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Angebote und Möglichkeiten zur beruflichen Teilhabe von autistischen Menschen

7 Grundsätzliche Möglichkeiten und Wege der beruflichen Teilhabe für

7.2 Angebote und Möglichkeiten zur beruflichen Teilhabe von autistischen Menschen

Die folgenden Beispiele und Einrichtungen wurden im Rahmen der autismusspezifischen Arbeit im Autismuszentrum kennengelernt und durch Klient*innen erprobt. Es handelt sich dabei nicht um Empfehlungen, sondern um Erfahrungen aus der Praxis, die die Kli-ent*innen und die Autorin in der Zusammenarbeit mit den Einrichtungen gemacht haben.

Das BBW Leipzig hat, wie bereits in Kapitel 5 beschrieben, schon vor seinen Autismus-Siegel-Ambitionen mit dem Autismuszentrum Leipzig in Form einer Kooperation zusam-mengearbeitet. Da die Zahl der autistischen Teilnehmer*innen und Auszubildenden von Jahr zu Jahr stieg, wurde 2014 ein Gruppenangebot installiert, welches seither von der Autorin, welche seit 2008 im Autismuszentrum tätig ist, angeleitet und durchgeführt wird.

Finanziert wird dieses Angebot durch das BBW Leipzig selbst. Hier treffen sich Jugend-liche und junge Erwachsene im Autismus-Spektrum einmal wöchentlich zum Austausch über bestimmte Themen wie z. B. Ausbildung, berufliche Zukunft, Alltag, Wohnen usw.

aber auch über vertrauliche und persönliche Angelegenheiten. Das Gruppenangebot be-steht aus ca. sechs bis zehn Teilnehmer*innen zwischen 15 und 30 Jahren, aufgeteilt in jeweils zwei Gruppen mit BVB-Teilnehmenden und Auszubildenden. Viele Teilneh-mer*innen geben an, dass sie das Angebot sehr gerne wahrnehmen und beteiligen sich teilweise sehr aktiv und interessiert. Die Dokumentation erfolgt sehr detailliert und wird an den gesamten psych.-med. Fachdienst übermittelt, so dass die für die Teilnehmenden zuständigen Mitarbeiter*innen inhaltlich informiert sind. Über das Gruppenangebot hin-aus hat die Autorin im Rahmen der Kooperation im Laufe der Jahre Workshops und Wei-terbildungen für und mit Lehrer*innen und Ausbilder*innen zum Thema Autismus durch-geführt. Dabei ist festzustellen, dass die Mitarbeiter*innen des BBW Leipzig sehr enga-giert und interessiert sind, was autismusrelevante Themen und deren Umsetzung in die Praxis betreffen. Dies ist vor allem daran festzustellen, dass es in diesem Jahr zum ersten Mal im Rahmen der Einsteigerwoche, welche den Beginn der BVB-Maßnahmen und der Ausbildungen einläutet, spezielle Vorgehensweisen und Abstimmungen bezüglich autis-tischer Teilnehmer*innen gab. So haben sich Mitarbeiter*innen im Vorfeld mit der Au-torin ausgetauscht, die Planung gemeinsam besprochen, einzelne Schritte überdacht und auch weitere Überlegungen angestrebt, um die Einsteigerwoche an die Bedürfnisse und Besonderheiten der neuen Teilnehmer*innen und Auszubildenden im Autismus-Spekt-rum anzupassen. So wurde z. B. die Möglichkeit angeboten, dass die Teilnahme an grö-ßeren Veranstaltungen, wie z. B. ein Grillabend oder an Sportangeboten, freiwillig ist.

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Da in den nächsten Jahren mit einer steigenden Teilnehmer*innenzahl im Autismus-Spektrum zu rechnen ist, ist eine Auseinandersetzung mit der Thematik, unabhängig vom Zertifizierungsprozess, für alle Mitarbeiter*innen unumgänglich. Im Hinblick auf die Zertifizierung hat sich das BBW Leipzig mit diesen speziellen Angeboten und Möglich-keiten für autistische Teilnehmer*innen bereits seit längerem auf den Weg gemacht, sich bewusst und eingehend mit der Thematik zu befassen.

Die Arbeit mit und für Erwachsene bzw. Jugendliche im Übergang von der Schule ins Berufsleben hat sich im Autismuszentrum Leipzig erst seit ca. sieben Jahren herauskris-tallisiert und wird seitdem immer weiterentwickelt. Bis vor einigen Jahren gab es im Raum Leipzig keine Möglichkeit, sich einer Autismus-Diagnostik zu unterziehen und auch kein Beratungsangebot für Erwachsene. Durch das nun seit ca. 2013 bestehende Angebot durch den „Verbund Gemeindenahe Psychiatrie Leipzig“, steigt die Zahl der im Raum Leipzig lebenden Erwachsenen, die sich diagnostizieren lassen und dadurch ist der Bedarf an autismusspezifischen Angeboten immer größer geworden. Im Zuge dessen, wurde vor ca. zehn Jahren ein Beratungsangebot für Erwachsene im Autismuszentrum installiert und Schritt für Schritt auch mit der Arbeit mit Erwachsenen maßgeblich durch die Autorin begonnen. Hier war vor allem wichtig, das Sozialamt in Leipzig für das Thema zu gewinnen und Unterstützungsleistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe (§ 54 SGB XII) zu schaffen. Anfangs wurden diese Leistungen unabhängig vom Einkom-men und finanziellen Status der Antragsteller*innen bewilligt aber inzwischen wird ge-nau geprüft und berechnet, wem die Hilfe zusteht und wem nicht (siehe § 2 SGB XII

„Nachrang der Sozialhilfe“). Es wurde ein Konzept für die Arbeit mit Erwachsenen er-stellt und die Angebote reichen von Einzelcoaching, Gruppenangeboten, Selbsthilfe-gruppe, Begleitung, Netzwerkarbeit bis hin zur Beratung. Besonders das Thema „Berufs-leben“ wurde immer relevanter, da sich die meisten Klient*innen eine Integration in eine Erwerbstätigkeit zum Ziel gesetzt haben. Darüber hinaus wird für viele Kinder- und Ju-gendliche, die bereits seit einigen Jahren autismusspezifische Hilfen erhalten, die Thema-tik „Berufliche Zukunft“ immer essentieller. Aktuell arbeitet das Autismuszentrum mit ca. 200 Klient*innen zusammen und davon rund 40 Erwachsenen. Durch diese Nachfrage und den hohen Bedarf, werden seit fünf Jahren jährlich Infoveranstaltungen zum Thema

„Berufliche Perspektiven für Menschen im Autismus-Spektrum“ durch die Autorin und andere Mitarbeiter*innen angeboten. Zur fachlichen Unterstützung werden zusätzlich Mitarbeiter*innen der Reha-Abteilung der Arbeitsagentur und des Integrationsfachdiens-tes eingeladen. Auch das Beratungsangebot hat sich weiterentwickelt und wird inzwi-schen bei Bedarf inhaltlich auf die Thematik „Berufliche Perspektiven“ durch die Autorin ausgerichtet.

Die Begleitung und Unterstützung der Klient*innen zu Terminen in die Arbeitsagentur, in das Jobcenter und in andere Ämter sind weitere Bestandteile der Eingliederungshilfe.

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Hier fungieren die Mitarbeiter*innen als „Übersetzer*innen“ bzw. vermitteln und bestär-ken vor allem auf der kommunikativen Ebene. Weiterhin arbeitet die Autorin im Rahmen der Eingliederungshilfe und mit Blick auf die berufliche Zukunft der Klient*innen, mit Arbeitgeber*innen, Bildungseinrichtungen, wie z. B. dem Internationalen Bund Leipzig (IB), dem Beruflichen Trainingszentrum Leipzig (BTZ), dem Kompetenzzentrum für Vermittlung und Integration Leipzig (Joblotse), dem Berufsförderungswerk Leipzig (BFW), Diversicon Berlin, der Diakonie am Thonberg (WfbM) und anderen Maßnahme-trägern, zusammen. Diese beinhaltet regelmäßige Gespräche, Hospitationen, „Aufklä-rungs“-Workshops bzw. Arbeitgeber*innen-Seminare zum Thema Autismus, Beratung, Begleitung und Unterstützung vor Ort, sowie Netzwerkarbeit. Fernerhin konnte auch eine Schnittstelle mit den Universitäten in Leipzig und Halle, sowie der Hochschule für Tech-nik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig gefunden werden. Sowohl Mitarbeiter*innen der Studienberatung einzelner Fakultäten als auch die Behindertenbeauftragten der Hoch-schulen stehen dem Thema Autismus sehr aufgeschlossen gegenüber. Es wurden bisher immer wirksame Lösungen und Ansätze gefunden, Studierenden im Autismus-Spektrum das Studium zu erleichtern.

Hinsichtlich einer Tätigkeit in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen wird in der Literatur immer wieder darauf hingewiesen, dass Autist*innen in einer WfbM unter-fordert wären, dennoch sind sehr viele in einer WfbM beschäftigt, weil keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung standen. Es gibt jedoch auch Autist*innen, die sich bewusst für einen Arbeitsplatz in einer WfbM entschieden haben und einen sehr langen und schwierigen Weg bis zum Erhalt eines Platzes, durchlaufen mussten. Diesen Prozess hat die Autorin in enger Zusammenarbeit mit der Diakonie am Thonberg (BBW-Leipzig-Gruppe) bei zwei ihrer Klienten begleitet und unterstützt. Aus Sicht der Klienten hat sich dieser Schritt gelohnt, da beide heute glücklich mit ihrer Entscheidung sind. Der Leis-tungs- und Erwartungsdruck, sowie das hohe Arbeitstempo auf dem allgemeinen Arbeits-markt wurden immer unerträglicher und führten zu psychischen bzw. physischen Zusam-menbrüchen. Wenn man jedoch einen Realschulabschluss und eine abgeschlossene Be-rufsausbildung vorweisen kann, ist es fast unmöglich eine Bewilligung für einen Platz in einer WfbM zu erhalten. Die beiden Personen mussten sich Tests zur Diagnose der Ar-beitsmarktfähigkeit (DIA-AM) verbunden mit Praktika, welche eine erneute Konfronta-tion mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt und damit verbundenem psychischen Stress mit sich brachte, unterziehen (beauftragt durch die Bundesarbeitsagentur und die Deutsche Rentenversicherung). Es wurden verschiedene Gutachten erstellt, es mussten Nachweise erbracht werden, die ein Scheitern auf dem ersten Arbeitsmarkt beweisen und weitere Tests durchlaufen werden. In beiden Fällen dauerte dieser Prozess über ein Jahr und war mit einer enormen psychischen Belastung bzw. einer fast unerträglichen Ungewissheit verbunden.

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Es kommt nicht selten vor, dass Jobs oder Praktikumsstellen auch durch Mitarbeitende des Autismuszentrums vermittelt werden, da durch die enge Zusammenarbeit mit den Klient*innen und die Kenntnisse über Bedürfnisse bzw. Möglichkeiten der/s Einzelnen, diesen Prozess erleichtern. Das Autismuszentrum selbst hat auch einen Mitarbeiter im Autismus-Spektrum im Verwaltungsbereich angestellt, welcher zuvor als Klient ange-gliedert war. Daraus ergibt sich im besten Falle eine gute Zusammenarbeit mit den Ar-beitgeber*innen, um so das Arbeitsverhältnis für beide Seiten optimal gestalten zu kön-nen. Hierzu gehören unter anderem regelmäßige Gespräche, Autismus-„Aufklärungen“

für das Kollegium und die Korrespondenz mit der Arbeitsagentur (falls diese noch invol-viert ist). Zur Thematik „Berufliche Zukunft“ gehört auch die Unterstützung beim Be-werbungsprozess. Hier ist vor allem wichtig, die Klient*innen dazu zu ermutigen, ihre Stärken und Fähigkeiten im Anschreiben besonders hervorzuheben. Auch die Begleitung zu Vorstellungsgesprächen oder das aktive Aufsuchen von Unternehmen, um sich nach Jobangeboten zu erkundigen, sind ebenso Bestandteil der Eingliederungshilfe. Eine enge Zusammenarbeit besteht außerdem mit dem Integrationsfachdienst Leipzig (Malteser Hilfsdienst e. V.), welche darin besteht, sich bei gemeinsamen Klient*innen oder The-men, regelmäßig auszutauschen, Termine wahrzunehmen oder Veranstaltungen zusam-men durchzuführen. Mitarbeiterinnen des IFD unterstützen so z. B. das Autismuszentrum bei der Durchführung von Infoveranstaltungen zum Thema „Berufliche Perspektiven“.

Bezüglich „Beruflicher Maßnahmen“ hat das Autismuszentrum bereits mit vielen Bil-dungsträger*innen zusammengearbeitet. Hier ist selbstverständich das BBW Leipzig zu nennen, welches für Menschen im Autismus-Spektrum gut geeignete Angebote der Be-rufsvorbereitung vorhält (siehe Kapitel 7). Des Weiteren findet im Rahmen der Klient*in-nenarbeit eine enge Vernetzung mit dem Beruflichen Trainingszentrum Leipzig (SRH) statt. Hier lautet das Leitprinzip „Beruflicher Neustart nach psychischer Erkrankung“ und es gibt Angebote zur Berufsorientierung bis hin zum Wiedereinstieg in das Berufsleben (vgl. BTZ Leipzig (SRH) o. J., o. S.). Besonders hervorzuheben sind hier die sehr über-schaubaren räumlichen Strukturen, kleine Gruppen bzw. Einzelarbeit, sehr intensive Zu-sammenarbeit mit den zuständigen Mitarbeiter*innen und die individuelle Anpassung der zeitlichen Abläufe sowie Inhalte.

Das Berufsförderungswerk Leipzig (BFW) hat inzwischen auch einige Menschen im Au-tismus-Spektrum erfolgreich durch eine Umschulung im Bereich Informatik geführt und bietet seit geraumer Zeit auch eine berufsvorbereitende Maßnahme für junge Menschen mit Beeinträchtigungen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung oder fehlender Aus-bildungsreife an (vgl. BTZ am BFW o. J., O. S.). Auch hier kann auf eine bemerkenswert engmaschige und engagierte Zusammenarbeit verwiesen werden, die sich vor allem durch Verständnis und Geduld auszeichnete.

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Fernerhin ist der „Internationale Bund Leipzig“ (IB) ein wichtiger Partner, um Menschen im Autismus-Spektrum eine berufliche Perspektive zu ermöglichen. Die Schwerpunkte der Einrichtung liegen auf der Arbeit mit Menschen mit Lernbeeinträchtigungen, sozial benachteiligten Jugendlichen, Langzeitarbeitslosen und Rehabilitand*innen im Rahmen der beruflichen Bildung (vgl. IB Leipzig o. J., o. S.). Positive Erfahrungen konnten Kli-ent*innen mit der Aktivierungsmaßnahme für unter 25jährige sammeln, da die Anforde-rungen sehr individuell an die einzelnen Bedürfnisse angepasst werden und dem Selbst-bestimmungsaspekt sehr viel Freiraum gelassen wird.

Seit längerer Zeit besteht bereits die Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für Vermittlung und Integration (Joblotse), welches zur BBW-Leipzig-Gruppe gehört und eine konkrete Intensivierung dieser ist bereits im Gespräch. Angedacht sind ähnlich nach dem Konzept von Diversicon, autismusspezifische Angebote zu schaffen, die bei der In-tegration ins Berufsleben unterstützen sollen. Das Kompetenzzentrum hat sich zur Auf-gabe gemacht, sich für einen inklusiven Arbeitsmarkt einzusetzen und Menschen mit Be-hinderungen darauf vorzubereiten und zu vermitteln. Unter anderem wäre hier die Ein-zelfallmaßnahme „Frühstück inclusive“ zu nennen. Dabei frühstücken regionale Arbeit-geber*innen gemeinsam mit Bewerber*innen, die zuvor intensiv darauf vorbereitet wur-den (vgl. Joblotse 2019, o. S.). Hier ist hervorzuheben, dass eine Begleitung und Unter-stützung der Klient*innen durch Mitarbeitende des Autismuszentrums möglich war und diesen dadurch die Teilnahme an der Veranstaltung erleichtert wurde. Darüber hinaus ist eine Zusammenarbeit bei gemeinsamen Klient*innen sehr erwünscht und optimiert den Vermittlungsprozess für beide Seiten.

Seit Mai 2019 gibt es auch eine Vernetzung mit Diversicon Berlin (siehe Kapitel 7.1), welche durch das Netzwerktreffen entstanden ist, welches nachfolgend noch beschrieben wird. So konnten vereinzelt bereits Menschen im Autismus-Spektrum aus Leipzig an Kursen teilnehmen, die direkt vor Ort stattfanden. Es besteht aber auch die Möglichkeit bestimmte Gespräche über Skype zu führen. Letzteres ist eine gute Möglichkeit, wenn es Autist*innen nicht möglich ist, eine weite Reise anzutreten, sich in einer fremden Umge-bung aufzuhalten oder an Gruppenkursen teilzunehmen. Nach aktuellem Kenntnisstand durch ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Gründungsteams ist Diversicon sehr an einer vernetzten Arbeit mit dem Autismuszentrum und dem Joblotsen interessiert.

Mit den Diakonischen Unternehmensdiensten Leipzig (DUD), welches auch zur BBW-Leipzig-Gruppe gehört, bestehen auch Schnittstellen zum Thema Autismus. Der gemein-nützige Inklusionsbetrieb wurde 2008 gegründet und betreibt folgende Dienstleistungs-bereiche: Gebäudereinigung, Hauswirtschaftsdienste, Gemeinschaftsverpflegung, Cate-ring, Digitalisierung und Dokumentenmanagement. In den DUD sind mindestens 40 % der Arbeitsplätze durch Menschen mit Behinderungen besetzt (vgl. DUD 2019, o. S.).

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Vor allem der Bereich Digitalisierung und Dokumentenmanagement bietet ein gutes Ar-beitsumfeld für autistische Menschen und von den drei aktuell zur Verfügung stehenden Stellen ist eine durch einen Mitarbeiter im Autismus-Spektrum besetzt. Laut der jetzigen Leiterin soll der Bereich ausgebaut werden und die Absolvierung von Praktika in diesem Bereich ist jederzeit möglich.

Eine intensive Netzwerk- und öffentlichkeitswirksame Arbeit ist aufgrund der vorange-gangen Beispiele von immenser Bedeutung und besonders wichtig, um das Thema Au-tismus greifbarer zu machen. Seit 2017 organisiert die Autorin zwei Mal im Jahr ein Netz-werktreffen zum Thema „Autismus und Arbeit“. Die Idee ist zuvor bei gemeinsamen Ge-sprächen mit Mitarbeiter*innen des Integrationsfachdienstes Leipzig (IFD) entstanden – mit dem Ziel, sich mit Vertreter*innen von relevanten Einrichtungen und Ämtern zu ver-netzen. Inzwischen findet das Netzwerktreffen großen Anklang mit ca. 40 Teilnehmer*in-nen und die Beteiligung ist sehr aktiv und thematisch breit aufgestellt. Es nehmen Leipzi-ger Vertreter*innen der Arbeitsagentur, des Jobcenters, des Sozialamtes, des Kommuna-len Sozialverbandes, des Integrationsfachdienstes Leipzig und Wurzen bzw. der Malteser Hilfsdienst Leipzig und Nordsachsen, des Landesamtes für Schule und Bildung, des Ge-sundheitsamtes der Stadt Leipzig, der Verbund der Gemeindenahen Psychiatrie, des Stu-dentenwerkes der Universität Leipzig, einer Praxis für Psychotherapie, des RPK – Reha-bilitation psychisch Kranker in Leipzig, von LunA – Leipzig und Autismus e. V., von Diversicon Berlin, dem Internationalen Bund, dem Beruflichen Trainingszentrum in Leipzig und von Gera, des Kompetenzzentrums für Vermittlung und Integration (Job-lotse), dem Berufsförderungswerk, dem Berufsildungswerk, der Diakonie am Thonberg, vom Berufspsychologischen Service Verbund Leipzig-Oschatz-Riesa, vom Leipzig Kol-leg/Abendgymnasium bzw. der Abendoberschule Leipzig, das BTZ Jena aber auch Au-tist*innen, Mitarbeiter*innen des Autismuszentrums und weitere interessierte Personen, teil. Hier geht es vor allem darum, gemeinsame Schnittstellen zu intensivieren, zu infor-mieren und sich auszutauschen. Diese Plattform bietet allen Beteiligten die Möglichkeit, an einen Tisch zu kommen und von den Strukturen, Arbeitsweisen und Rahmenbedingen jedes Einzelnen zu erfahren. Inzwischen hat sich das Netzwerktreffen so weit etabliert, dass kostenlos Räumlichkeiten z. B. durch die Arbeitsagentur, das BBW, das BTZ, den IFD und den Joblotsen zur Verfügung gestellt werden.

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Schlussfolgerung

Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse in dieser Arbeit geht die Autorin davon aus, dass trotz der Implementierung der Qualitätskriterien zur Erlangung des Autismus-Güte-siegels, im BBW Leipzig noch keine inklusive Teilhabe, im Sinne von „Inklusion“ statt-findet. Wichtige Parameter wie z. B. Ausbildung in Teilzeit, variable Arbeitszeiten, indi-viduellere Arbeitsbedingungen oder eine engmaschigere bzw. intensivere Begleitung beim Übergang ins Berufsleben sind notwendige Ziele, die für eine inklusive Ausbildung unter anderem wichtig wären. Zweifelsohne liegt dies nicht ausschließlich in der Hand des BBW, sondern vor allem an restriktiven Strukturen des Systems im Allgemeinen und an Vorgaben und Richtlinien der Industrie- und Handelskammern. Für die Autorin be-deutet der Begriff Inklusion deutlich mehr, als eine spezielle materielle und sächliche Ausstattung, autismusfreundliche Bedingungen oder autismusspezifisch geschultes Per-sonal. Das entscheidendste und ausschlaggebendste Einflusskriterium ist die Grundhal-tung, die die Menschen anderen Menschen gegenüber einnehmen, die nicht in das gesell-schaftlich vorgegebene Schema passen. Wenn sich diese Grundhaltung nicht ändert, nüt-zen besondere Rahmenbedingungen oder implementierte Qualitätskriterien nur partiell etwas. Hier braucht es auch keine autistische Zuschreibung, denn hier geht es in erster Linie um das in der UN-Konvention festgeschriebene Neurodiversitäts-Konzept. Laut der BRK gibt es keine einheitliche Definition von Inklusion aber sie „verweist […] insgesamt auf ein Grundprinzip sozialen Zusammenlebens, das allen Menschen auf der Basis glei-cher Rechte die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen soll“

(Wansing 2012, S. 94).

Die Autorin geht sogar so weit, zu behaupten, dass eine neurodiverse Gesellschaft sich der Begriffe wie Integration, Inklusion oder Teilhabe nicht bedienen müsste. Diese wären obsolet, da jedes Individuum als Mensch betrachtet und nicht in verschiedene Gruppen eingeteilt werden würde bzw. niemand sich das Recht herausnehmen könnte, sich selbst als die Norm zu bezeichnen und alle die nicht in diese Schablone passen, erhalten geson-derte Bezeichnungen.

Im Einklang mit Wansing, wird „Inklusion als Grundsatz […] soziale Ungleichheit per se nicht [auflösen], vielmehr wird diese im Lichte von Inklusion erst sichtbar und als mögliches Unrecht wahrgenommen. Nur wenn die soziale Zugehörigkeit (being included) von Menschen mit Beeinträchtigungen unhinterfragbar als Menschenrecht vorausgesetzt wird, also davon ausgegangen wird, dass sie Teil der Gesellschaft oder anders ausge-drückt in der Gesellschaft sind, werden Benachteiligungen und Diskriminierungen, ergo Ereignisse der Behinderung ihrer sozialen Teilhabe erkennbar“ (Wansing 2012, S. 97).

Die Autorin ist sich jedoch bewusst, dass dieses Ziel unerreichbar ist, solange die Bot-schaft einer neurodiversen Grundhaltung nicht bei den Menschen ankommt und ein Um-denken geschieht. Es wäre ein wünschenswerter Prozess, der erst einmal auf lokaler

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Ebene in Gang gebracht werden muss. Mit dem Autismus-Gütesiegel ist sicher nicht ge-währleistet, dass ein Umdenken geschieht aber es existieren inzwischen Ansätze, die das Thema Autismus entpathologisieren und somit auch der Gesellschaft und vor allem der Arbeitswelt zugänglicher machen.

Im Einklang mit Schuster und Schuster sollte die Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt selbstverständlich sein aber das darf nicht bedeuten, dass jede Person für jeden Job ge-eignet sein bzw. notfalls sich anpassen muss. Viele Arbeitsplätze wären sehr gut für Men-schen im Autismus-Spektrum geeignet, wenn Arbeitgeber*innen Strukturen anpassen oder verändern würden (vgl. Schuster/Schuster 2013, S. 175). Leider ist das in der der-zeitigen Arbeitswelt nur vereinzelt der Fall und es bedarf noch sehr viel Aufklärung bzw.

ist ein Umdenken unumgänglich.

Das Prinzip der Inklusion gilt ebenso für Berufsbildungswerke und deshalb haben sich die Verantwortlichen auf den Weg gemacht, bereits im Ausbildungsprozess „autismus-freundliche“ Bedingungen zu schaffen. Bei der Formulierung des Titels dieser Arbeit wurde wie bereits in der Einleitung darauf hingewiesen, bewusst der Begriff „Integration“

gewählt, da der Begriff „Inklusion“ hier laut der Autorin zu anspruchsvoll wäre. Denn es

gewählt, da der Begriff „Inklusion“ hier laut der Autorin zu anspruchsvoll wäre. Denn es