• Keine Ergebnisse gefunden

5. C ONTROLLING VON S OZIALEN D IENSTLEISTUNGEN

5.3 Kennzahlen

5.3.2 Nicht-monetäre Kennzahlen

Insbesondere für den den Bereich der Sozialen Dienstleistungen spielen nicht-monetäre (qualitative) Kennzahlen eine große Rolle. Gegliedert werden diese nach unterschiedlichen Dimensionen, die in Tabelle 3 mit einigen Beispielen angeführt sind (Halfar et al 2014: 239ff, Bono 2010: 142ff). Für die Gemeinwesenarbeit könnten etwa Kennzahlen wie die Auslastung, die Zuwachsquote an Mitgliedern oder Reputations- bzw. Kooperationszahlen relevant sein.

Material- und Warenwirtschaft Lagerbestand Lagerumschlag

Verpflegungskosten je Pflegetag

Fachliche Leistungsplanung Zielerreichungsqoute, Abweichungsquote Wiederholungs-/Nachhaltigkeitsquote

Tabelle 3: Beispiele für NPO-Kennzahlen (eigene Darstellung)

Controlling von Sozialen Dienstleistungen

36

Weitere allgemeine qualitative Kennzahlen können sein (Weber & Schäffer 2008: 175;

Gleich & Klein 2010: 49ff): Markt- und Kund/innenkennzahlen (z.B. Marktanteil, Akquisitionsrate), Prozesskennzahlen (z.B. Fehlerquote, Kapazitätsauslastung), Mitarbeiter/innen-Kennzahlen (z.B. Krankenstand, Fluktuation) und Innovationskennzahlen (z.B. Innovationsrate, Vorschlagsquote).

Einen besonderen Stellenwert haben Kennzahlen im Bereich Personal, da Mitarbeiter/innen einen wesentlichen, wenn nicht sogar den entscheidenden Faktor für die erfolgreiche Führung von SWO darstellen. Es wird davon ausgegangen, dass motivierte, zufriedene Mitarbeiter/innen der Organisation in der Regel länger erhalten bleiben und ihre Einsatzbereitschaft und ihre Ideen die treibende Kraft der Weiterentwicklung sind.

Leistungsorientierte Vergütung scheint hierbei einen eher untergeordneten Stellenwert zu besitzen, die Identifkation mit der Organisation und der Sozialen Dienstleistung an sich sowie ein unterstützendes Umfeld scheinen hingegen relevanter zu sein (Bono 2010: 110ff, ebd.: 142ff). Ein weiteres Spezifikum von SWO ist der Einsatz von ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen, welche für die erfolgreiche Erstellung von Sozialen Dienstleistungen oftmals ausschlaggebend sind (Roß 2014: 435f). Beispiele für Kennzahlen zu Mitarbeiter/innen werden in Tabelle 4 dargestellt (Bono 2006: 173ff, Bono 2010: 142f, Halfar et al 2014: 239ff):

Tabelle 4: Kennzahlen für Mitarbeiter/innen (eigene Darstellung)

Entsprechend der jeweiligen Rahmenbedingungen der SWO können die einzelnen Kennzahlen in der Praxis ausgewählt, adaptiert bzw. (weiter-) entwickelt werden, so auch für die GWA. Ausschlaggebend für die Auswahl wird die Art der Sozialen Dienstleistung, die Form der Finanzierung, der Zugang zu Kund/innen, etc. sein, dies wird im Empirie-Teil der Arbeit näher erläutert.

Controlling von Sozialen Dienstleistungen

37 5.3.3 Wirkungskennzahlen

Um intendierte Wirkungen messbar zu machen bedarf es vorab einer Klärung, was überhaupt bewirkt werden soll (d.h. welche soziale Problemlage soll vermindert, gelöst oder vermieden werden). Dies kann anhand zuvor definierter, messbarer und überprüfbarer Indikatoren vorgenommen werden. Sie zeigen die Qualität von Handlungen, Leistungen und Ergebnissen an. Leistungsqualität bezieht sich auf Strukturen und Prozesse (Output), Ergebnisqualität auf die unmittelbar Auswirkung (Effect). Indikatoren benötigen stets Parameter und inhaltliche Maßstäbe (Beurteilungskriterien). Anhand von Messgrößen wie Kennzahlen erfolgt eine Skalierung, um Sollwerte zu bestimmen, denn nicht-intendierte Wirkungen bzw. ungewollte Nebeneffekte müssen vermieden werden. Die Planung bedarf stets des Miteinbezugs sämtlicher Akteursgruppen wie Klient/in, Organisation, Fördergeber/in und Umfeld. Zusammengefasst bedarf es im Prozess der Wirkungsorientierung einer umfassenden Problem- und Zielformulierung, eines laufenden Controllings und einer abschließenden Wirkungsevaluation (Uebelhart 2014: 753f).

Um die Perspektiven aller Stakeholder zu berücksichtigen bietet sich eine Wirkungsmatrix im Sinne des Performance Manangements an. Dadurch können auch für SWOs typische Widersprüche aufgezeigt werden, wie in Tabelle 5 dargestellt (Bono 2010: 80ff).

MITARBEITER TEILNEHMER AM

Kompetenzen Nutzen aus dem Produkt Tabelle 5: Wirkungsmatrix Arbeitsprojekt (Bono 2010)

Controlling von Sozialen Dienstleistungen

38

Performance Management ermöglicht ein neues Verständnis darüber, wie Soziale Arbeit gesteuert werden kann. Kontovers diskutiert wird in Fachkreisen, inwieweit valide Verknüpfungen im Rahmen von Ursache-Wirkungsketten überhaupt denkbar sind. In der Praxis ist der Nutzen von Wirkungsanalysen darin zu sehen, Entscheidungsträger in Dialog zu bringen und anhand der Betrachtung der Prozessabläufe Lernprozesse in Gang zu setzen (Bono 2010: 80ff).

Als weiteres methodisches Verfahren der Wirkungsanalyse wäre die Kosten-Wirksamkeits-Analyse zu nennen. Bei dieser werden nicht-monetäre Wirkungskomponenten erfasst und entsprechenden Kosten gegenübergestellt werden (z.B. Kosten für Senkung der Säuglingssterblichkeit um bestimmten Prozentsatz). Die Zahlungsbereitschaftsmessung hingegen sagt aus, wieviel eine Verbesserung der Lebensqualität in Geldeinheiten für das Individuum wert wäre (z.B. Wie hoch wäre der maximal akzeptierte Preis für eine soziale Dienstleistung). Das QUALY-Konzept wiederum beurteilt Handlungsalternativen in Bezug auf Restlebenserwartung und Lebensqualitätseffekte (z.B. nach erfolgter Chemotherapie).

Es versteht sich an dieser Stelle von selbst, dass ethische Aspekte eine wesentliche Rolle für Wirkungsmessungen spielen können und daher stets miteinbezogen werden müssen.

Ergänzend zu den bereits genannten spezifischen Kennzahlen für SWO können beispielhaft Wirkungsindikatoren genannt werden (Bono 2010: 146ff): Einstellung und Verhalten (z.B. Sensibilisierungsquote, Verhaltensänderungsquote), gesellschaftlicher Status (z.B. Arbeitsquote, Quote selbständiges Wohnen, Quote Sozialer Aufstieg) sowie Gesundheit (z.B. Rückgang gesundheitlicher Probleme, langfristige Gesundheitsverbesserung).

In den letzten Jahren stand in Österreich, ausgehend durch Publikationen der Wirtschaftsuniversität Wien, der Social Return on Investment im Interesse der NPO-Forschung. Die SROI-Analyse erhebten den Anspruch, derzeit am umfassendsten die Komplexität von SWO in Bezug auf Wirkung zu evaluieren. Kausalzusammenhänge für Projekte, Programme und Organisationen werden analysiert, die identifizierten Wirkungen quantifiziert und dem investierten Kapital gegenübergestellt. Die Stakeholder-Perspektive wird dabei stark berücksichtigt. Es wird ebenfalls betrachtet, ob im Falle des Nicht-Vorhandenseins der Sozialen Dienstleistung auch alternative Möglichkeiten existiert hätten, die ähnliche oder gleiche Leistungen bzw. Wirkungen erzeugt hätten (Nettowirkungen).

“Daraus ergibt sich der SROI-Wert, der als Kennzahl die soziale Rendite (Social Return) im Sinne von gesellschaftlicher Rendite des investierten Kapitals darstellt“ (Schober &

Rauscher 2014: 35ff). Kritisiert wird diese Analyse hinsichtlich ihrer Annahme, dass soziale Auswirkungen von Interventionen universal messbar und bewertbar sind. Auch die

Controlling von Sozialen Dienstleistungen

39

allgemeine Vergleichbarkeit verschiedener SWO ist nicht ausreichend gewährleistet (individuelle Berechnungsmethoden, Parameter und Schwerpunktsetzungen) (Loidl-Keil 2008: 2ff). Als Beispiel für das Ergebnis einer SROI-Berechnung wird das Café Vollpension herangezogen, wie in Tabelle 6 dargestellt (Burger & Rauscher 2016: 8f).

Stakeholder Investitionen

in Vollpension (in €) soziale Profite von Vollpension (in €) Gutes zu tun", der Sensibilisierung für das Thema und gemeinsamen Aktivitäten mit Senior/innen

121 249 € 23,3%

Mitarbeiter/innen

Profitieren durch ein fixes Ein- kommen, dem Wissen "etwas Gutes zu tun", der Sensibilisierung für das Thema, einer gestiegenen

Lieferant/innen Profitieren von (zusätzlichen)

Aufträgen 12 218 € 2,4%

Darlehensgeber/innen Darlehen 18 569 € Profitieren von Zinszahlungen 105 € 0,0%

Eigentümer/innen Eigenkapital 7 500 €

Profitieren von der Erfüllung der Mission; Erleiden einen finanziellen Verlustes

-26 910 € N/A

SUMME 321 481 € 492 789 € 100,0%

SROI 1,53

Tabelle 6: SROI-Berechnung Cafe Vollpension (nach Burger & Rauscher 2016)

Bei diesem Sozialgastronomieprojekt für den intergenerationalen Austausch zwischen Jung und Alt bereiten geringfügig angestellte Senior/innen Mehlspeisen nach alten Familienrezepten zu. Die Gäste sind meist jüngere Personen und interessiert an den Lebensgeschichten der Mitarbeiter/innen.

Controlling von Sozialen Dienstleistungen

40

Es ergibt sich für den Eigentümer Coca Cola Österreich zwar im Betrachtungszeitraum 2015 kein Gewinn aufgrund der Investitionen, der SROI ist jedoch positiv mit einem Wert von 1,53 (ergibt für jeden investierten Euro eine “Rentabilität” von € 1,53) (Burger &

Rauscher 2016: 8f).

Nach der ausführlichen Beschreibung der Möglichkeiten und Rahmenbedingungen des Controllings von SWO und der Bedeutung von Kennzahlen wird der theoretische Teil der vorliegenden Arbeit nun abgeschlossen. In den nächsten Kapiteln folgt eine Auseinandersetzung mit konkreten Sozialen Dienstleistungen am Beispiel von ausgewählten Projekten innerhalb der Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit bei der Caritas Wien. Die aus der Literatur gewonnen Erkenntnisse sollen in Bezug zu diesem Praxisfeld gesetzt und abschließend diskutiert werden.

Forschungsmethode

41 6. FORSCHUNGSMETHODE

Das folgende Kapitel setzt sich mit den forschungsmethodischen Zugängen der qualitativen Forschung auseinander. Es werden das Forschungsinteresse, die Methodenwahl, die Samplingstrategie, die Erhebungsinstrumente und die Vorgehensweisen bei der Auswertung der erhaltenen Daten beschrieben.

6.1 Forschungsinteresse und Fragestellung

Der Forschungsprozess zeigt sich als mehrstufiger Prozess, dessen erster Schritt die Festlegung des Forschungsinteresses ist. Dieses Interesse ist am Anfang oftmals unspezifisch und breit gefächert, benennt eher einen Bereich von Phänomenen bzw. ein Feld (Helfferich 2009: 26f). Im konkreten Fall handelt es sich dabei um die Steuerungsmechanismen, welche die Sozialwirtschaft prägen. Weiters um Besonderheiten, die Soziale Dienstleistungen aufweisen und den Bedarf von SWO-spezifischem Controlling.

Um eine Forschungsfrage formulieren zu können muss der aktuelle Stand der Forschung aufgearbeitet werden. Es muss definiert werden, welche Ergebnisse im Forschungsfeld bereits vorliegen und nicht mehr erhoben werden müssen, wie etwa empirische Ergebnisse anderer Untersuchungen (Gläser & Laudel 2010: 75). Die vorhandene Literatur zu Sozialwirtschaft, Sozialen Dienstleistungen, Gemeinwesenarbweit und SWO-Controlling wurde in den letzten Kapiteln aufgearbeitet.

Empirische Untersuchungen sollen generell eine Wissenslücke schließen, Widersprüche erklären, neues Wissen produzieren oder zumindest den Bedarf für neuerliche Untersuchungen aufzeigen (Gläser & Laudel 2010: 63). Die grundsätzliche Fragestellung einer qualitativen Erhebung beeinflusst den kompletten Untersuchungsplan in den unterschiedlichen Phasen: die Auswahl und die Konzeption des Forschungsdesigns, den Zugang zum Feld, die Bestimmung relevanter Samples, die Art der Datenerhebung und die Auswertung. Die Forschungsfrage soll anhand des gewonnenen Materials reflektiert, verfeinert und gegebenenfalls erweitert werden. Als Forschende/r sollte man stets offen bleiben für neue Erkenntnisse und überraschende Wendungen. Zu beachten ist darüberhinaus die Menge an produzierten Daten, eine begründete und zielführende Auswahl muss getroffen werden (Flick 2009: 132f). Die Forschungsfrage muss daher konkret formuliert und durch die Wahl der Untersuchungsmethoden beantwortbar sein.

Denn in der qualitativen Forschung ist eine vollständige Beschreibung der gesammelten Daten weder möglich noch sinnvoll. Die Person des Forschers/der Forscherin spielt eine wesentliche Rolle bei der Erhebung und Auswertung, legt er/sie doch die Grundlage für die Auswahl der gewonnenen Ergebnisse (Gläser & Laudel 2010: 63f).

Forschungsmethode

42

Die Darstellung in Abbildung 8 soll als Zwischenfazit die Erkenntnisse aus dem Theorieteil der Arbeit zusammenfassen und in die Forschungsfrage überleiten.

Abbildung 8: Sozialwirtschaft, GWA und SWO-Controlling (eigene Darstellung)

Entsprechende Überlegungen zur vorliegenden Arbeit lauten wie folgt: SWO erstellen Soziale Dienstleistungen und unterliegen in betriebswirtschaftlicher Hinsicht einigen Besonderheiten. Es gibt unterschiedlichste Anspruchsgruppen, wie etwa Fördergeber/innen, Sponsor/innen, Klient/innen und Mitarbeiter/innen, die Soziale Dienstleistungen beeinflussen können. Daher stellt sich die Frage nach den konkreten Zusammenhängen zwischen Finanzierung, Zielsetzungen, Controlling und den Inhalten bzw. Zielen einer SWO. Als Forschungsfeld wurden Projekte im Bereich der Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit bei der Caritas Wien ausgewählt. Die konkreten Forschungsfragen lautet demzufolge:

„Wie ist das Controlling bei ausgesuchten Projekten der Caritas Wien im Bereich Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit aufgebaut?“

„Werden Kennzahlen innerhalb der ausgesuchten Projekte der Caritas Wien im Bereich Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit eingesetzt und wenn ja, in welcher Form?

Es soll erforscht werden, welche Besonderheiten die Gemeinwesenarbeit bei der Caritas Wien aufweist. Interessant ist auch, welchen Einfluss die Art der Finanzierung auf die Steuerung hat. Weiters welche Zielsetzungen es gibt und wie diese überprüft bzw. an die Stakeholder kommuniziert werden. Beantwortet werden soll auch die Frage, ob und in

Forschungsmethode

43

welcher Form Kennzahlen verwendet werden. Und welche Kennzahlen darüberhinaus wünschenswert wären und warum. Die detaillierten Fragestellungen der vorliegenden Masterarbeit lauten demzufolge:

• Welche Besonderheiten weisen die ausgewählten Projekte auf (z.B. Konzept, Zielgruppen, Finanzierungsform)?

• Wie werden Zielsetzungen in den unterschiedlichen Projekten formuliert, überprüft und dargestellt?

• Welche SWO-spezifischen Kennzahlen können für diese Projekte interessant sein bzw. entwickelt werden?

Als geeignete Forschungsmethode wird ein zweistufiges Forschungsdesign der Qualitativen Forschung gewählt. Anhand von qualitativen Interviews, genauer gesagt Expert/innen-Interviews, und einer ergänzenden Dokumentenanalyse sollen die Fragestellungen zu Kennzahlen, Zielen und Controlling beantwortet werden. Als Begründung für die Wahl dieser Methodik werden theoretische Grundlagen zu qualitativer Forschung herangezogen.

So ist der Ausgangspunkt humanwissenschaftlicher Forschung immer der Mensch an sich (Orientierung am Subjekt, Postulat 1) (Mayring 2002: 20). Insbesondere bei Expert/innen-Interviews steht die Person in ihrem beruflichen Kontext und mit ihrem betriebsinternen Wissen im Vordergrund (Meuser & Nagel 2005: 71ff). Weiters sollte am Anfang einer Analyse eine möglichst genaue und umfassende Beschreibung des Gegenstandbereichs durchgeführt werden (Deskription, Postulat 2) (Mayring 2002: 21). Auf Basis des theoretischen Teils der Arbeit wird zu Beginn daher das untersuchte Feld, die ausgewählten Projekte im Bereich der Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit bei der Caritas Wien, beschrieben. Weiters unterliegt der Forschungsprozess bis zu einem gewissen Grad der subjektiven Herangehensweise der Forscher/innen und Bedeutungen können erst durch Interpretationen erschlossen werden. Dies gilt insbesondere für Analysen von schriftlichen Materialien, Interviews, etc. (Interpretation, Postulat 3). Untersuchungen sollten darüberhinaus möglichst im natürliches, alltäglichen Umfeld der Personen durchgeführt werden. Dies soll mögliche Verzerrungen durch künstlich herbeigeführte Situationen verringern (Postulat 4). Abschließend sind Verallgemeinerungen für Ergebnisse qualitativer Forschung nicht automatisch möglich, sondern müssen für den Einzelfall argumentiert werden (Postulat 5) (Mayring 2002: 22f). Da das Forschungsfeld sich auf eine spezifische SWO und einen ausgewählten Tätigkeitsbereich (GWA) bezieht, ist eine Interpretation der Ergebnisse auch nur mit Bezug auf diesen Rahmen möglich. Es wäre erst in einem weiteren Schritt denkbar aufgrund der erstellten Kategorien und Erkenntnisse ein umfassenderes

Forschungsmethode

44

Forschungsdesign zu planen. Diese Arbeit ist als Ansatz zu verstehen, die Komplexität von Controlling in der Gemeinwesenarbeit versuchsweise abzubilden.

Während des Prozesses der Erstellung der Masterarbeit wurde seitens der Autorin ein Forschungstagebuch geführt, welches Ideen und Gedanken zum Forschungsablauf sowie Literaturhinweise dokumentiert. Weiters enthält es Protokolle von Treffen mit der Caritas Wien und den Lehrenden am FH Campus Wien. Es wurde im Laufe des Forschungsprozesses immer wieder zur Reflexion bzw. zur Ideensammlung herangezogen. Generell können zur Ergänzung von Interviews und anderen Dokumenten für die Auswertung erhaltener Daten auch Feldnotizen oder Forschungstagebücher herangezogen werden. Der Vergleich dieser Dokumente soll unterschiedliche Sichtweisen im Forschungsprozess ermöglichen. Dies ist vor allem für eine Forschungsgruppe mit mehreren Personen relevant (Flick 2016: 377).

6.2 Qualitative Interviews

Als Erhebungsmethodik im sozialen Kontext hat sich das qualitative Interview bewährt. Im folgenden Abschnitt wird darauf eingegangen, welche Spezifika das Interview mit Expert/innen aufweist und welche Schritte in der praktischen Umsetzung zu beachten sind.

6.2.1 Besonderheiten des Expert/innen-Interviews

Die grundsätzliche Definition eines Interviews ist beschrieben als „ein planmäßiges Vorgehen mit wissenschaftlicher Zielsetzung, bei dem die Versuchsperson durch eine Reihe gezielter Fragen oder mitgeteilter Stimuli zu verbalen Informationen veranlasst werden soll“ (Schauch 1967: 70, zitiert nach Lamnek 2005: 330). Als passendes Instrument für die verbale Erhebung der Daten wird das leitfadenorientierte Expert/innen-Interview gewählt. Als Expert/innen werden Personen bezeichnet, die aufgrund ihrer Repräsentant/innenfunktion besondere Erkenntnisse zum Forschungsgegenstand besitzen. Gegenstand der Analyse ist nicht der Mensch in seinem gesamten Lebensumfeld und seiner Biographie, sondern vor allem organisatorische, berufliche und institutionelle Erfahrungen. Der Expert/innen-Status wird von der forschenden Person verliehen und es sollte nach den Kriterien der Problemlösungskompetenz und der Entscheidungsstruktur selektiert werden (Meuser & Nagel 2005: 71ff).

Expert/innen müssen sorgfältig ausgewählt sein, um tatsächlich über das erforderliche und speziell ihnen zugeschriebene Rollenwissen zu verfügen. Es ist ratsam, von mehreren Interviewpartner/innen Informationen über den gleichen Sachverhalt einzuholen, um die Thematiken von einer im Interview auftauchenden allzu persönlichen Perspektive trennen zu können. Folgende Fragestellungen bieten sich zur Auswahl an: Wer verfügt über die

Forschungsmethode

45

richtigen Informationen? Wer ist in der Lage diese preiszugeben? Wer ist bereit interviewt zu werden? Wer ist verfügbar? (Gläser & Laudel 2010: 117). Expert/innen können prinzipiell verschiedene Formen des Wissens zur Verfügung stellen: Betriebswissen (zu betrieblichen Praktiken in der jeweiligen repräsentierten Institution), Deutungswissen (aufgrund ihres Sachverständigen-Status innerhalb und außerhalb der Organisation) und Kontextwissen (bezogen auf weitere Inhalte, die im Zentrum der Forschung stehen). Je nach Fragestellung des Forschungsvorhabens sollte entschieden werden, welche Perspektiven gewählt bzw.

miteinander verknüpft werden (Przyborski 2010: 132f). Für die Erstellung dieser Arbeit erwies sich primär das Betriebswissen als interessantes Feld der Forschung. Bei den befragten Projektleiter/innen im Bereich Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit bei der Caritas Wien kann aufgrund ihres Status von ausreichenden Kenntnissen bezüglich der Forschungsfrage ausgegangen werden (GWA, Ziele, Controlling, etc.) und sie wurden daher als Expert/innen ausgewählt.

6.2.2 Erstellung des Leitfadens

Entscheidend für ein zielführendes Expert/innen-Interview ist der Leitfaden. Dieser kann stärker strukturiert sein als in qualitativen Interviews üblich, da nach relevanten Informationen gezielt gefragt bzw. zu spezifischem Erzählen aufgefordert wird.

Thematische Sprünge sind hierbei natürlich möglich. Der Vorteil des Leitfadens liegt in der erleichterten Auswertung, da Unterthemen quer durch alle Interviews verfolgt werden können (Helfferich 2009: 179f). Zur Auswahl der passenden Fragestellungen werden zwei primäre Fragetypen unterschieden, und zwar nach inhaltlichen und funktionalen Aspekten.

Bei Fragen nach dem Inhalt werden vier weitere Unterkategorien genannt: Fragen nach Erfahrungen (indivuduelle Beobachtungen und Erfahrungen aus dem betrieblichen Alltag bzw. aus der Berufslaufbahn), Wissensfragen (akkumuliertes Wissen abseits vom eigenen Erleben), Hintergrundfragen (demographische Daten) und Meinungsfragen (zu Prozessen, Handlungszielen und Motiven). Die Gesamt-Typisierung wird in Abbildung 9 dargestellt (Gläser & Laudel 2010: 122ff).

Abbildung 9: Typisierung von Interviewfragen (Gläser und Laudel 2010)

Forschungsmethode

46

Zur Erstellung eines strukturierten Leitfadens bietet sich das SPSS-Prinzip an („Sammeln – Prüfen – Sortieren – Subsumieren“). In einem ersten Schritt werden möglichst viele Fragen in Form eines Brainstormings gesammelt (Was möchte ich wissen? Was interessiert mich?). Daran anschließend wird die erstellte Fragenliste unter den Aspekten des Vorwissens und der Offenheit reduziert und hinsichtlich der Prioritäten der Forschungsfrage geprüft. Die verbleibenden Fragen werden sortiert sowie Themenblöcke und Hauptfragen gebildet, welche die Struktur des Leitfadens festlegen (Helfferich 2009: 182ff).

Bei der Erstellung des in Anhang A beigefügten Fragebogens lag der Fokus bei inhaltlichen Aspekten, konkret bei Faktenfragen nach Erfahrungen im jeweiligen Projekt.

Steuerungsfragen spielten bei der Gestaltung des Gesprächsablaufs ebenfalls eine Rolle (als Erzählanregungen, Einleitungsfragen sowie Wiederaufnahmefragen). Die Vorgehensweise laut SPSS-Prinzip wurde befolgt. Im Leitfaden gab es 12 Fragen, wobei diese in 4 Kategorien unterteilbar sind (Projektbeschreibung als Einleitungsfrage, Finanzierung des Projektes und deren Auswirkung, Zielsetzungen, Erfolgsmessung und Kennzahlen, wünschenswerte Kennzahlen als Abschlussfrage). Es wurden Unterfragen vorformuliert, um bei Bedarf gezielt nachfragen zu können.

Die Prinzipien der Gesprächsführung waren bei der Erstellung des Leitfadens gewährt. Das Interview soll sich vom Allgemeinen zum Spezifischen hin orientieren und an der Perspektive der Befragten seinen Ausgangspunkt nehmen. Daher empfiehlt sich eine offene, eventuell narrative Einstiegsfrage (Kriterium der Offenheit). Daran anschließend und im Zuge des Gesprächsverlaufs ergeben sich spezifischere Nachfragen, die

„signifikante Konfigurationen“ beleuchten (Kriterium der Spezifität). Fragen sollen generell so gestellt werden, dass die Sachverhalte in Hinblick auf ihre subjektive bzw. institutionelle Relevanz hin analysiert werden können (Kriterien der Kontextualität und Relevanz).

(Przyborski 2010: 140f). Für eine effektive Planung von Interviews wird eine Orientierung an den typischen Phasen der Gesprächsführung empfohlen (Lueger 2010: 175):

1. Interviewplanung (Auswahl potentieller Gesprächspartner/innen und Klärung des Zugangs,…),

2. Kontaktaufnahme (Erstkontakt, Vorstellung des Anliegens und Vorabinformationen,…),

3. Gesprächseinstieg (Einwilligung zur Tonbandaufnahme, Rahmenbedingungen klären, weitere Verwendung der Daten besprechen,…),

Forschungsmethode

47 4. Hauptgespräch

o narrative Einstiegsphase

o gesprächsimmanentes Nachfragen (Klärungen, Vertiefungen, offene Formulierungen)

o exmanentes Nachfragen (Themen die noch nicht angesprochen wurden) und

o Resümee

5. Nachgespräch (informeller Austausch, Fixierung von Vereinbarungen, Verabschiedung).

Abschließend empfiehlt sich für die Durchführung eines Expert/innen-Interviews eine gesprächssteuernde Vorgehensweise, die sich an den zuvor ausformulierten Fragestellungen orientiert. Die ermöglicht es seitens des/der Interviewers/in, die Anzahl von misslungenen Interviews zu minimieren. Darunter werden folgende Szenarien verstanden (Lueger 2010: 175):

• ein Abblocken des/r Expert/in, da er/sie gar kein/e Expert/in ist

• ein Gesprächsverlauf über interne betriebliche Verwicklungen statt über das eigentliche Thema

• ein laufender Rollenwechsel zwischen Expertenrolle und Privatmensch

• ein „rhetorisches Interview“ (Monolog des/der Experten/in anstatt Frage-Antwort-Ablauf).

Ein gut strukturierter Leitfaden und eine sorgfältige Auswahl der Interviewpartner/innen können sehr unterstützend dabei wirken, misslungene Interviews weitestgehend zu vermeiden (Flick 2016: 216f).

6.2.3 Samplingstrategie

Im Forschungsprozess müssen regelmäßig Entscheidungen getroffen werden, die sich auf die Qualität der gewonnenen Daten bzw. die Auswertung auswirken (z.B. welche Personen befragt werden, welche Interviews für die Auswertung berücksichtigt werden, etc.). Obwohl für qualitative Erhebungen als Auswahlstrategie oftmals theoretisches Sampling empfohlen wird, ist das Expert/innen-Interview eher dem statistischen Sampling zuzuordnen (Flick 2016: 154ff). Dies trifft auf die vorliegende Arbeit insbesondere zu, da die Grundgesamtheit der Stichprobe und deren Größe bereits vorab bekannt waren. Die Merkmalsverteilung kann ebenfalls als bekannt angenommen werden, da der Status „Projektleiter/in“ bereits feststand. Das Sampling war beendet, als die gesamte Stichprobe untersucht wurde (d.h.

nach dem letzten Interview). Im Gegensatz dazu unterliegt beim theoretischen Sampling die Auswahl der Stichprobe einem laufenden Prozess, d.h. es kommen wiederholt neue

Forschungsmethode

48

Interviewpartner/innen hinzu. Das letzte Interview zeichnet sich durch einen Grad an Sättigung aus, da keine neuen Erkenntnisse mehr gewonnen werden können (Flick 2016:

Interviewpartner/innen hinzu. Das letzte Interview zeichnet sich durch einen Grad an Sättigung aus, da keine neuen Erkenntnisse mehr gewonnen werden können (Flick 2016: