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2 Rechtliche Grundlagen

2.3 Behinderten- und Rehabilitationsrecht: Das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB

von Menschen mit Behinderungen in Verbindung mit dem zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)

Das Behinderten- und Rehabilitationsrecht umfasst neben den Kernvorschriften des

„Neunten Buches Sozialgesetzbuch“ (SGB IX), die verschiedenen in den bundes- und landesrechtlichen Gesetzen und Verordnungen festgelegten Regelungen, die die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen in der Ge-sellschaft und im Arbeitsleben regeln. Dazu gehören vor allem die Neuerungen des Bun-desteilhabegesetzes (BTHG), welches in drei Reformstufen umgesetzt wurde und noch wird. So trat am 30. November 2016 die erste Reformstufe in Kraft und diese betraf Än-derungen im Schwerbehindertenrecht sowie Verbesserungen in der Einkommens- und Vermögensberücksichtigung in der Sozialhilfe/Eingliederungshilfe (teilweise seit April 2017 gültig). Am 1. Januar 2018 trat die zweite Reformstufe in Kraft und mit ihr wurde das „neue“ Teilhaberecht als Teil 1 des SGB IX eingeführt. Diese bereitet fernerhin die Überführung der Eingliederungshilfe zum 1. Januar 2020 als Teil 2 des SGB IX vor. Zu beachten ist allerdings, dass das Vertragsrecht für die „neue“ Eingliederungshilfe bereits seit 2018 gültig ist. Das Schwerbehindertenrecht, welches das Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft beinhaltet, geht weit-gehend unverändert als Teil drei in das SGB IX über. Im kommenden Jahr, am 1. Januar 2020 tritt die dritte Reformstufe mit dem Teil 2 des SGB IX in Form der Eingliederungs-hilfe als ein eigenständiges Leistungsgesetz der Sozialleistungsgesetze, in Kraft. In die-sem sind die „Besonderen Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen“ (Eingliederungshilferecht) niedergelegt. Der Übergang der Einglie-derungshilfe in das SGB IX und die personenzentrierte Ausrichtung des neuen Teilhabe-rechts werden ab 1. Januar 2020 auch zu Änderungen im SGB XII führen (vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. o. J., o. S.).

Das SGB IX trat maßgeblich am 1. Juli 2001 in Kraft und wurde, wie bereits eingehend beschrieben, häufig geändert. Dieses umfasst alle gesetzlichen Regelungen zur

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tation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Dem Bundesministeriums für Ar-beit und Soziales (BMAS) zufolge, wurde mit dem Bundesteilhabegesetz eine der großen sozialpolitischen Reformen dieser Legislaturperiode umgesetzt und durch dieses wird das deutsche Recht im Lichte der UN-BRK weiterentwickelt (vgl. BMAS o. J.a o. S.).

Der erste Teil des SGB IX umfasst die Regelungen für Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohte Menschen und die entsprechend dort festgelegten Leistungen, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, sowie Be-nachteiligungen zu vermeiden oder entgegenzuwirken (vgl. §1).

Gemäß § 2 SGB IX wird die Bezeichnung „Menschen mit Behinderungen“ wie folgt de-finiert:

„(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei Ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigsten 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen)“.

Die rechtliche Einordnung der Diagnose Autismus erfolgt durch die bereits definierte ICD-10 und ist damit auch rechtlich relevant in Bezug auf die Verschlüsselung von Di-agnosen bei der vertragsärztlichen Versorgung (§ 295 Abs. 1 Satz 2 SGB V) (vgl. Frese 2017, S. 5). Solange die Diagnose Autismus im ICD-10 bzw. 11 und im DSM-5 als Krankheit bzw. Entwicklungsstörung aufgeführt wird, wird sich auch an der pathologi-schen Sichtweise nichts ändern. Allerdings würde ohne diese Klassifizierung keine recht-liche Einordnung erfolgen und Hilfen könnten nicht in Anspruch genommen werden.

Würde man sich hier nur auf das Neurodiversitäts-Konzept beziehen und Autismus als

„Seins-Form“ offiziell anerkennen, würde aller Voraussicht nach damit jedoch auch der

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Anspruch auf Hilfen wegfallen, da keine Erkrankung in dem Sinne vorliegt. Die Debatte um Begrifflichkeiten und Einordnung der Diagnose bewegt sich damit laut der Autorin auf einem zweischneidigen Schwert.

Christian Frese (Jurist und Geschäftsführer von Autismus Deutschland e. V.) führt weiter dazu an, dass die Diagnose Autismus als Behinderung im Sinne des § 2 SGB IX gilt und eine Teilhabebeeinträchtigung infolge einer Abweichung (länger als sechs Monate) der körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit vom „typischen“

Zustand bedeutet. Somit sind nach Frese autistische Störungen regelmäßig eine Behinde-rung im Sinne des eben genannten Paragraphen. Wobei zu beachten ist, dass die autisti-sche Störung, trotz ihrer Klassifizierung in der ICD-10 nicht heilbar ist. Lediglich ein-zelne Symptome oder Komorbiditäten (z. B. Tics, Zwänge, Depressionen), die zusätzlich zum Autismus auftreten, können im medizinischen Sinne behandelt werden (vgl. Frese 2017, S.1).

Bezugnehmend auf das Kernthema dieser Arbeit, der „Teilhabe am Arbeitsleben“ umfas-sen die Paragraphen 49 bis 63 SGB IX die „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“

von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen. In § 49 ist festgeschrieben, dass die Erwerbsfähigkeit, entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit er-halten, verbessert, hergestellt oder wiederhergestellt werden soll und somit die Teilhabe am Arbeitsleben langfristig gesichert wird (vgl. § 49). Fernerhin werden: „Leistungen an Arbeitgeber“ (§ 50), „Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation“ (§ 51), „Rechtstel-lung der Teilnehmenden“ (§ 52), „Dauer von Leistungen“ (§ 53), „Beteiligung der Bun-desagentur für Arbeit“ (§ 54), „Unterstützte Beschäftigung“ (§ 55), „Leistungen in Werk-stätten für behinderte Menschen“ (§ 56), „Leistungen im Eingangsverfahren und im Be-rufsbildungsbereich (§ 57), „Leistungen im Arbeitsbereich“ (§ 58), „Arbeitsförderungs-geld“ (§59), „Andere Leistungsanbieter“ (§ 60), „Budget für Arbeit“ (§ 61), „Wahlrecht des Menschen mit Behinderungen“ (§ 62) und die „Zuständigkeit nach den Leistungsge-setzen“ (§ 63), definiert.

Im zweiten Teil des SGB IX, dem Eingliederungshilferecht, sind die „Besonderen Leis-tungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen“ geregelt.

Die Aufgabe der Eingliederungshilfe besteht darin, „[…] Leistungsberechtigten eine in-dividuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu för-dern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbst-bestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können“ (§ 90 Absatz 1 SGB IX).

Gemäß § 91 (Nachrang der Eingliederungshilfe), ist die Eingliederungshilfe nachrangig zu betrachten, insofern diese Leistung durch andere Träger oder Sozialleistungen erbracht wird/werden kann. Der leistungsberechtigte Personenkreis (§ 99) umfasst alle Personen

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nach § 53 Absatz 1 und 2 des Zwölften Buches (Sozialhilfe) und die §§ 1 bis 3 der Ein-gliederungshilfe-Verordnung in der am 31. Dezember geltenden Fassung. Das bedeutet, dass alle Personen leistungsberechtigt sind, „[…] die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesell-schaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung be-droht sind, […] wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Einglie-derungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten“ (§ 53 Abs.

1 SGB XII).

Die Leistungen der Eingliederungshilfe (§ 54 SGB XII) beinhalten neben den Leistungen nach dem § 140 SGB XII und den §§ 26 und 55 SGB IX folgende Leistungen:

1. „Hilfen zu einer angemessen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allge-meinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt,

2. Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule,

3. Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit, 4. Hilfe in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten nach § 56,

5. Nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und zur Sicherung der Teilhabe der behinderten Men-schen am Arbeitsleben“.

Der künftige Zugang zur Eingliederungshilfe (§ 99 SGB IX-NEU)4 nach dem BTHG wird laut Frese grundsätzlich überarbeitet werden und soll zum 01.01.2023 in Kraft treten. Die Orientierung soll an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinde-rung und Gesundheit (ICF) erfolgen (vgl. Frese 2017, S. 3).

4 § 99 SGB IX-NEU, Leistungsberechtigter Personenkreis (ab 01.01.2023)

(1) Eingliederungshilfe ist Personen nach § 2 Absatz 1 Satz 1 und 2 zu leisten, deren Beeinträchtigungen die Folge einer Schädigung der Körperfunktion und -struktur einschließlich der geistigen und seelischen Funktionen sind und die dadurch in Wechselwirkung mit den Barrieren in erheblichem Maße in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind. Eine Einschränkung der Fähigkeit an der Gesellschaft in erheblichem Maße liegt vor, wenn die Ausführung von Aktivitäten in einer größeren Anzahl der Lebensbereiche nach Absatz 4 nicht ohne personelle oder technische Unterstützung möglich oder in einer geringeren Anzahl der Lebensbereiche auch mit personeller oder technischer Unterstüt-zung nicht möglich ist. Mit steigender Anzahl der Lebensbereiche nach Absatz 4 ist ein geringeres Ausmaß der jeweiligen Einschränkung für die Leistungsberechtigung ausreichend.

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„Allgemeines Ziel der ICF-Klassifikation ist, in einheitlicher und standardisierter Form eine Sprache und einen Rahmen zur Beschreibung von Gesundheits- und mit Gesund-heit zusammenhängenden Zuständen zur Verfügung zu stellen. Sie definiert Kompo-nenten von Gesundheit und einige mit Gesundheit zusammenhängende KompoKompo-nenten von Wohlbefinden (wie Erziehung/Bildung und Arbeit)“ (DIMDI 2012, o. S.).

Bezugnehmend darauf, ist nach Freses vorläufiger Einschätzung, nicht davon auszuge-hen, dass es durch den geänderten Zugang zur Eingliederungshilfe in Zukunft einen Weg-fall von Leistungen für Menschen im Autismus-Spektrum geben wird. Da es allerdings bis zur Neuregelung wissenschaftliche Untersuchungen dazu geben bzw. diese modell-haft erprobt werden sollen, bleibt das Ergebnis bis zum 01.01.2023 abzuwarten (vgl.

Frese 2017, S. 3).

In Bezug auf Autismus kann die Eingliederungshilfe in Form eines autismusspezifischen Erwachsenencoachings (so z. B. im Autismuszentrum Leipzig) durchgeführt werden.

Frese verwendet hier den Begriff „Autismustherapie“, da sich diese Bezeichnung in vie-len Bundesländern durchgesetzt hat. Diese darunter verstandene Komplextherapie im Rahmen verschiedener Professionen und Methoden findet in spezialisierten Autismus-Therapie-Zentren statt. Das Ziel ist gemäß §§ 53, 54 SGB XII die Eingliederung in die Gesellschaft (vgl. Frese 2017, S. 7). Es sei noch darauf hinzuweisen, dass sich die Autorin von der Bezeichnung „Autismustherapie“ abgrenzen möchte, da wie bereits eingehend beschrieben wurde, Autismus keine Krankheit ist, die therapeutisch zu behandeln ist.

Die Eingliederungshilfe ist eine Sozialhilfeleistung und somit gemäß § 2 SGB XII Absatz 1 (Nachrang der Sozialhilfe) nachrangig:

„(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält“.

Diese Regelung ist erfahrungsgemäß für viele Autist*innen, die einer Beschäftigung nachgehen ein großer Nachteil, da sie nach Prüfung ihrer finanziellen Situation durch das zuständige Sozialamt oft einen Ablehnungsbescheid erhalten. In der Regel sind sie jedoch nicht in der Lage, für die Kostensätze der Eingliederungshilfe privat aufzukommen und somit bleibt ihnen eine Unterstützung verwehrt. Bezüglich anderer Kostenträger weist Frese auf ein Urteil (SG Freiburg vom 22.09.2009, Az. S 12 SO 1819/06) hin und merkt dazu an:

„Die gesetzlichen Krankenkassen sind aufgrund der Unheilbarkeit autistischer Störun-gen nicht für eine Autismustherapie zuständig. Selbst wenn sich im Rahmen der Autis-mustherapie Anteile von Krankenbehandlung finden lassen würden, sind diese lediglich untergeordneter Natur und begründen keine Leistungspflicht der Krankenkassen“

(Frese 2017, S. 6).

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Als weiteren Kostenträger verweist das Sozialamt oftmals auf die Bundesagentur für Ar-beit. Inhaltlich geht es im Rahmen des autismusspezifischen Erwachsensencoachings nicht selten um die Wiedereingliederung in das Berufsleben und eine damit verbundene Unterstützung. Die Bundesagentur für Arbeit lehnt die Anträge jedoch ab und verweist wiederum auf das zuständige Sozialamt. Erfahrungsgemäß passiert diese Vorgehens-weise sehr häufig und wird durch den einerseits langen Wartezeitraum auf Unterstüt-zungsleistungen und andererseits ungewissen Ausgang auf dem Rücken der Antragstel-ler*innen ausgetragen. Das gesetzlich richtige Vorgehen in solchen Fällen, ist in den §§

14 – 24 SGB IX verankert aber findet in der Praxis nur selten Berücksichtigung. So be-tragen Entscheidungszeiträume in manchen Fällen mehrere Monate oder werden auf-grund einer Einschätzung des entsprechenden Amtes nicht als notwendig erachtet und abgelehnt.

Überdies ist im Kapitel 4 des SGB IX die „Teilhabe am Arbeitsleben“ festgeschrieben und unter § 111 sind die „Leistungen zur Beschäftigung“ aufgelistet. Wobei der § 140 SGB XII die Regelungen zur Teilhabe am Arbeitsleben übergangsweise bis zum 31. De-zember 2019 enthält. Ebenso relevant in Bezug auf berufliche Perspektiven ist der § 112 SGB IX, welcher die Teilhabe an Bildung regelt.

Die Leistungen zur Teilhabe an Bildung umfassen:

1. „Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schul-pflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt, und

2. Hilfen zur schulischen oder hochschulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf“.

Ein weiterer wichtiger Baustein zur Teilhabe am Arbeitsleben sind die „Leistungen zur Arbeitsassistenz“ gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX (erweiterte Leistung zur Sozialen Teil-habe). Diese Form der Assistenzleistungen erfolgt im Rahmen des Bundsteilhabegesetzes und kann seit 01.01.2018 in Anspruch genommen werden. Die Arbeitsassistenz muss beim zuständigen Träger als „Maßnahme der Beruflichen Rehabilitation“ (Agentur für Arbeit, Rentenversicherungsträger oder Berufsgenossenschaft) oder als dauerhafte Assis-tenzleistung beim Integrationsamt, beantragt werden. Laut den Empfehlungen der Bun-desarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) ist Folgen-des in der Präambel festgeschrieben:

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„Die umfassende berufliche Integration von Menschen mit Schwerbehinderung in das Arbeitsleben und die Bewältigung der Arbeitsanforderungen in einer sich wandelnden Arbeitswelt erfordert im Einzelfall auch die notwendige persönliche Unterstützung.

Dadurch sollen Menschen mit Schwerbehinderung alle Möglichkeiten erschlossen wer-den, auf Arbeitsplätzen beschäftigt zu werwer-den, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können. Ferner sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die Menschen mit Schwerbehinderung im Arbeitsleben aufgrund ihrer Behinderung haben“ (BIH 2014, S. 1).

Folgende Rechtsgrundlagen gelten für Leistungen zur Arbeitsassistenz:

„1.1 Menschen mit Schwerbehinderung haben einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz (§ 102 Abs. 4 SGB IX und § 17 Abs. 1a SchwbAV), soweit dem örtlich zuständigen Integrationsamt (Ziff. 6.1) Mittel der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehen.

1.2 Der Anspruch auf Arbeitsassistenz ist Bestandteil der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben nach § 102 SGB IX. Für ihn gelten daher die leistungsrechtlichen Vorschriften nach Maßgabe der §§ 14, 73 Abs. 1, 102 Abs. 2 Satz 3, 102 Absätze 5 bis 7 SGB IX sowie des § 18 SchwbAV. Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen nach Art und zeitlichem Umfang besteht ein Rechtsanspruch auf Erstattung der Kosten für die notwendige Arbeitsassistenz im Rahmen der dem Integrationsamt zur Verfügung stehenden Mittel der Ausgleichsabgabe.

1.3 Der Anspruch ist auf eine Geldleistung gerichtet“ (BIH 2014, S. 1).

Der dritte Teil des SGB IX, das Schwerbehindertenrecht, umfasst „Besondere Regelun-gen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen“ und diese gelten laut § 151 für schwer-behinderte und ihnen gleichgestellte schwer-behinderte Menschen. Eine Gleichstellung kann auf-grund einer Feststellung nach § 152 und nach Antrag durch den Menschen mit Behinde-rung, durch die Bundesagentur für Arbeit vollzogen, gegebenfalls auch befristet werden (vgl. § 151 SGB IX). Die Feststellung der Behinderung erfolgt durch einen Antrag des Menschen mit Behinderung bei den dafür zuständigen Behörden und orientiert sich am Bundesversorgungsgesetz (vgl. § 152 SGB IX). Die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) setzt in Bezug auf Menschen im Autismus-Spektrum eine Diagnose nach ICD-10 voraus. Gemäß der VersMedV (Fassung 2015) gilt die GdS-Tabelle, welche den Grad der Schädigung in 10er Schritten auflistet. Autismus ist unter dem Bereich Nerven-system und Psyche folgendermaßen aufgeführt:

„3.5 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend Die Kriterien der Definition der ICD 10-GM Version 2011 müssen erfüllt sein.

Komorbide psychische Störungen sind gesondert zu berücksichtigen. Eine Behinde-rung liegt erst ab Beginn der Teilhabeberechtigung vor. Eine pauschale Festsetzung des GdS nach einem bestimmten Lebensalter ist nicht möglich.

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3.5.1 Tief greifende Entwicklungsstörungen (insbesondere frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus, Asperger-Syndrom)

Bei tiefgreifenden Entwicklungsstörungen:

- ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 10-20, - mit leichten Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 30-40,

- mit mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 50-70, - mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 80-100.

Soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integrations-fähigkeit in Lebensbereiche (wie zum Beispiel Regel-Kindergarten, Regel-Schule, allgemeiner Arbeitsmarkt, öffentliches Leben, häusliches Leben) nicht ohne be-sondere Förderung oder Unterstützung (zum Beispiel durch Eingliederungshilfe) ge-geben ist oder wenn die Betroffenen einer über das dem jeweiligen Alter entspre- chende Maß hinausgehenden Beaufsichtigung bedürfen. Mittlere soziale Anpassungs-schwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integration in Lebensbereiche nicht ohne umfassende Unterstützung (zum Beispiel einen Integrationshelfer als Ein-gliederungshilfe) möglich ist. Schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integration in Lebensbereiche auch mit umfassender Un-terstützung nicht möglich ist“ (BMAS 2015, S. 41 f.)

Anhand eigener Erfahrungen der Autorin in der Praxis, ist es für Menschen im Autismus-Spektrum sehr schwer, eine angemessene Einordnung eines Behinderungsgrades zu er-halten, da die Verordnung keine konkreten Anhaltspunkte enthält und die Anwendung in den einzelnen Ämtern uneinheitlich erfolgt. Bei der Vergabe ist z. B. im Sozialamt Leipzig (Feststellung Schwerbehinderteneigenschaft/Landesblindengeld) keine Struktur erkennbar, die es zulassen würde, dass jeder Antrag gleich behandelt wird. Besonders in den letzten Jahren haben Menschen im Autismus-Spektrum trotz nachweisbarer mittlerer bis schwerer Anpassungsstörungen lediglich eine Einteilung bis GdS von 30 erhalten.