltweit nicht nur eine Zunahme des Medienkonsums und der Bildschirmzeit, sondern auch eine steigende Tendenz der (übermäßig) langen Sitzdauer von Kindern und Jugendlichen. Anzunehmen ist, dass Kinder und Jugendliche seit Beginn der Covid-19 Pandemie durch Homeschooling und Kontaktbeschränkungen noch mehr Zeit mit diversen Medien und somit auch mehr Zeit sedentär verbringen.

1.3 Sedentäre Verhaltensweisen als Gesundheitsrisiko

Es existiert belegende Evidenz, dass sich sedentäre Verhaltensweisen bereits im Kindesalter negativ auf die Gesundheit auswirken können, da sie mit diversen Gesundheitsrisiken assoziiert sind (Carson et al., 2016, Tremblay et al., 2011, Salmon et al., 2011).

1.3.1 Übergewicht und Adipositas

Sedentäre Verhaltensweisen werden, unabhängig von körperlicher Aktivität (Mitchell u.

Byun, 2014, Salmon et al., 2011), für Übergewicht und Adipositas mitverantwortlich

(17)

7 gemacht (Krug et al., 2018, Leech et al., 2014). Übergewicht und Adipositas sind die am häufigsten untersuchten Faktoren, für die ein Zusammenhang mit sedentären Verhaltensweisen (primär Fernsehen und Bildschirmzeit) in zahlreichen Studien nachgewiesen wurde (Traub et al., 2018, Schwarzfischer et al., 2018, Saunders u. Vallace, 2017, Collings et al. 2017, Griffiths et al., 2016, Lee et al., 2014, LeBlanc et al., 2012, Veldhuis et al., 2012, Tremblay et al., 2011, Mikolajczyk u. Richter, 2008). Eine Assoziation von sedentären Verhaltensweisen mit Übergewicht konnte schon vor knapp 20 Jahren (Datensätze aus 2001/2002) bei elf- bis siebenjährigen Kindern gefunden werden (Mikolajczyk u. Richter, 2008). Bereits für Kleinkinder im Alter von unter vier Jahren wurde der Zusammenhang einer längeren Fernsehdauer mit Adipositas nachgewiesen (LeBlanc et al., 2012). Die Autoren der systematischen Übersichtsarbeit betonten auch, dass bisher keine Vorteile durch das Fernsehen gezeigt werden konnten (LeBlanc et al., 2012). Der Fernsehkonsum von mehr als zwei Stunden am Tag erhöht das Risiko für Übergewicht und Adipositas bereits bei fünfjährigen Kindern (n = 7.505) um 25 Prozent (Veldhuis et al., 2012). Eine Verbindung zwischen der täglichen Fernsehdauer von über zwei Stunden und ungünstiger Körperzusammensetzung besteht auch bei Schulkindern im Alter von fünf bis 17 Jahren (Tremblay et al., 2011). Des Weiteren ist eine lange Sitzdauer im späteren Leben wahrscheinlicher, wenn der Hüftumfang als Kind schon größer ist (Erkelund et al., 2012).

Neben der Verteilung auf alle Altersklassen findet sich das erhöhte Risiko für Übergewicht durch sedentäre Verhaltensweisen auch weltweit. In einer Studienpopulation aus zwölf verschiedenen Ländern wurde ein um 19 Prozent höheres Risiko für Adipositas bei Kindern mit sedentären Verhaltensweisen gezeigt. Zwar wurde der Zusammenhang hierbei nur im Querschnitt untersucht, jedoch wurden von 6.539 Kinder im Alter von neun bis elf Jahren Daten erhoben, was eine breite Population repräsentiert (Katzmarzyk et al., 2015).

Die Forschung für Übergewicht und Adipositas bei Kindern zeigt, dass die Prävalenzen in Deutschland im Vergleich zu zehn Prozent aus den 90er Jahren zumindest stagnierende Zahlen aufweisen (Schienkiewitz et al., 2018). Trotzdem sind in Deutschland immer noch 15,4 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig und 5,9 Prozent adipös (Schienkiewitz et al., 2018). Demnach ist die Prävalenz für Übergewicht und Adipositas nach wie vor hoch. Dabei sind Jungen und Mädchen gleichermaßen betroffen und es zeichnet sich ein ansteigender Trend mit zunehmendem Alter ab (Schienkiewitz et al., 2018). Zwischen drei und sechs Jahren sind bereits 10,8 Prozent der Mädchen und 7,3 Prozent der Jungen übergewichtig. Dieser Anteil erhöht sich bei den 14- bis 17-jährigen Jungen sogar auf mehr als das Doppelte (18,5 Prozent), wohingegen der Anteil der übergewichtigen Mädchen dieser Altersklasse auf 16,2 Prozent ansteigt. Dieser altersbezogene Anstieg setzt sich im Erwachsenenalter fort. Nach Angaben des Robert- Koch Instituts sind 47 Prozent der Frauen in Deutschland übergewichtig oder adipös. Bei den Männern sind es sogar 62 Prozent (Schienkiewitz et al., 2017).

1.3.2 Kardiometabolisches Risiko

Studien zeigten auch Zusammenhänge von sedentären Verhaltensweisen mit diversen kardiometabolischen Risikofaktoren (Carson et al., 2016, Mitchell u. Byun, 2014, Saunders et al., 2014, Ekelund et al., 2012). Vergleicht man zwischen adipösen und normalgewichtigen Kindern kardiometabolische Werte, so gehen mit einer signifikant längeren Bildschirmzeit auch signifikant höhere Werte der Triglyceride und des HbA1C Wertes, sowie ein geringerer Wert des Cholesterins hoher Dichte (HDL) einher (Danielsen

(18)

8 et al., 2011). Aber auch unabhängig von Adipositas und Übergewicht können sedentäre Verhaltensweisen, vor allem die Bildschirmzeit, negative Auswirkungen auf den Stoffwechsel und das Herz-Kreislauf-System haben (Mitchell u. Byun, 2014, Saunders et al., 2014). Der Forschungsstand bei Kindern von sechs bis 18 Jahren zu kardiometabolischen Risikofaktoren zeigt bisher anhand von Querschnittstudien, dass sedentäres Verhalten mit einer geringeren Insulinsensitivität und mit gebündeltem metabolischem Risiko einhergehen kann (Mitchell u. Byun, 2014). Es existieren auch Hinweise darauf, dass die Sitzdauer mit Diabetes assoziiert ist (Saunders et al., 2014).

Kinder ohne Diabetes sind etwa eine Stunde am Tag weniger sedentär im Vergleich zu Kindern, bei denen erst kürzlich Diabetes diagnostiziert wurde (Kriska et al., 2013). Auch das Metabolische Syndrom ist im Kindesalter bereits mit der Bildschirmzeit assoziiert, ebenfalls unabhängig von Adipositas (Mitchell u. Byun, 2014). Bei Jungen konnte ein höheres metabolisches Risiko mit Videospielen in Verbindung gebracht werden (Mitchell u.

Byun, 2014). Eine Längsschnittuntersuchung zeigte, dass Fernsehen im Jugendalter (16 Jahre) ein Prädiktor für die Entwicklung eines Metabolischen Syndroms im Erwachsenenalter sein kann (Wennberg et al., 2013). Mehrfaches Fernsehen pro Woche verdoppelte das Risiko ein Metabolisches Syndrom bis zum 43. Lebensjahr zu entwickeln im Vergleich zu einmaligem wöchentlichem Fernsehen oder seltener. In dieser Studie mit fast 900 Schweden war der Fernsehkonsum auch mit zentraler Adipositas, niedrigerem Cholesterin hoher Dichte (HDL) und mit Bluthochdruck assoziiert (Wennberg et al., 2013).

Zum negativen Einfluss sedentären Verhaltens auf den Blutdruck und die Blutfette liegen für Kinder jedoch nur wenige Studien vor. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2014 wurden acht Studien zum Blutdruck gefunden, wovon drei Untersuchungen einen höheren systolischen Blutdruck bei längerer Bildschirmzeit gemessen haben. Für die objektiv erfasste Sitzdauer konnte zumindest eine Studie einen höheren systolischen Blutdruck finden. Dem entgegen gestellt ist Lesen mit einem niedrigeren Blutdruck (gemessen systolisch, diastolisch, an der Hauptarterie) assoziiert (Mitchell u. Byun, 2014). Insgesamt ist die Evidenzbasis der Auswirkungen auf den Blutdruck und die Blutfette im Kindesalter noch dünn und inkonsistent. Dagegen liegen Ergebnisse bei Erwachsenen zum Blutdruck und zu Blutfettwerten vor, die eine negative Assoziation mit sedentären Verhaltensweisen belegen (Mitchell u. Byun, 2014).

Darüber hinaus gibt es vereinzelt Hinweise auf eine Verbindung von sedentärem Verhalten mit der Knochengesundheit bei Kindern. Es konnte gezeigt werden, dass der Gehalt an Knochenmineralien negativ mit der Internetnutzung bei Jungen im jugendlichen Alter assoziiert ist (Gracia-Marco et al., 2012). Bei gleichaltrigen Mädchen hängt die Zeit, die mit Lernen und Studieren verbracht wurde mit dem Knochenmineralstoffgehalt des Oberschenkelhalses negativ zusammen (Gracia-Marco et al., 2012). Unterstützend konnte eine Untersuchung mit 1.348 Kindern und Jugendlichen (acht bis 22 Jahre) ebenfalls einen negativen Zusammenhang der Bildschirmzeit mit dem Gehalt der Knochenmineralien im Oberschenkelhals bei Jungen und Mädchen messen (Chastin et al., 2014). Eine zusätzliche Stunde Bildschirmzeit am Tag verringert den Gehalt der Knochenmineralien am Oberschenkelhals bei Mädchen um 0,77g und bei Jungen um 0,45g, unabhängig von der körperlichen Aktivität (Chastin et al., 2014). Allerdings konnte in dieser Untersuchung keine Verbindung von der gesamten Sitzdauer oder von sedentären Verhaltensweisen ohne Bildschirm mit der Knochengesundheit gefunden werden (Chastin et al., 2014).

(19)

9

1.3.3 Körperliche Fitness

Neben den Auswirkungen sedentärer Tätigkeiten auf den Metabolismus und die Körperzusammensetzung fanden Untersuchungen bei Kindern auch Werte verringerter körperlicher Fitness (Saunders u. Vallace, 2017, Sandercock et al., 2016, Carson et al., 2016, Tremblay et al., 2011, Chinapaw et al., 2011). Die motorische Entwicklung kann bereits bei 15 bis 35 Monate alten Kleinkindern durch exzessives Fernsehen verlangsamt werden (Ling-Yi et al., 2015). Eine längere Sitzdauer am Wochenende ist mit geringerer Ausdauerleitungsfähigkeit (20 Meter Shuttle-Run Test) bei zehn bis 15-jährigen Jugendlichen aus England verknüpft, unabhängig von körperlicher Aktivität (Sandercock et al., 2016). Jungen haben häufiger eine schlechtere kardiorespiratorische Fitness, wenn sie einen Receiver oder digitales Fernsehen besitzen, während bei Mädchen die Nutzung sozialer Medien mit geringerer Ausdauerleitungsfähigkeit in Verbindung steht (Sandercock et al., 2016). Auch die Kraftleistungsfähigkeit ist bei sechs- bis 15-jährigen Kindern und Jugendlichen invers mit dem Fernsehen assoziiert, jedoch nicht mit der Computernutzung (Edelson et al., 2016). Zwei Übersichtsarbeiten berichteten schon 2011 von moderater Evidenz zu der Verbindung von aerober Fitness und sedentärem Verhalten, primär mit dem Fernsehkonsum (Chinapaw et al., 2011, Tremblay et al., 2011).

1.3.4 Psychische Gesundheit

Auch die mentale bzw. psychische Gesundheit kann durch sedentäre Verhaltensweisen negativ beeinflusst werden (Stanczykiewicz et al., 2019, Saunders u. Vallace, 2017, Carson et al., 2015, Suchert et al., 2015, Liu et al., 2015, Herman et al., 2015). Bereits bei Kindern von unter fünf Jahren gibt es geringe bis moderate Evidenz, dass die kognitive Entwicklung (z.B. Sprache, exekutive Funktionen) negativ mit der Bildschirmzeit, zumeist mit dem Fernsehkonsum, assoziiert ist (Carson et al., 2015, Ling-Yi et al., 2015). Überschreitet der tägliche Fernsehkonsum zwei Stunden, so besteht anhand der Selbstbewertung von zwölf- bis 17-Jährigen ein 30 bis 50 Prozent höheres Risiko für eine suboptimale mentale Gesundheit (Herman et al., 2015). Es gibt starke Evidenz dafür, dass eine lange Bildschirmzeit mit mehr Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsproblemen zusammenhängt, dass das psychologische Wohlbefinden geschmälert werden kann und dass die wahrgenommene Lebensqualität der Kinder reduziert ist (Saunders u. Vallace, 2017, Suchert et al., 2015, Tremblay et al., 2011). Auch das Selbstwertgefühl sowie pro-soziales Verhalten kann durch sedentäre Verhaltensweisen, meistens durch eine Fernsehdauer von über zwei Stunden pro Tag, negativ beeinflusst bzw. verringert werden (Saunders u.

Vallace, 2017, Carson et al., 2015, Suchert et al., 2015, Tremblay et al., 2011). Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass auch die Ängstlichkeit von Kindern erhöht und die Entwicklung einer Depression verstärkt werden kann (Stanczykiewicz et al., 2018, Saunders u. Vallace, 2017, Liu et al., 2015). Eine aktuelle Übersichtsarbeit und Meta- Analyse berichtet einen signifikanten Zusammenhang von Angst mit einer längeren Sitzdauer (Stanczykiewicz et al., 2018). Obwohl diese Effekte im Durchschnitt klein waren, zeigte sich ein Trend von stärkeren Effekten bei Erwachsenen im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen (Stanczykiewicz et al., 2018). Zur Assoziation von Bildschirmzeit und Depression bei Kindern und Jugendlichen liegen eindeutigere Ergebnisse vor (Liu et al., 2015). Laut dieser Meta-Analyse erhöht die Bildschirmzeit bei Kindern und Jugendlichen das Risiko für eine Depression um zwölf Prozent (OR = 1,12). Darüber hinaus gibt es sogar Hinweise, dass der akademische Erfolg von unter 18-Jährigen durch eine Bildschirmdauer

(20)

10 von mehr als zwei Stunden pro Tag Schaden nehmen könnte (Saunders u. Vallace, 2017, Tremblay et al., 2011).

1.3.5 Bestehendes Gesundheitsrisiko

Es ist festzuhalten, dass sedentäre Verhaltensweisen bei Kindern aller Altersklassen (bis 18 Jahre) ein Gesundheitsrisiko darstellen können, welches unabhängig von körperlicher Aktivität besteht (Saunders u. Vallace, 2017, Mitchell u. Byun, 2014, Salmon et al., 2011).

Die bestehende Literatur zeigt deutlich, dass sich sedentäre Verhaltensweisen negativ auf zahlreiche Gesundheitsindikatoren auswirken können. Auch wenn die Erkenntnisse weniger aus Längsschnittstudien stammen, beeinflusst insbesondere die Bildschirmzeit die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mehrdimensional (Saunders u. Vallace, 2017).

Zusammengefasst können sedentäre Verhaltensweisen diverse Krankheitsbilder wie Adipositas, das Metabolische Syndrom, Depression, tendenziell auch Diabetes und Bluthochdruck schon im Kindesalter begünstigen. Die Entwicklung der Kinder kann sozial, emotional, kognitiv und auch motorisch primär durch eine zu lange Bildschirmzeit gestört und negativ beeinflusst werden, was den allgemeinen Gesundheitszustand verschlechtern kann. Neben der bestehenden Gefährdung der Gesundheit werden sedentäre Verhaltensweisen aus dem Kindesalter meist in das Erwachsenenalter übertragen und beibehalten (Hirvensalo u. Lintunen, 2011, Singh et al., 2008). Diese Fortführung kann später zu (weiteren) Gesundheitsproblemen führen (Owen et al., 2011, Owen et al., 2010).

Darüber hinaus steigert die tägliche Sitzdauer und besonders das Fernsehen bei Erwachsenen das Mortalitätsrisiko insgesamt, das Sterberisiko kardiovaskulärer Erkrankungen sowie das von Diabetes Typ zwei, jeweils ebenfalls unabhängig von körperlicher Aktivität (Patterson et al., 2018, Owen et al., 2010). Bei unter acht Stunden täglicher Sitzdauer erhöht jede einzelne Stunde das gesamte Sterberisiko um ein Prozent (RR=1,01) und bei über acht Stunden um vier Prozent (RR=1,04). Dabei ist das Mortalitätsrisiko durch Fernsehen jeweils schneller angestiegen (Patterson et al., 2018).

Aufgrund der eindeutigen Gefährdung der Gesundheit durch sedentäre Verhaltensweisen unabhängig von körperlicher Aktivität (Saunders u. Vallace, 2017, Mitchell u. Byun, 2014, Salmon et al., 2011) sollte ein sitzender Lebensstil neben dem Bewegungsmangel als eigenständiger Risikofaktor für die Gesundheit bereits im Kindesalter betrachtet und adressiert werden (Bucksch u. Dreger, 2014).

1.3.6 Physiologie sedentärer Verhaltensweisen

Obwohl zahlreiche Gesundheitsindikatoren durch sedentäres Verhalten negativ beeinflusst werden können, ist zu der Ätiologie sehr wenig Wissen vorhanden. Die Forschung zu den biologischen Mechanismen, die sogenannte „sedentary physiology“ befasst sich vorwiegend mit dem überaus geringen Energieverbrauch von sedentären Verhaltensweisen, welcher laut Definition zwischen dem Grundumsatz (1 MET) und bis zu 50 Prozent darüber (1,5 MET) liegt (SBRN, 2012).

Wenige Studien mit Erwachsenen zeigen, dass schon eine kürzere Zeit ununterbrochenes Sitzen direkte Auswirkungen auf die metabolische Gesundheit haben kann, unabhängig von Veränderungen des Körpergewichts oder anderem Gesundheitsverhalten (Saunders et al., 2014). Sobald keine körperliche Aktivität stattfindet, sinkt der Energieumsatz in bestimmten Skelettmuskelgruppen rapide ab. Dieser Mechanismus basiert auf dem Wissen, dass der muskuläre Energiebedarf, der Bedarf an Adenosintriphosphat (ATP), von

(21)

11 der kontraktilen Aktivität der Muskulatur abhängig ist. Um sich anzupassen haben Skelettmuskeln einen deutlich variableren Energiebedarf als andere Organe oder Gewebe (Hamilton u. Owen, 2012). Bei verringerter bis hin zu keiner Muskelaktivität nimmt auch der Energiebedarf im gesamten Körper im Verlauf des Tages ab, was bei längeren Sitzzeiten der Fall ist (Hamilton u. Owen, 2012). Dem zugrunde liegt die Aktivierung von motorischen Einheiten, welche aus den Muskelfasern bestehen, die von einer einzigen Nervenzelle aktiviert werden können (motorische Einheit = von einer Nervenzelle aktiviertes Muskelfaserbündel). Manche motorische Einheiten werden im Stehen oder im alltäglichen Leben kaum genutzt (teilweise weniger als eine Minute pro Tag), während andere selbst ohne körperliches Training fast ununterbrochen arbeiten (Hamilton u. Owen, 2012). Die jeweiligen Muskelgruppen haben durch die Ansteuerung in motorischen Einheiten einen unterschiedlich großen Anteil an dem gesamten Energieumsatz, weshalb je nach Aktivierung der Muskelgruppe der Energiebedarf wesentlich oder unwesentlich ansteigen kann. Durch eine Aktivierung von etwa drei Prozent oder etwa einem Kilogramm Muskelmasse kann sich aufgrund der Größe von motorischen Einheiten (z.B.

Beinmuskulatur) der gesamte Energieumsatz schlagartig verdoppeln (Hamilton u. Owen, 2012).

Die motorischen Einheiten innerhalb von Skelettmuskeln bestehen zudem aus zwei verschiedenen Fasertypen. Es existieren ermüdungssensitive, glykämische Muskelfasern, zu deren Aktivierung eine hohe Intensität benötigt wird. Dagegen arbeiten oxidative Fasern primär unter der Verarbeitung von Sauerstoff, weshalb sie eher länger ermüdungsresistent sind und bereits bei geringster Intensität kontrahieren. Diese Fasern verfügen über eine zehnfach höhere Konzentration des Enzyms Lipoproteinlipase als die glykämischen Muskelfasern. Die Lipoproteinlipase ist für die Regulation des Fettstoffwechsels sowie der Fetteinlagerung relevant und dient dem Abbau von Triglyceriden. Bereits leichte körperliche Aktivität signalisiert den oxidativen Muskelfasern die Lipoproteinlipase zu aktivieren und Triglyceride aus dem Plasma aufzunehmen, womit auch die Konzentration des HDL- Spiegels im Blut auf hohem Level bleibt. Es konnte gezeigt werden, dass die Aktivität der Lipoproteinlipase innerhalb von Stunden körperlicher Inaktivität lokal um das Zehnfache verringert wird. Folglich steigt im Blutplasma die Konzentration der Triglyceride, während das Niveau des Cholesterins hoher Dichte (HDL) nicht aufrechterhalten werden kann (Hamilton u. Owen, 2012). Darüber hinaus steht die Beeinträchtigung des Fettstoffwechsels in Verbindung mit einer Beeinträchtigung des Glukose-Stoffwechsels. Es wird vermutet, dass die Aufspaltung der Blutglukose ebenfalls reduziert wird, was zu parallel zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels führt (Hamilton u. Owen, 2012, Bucksch u. Dreger, 2014).

Dieser Effekt entsteht nur durch die oxidativen Muskelfasern und ist eine lokal begrenzte Erklärung in der Physiologie sedentärer Verhaltensweisen, da die glykämischen Fasern nicht auf leichte körperliche Aktivität ansprechen (Hamilton u. Owen, 2012). Jedoch sind einige oxidative Fasern in der großen Muskelmasse von Beinen und Rumpf enthalten, die beim Stehen zwar nur mit sehr geringer Intensität belastet werden, jedoch aufgrund der Masse einen bedeutend höheren, etwa doppelt so hohen, Energieverbrauch generieren (Hamilton u. Owen, 2012). Sowohl der Fett- als auch der Glukose-Stoffwechsel sind mit kardiovaskulären und metabolischen Erkrankungen assoziiert, weshalb sie eine wichtige Rolle in der Prävention von diversen Erkrankungen einnehmen.

(22)

12

1.4 Maßnahmen zur Reduktion sedentärer Verhaltensweisen

Aufgrund der hohen Prävalenz und der bestehenden Gesundheitsgefährdung durch sedentäre Verhaltensweisen ist es notwendig, die Sitzdauer bereits im Kindesalter zu reduzieren. Vor dem Aspekt der Gesundheitsförderung und -erhaltung wurden neben den Empfehlungen der WHO zur körperlichen Aktivität (WHO, 2010) inzwischen auch national und international Richtlinien zu sedentären Verhaltensweisen veröffentlicht (Graf et al., 2017, Rütten u, Pfeifer et al., 2016, Tremblay et al., 2016). Durch solche Empfehlungen sollen der Entwicklung eines sitzenden Lebensstils frühzeitig entgegenwirken

Nach den internationalen Richtlinien der Kanadischen Gesellschaft für Trainingsphysiologie (Canadian Society for Exercise Physiology) sollten Kinder im Alter von fünf bis 17 Jahren täglich nicht mehr als zwei Stunden ihrer Freizeit mit Bildschirmmedien verbringen und Sitzen über längere Zeiträume weitestgehend limitieren (Tremblay et al., 2016). Erstellt wurden diese Richtlinien für das Sitzverhalten von Kindern auf der Basis eines strengen Verfahrens, welches in einer Publikation transparent dargestellt wurde (Tremblay et al., 2016). Am Entwicklungsprozess für die Richtlinien waren diverse Vertretern aus kanadischen Organisationen (Endnutzer, Interessensvertreter, Inhaltsexperten, Methodikern) beteiligt, wodurch eine große Spannbreite von Expertisen involviert werden konnte. Zur Generierung der Richtlinien wurden die eingeschlossenen Reviews anhand eines Bewertungsverfahrens beurteilt, womit den Richtlinien eine hohe Qualität zugrunde gelegt werden sollte. Diesem Bewertungsverfahren liegen wiederum Leitlinien für die Forschungsevaluation zugrunde (Appraisal of Guidelines for Research Evaluation = AGREE II). Anhand dieser Leitlinien für die Forschungsevaluation werden die verwendeten Reviews beurteilt, indem die Empfehlungsbewertung, Entwicklung und Evaluierung standardisiert anhand von Qualitätspunkten bewertet werden (Grading of Recommendations Assessment, Development, and Evaluation = GRADE). Komplementär dazu wurden Gemeinschaftsanalysen anhand der Daten einer kanadischen Gesundheitsumfrage erstellt, um Verknüpfungen mit aus der Literatur gewonnenen Gesundheitsindikatoren zu untersuchen. Für den ersten Entwurf der Empfehlungen wurden Rückmeldungen durch eine Umfrage sowie durch Gruppeninterviews mit den Interessensvertretern eingeholt. Schließlich wurden proaktiv Pläne zur Verbreitung, Umsetzung und Evaluation ausgearbeitet, um die neuen Richtlinien optimal nutzen und aktivieren zu können.

In Deutschland wurden nationale Empfehlungen zur Begrenzung der Bildschirmzeit altersgruppenspezifisch entwickelt (Graf et al., 2017, Rütten u. Pfeifer, 2016). Demnach sollten Säuglinge und Kleinkinder gar keine Bildschirmmedien nutzen, Kindergartenkinder maximal 30 Minuten und Grundschulkinder maximal 60 Minuten pro Tag. Im Jugendalter liegt das empfohlene Limit bei 120 Minuten täglich und entspricht erst dann der Dauer der kanadischen Empfehlungen. Auch für diese Entwicklung wurde systematisch recherchiert und die Qualität der Literatur anhand eines Verfahrens basierend auf der AGREE II- bzw.

der DELPHI-Methodik bewertet (Graf et al., 2017). Die ursprünglich 28 Items der beiden Methoden wurden auf vier Domänen anhand der DELPHI-Befragung reduziert. Aus den bewerteten und zusammengefassten Literaturergebnissen wurden schließlich die genannten Empfehlungen abgeleitet (Graf et al., 2017).

Insgesamt wird für eine Begrenzung der gesamten Sitzdauer ausschließlich eine Minimierung empfohlen, weshalb täglich so wenig Zeit wie möglich sedentär verbracht

(23)

13 werden sollte. Dieser Grundsatz gilt auch für den Medienkonsum, wobei für den Medienkonsum je nach Altersklasse eine Limitierung anhand von Maximalwerten empfohlen wird. Bisher geben die Richtlinien keine Maximalwerte zur Deckelung der gesamten täglichen Sitzdauer von Kindern und Jugendlichen an. Ab welcher Länge die tägliche Sitzdauer und somit ein (erhöhtes) Gesundheitsrisiko vorliegt ist noch nicht geklärt.

1.4.1 Interventionen und ihre Wirksamkeit

Neben der Limitierung sedentärer Verhaltensweisen auf der Basis von Empfehlungen werden sedentäre Tätigkeiten in Interventionen teilweise als eigenständige Risikofaktoren adressiert (King et al., 2019, Biddle et al., 2014), um Kinder frühzeitig für einen gesunden Lebensstil zu sensibilisieren.

Anhand der Literatur bis 2016 zeigen sich zwar nur kleine, aber einheitliche Effekte bei der Reduktion sedentärer Verhaltensweisen bei Kindern (Biddle et al., 2014) und Jugendlichen (King et al., 2019, Biddle et al., 2014). Die meisten Interventionen adressierten die Bildschirmzeit oder den Medienkonsum, insbesondere durch den Endpunkt Fernsehen, um sedentäres Verhalten zu reduzieren (King et al., 2019, Alfes et al., 2016). Dabei werden die Interventionen meist über die Schule angeboten und für mindestens sechs Monate durchgeführt (King et al., 2019, Bucksch u. Dreger 2014). Laut der jüngsten Übersichtsarbeit konnte selbstberichtetes sedentäres Verhalten um etwa 20 Minuten pro Tag verringert werden unabhängig davon, ob die Intervention Strategien kombinierte oder nicht (King et al., 2019). Häufig kombinierte und effektive Strategien waren das Einbeziehen der Eltern, angepasste Rückmeldungen zu Bildschirmaktivitäten, schulische Beratung sowie die Begrenzung des Fernsehens und anderen Bildschirmmedien z.B. durch die Verwendung von Freigabegeräten (King et al., 2019, Alfes et al., 2016, Biddle et al., 2014).

Eine andere Übersichtsarbeit berichtet eine Reduktion von etwa 4,5 Stunden pro Woche durch Interventionen, die ausschließlich auf die Bildschirmzeit abzielen (Wu et al., 2016).

Dabei wurden 14 Studien mit 2.238 Teilnehmern im Alter von drei bis 54 Jahren analysiert.

Die meisten dieser Studien wurden in den USA durchgeführt. Effekte waren signifikant in Studien, welche länger als sieben Monate andauerten und die Edukation sowie Beratung zur Gesundheitsförderung beinhalteten (Wu et al., 2016).

Andererseits berichtet eine Längsschnittstudie auf der Basis von objektiven Messungen keine signifikante Veränderung des sedentären Verhaltens (Fröberg et al., 2018). Die 135 schwedischen Kinder erhielten zwei Jahre lang Maßnahmen vor allem in Form von Edukation zur Gesundheitsförderung in Seminaren. Außerdem gab es eine geschlossene Gruppe auf Facebook zum Austausch und zur Informationsbereitstellung von Veranstaltungen im Programm (Fröberg et al., 2018). Dabei bleibt offen, ob die Mediennutzung von Facebook die Interventionseffekte negativ beeinflusst haben könnte.

Ähnlich zeigen drei Studien mit europäischen Kindern keine Interventionseffekte auf die objektiv oder subjektiv gemessene Sitzdauer (Verbestel et al., 2015, Vik et al., 2015, Van Lippevelde et al., 2014): In die schul-randomisierte und kontrollierte UP4FUN Intervention waren Kinder aus Deutschland, Belgien, Griechenland, Ungarn und Norwegen inkludiert.

Die sechs-wöchige Intervention bestand aus ein bis zwei Schulstunden pro Woche mit Edukation zur Reduktion und Sensitivierung für sedentäre Verhaltensweisen sowie zugehörigen Hausaufgaben. Sedentäre Verhaltensweisen wurden via Bewegungssensor gemessen, während die Bildschirmzeit und Pausen der Sitzdauer anhand eines Fragebogens selbst dokumentiert wurden. In beiden Studien konnten keine signifikanten

(24)

14 Interventionseffekte zur Reduktion sedentärer Verhaltensweisen festgestellt werden (Vik et al., 2015, Van Lippevelde et al., 2014). In der nicht-randomisierten IDEFICS Studie war zwei Jahre nach der Intervention die tägliche Sitzdauer der zwei- bis zehnjährigen Jungen und Mädchen sogar signifikant um vier Prozentpunkte gestiegen. Dieses Ergebnis basiert auf Daten von 7.413 Kindern aus diversen europäischen Ländern, darunter auch Deutschland. Die Module der Intervention wurden in der Schule, Familie und Gemeinschaft umgesetzt und adressierten unter anderem eine Reduktion der täglichen Fernsehzeit (Verbestel et al., 2015).

Eine aktuelle Übersichtsarbeit und Meta-Analyse von Blackburn und Kollegen (2020) fasst 84 Veröffentlichungen bis Mai 2019 zu Interventionseffekten bei Kindern bis 18 Jahren zusammen (Blackburn et al., 2020) und berichtet primär von kleinen Interventionseffekten.

Von den inkludierten Studien waren 62 (Kluster-) randomisierte Studien, zwei Untersuchungen waren im Cross-Over Design und weitere 22 Studien wurden quasi experimentell durchgeführt. Wieder wurden sedentäre Verhaltensweisen primär mittels Selbstbericht erhoben. Deshalb wurden 49 Untersuchungen anhand des GRADE Systems mit hohem Risiko zur Verzerrung aufgrund der Messmethodik eingeordnet (fast 60 Prozent Erhebung via Selbstbericht). Die übrigen 35 Studien wurden mit geringem Verzerrungsrisiko bewertet, da sie für Messungen sedentärer Verhaltensweisen Geräte bzw. Bewegungssensoren einbezogen hatten. Die Kontrollgruppen erhielten entweder keine Intervention bzw. waren auf der Warteliste (inaktiv) oder sie erhielten eine alternative Intervention (aktiv). Anhand der Meta-Analyse konnten insgesamt moderate Reduktionen der täglichen Sitzdauer von 25 Minuten (-25,86 [-40,77, -10,96]) durch Interventionen von weniger als sechs Monaten im Vergleich zu einer inaktiven Kontrollgruppe gefunden werden, während es nur noch 14 Minuten (-14,02 [-19,49, -8,55]) weniger bei Interventionen von über sechs Monaten waren (Blackburn et al., 2020). Beim Vergleich mit einer aktiven Kontrollgruppe zeigte sich insgesamt eine Reduktion von fast einer Stunde (-59,90 [-102,16, -17,65]) durch Kurzzeitinterventionen, während für Interventionen über sechs Monate keine signifikanten Ergebnisse gefunden werden konnten. Demnach verlieren Interventionen mit längerer Dauer scheinbar an Effektivität. Eventuell ist das auf eine schwindende Motivation durch die Zeit zurückzuführen. Jedoch bleibt das bisher nur zu spekulieren.

Auch wenn wenige Ergebnisse eine Tendenz für kleine Effekte durch Interventionen aufzeigen, so existieren andererseits Studien, die keine signifikanten Interventionseffekte zeigen konnten. Deshalb bleiben die Erkenntnisse zu Interventionseffekten im Kindesalter noch unschlüssig. Zudem fehlen qualitativ hochwertige Studien und die Interventionen sind sehr heterogen in der Messmethodik, weshalb die Ergebnisse schwer vergleichbar sind (Blackburn et al., 2020).

1.4.2 Interventionen in Deutschland

Zu Maßnahmen, die sedentäre Verhaltensweisen bei Kindern in Deutschland adressieren, sind bisher nahezu keine Publikationen vorhanden (Alfes et al., 2016, Blackburn et al., 2020). In der aktuellen Liste mit 84 Studien aus der systematischen Arbeit von Blackburn und Kollegen (2020) konnte neben den zuvor genannten europäischen Studien (Verbestel et al., 2015, Vik et al., 2015, Van Lippevelde et al., 2014), die Kinder aus Deutschland zwar einbezogen, jedoch nicht einzeln ausgewertet hatten, keine weitere Untersuchung mit Daten von Kindern aus Deutschland gefunden werden. Laut Alfes und Kollegen (2016) existiert nur eine Untersuchung mit Kindern in Deutschland, welche auch eine Reduktion

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Gleichzei- tig kann davon ausgegangen werden, dass das sportbezogene Fähigkeitsselbstkonzept und damit auch das generelle Selbstkonzept gestärkt werden können, indem die Kinder

Die Handreichung greift grundlegende Aspekte des Orientierungsplans Baden-Württemberg zum Bildungs- und Entwicklungsfeld „Gefühl und Mitgefühl“ auf und stellt zehn

Aggressives Verhalten ist für die pädagogische Praxis ein hochrelevantes Thema.. Werke, die zu diesem Fachgebiet in fundierter und

Wenngleich sich bei Mädchen kein signifikanter Zusammenhang zwischen Gewichtsstatus und körperlicher Aktivität zeigte, so lag bei den übergewichtigen/adipösen Jungen im Vergleich

Tipps für Bewegungsmöglichkeiten, wenn die Kita nicht besucht werden kann. • • • Erzieherinnen und Erzieher gestalten in kurzen Videos eigene

• • • kann von Schülerinnen und Schülern unter Anleitung ein eigener Trainingsplan er- stellt werden lassen (ggf. auch als Partnerarbeit für eine Mitschülerin oder

Auch die Eltern können durch die Bereitstellung von Bewegungsideen bei der Frage unterstützt werden, wie ihre älteren Kinder oder sie mit ihren jüngeren Kindern angemessen

Alle Beteiligten einer Veranstaltung, sowie die Eltern der minderjährigen Kinder und Jugendlichen sind über alle Hygienemaßnahmen bereits im Voraus durch den Veranstalter zu