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Begrenzung öffentlicher Kredithilfen durch die Finanzverfassungen der Gebiets- Gebiets-körperschaften

B. ÖFFENTLICHE KREDITHILFEN IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

IV. INSTITUTIONELLER RAHMEN FÜR ÖFFENTLICHE KREDITIIILFEN

2. Begrenzung öffentlicher Kredithilfen durch die Finanzverfassungen der Gebiets- Gebiets-körperschaften

Unter den Finanzverfassungen der Bundes und der Länder werden hier die Vorschriften des Grundgesetzes und der Landesverfassungen über das Finanzwesen sowie die Regeln des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) und der Bundeshaushaltsordnung (BHO) bzw. der Landeshaushaltsordnungen (lJ-10) verstanden. Dabei ist durch das

1 Vgl. SCHERER (1985), S.14; JOOSS (1987), S.290.

2 Vgl. KNIRSCH (1984), S.496.

3 Vgl. OLDIGES (1984), S.1929 f.

4 Ansätze zu einem veränderten Verständnis der Grundrechte zeigen sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere in seiner Numerus-clausus-Entscheidung, vgl.

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (1972), S.303 ff. Darin wird erstmalig bejaht, daß der Bürger ein subjektives Recht auf Teilhabe an staatlichen Leistungen haben kaM. Grundrechte enthalten nach diesem Rechtsverständnis über die reinen Abwehrrechte hinaus zumindest in gewissem Umfang auch individuelle Forderungsrechte; vgl. SCHOLZ (1985), S.36. Welche Implikationen eines derart veränderten Grundrechtsverständnisses im gegebenen Zusammen-hang folgen, kann hier jedoch nicht näher diskutiert werden.

HGrG, das im Rahmen der Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes im Haushalts-wesen erlassen wurde1, sichergestellt, daß sich die Regeln in den Finanzverfassungen des Bundes und der Länder zumindest sinngemäß gleichen, so daß sie zusammen behandelt werden können. Zur Finanzverfassung der Kommunen können die in den Bundesländern landesrechtlich geregelten kommunalen Haushaltsvorschriften2 gerechnet werden. Diese enthalten einige Besonderheiten, auf die jedoch nicht näher eingegangen werden soll3•

Die Finanzverfassungen des Bundes und der Länder enthalten verschiedene Rege-lungen, die öffentliche Kredithilfen betreffen. Hierbei sind in erster Linie die allgemeinen Haushaltsgrundsätze, die Verschuldungsvorschriften sowie die Zuwendungs- und Gewähr-leistungsvorschriften der Haushaltsordnungen zu nennen.

a. Allgemeine Haushaltsgrundsätze

Soweit öffentliche Kredithilfen von Bund und Ländern ausgaben- oder einnahmen-wirksam werden, sind sie von der betreffenden Gebietskörperschaft entsprechend dem Budgetgrundsatz4 der Vollständigkeit5 im Haushaltsplan zu veranschlagen. Dieser Grundsatz soll sicherstellen, daß sämtliche öffentlichen Ausgaben und Einnahmen vom Gesetzgeber gebilligt werden6 und ist somit Kernstück des legislativen Budgetrechts 7.

Da Gewährleistungen nur Eventualverbindlichkeiten sind, gleichwohl aber zu öffent-lichen Ausgaben führen können, die dann wegen des Rechtsanspruchs des Berechtigten der Disposition des Haushaltsgesetzgebers entzogen sind, ist zur Wahrung seines Budget-rechts eine gesetzliche Ermächtigung der Exekutive zur Gewährleistungsübernahme not-wendig. Dementsprechend ist in Art.115 Abs.l S.1 GG für den Bund geregelt, daß Bürg-schaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rech-nungsjahren führen können, einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren gesetzli-chen Ermächtigung bedürfen. Auch hier gelten für die Länder entsprechende Vorschriften.

Diese Ermächtigung ist üblicherweise im Haushaltsgesetz enthalten.

1 Vgl. Art. 109 Abs.3 GG.

2 Vgl. dazu den Dritten Teil der GemO Baden-Württemberg(§§ 77-117) und die GemHVO.

3 Beispielsweise gilt der Grundsatz, daß kommunale Subventionen die staatliche Wirtschaftsför-derungspolitik nicht stören dürfen. Vgl. dazu ALTENMÜLLER (1981), S.205 ff.;

KNEMEYER/ROST-HAIGIS (1981), S.247; STOBER (1984), S.110 ff.

4 Zu den überwiegend von der Finanzwissenschaft entwickelten Budgetgrundsätzen ausführlich SENF (1977).

5 Dieser Grundsatz erhielt durch Art. 110 Abs.1 S.1 GG Verfassungsrang. Vgl. PIDUCH (1990), Anm.28 zu Art. 110 GG.

6 Vgl. HEDTKAMP (1977), S.81.

7 Vgl. BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (1989), S. 329.

Eine Begrenzung für Kredithilfen der Gebietskörperschaften ergibt sich aus diesen Vorschriften nur insoweit, als man annehmen kann, daß die Exekutive ohne das Erforder-nis einer Ausgabenermächtigung solche Maßnahmen gegenüber dem aktuellen Rechtszu-stand ausweiten würde. Eine Begrenzung der Nettoausgaben öffentlicher Kredithilfen ist durch diese formalen Veranschlagungsregeln jedoch nicht möglich, da die öffentlichen Budgets als Einnahmen-Ausgaben-Rechnung konzipiert sind und die Kosten öffentlicher Kredithilfen somit nicht unmittelbar sichtbar werden1.

b. Staatliche Verschuldungsvorschriften

Öffentliche Kredithilfen, die ausgabenwirksam sind und nicht aus zweckgebundenen Einnahmen finanziert werden, konkurrieren mit anderen Ausgabearten um die im Rahmen der staatlichen Budgetrestriktion2 verfügbaren Haushaltsmittel. Die Grenzen des staatlichen Ausgabenspielraums werden dann durch die Möglichkeiten zur Erzielung ordentlicher Einnahmen, insbesondere aus Steuern, und die Höhe der zulässigen Kreditaufnahme gezogen.

Im gegebenen Zusammenhang ist nun zu fragen, ob Kredithilfen die zulässige Ver-schuldungshöhe und damit den staatlichen Ausgabenspielraum beeinflussen. Im Bund ist dafür Art. 115 Abs.l S.2 GG maßgeblich, wobei die Landeshaushaltsordungen und teil-weise auch die Landesverfassungen inhaltlich vergleichbare Regelungen enthalten3.

Danach darf die Nettokreditaufnahme4 die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht übersteigen. Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichts sind Ausnahmen von der Regelvorschrift zulässig.

Der Investitionsbegriff, dessen Abgrenzung im Regelfall für die zulässige Verschul-dungshöhe entscheidend ist, soll durch die Änderung von HGrG und BHO entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts näher bestimmt werden5. Im Gesetzentwurf zur Änderung des § 10 Abs.3 HGrG und § 13 Abs.3 BHO werden Ausgaben für Darlehen

1 Vgl. DICKERTMANN (1980), S.483.

2 Zu einem Überblick dazu vgl. FOLKERS (1984).

3 Vgl. z.B. Art.84 LV Baden-Württemberg, Art.54 Niedersächsische Verfassung, Art.83 der Ver-fassung für das Land Nordrhein-Westfalen, Art.117 VerVer-fassung für Rheinland-Pfalz.

4 Vgl. PIDUCH (1990), Anm.29 zu Art.115 GG. Siehe dazu auch§ 15 Abs.1 S.2 BHO, der eine Netto-Veranschlagung der Krediteinnahmen vorschreibt.

5 Der Investitionsbegriff soll dabei so eng gefaßt werden, daß die maximale "Normal"-Kreditauf-nahme den Entscheidungsspielraum künftiger Haushaltsgesetzgeber nicht über Gebühr beschneidet. Er soll insbesondere nicht weiter ausgelegt werden als in der bisherigen Staats-praxis. Vgl. BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (1989), S. 311 ff.

und die Inanspruchnahme aus Gewährleistungen als Investitionsausgaben genannt1. Dabei werden diese Ausgaben zu ihrem Nominalbetrag den Investitionen zugerechnet. Begründet wird dies damit, daß Darlehen "ohne Rücksicht auf ihren Verwendungszweck als Finanzinvestitionen anzusehen" seien, während die Inanspruchnahme aus Gewähr-leistungen "zum Teil auf Bürgschafts- und Gewährleistungsübemahmen für investitions-wirksame Betätigungen des Gewährleistungsübemehmers" beruhe und "außerdem zur Ent-stehung von Rückgriffsforderungen" fiihre2. Schuldendiensthilfen, die wie Darlehen und Investitionszuschüsse in aller Regel der Förderung von Investitionen dienen3, werden anders als die beiden letztgenannten Förderarten nicht als Investitionen behandelt, weil

"nur ein sehr loser sachlicher Zusammenhang zwischen Zinszuschüssen und den durch sie geförderten Investitionen" bestehe4.

Abgesehen von solchen wenig plausiblen Abgrenzungen der investitiven von den konsumtiven Kredithilfen5 ist problematisch, daß die Ausgaben zum Forderungserwerb in voller Höhe kreditfinanziert werden können, obwohl der Barwert der Forderungen unter diesen Ausgaben liegt. Damit kann die Verschuldungsgrenze des Art.115 GG bei gegebe-nen Steuereinnahmen eine Aufzehrung des staatlichen Vermögens infolge einer Kredit-finanzierung dieser "Finanzinvestitionen" nicht verhindern. Außerdem werden Investitio-nen im Sinne des Art.115 GG als BruttoinvestitioInvestitio-nen interpretiert, so daß Tilgungseinnah-men nicht von den Darlehensausgaben abzuziehen sind6. Damit wird jedoch eine Kredit-finanzierung öffentlicher Konsumausgaben in späteren Perioden möglich. Dies läßt sich anhand einer einfachen Überlegung zeigen. Es wird angenommen, daß der Staat in t0 ein einperiodiges Darlehen in Höhe von X vergibt, das er vollständig kreditfinanziert. In t1 wird die Darlehenssumme X getilgt. Gleichzeitig wird ein neues Darlehen in Höhe von X vergeben. Damit ist in t1 wiederum eine Nettokreditaufnahme in Höhe von X zulässig.

Wird dieser Verschuldungsspielraum in t1 ausgeschöpft, erhöht sich der Schuldenstand auf 2X, während der Bestand an Darlehensforderungen X beträgt. D.h. daß die kreditfinanzierten Ausgaben in t1 um X über den Darlehensausgaben liegen können, ohne

1 Zur entsprechenden Regelung nach der bisherigen Rechtslage vgl. PIDUCH (1990), Kommen-tar zu§ 13 BHO, S.13.

2 Vgl. BUNDESREGIERUNG (1990), S.5. Siehe dazu auch BUND/IÄNDER-ARBEITSAUS-SCHUSS (1982), S.132.

3 Vgl. WISSENSCHAFILICHER BEIRAT (1980), S.37.