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6. F ORSCHUNGSMETHODE

6.4 Methodik der Auswertung

6.4.1 Auswertung der Interviews

Im Anschluss an die Interviews werden als erster Schritt die auf Tonband aufgezeichneten Protokolle verschriftlicht (Transkription). Transkripte sollen es ermöglichen, verbal Kommuniziertes und Gesprächverhalten für die wissenschaftliche Analyse in Schriftsprache verfügbar zu machen. Dies erfolgt nach allgemeinen Transkriptionsregeln in anonymisierter Form anhand von zumeist elektronischen Vorlagen wie Microsoft Word. Auf den erstellten schriftlichen Dokumenten sind die Identitäten der Interviewpartner/innen mit Kodierungen versehen, die keinen Rückschluss auf die tatsächlichen Namen zulassen (Langer 2010: 515ff). Bei narrativen oder konversationsanalytischen Interviews wird bei der Transkription bzw. Interpretation großer Stellenwert auf Pausen, Stimmlagen und weitere nonverbale Elemente gelegt. Dies ist bei der Transkritption von Expert/innen-Interviews nicht notwendig, da die Inhalte im Vordergrund stehen. Eine Transkription der gesamten Tonaufnahme ist ebenso nicht der Normalfall. Bei den bereits erwähnten

„misslungenen“ Interviews kann die Trankription kürzer und selektiver als bei ergiebigeren Interviews ausfallen. Die Transpkrition von Betriebswissen fällt weiters meist umfassender aus als jene von Kontextwissen (Meuser & Nagel 2005: 83). Nach den Interviews mit den Projektleiter/innen der Caritas Wien wurden sämtliche Audioaufnahmen vollständig

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transkribiert. Die Transkripte wurden anonymisiert und getrennt von den Angaben zu den interviewten Personen aufbewahrt. Die gesammelten Audiodateien werden im Anschluss an die Fertigstellung der vorliegenden Masterarbeit gelöscht. Der nächste Schritt ist nun die regelgeleitete Analyse des erhaltenen Textmaterials.

Die Qualitative Inhaltsanalyse (nach Mayring 2015) versteht sich grundsätzlich als eine Vorgehensweise zur systematischen und theoriegeleiteten Kommunikationsanalyse. Als Ziel wird definiert, auf bestimmte Aspekte der Kommunikation Rückschlüsse ziehen zu können. Qualitative Analyse wird in verschiedenen Aufgabenbereichen angewandt:

Hypothesenfindung und Theoriebildung, Pilotstudien, Einzelfallstudien, Prozessanalysen, Theorie- und Hypothesenprüfung, etc. Den wissenschaftlich-philosophischen Hintergrund bietet die Hermeneutik, die Kunstlehre der Interpretation. Diese beschreibt Techniken des Verstehens von Kommunikation im weitesten Sinn und formuliert wesentliche Grundsätze.

So etwa die exakte Untersuchung der Entstehungsbedingungen (Quellenkunde), die Darlegung des Vorverständnisses der Forscher/innen und den Verstehensprozess von vielschichtigen Sinnstrukturen im Material (Mayring 2015: 13ff). Die Auswertung von Expert/innen-Interviews orientiert sich an der qualitativen Inhaltsanalyse. Beim Textvergleich steht jedoch die Absicht im Vordergrund, das Repräsentative zu entdecken, das Überindividuell-Gemeinsame und die geteilten Wissensbestände. Dies wird nicht anhand von Fallbeispielen dokumentiert, sondern durch typische Äußerungen. Demzufolge liegt der Schwerpunkt bei der Auswertung primär bei den gemeinsamen Inhalten aus den erhaltenen Texten und nicht bei der exakten und umfassenden Interpretation der Texte (Meuser & Nagel 2005: 80f). Eine ausreichende Vergleichbarkeit der Interviewtexte kann als weitgehend gesichtert angenommen werden, da Expert/innen sich den institutionell-organisatorischen Kontext teilen und die Interviewführung durch den Leitfaden zumeist sehr strukturiert und auf Kernthemen fokussiert erfolgt. Leitfäden, die sich an Betriebswissen orientieren, bieten die Möglichkeit der Hypothesenprüfung. Der Leitfaden wird aufgrund von Vorformulierungen der therierelvanten Kategorien erstellt, die in die Auswertung aufgenommen und somit überprüft werden können. Bei der Untersuchung von Kontextwissen ist das Ziel hingegen die Gewinnung empirischen Wissens und nicht die Verallgemeinerung empirischer „Tatsachen“ (Meuser & Nagel 2005: 81f).

Für die Expert/innen-Interviews bei der Caritas Wien wird die strukturierende Inhaltsanalyse (nach Mayring 2015) ewählt, da es deren Ziel ist, bestimmte Themen, Inhalte und Aspekte aus dem Material herauszufiltern und zusammenzufassen. Dieses Modell wird in vier Untergruppen verfeinert: formale, inhaltliche, typisierende und skalierende Strukturierung.

Durch den Leitfaden bzw. die Theorie ergibt sich ein Kategoriensystem von

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Strukturdimensionen samt Ausprägungen, welches nun an das gesamte Textmaterial herangetragen wird. Dies wird als deduktive Kategorienbildung bezeichnet. (Mayring 2015:

97ff). Das Ablaufmodell strukturierender Inhaltsanalyse wird in Abbildung 10 überblicksmäßig dargestellt und anschließend bezogen auf die Auswertung von Expert/innen-Interviews näher beschrieben (Mayring 2015: 98).

Abbildung 10: Strukturierende Inhaltsanlyse (Mayring 2015)

Nach der Transkription erfolgt als nächster Schritt die Paraphrasierung zur ersten Verdichtung des Textes. Eine Paraphrase soll die Chronologie des Gesprächsverlaufs widerspiegeln, d.h. in den Worten des/der Forscher/in werden textgetreu die Inhalte wiedergegeben. Es gibt die Möglichkeit zu zusammenfassenden oder detaillierten Paraphrasen. Eine gut verwendbare Paraphrase ist nicht-selektiv bezogen auf die behandelten Themen und protokollarisch auf den Inhalt gerichtet. Antizipierte Aspekte und Themen dürfen durch eine Reduktion nicht verloren gehen (Problem der Reduktion von Komplexität). Es darf nichts weggelassen, nichts ergänzt oder verändert wiedergegeben werden. Inhalte dürfen außerdem nicht durch voreiliges Klassifizieren verzerrt bzw. durch vorschnelles „Themenraffen“ unterschlagen werden. Am Ende sollten die ersten Paraphrasen nochmals durchgesehen und gegebenfalls revidiert werden (Meuser & Nagel 2005: 83f).

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Im nächsten Schritt werden paraphrasierte Passagen eines Textes mit ähnlichen Themen zusammengestellt und Hauptüberschriften zugeordnet (Kodierung). Diese Kategorien sind textnah vorzunehmen und sollten die Terminologie der Interviewten aufgreifen. Eine Zerteilung und wiederholte Verwendung einzelner Sequenzen ist erlaubt. Die Begründung, warum ein Textteil unter eine bestimmte Kategorie fällt, muss schlüssig und intersubjektiv nachvollziehbar sein, d.h. durch andere verstehbar. In der schriftlichen Dokumentation der einzelnen Schritte muss dies ebenso festgehalten werden und zwar durch separates Speichern der elektronischen Dokumente im Arbeitsprozess (in chronologischer Reihenfolge). Im Anschluss daran wird ein thematischer Vergleich durchgeführt, d.h. es wird nach inhaltlich vergleichbaren Passagen aus anderen Interviews gesucht und die Überschriften werden vereinheitlicht (Meuser & Nagel 2005: 85ff). Es ist auch möglich, Kategorien zu ergänzen, wenn sie sich aus der Analyse der Texte heraus ergeben und für die Beantwortung der Forschungsfrage relevant sind. Man spricht hier vom „offenen“

Kategoriensystem (Gläser & Laudel 2010: 201).

Generell sollen anhand der Kategorien die Relevanzstrukturen eines Themas abgelesen werden können. Dazu zählen Verfahrensregeln, typische Erfahrungen, Beobachtungen und Konstruktionen. Eine anschließende Prüfung der vorgenommenen Zuordnungen ist unbedingt notwendig. Die Gütekriterien dafür sind Vollständigkeit, Validität und Triftigkeit, um Unterschiede, Abweichungen und Widersprüche darstellen zu können (Meuser & Nagel 2005: 86f). Der abschließende Schritt ist die Ablösung von den Texten und der Terminologie der Interviewten um in eine (soziologische) Abstraktionsebene zu gelangen. Die Verallgemeinerung bleibt allerdings auf das vorliegende empirische Material begrenzt und eignet sich daher vor allem zur Thesenprüfung (Meuser & Nagel 20015: 89).

Bezogen auf die Interviews bei der Caritas Wien erfolgt die Kategorienbildung deduktiv anhand der Kernfragen des Leitfadens (Finanzierung, Zielsetzungen, Messen von Zielen/Erfolg, vorhandene bzw. geplante/wünschenswerte Kennzahlen). Die paraphrasierten Teile eines Textes werden den einzelnen Kategorien zugeordnet, wobei durch Angabe der genauen Textstelle eine Zuordnung zum Ursprungstext jederzeit möglich ist (Zeilennummer, Seite). Anschließend werden die weiteren Transkripte kategorisiert und die gemeinsamen Überschriften bzw. Textteile zusammengefasst (entspricht einer strukturierten Inhaltsanlayse mit inhaltlichem Schwerpunkt). Die Kategorien sind in Tabelle 7 bei der Darstellung der Ergebnisse zu finden.

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54 6.4.2 Auswertung der Dokumente

Zur Einführung in die beforschten Projekte werden am Beginn der Auswertung Informationen aus öffentlich zugänglichen Drucksorten (z.B. Folder mit Projektbeschreibung) sowie die Webpage der Caritas Wien verwendet. Die Möglichkeit der Zusendung von schriftlichen Dokumenten zur weiterführenden Analyse wurde seitens der Studierenden nach Ende der Interviews angesprochen (z.B. Jahresberichte, Auswertungen, Projektbeschreibungen). Sofern entsprechende Dokumente vorhanden waren, wurden elektronisch zugesendet und ergänzend zur Auswertung der Interviews verwendet.

Es soll damit anhand des bereits beschriebenen vierstufigen Vorgehens der Dokumentenanayse (nach Mayring, 2002) betrachtet werden, inwiefern (Erfolgs-) Messung in schriftlicher Form vorgenommen bzw. wie und an wen kommuniziert wird. Dazu werden die erhaltenen Dokumente gänzlich auf die Verwendung von (Kenn-)zahlen hin untersucht und kategorisiert. Anschließend werden die vorhandenen Zahlen zusammengefasst und anonymisiert dargestellt. Da sich die Nennung von Zahlen in den einzelnen Dokumenten mehrmals wiederholt bzw. diese teilweise einen geringen Umfang haben, wird bei der Zitierweise auf die Angabe von Seitennummern verzichtet. Es wird betrachtet, ob es Zahlen gibt, die in allen Projekten verwendet werden und welche Unterschiede es innerhalb der Projekte bezüglich des Einsatzes von Zahlen gibt. Es soll durch die Analyse der Dokumente erforscht werden, ob es eine stringente Reihenfolge im Sinne von Zielformulierungen, Zielüberprüfung/Messung/Erfassung sowie Darstellung und Kommunikation der Ergebnisse an z.B. Fördergeber/innen gibt. Die gesammelten Ergebnisse aus beiden Auswertungsmethoden (Inhalts- und Dokumentenanalyse) werden abschließend zusammengefasst dargestellt, diskutiert und bildeten den Ausgangspunkt für die Entwicklung bzw. die Vorschläge von Kennzahlen durch die Autorin.

Darstellung der Ergebnisse

55 7. DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE

Es werden nun die Ergebnisse aus der Qualitativen Forschung angeführt. Vorab wird das Forschungsfeld, der Bereich der Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit bei der Caritas Wien, anhand eines Exkurses kurz dargestellt. Anschließend leitet sich der erste Teil der Ergebnisse aus der Analyse der Expert/innen-Interviews ab. Ergänzt werden diese durch Erkenntnisse der Dokumentenanalyse.

7.1 Exkurs: Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit bei der Caritas Wien

Als größte kirchennahe Hilfsorganisation zählt die Caritas zu einem der wichtigsten Arbeitgeber/innen im Sozialen Bereich in Österreich. Sie beschäftigt rund 14.000 fixe Mitarbeiter/innen und wird durch mind. 40.000 ehrenamtliche Helfer/innen unterstützt.

Strukturell gliedert sich die Organisation in neun Bundesländerverbände. Die einzelnen Diözesen agieren als selbständige Bereiche mit eigener finanzieller Verantwortung, um entsprechend auf regionale Bedürfnisse eingehen zu können. Aus dem Leitbild lässt sich ein hoher Einsatz für Solidarität und gerechte Chancenverteilung ablesen. Zielsetzung ist die Unterstützung von Menschen in herausfordernden Lebenssituationen und eine positive Einstellung zum Lebensalltag (Caritas I + II, 2015).

Bei der Caritas Wien sind über 5.000 Mitarbeiter/innen und rund 4.000 Ehrenamtliche tätig (Caritas III, 2015). Das Angebot erstreckt sich von Beratung und Notfallshilfe über Pflege und Hospizbetreuung, Einrichtungen für Kinder und Familien, Wohnungslosenhilfe, Beschäftigungsprojekte, Flüchtlingshilfe und Integrationsprojekte, Angebote für Menschen mit Behinderung bis hin zu Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit (Caritas IV, 2015). Die Finanzierung erfolgt großteils über einen Mix aus Spenden, Einnahmen aus sozialen Dienstleistungen und öffentlichen Subventionen. Der Wirkungsbericht 2015, dargestellt in Tabelle 7 auf der folgenden Seite, gibt rund 290 Millionen Euro an eingenommenen bzw.

verwendeten Mitteln an. (Caritas V, 2016).

Der Bereich Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit bei der Caritas Wien wird seit 2012 unter einer gemeinsamen Leitung geführt und beschäftigt circa 120 angestellte und 260 ehrenamtliche Mitarbeiter/innen. Der Bereich umfasst einen Anteil von rund 2% der Gesamtmitarbeiter/innen sowie der Mittelverwendung der Gesamtorganisation der Caritas Wien (BL 2017) 7. Unter dem Sammelbegriff Zusammenleben werden niederschwellige und kostenfrei zugängliche Projekte für Zielgruppen jeden Alters angeboten. Diese werden in

7 Die in diesem Kapitel mit „BL 2017“ zitierten Angaben stammen aus einem Informationsgespräch zwischen der Autorin und der Bereichsleitung der Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit der Caritas Wien im April 2017.

Darstellung der Ergebnisse

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verschiedene Aktionsfelder gegliedert: Nachbarschaft und Stadtteilarbeit, Objekt 19, Kunst für alle, youngCaritas, youngCaritas Käfig League sowie PfarrCaritas und Nächstenhilfe (Caritas VI 2015, Caritas VII 2017).

Mittelherkunft- und Verwendung 2015 (Caritas Wien) In Euro

Mittelherkunft 2015 289.634.990

1. Spenden (inklusive gewidmete Kirchenbeiträge) 35.049.687

ungewidmete Spenden 3.090.109

gewidmete Spenden und Sponsoring 26.753.935

Erbschaften und Schenkungen 1.659.746

Sachspenden 3.545.897

2. Entgelte für Dienstleistungen 225.324.457

von öffentlichen Fördergebern 189.448.828

aus privaten Kostenbeiträgen und Sonstiges 35.875.629

3. Subventionen und Zuschüsse der öffentlichen Hand und und kirchliche Beiträge 26.550.078

4. Sonstige Einnahmen 1.036.896

5. Verwendung von in Vorjahren nicht verbrauchten Spendenmitteln 1.517.216

6. Auflösung von Rücklagen 156.656

Mittelverwendung 2015 289.634.990

1. Aufwendung für die statuarisch festgelegten Zwecke 267.040.034 2. Aufwan für Spendenbeschaffung und Spenderinnenservice 2.250.310 3. Aufwand Adminstration und Infrastruktur (ausgen. Bereich Spenden) 12.156.958

4. Sonstiger Aufwand 0

5. Vorsorge für Projekte 2016 8.187.687

6. Dotierung von Rücklagen 0

Tabelle 7: Darstellung Mittelherkunft und -Verwendung (Caritas Wien 2016)

Für die Forschung wurden ursprünglich acht Projekte ausgewählt, die eine vergleichbare Struktur bzw. ein ähnliches Aufgabenfeld aufwiesen. Es werden auf der Webpage noch weitere Bereiche angeführt, jedoch erfolgt dies teilweise eher aus organisatorischen als inhaltlichen Gründen (z.B. Zivildienstkoordination der youngCaritas). Der folgende Abschnitt enthält Beschreibungen der wichtigsten Tätigkeitsbereiche und Zielsetzungen der ausgewählten Projekte und bezieht sich gänzlich auf die Angaben der Webpage der Caritas Wien (Caritas VII 2015). Gegliedert werden die Projekte in Nachbarschaft und Stadtteilarbeit, Kunst und Kultur sowie Sport/Jugend.

Zum Bereich Nachbarschaft und Stadtteilarbeit zählt das Projekt Gesund Wohnen im Grätzel – Grätzeleltern unterwegs. Dieses bietet muttersprachliche Beratung im eigenen Zuhause durch sogenannte Multiplikator/innen an. Diese sind ehrenamtliche Mitarbeiter/innen und beraten zu Themen wie Wohnrecht, Gesundheitsförderung,

Darstellung der Ergebnisse

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finanziellen Beihilfen und Energiesparen. Das Ziel ist die Verbesserung der Wohn- und Lebenssituation, vor allem für Bewohner/innen in benachteiligten Stadtquartieren in verschiedenen Bezirken Wiens. Das Stadtteilmanagement Seestadt (aspern inkl. D10 Gemeinschaftsbildung) ermöglicht im neuen Staddteil Seestadt Aspern im 22. Wiener Gemeindebezirk die Partizipation an nachhaltiger Stadtentwicklung für die Bewohner/innen.

Dies geschieht z.B. anhand von Impulsen zum Kennenlernen der Seestadt (Willkommens-Paket für alle Bewohner/innen), der Organisation von Räumlichkeiten zur Begegnung sowie aktivierenden Angebote rund um Wohnen, Freizeit, Kultur, Nachhaltigkeit, Arbeit und Bildung. Beim Projekt Community Cooking werden gemeinsame Kochworkshops und weitere Angebote für Bewohner/innen des umliegenden Stadtteils in der Ankerbrotfabrik im 10. Wiener Gemeindebezirk angeboten. Ziel ist die Förderung des Bewusstseins für ausgewogene Ernährung und interkulturellen Austausch.

Weitere Schwerpunkte der Gemeinwesenarbeit liegen in den Bereichen Kunst und Kultur.

Der Verein Superar organisiert mittels ehrenamtlicher Mitarbeiter/innen eine kostenlose Grundausbildung in Tanz, Gesang und Orchester für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr und arbeitet direkt in Wiener Schulen bzw. in der Ankerbrotfabrik. Ziele sind die Entwicklung von Leistungsbewusstsein und Freude an der Gemeinschaft durch gemeinsam erarbeiteten Erfolg sowie ein verantwortungsbewusstes und respektvolles Miteinander8. Ein weiteres Projekt befindet sich im 16. Wiener Gemeindebezirk am Brunnenmarkt, die Brunnenpassage. Diese beschreibt sich als einen offenen Kunst- und Sozialraum für alle Interessierten. Es gibt ein vielfältiges kulturelles Programm, das kostenfrei besucht werden kann und zum Mitmachen auffordert. Ziele sind der interkulturelle Austausch und das Leben kultureller Vielfalt. An diesem und auch anderen Caritas-Standorten in Wien finden die offenen und geschlossenen Tanz-Workshops von Tanz die Toleranz statt. Schwerpunkt ist die Inklusion unterschiedlichster Zielgruppen, so etwa Menschen verschiedener Altersgruppen, mit und ohne körperlichen bzw. geistigen Beeinträchtigungn und mit unterschiedlichen Migrationshintergründen. Ebenfalls im Kunst- und Kulturbereich tätig ist Stand 129, ein adaptierter ehemaliger Verkaufsstand am Viktor-Adler-Markt im 10. Wiener Gemeindebezirk. Hier und im nahegelegenen öffentlichen Raum werden regelmäßige Kunstinterventionen für alle Interessierten angeboten. Ziel ist die Förderung von Reflexionsprozessen und eine Auseinandersetzung zum Thema Vielfalt und Zusammenleben.

8 Das Interview mit der Projektleitung von Superar konnte aus organisatorischen Gründen nicht stattfinden und daher wird dieses Projekt in weiterer Folge nicht mehr berücksichtigt.

Darstellung der Ergebnisse

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Ein bisher einzigartiges Sport- und Jugendangebot ist die Käfig League. Dabei werden regelmäßige Fußball-Trainings und Fußball-Turniere für 6- bis 14jährige Kinder und Jugendliche durch ehrenamtliche Trainer/innen in so genannten Wiener Fußballkäfigen angeboten. Erreicht werden soll dadurch eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, ein unkomplizierter Zugang zu Fußball, ein interkulturelles Umfeld und respektvoller Umgang miteinander.

Nicht einbezogen in die Vorauswahl der Projekte wurde der sehr große Bereich der PfarrCaritas aufgrund des starken religiösen Bezuges. Dazu zählen z.B. die Caritasgemeinde, die Kontaktstelle Trauer, das pfarrliche Engagement für Flüchtlinge, Besuchsdienste sowie über 3.000 karitative Projekte in mehr als 600 Pfarren jährlich. Für die vorliegende Forschungsarbeit wurde eine andere bzw. engere Definition für SWO bzw.

Gemeinwesenarbeit gewählt und daher nicht berücksichtigt.

Darüber hinaus wurden die großen Arbeitsfelder „Freiwilliges Engagement“ sowie die übrigen Bereiche der young caritas nicht miteinbezogen. Gemessen an der Mitarbeiter/innen-Anzahl und des Jahresgesamtaufwands umfassen die ausgewählten Projekte rund 30% der Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit (BL 2017). Daher werden die Ergebnisse der Forschung als entsprechend darauf begrenzt betrachtet.

7.2 Ergebnisse aus der Inhaltsanalyse

Im folgenden Abschnitt werden die Erkenntnisse aus den Expert/innen-Interviews dargestellt und ggfs. in Bezug zur Literatur gesetzt. Die inhaltlichen Zielsetzungen und Rahmenbedingungen der einzelnen Projekte sind aufgrund der Vielfältigkeit der Angebotspalette bei der Caritas Wien unterschiedlich. Im folgenden Abschnitt erfolgt die Konzentration daher auf das Gemeinsame, das Typische und das Repräsentative. Dies geschieht ebenso, um im Sinne qualitativer Forschung eine ausreichende Anonymität gewährleisten zu können. Aber auch hervorstechende Aussagen sowie Ausnahmen werden berücksichtigt. Im Zuge der Analyse des transkribierten Materials ergaben sich mittels deduktiver Vorgehensweise auf Basis des Interview-Leitfadens verschiedene Kategorien, wie in Tabelle 8 dargestellt.

Darstellung der Ergebnisse

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Zielsetzungen und Konzepte Finanzierung Messbarkeit & Dokumentation

Bedarfslage Akquise Anzahl Veranstaltungen

Begegnung und Vernetzung Beeinflussung Auswirkungen

Budget Finanzierungs-Mix Begegnung

Diversität Fördergeber/in Besucher/innen-Zahlen

Entwicklung Kooperationen Einflussnahme

Freiheit sonstige Einnahmen Entwicklung

Gesellschaft Veränderung Fördergeber/in Feedback

Gesundheitsförderung Gesundheitsförderung

Individuelles Erleben/Entwickeln Grenzen

Informationsweitergabe weitere konkrete Kennzahlen

Integration Medien

Kunst Persönlichkeitsentwicklung

Nachhaltigkkeit Reichweite

Niederschwelligkeit Verschriftlichung

Partizipation

Persönlichkeitsentwicklung

politisches Mandat

Tabelle 8: Kategorienbildung aus Qualitativen Interviews (eigene Darstellung)

7.2.1 Zielsetzungen und Konzepte

Zu den am häufigsten genannten Zielsetzungen zählen Begegnung, Vernetzung und Partizipation. Dies kann auf das grundsätzliche Verständnis der Gemeinwesenarbeit zurückgeführt werden, die sich als Konzept versteht, welches am Alltagsleben von Individuen und Gemeinschaft teilnimmt (Sing & Heimgartner 2009: 14f). Wiederholt erwähnt werden Begriffe wie Zusammentreffen, Begegnung in der Gesellschaft, Zusammenführung, Ermöglichung von Mitgestaltung und Teilhabe sowie Schaffung von Netzwerken (I3: 74-76, I1: 133-135, I4: 20-25, I3: 576, I5: 180-182). Nachbar/innen sollen in Kontakt miteinander gebracht und Ideen und Interessen von Menschen verknüpft werden (I1: 129-132, I3: 178-197). Es sollen Hemmschwellen gegenüber Kunst und Kultur abgebaut, Interesse geschaffen und der Zugang zu entsprechenden Angeboten ermöglicht werden (I1: 29-33, I5: 262-265). Ziel ist auch eine neue Art der Kommunikation, des Miteinanders (I1: 201-202). Im Sinne von Stadteilarbeit ist Informationsarbeit eine Zielsetzung, so etwa Informationen über Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Raums, über günstige

Darstellung der Ergebnisse

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Kulturangebote und zu Mobilitätskonzepten (I3: 172, I1: 29, I3: 162-167). Weiters die Wahrnehmung als Community Projekt, die Freiraumplanung oder die Orientierung im neuen Stadtteil (I2: 306-311, I3: 134, I3: 153-160). Gemeinwesenarbeit erfüllt darüber hinaus auch Präventionsarbeit im städtischen Zusammenleben (I1: 272-277).

Weitere bedeutsame Zielsetzungen sind die des persönlichen Wohlbefindens sowie des Empowerments. So versucht Gemeinwesenarbeit stets, Lösungen für soziale Probleme zu finden und individuelle Kompetenzen zu stärken (Stövensand & Stoik 2013: 15). Es werden Zielsetzungen wie die Erweiterung der sozialen Kompetenzen, Hilfe zur Selbsthilfe, Nachbarschaftshilfe und Gewaltprävention genannt (I2: 82-90, I3: 14-24, I4: 19). Ähnliche Ergebnisse werden in Zusammenhang mit (Aus-)Wirkungen genannt und können als Wirkungsziele definiert werden. So etwa Menschen das Gefühl zu geben, dass sie gebraucht werden und wertvoll sind, ihnen die Möglichkeit zu bieten sich selbst einmal ganz anders kennzulernen oder selbst künstlerisch tätig zu werden (I4:153-154, I1: 46, I1: 44-45). Durch den Zugang zu Kunst und Kultur soll generell die individuelle Lebensqualität erhöht werden (I1: 19-22). Künstlerische Prozesse können auch bei der Erreichung sozialer Ziele wie Teamfähigkeit und Durchhaltevermögen unterstützen (I2: 75-82). Weitere allgemeine Ziele können der Aufbau von Selbstvertrauen und die Vermittlung von Werten wie Respekt, Fairness und Toleranz sein (I4: 17-18, I4: 23-27, I4: 155).

Als wichtiges Hauptziel wurde von allen Interviewpartner/innen eine Durchmischung der Zielgruppe mit dem Ziel der Begegnung unterschiedlichster Personengruppen angegeben (Diversität, Inklusion, Integration) (I1: 59-60, I2: 148, I3: 502-511, I4: 57, I5: 187-188). Dies reicht vom Vorhaben alle Zielgruppen erreichen zu können, die es gibt, bis hin zu einer ausgewogenen Verteilung von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund oder verschiedener Altersgruppen (I2: 15-16, I4: 360-360,I3: 425). Wobei der Begriff „Integration“

mehrmals kritisiert wird und Alternativen wie (soziale) Inklusion oder Transkultur verwendet werden (I2: 200-208, I1: 51-53). Herkömmliche Integrationsaspekte werden als teilweise nicht nachhaltig bezeichnet und die Bedeutung von innovativeren Konzepten, wie etwa in der Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit der Caritas Wien angewandt, hervorgehoben (I1:

194-195). Auch die Arbeit gegen Populismus durch Begegnung wird betont (I1: 146-147).

In diesem Zusammenhang wird die Integrationsstrategie der Caritas genannt und auf das politische Mandat der Gemeinwesenarbeit hingewiesen (I 3: 43). Es wird weiters auch die Unmittelbarkeit von Integration durch die Zusammenführung und das Miteinander bei den verschiedenen Aktivitäten betont (I1: 49-51).

Darstellung der Ergebnisse

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“… passiert das, wenn Menschen, die sonst nicht miteinander so in Berührung kommen, begegnen einander … ” (I2: 91-94)

“… und damit eben auch die ganzen bisherigen Ansätze von Integration und Werten und was da jetzt alles zur Diskussion ist, dass es gar nicht darum geht, sondern das passiert automatisch, indem Menschen etwas Schönes miteinander erleben” (I1: 49-51)

Die genannten Ziele spiegeln sich ebenso in den zugrundeliegenden Konzepten der Projekte wieder. Kriterien der Diversität finden sich beispielsweise in der Definition der Zielgruppen. So stellt im Sinne der Gemeinwesenarbeit die lokale Bevölkerung unabhängig

Die genannten Ziele spiegeln sich ebenso in den zugrundeliegenden Konzepten der Projekte wieder. Kriterien der Diversität finden sich beispielsweise in der Definition der Zielgruppen. So stellt im Sinne der Gemeinwesenarbeit die lokale Bevölkerung unabhängig