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Auswertung der Labmagenverlagerungsfälle in der Klinik für Rinder

Im Dokument Labmagenverlagerung beim Rind (Seite 102-111)

3 Eigene Untersuchungen

3.3 Analyse der Überlebensdauer von Deutschen Holstein Kühen nach

3.3.4.1 Auswertung der Labmagenverlagerungsfälle in der Klinik für Rinder

Pro Jahr wurden durchschnittlich 737 an Labmagenverlagerung erkrankte Kühe in der Klinik für Rinder der Tierärztlichen Hochschule Hannover behandelt.

Frühere Studien aus diesem Haus berichteten von deutlich geringeren Fallzahlen. So zählte WOLFERS (1979) nur 115 Fälle linksseitiger Labmagenverlagerungen pro Jahr in seiner Studie von Januar 1975 bis Juni 1977, BRUNK (1982) 37 Fälle rechtsseitiger Labmagenverlagerungen pro Jahr im Zeitraum von Oktober 1975 bis September 1981 und MANNUSS (1984) 246 jährliche Fälle linksseitiger Labmagenverlagerungen für den Zeitraum von Juli 1977 bis Juni 1982. In anderen Kliniken lagen die Jahresdurchschnittswerte bei 17 Fällen (Bern) von linksseitiger Labmagenverlagerung für die Zeit von August 1989 bis Januar 1992 (AREGGER 1992) bzw. bei 85 Fällen pro Jahr in Gießen für die Jahre 1970 bis 1992 (DIEDERICHS 1996). In weiteren ausländischen Studien wurde ebenfalls von geringeren Fallzahlen berichtet; so traten beispielsweise in Guelph (Ontario, Kanada) von Januar 1975

bis Juni 1979 121 Fälle von Labmagenverlagerung pro Jahr in der dortigen tierärztlichen Klinik auf (ERB u. MARTIN 1978) und in Kopenhagen waren es im Zeitraum von April 1967 bis März 1979 35 Fälle pro Jahr (HESSELHOLT u. GRYMER 1979).

Die hohe Anzahl der Fälle im Vergleich zu den älteren Studien an der hiesigen Klinik für Rinder spricht für eine zunehmende Prävalenz der Labmagenverlagerung in der Deutschen Holstein Population. Diese Steigerung wurde von vielen anderen Autoren ebenfalls beobachtet (VARDEN 1979, MANNUSS 1984, SUTHERLAND 1984, GEISHAUSER et al.

1996, LOTTHAMMER 1992 u. 1999). Selbst innerhalb dieser Studie war ab dem Jahre 2000 ein Anstieg der durchschnittlichen Fallzahlen zu verzeichnen.

Die Dauer des Klinikaufenthaltes der erkrankten Tiere betrug durchschnittlich 9,1 Tage und lag damit im Vergleich zu BRUNK (1982) mit 7,8 Tagen, MANNUSS (1984) mit 8,9 Tagen und WOLFERS (1979) mit 9,7 Tagen im Bereich der vorherigen Klinikstudien aus Hannover.

Der Anteil der rechtsseitigen Labmagenverlagerungen an der Summe der Gesamterkrankungen lag bei 24 %. Verglichen mit der Studie von DIEDERICHS (1996), in der der Anteil rechtsseitiger Verlagerungen bei 28,7 % lag, ist dieser Wert niedriger.

Möglicherweise bringt ein größerer Anteil des Klientels jedes an Labmagenverlagerung erkrankte Tier und nicht nur rechtsseitige Labmagenverlagerungen in die Klinik. Verglichen mit den meisten Studien auf der Grundlage von Tierarztpraxisdaten lag der ermittelte Anteil an rechtsseitigen Labmagenverlagerungen sehr hoch. Daraus lässt sich schließen, dass Tiere, die an einer rechtsseitigen Labmagenverlagerung erkrankten, häufiger in die Klinik überwiesen wurden als solche mit einer linksseitigen Labmagenverlagerung, oder dass die Anzahl an rechtsseitigen Labmagenverlagerungen in den letzten 10 Jahren zugenommen hat.

Bei MARKUSFELD (1986) lag der Anteil der rechtsseitigen Verlagerungen in einer Praxisstudie nur bei 4,2 % der Fälle, bei VARDEN (1979) bei 12 %.

Die Verteilung nach Monaten stimmt mit den Ergebnissen der meisten anderen Autoren überein (DIRKSEN 1961, ERB u. MARTIN 1978, WOLF et al. 2001). In den Monaten März bis Mai war die Labmagenverlagerung überrepräsentiert, während in den Monaten August und September die geringste Fallzahl bestand. Diese Saisonabhängigkeit kann mit einer Saisonalität der Abkalbungen im Zusammenhang stehen. Eine weitere Erklärung wäre, dass besondere Fütterungsbedingungen zu dieser Jahreszeit vorherrschen. In zahlreichen Studien zeigte sich ebenfalls eine Saisonabhängigkeit der Häufigkeit von Labmagenverlagerung

(PINSENT et al. 1961, ROBERTSON 1968, WALLACE 1975, AREGGER 1992, CONSTABLE et al. 1992, VAN DORPet al. 1999).

3.3.4.2 Überlebensdauer

Die Untersuchung von Einflüssen auf die Überlebensdauer nach Labmagenverlagerung wurde mit Varianzanalysen durchgeführt. Vergleichbare Studien fehlen in der Literatur. Es gibt zwar einige Arbeiten über die weitere Nutzungsdauer von Kühen nach Labmagenverlagerung, aber keine Untersuchung über Faktoren, die eine Erklärung für die unterschiedliche Überlebensdauer der Tiere nach einer Labmagenverlagerung geben.

Die Lebensdauer einer Kuh wird von einer Labmagenverlagerung stets deutlich beeinflusst (WOLFERS 1979, PETTY 1981, BRUNK 1982, MANNUSS 1984, NOTTEBROCK 1996, GEISHAUSER et al. 1998b, WOLF et al. 2001, RAIZMAN u. SANTOS 2002), was sich daran erkennen lässt, dass in der vorliegenden Studie bereits 37,9 % der Kühe innerhalb eines Jahres abgingen. MANNUSS (1984), WOLFERS (1979) und BRUNK (1982) berichteten von einer wesentlich höheren Abgangsrate innerhalb eines Jahres nach Labmagenverlagerung.

Diese Autoren gaben Werte von 56 %, 51,4 % bzw. 49,3 % an. Die Zunahme der Überlebensrate nach Labmagenverlagerung ist durch die sich ständig verbessernde medizinische Versorgung der Tiere in Klinik und Praxis erklärbar. Ein weiterer Aspekt dürfte sein, dass infolge der generell niedrigen Nutzungsdauer bei den Deutschen Holstein Kühen die Landwirte bestrebt sind, dass die Kühe nach einer Labmagenverlagerung wieder die volle Leistungsfähigkeit erreichen und in dem Betrieb weiter genutzt werden können.

Der Hauptgrund für den Abgang ist oft der wirtschaftliche Aspekt. Als überwiegende Abgangsursachen wurden sonstige Gründe, Unfruchtbarkeit, Euterkrankheiten, Klauenerkrankungen und mangelnde Leistung angegeben (VIT VERDEN 2001, ADR 2001).

Die mangelnde Milchleistung wird von BASCOM u. YOUNG (1998) als zweitwichtigste Ursache für eine frühzeitige Merzung angesehen. Nach einer Labmagenverlagerung kann es zu langfristiger Leistungsdepression auf Grund einer gestörten Vormagenfunktion, von Leberschäden oder metabolischen Komplikationen kommen (MANNUSS 1984, NOTTEBROCK 1996). „Sonstige Gründe“ werden vom VIT Verden (2001) bei Deutschen Holsteins in 26 % der Fälle als Abgangsursache genannt und „Stoffwechselstörungen“ in 3,7

% der Fälle. In der vorliegenden Studie waren diese beiden Gruppen mit 36 % bzw. 4,9 % wesentlich stärker besetzt. Aus diesen Angaben lässt sich ersehen, dass die Labmagenverlagerung die Ursache für zahlreiche Abgänge wegen sonstiger Gründe darstellt (WOLF et al. 2001, siehe Kapitel 3.1.2) und auf Grund der Häufigkeit als eigene Abgangsursache in der Milchleistungsprüfung geführt werden sollte. Von den 697.992 im Einzugsbereich des VIT Verden abgegangenen Kühen des Jahres 2001 dürften auf Grund der hier gefundenen Verteilung der Abgangsgründe schätzungsweise 15.385 Kühe wegen sonstiger Gründe und etwa 300 Kühe wegen Stoffwechselstörungen, die in unmittelbaren Zusammenhang mit einer Labmagenverlagerung standen, abgegangen sein.

Das Niveau der Herden in der 305-Tage-Milchleistung spielte bei der Überlebensdauer keine Rolle. Dies steht im Gegensatz zu den Ergebnissen von LOTTHAMMER (1999), der beobachtet hatte, dass Tiere aus Hochleistungsherden eine hohe Rate an Erkrankungen wie z.

B. Fruchtbarkeitsprobleme und Stoffwechselstörungen aufwiesen und ein relativ niedriges Abgangsalter hatten (Hochleistungstiere 3,6 Jahre).

Der Einfluss der Laktationsnummer auf die Überlebensdauer war in Übereinstimmung mit DÜRR et al. (1997) und GEISHAUSER et al. (1998b) signifikant. WILLEBERG et al. (1982) sind der Meinung, dass ältere Kühe prinzipiell eine erhöhte Krankheitsdisposition haben und daher die Gefahr eines möglichen Abgangs erhöht wird. Auch GRÖHN et al. (1998) sahen einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Alter und der Höhe der Merzungsrate der Kühe. Die Tiere, die sich in der 2. bis 4. Laktation befanden, hatten ungefähr eine ähnlich lange Überlebensdauer. Erst mit fünf oder mehr Laktationen nahm die Überlebensdauer deutlich ab. Dies bestätigt, dass 86 % der Deutschen Holstein Kühen sich in der 1. bis 4.

Laktation befinden (VIT Verden 2001) und nur ein geringer Prozentsatz der Kühe in der 5.

oder höheren Laktation noch weiter genutzt werden.

Das Abkalbejahr erwies sich als nicht signifikant. Dieses bedeutet, dass vermutlich in den letzten Jahren keine Änderungen in Behandlung und Pflege von Tieren nach Labmagenverlagerung und bei der weiteren Nutzung der Tiere eintraten. Auch das Jahr 2001 wies trotz BSE und MKS-Problematik keine Unterschiede im Vergleich zu den übrigen Jahren auf.

Bei Kühen in den Abkalbemonaten Januar und Februar war die Überlebensdauer signifikant niedriger als in den Monaten Juli und September. Dies könnte mit der Haltung auf der Weide

oder im Stall zusammenhängen. Die Kühe mit Abkalbungen in den Monaten mit Stallhaltung bzw. Übergang zur Weidehaltung hatten geringere Überlebenschancen, während die größte Überlebensdauer die Kühe hatten, deren Abkalbung in die Monate mit Weidehaltung fielen.

Weiterhin mag hier eine Rolle spielen, dass in diesen Monaten weniger Abkalbungen stattfinden, was bedeutet, dass der Landwirt mehr Zeit hat, sich intensiver um die Tiere zu kümmern als in den Monaten mit vielen Abkalbungen. GRÖHN et al. (1998) sahen hingegen die Kalbesaison als nicht signifikant für die Merzungsrate der Tiere an.

Die Art der Labmagenverlagerung spielte ebenfalls eine signifikante Rolle für die Überlebensdauer. Tiere, die auf Grund von Komplikationen nach Labmagenverlagerung in die Klinik kamen, hatten eine wesentlich geringere Überlebensdauer. Oft dürften dies Tiere gewesen sein, die an einem Rezidiv litten oder bei denen vorhergehende Behandlungsversuche nicht zum erwünschten Erfolg führten und die anschließend in der Klinik vorgestellt wurden. Die Überlebensdauer von Kühen mit linksseitiger Labmagenverlagerung unterschied sich nicht von denen mit rechtsseitiger Labmagenverlagerung. Dieses Ergebnis war in Überereinstimmung mit DETILLEUX et al.

(1997), steht jedoch deutlich im Widerspruch zu DIRKSEN (2002), der für die rechtsseitige Labmagenverlagerung wesentlich schwerwiegendere Symptome und Folgen für die Kuh sieht und prinzipiell eine schlechtere Prognose gibt. Bei NOTTEBROCK (1996) hatten Kühe mit rechtsseitiger Labmagenverlagerung sogar eine deutlich längere Überlebensdauer, während bei WOLFERS (1979) 48,6 % der Kühe nach einer linksseitigen Labmagenverlagerung noch mindestens eine weitere Laktation genutzt werden konnten, was im Vergleich dazu bei BRUNK (1982) nach einer rechtsseitigen Labmagenverlagerung nur bei 34,8 % der Kühe der Fall war.

Bei der Analyse der Inzuchtkoeffizienten ergab sich die Aussage, dass nicht oder nur gering ingezüchtete Kühe eine kürzere Überlebensdauer hatten. Dies könnte mit den höheren Relativ-Zuchtwerten Milch der ingezüchteten Kühe zusammenhängen. Bei den Tieren mit den höchsten Inzuchtkoeffizienten lag der durchschnittliche Relativ-Zuchtwert Milch (RZM) mit 94,6 deutlich höher als bei den nicht ingezüchteten Tieren mit 89,6. SMITH et al. (1998) sahen den Unterschied zwischen den Inzuchtkoeffizienten von Hochleistungsherden und den übrigen Herden darin, dass Tiere aus den Herden mit weniger züchterischem Einsatz ein unkomplettes Pedigree haben und daher der Inzuchtkoeffizient für solche Tiere geringer ist.

Tiere mit einem schweren Kalbeverlauf überlebten länger als andere. Dies lässt sich dadurch erklären, dass bei wertvolleren Tieren ein höherer personeller und tierärztlicher Aufwand bei der Geburt betrieben wird als bei weniger wertvollen Tieren. Bei diesen Kühen werden auch eher Operationen nach einer Schwergeburt durchgeführt. Außerdem stehen Tiere mit Schwergeburt sicherlich vermehrt unter tierärztlicher Kontrolle, wodurch mögliche Folgen einer Labmagenverlagerung schneller und intensiver behandelt werden.

Das Erstkalbealter spielte keine Rolle bei der Überlebensdauer nach einer Labmagenverlagerung, was im Widerspruch zu DÜRR et al. (1999) steht, denen zufolge Kühe mit höherem Erstkalbealter eher abgingen. Somit dürfte die Aufzuchtintensität der Jungrinder keine Rolle für die Rekonvaleszenz der Kühe nach Labmagenverlagerung spielen.

Die Herkunftsregion der Kühe war von Bedeutung für die Überlebensdauer. Regionale Unterschiede in Fütterung, Haltung und Betriebsmanagement könnten hierbei einen Einfluss haben. Auffällig war jedoch, dass die Kühe aus weiter entfernten Landkreisen eine höhere Überlebensdauer hatten. Zugleich wiesen diese Kühe höhere Relativ-Zuchtwerte Milch (RZM) auf. Das bedeutet, dass von weit entfernten Orten nur züchterisch wertvolle Tiere in die Klinik eingeliefert wurden, um diesen Tiere eine höhere Überlebenschance zu geben.

Der Abstand zwischen der Abkalbung und der Einlieferung in die Klinik wegen Labmagenverlagerung war signifikant unterschiedlich für die Überlebensdauer. Ein Grund dafür könnte sein, dass Kühe mit einer Labmagenverlagerung unmittelbar nach der Kalbung in ihrer Milchleistung nicht so stark beeinflusst werden wie Kühe mit einer Labmagenverlagerung in späteren Laktationsstadien. So konnten BARTLETT et al. (1997) bei Kühen, die kurz nach der Abkalbung eine Labmagenverlagerung hatten, feststellen, dass diese bereits nach drei Monaten wieder ihr erwartetes Leistungsniveau erreichten. Ebenso stellten GRÖHN et al. (1998) fest, dass Kühe mit Labmagenverlagerung in späteren Laktationsstadien eher gemerzt wurden.

Bei bestimmten Besamungsbullen als Kalbväter hatten die Kühe nach einer Labmagenverlagerung eine geringere Überlebensdauer. Dieses lässt sich dadurch erklären, dass bei wertvollen Kühen Bullen mit hohen Zuchtwerten und dementsprechend hohen Spermapreisen eingesetzt wurden und im Falle einer Labmagenverlagerung der Landwirt versucht, diese Kühe auch nach einer Labmagenverlagerung weiter im Bestand zu halten.

Der Vater der Kuh hatte einen Einfluss auf die Überlebensdauer. DIRKSEN (2002) stellte fest, dass manche Väterlinien auf bestimmte äußere Einflüsse eher mit Erkrankungen wie einer Labmagenverlagerung reagieren. Solche Tiere gehen infolge mangelnder Robustheit frühzeitiger ab. Bei Israeli-Holstein Kühen konnte nachgewiesen werden, dass die Krankheitsanfälligkeit genetisch beeinflusst wird und zwischen Merzungsrate und Krankheitsanfälligkeit mittlere genetische Korrelationen bestehen. Für die krankheitsbedingte Merzungsrate konnten deutliche genetische Unterschiede und somit Heritabilitäten bis zu 14

% geschätzt werden (DISTL 1990). Für die Lebens- und Nutzungsdauer lagen die Heritabilitätsschätzwerte meist zwischen h2 = 0,05 und 0,15 (DISTL 1990, POWELL et al.

1997, GRIGNOLA1 u. SCHAEFFER 2000).

Die Milchleistung in der Laktation vor der Labmagenverlagerung beeinflusste die Überlebensdauer insofern, als mit höherer Leistung auch die Überlebensdauer anstieg. Bei den Tieren mit hoher Milchleistung vor der Labmagenverlagerung wird von den Landwirten ein höherer Aufwand betrieben, um diese Tiere in der Herde zu halten. Dagegen sahen GRÖHN et al. (1995) die Milchleistung nicht im Zusammenhang mit einer erhöhten Erkrankungsrate und damit auch nicht mit einer höheren Abgangsrate. GRÖHN et al. (1998) sowie LOTTHAMMER (1999) sind hingegen der Meinung, dass Tiere mit hoher Milchleistung eher abgehen und eine verkürzte Überlebensdauer haben.

Weiterhin könnte eine niedrigere Milchleistung auch bedeuten, dass es sich um ein rangniederes Tier handelt, das stressbedingt weniger Milch gibt, eher erkrankt und deswegen eher gemerzt wird (FÜRLL u. KRÜGER 1999a, GALINDO u. BROOM 2000).

Die tägliche Milchleistung zur Zeit der Labmagenverlagerung wirkte sich ebenfalls signifikant auf die Überlebensdauer aus. Tiere mit geringer Tagesmilchleistung gingen deutlich eher ab als solche mit durchschnittlicher Milchleistung. Ebenso wurden Tiere mit sehr hoher Tagesmilchleistung eher gemerzt. Dies dürfte darin begründet sein, dass zum einen Tiere mit geringer Tagesmilchleistung unwirtschaftlich sind, zum anderen bleiben Tiere mit sehr hoher Tagesleistung oftmals nach der Labmagenverlagerung weit hinter den Leistungserwartungen zurück und werden deshalb eher gemerzt. Auch könnte eine Rolle spielen, dass Kühe mit Labmagenverlagerung und sehr hoher Leistung Störungen im Leberstoffwechsel aufweisen, und deshalb für Krankheiten generell anfälliger sind. Diese Beobachtung steht im Einklang mit LOTTHAMMER (1999). Auch GRÖHN et al. (1998) führten eine hohe individuelle

Milchleistung als Grund für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit bei Kühen an, und dementsprechend stieg bei diesen auch die Merzungsrate.

Bei der Auswertung der Relativ-Zuchtwerte im Zusammenhang mit der Überlebensdauer zeigten sich nur Tendenzen und keine signifikanten Effekte. Töchter, deren Väter höhere Gesamtzuchtwerte hatten, wiesen eine höhere Überlebensdauer auf. Dies spricht dafür, dass die Landwirte sich schneller von züchterisch weniger wertvollen Tieren trennen. In Relation zum Relativ-Zuchtwert Milch stieg die Überlebensdauer bis zu einer bestimmten Höhe stetig an, aber bei Kühen, deren Väter die höchsten RZM hatten, fiel sie wieder deutlich ab. Dies dürfte wiederum im Einklang mit den oben erwähnten Ausführungen stehen, dass einerseits Kühen mit einem höheren Milchleistungspotenzial eine höhere Überlebenschance durch den Landwirt eingeräumt wird. Ab einer gewissen Leistungsgrenze dürften die Kühe jedoch nicht mehr in der Lage sein, bei zusätzlichen Stressfaktoren wie einer Labmagenverlagerung, ihre Leistungsfähigkeit und Widerstandskraft gegen Krankheiten aufrecht zu erhalten, so dass sie häufiger Leistungseinbrüche zeigen dürften und damit hochgradig gefährdet sind, eher gemerzt zu werden.

Die Höhe des Relativ-Zuchtwerts für die Nutzungsdauer (RZN) stand mit der Überlebensdauer nach Labmagenverlagerung in keinem signifikanten Zusammenhang, was eigentlich erwartet wurde. Dies mag daran liegen, dass in dieser Auswertung nur ein kleiner Teil der Deutschen Holstein Population untersucht werden konnte. Außerdem wurden in der vorliegenden Auswertung nur die Abgänge nach einer Labmagenverlagerung innerhalb eines Jahres berücksichtigt, welche den Zuchtwert für die Nutzungsdauer wahrscheinlich nur gering beeinflussen.

Der Relativ-Zuchtwert für die somatische Zellzahl als Maßzahl für die genetisch bedingte Eutergesundheit hatte keinen Einfluss auf die Überlebensdauer nach einer Labmagenverlagerung. Anscheinend hat die Überlebensdauer einer Kuh nach einer Labmagenverlagerung keine Beziehung zu der genetischen Disposition für Mastitis.

Der Heritabilitätsschätzwert von h2 = 0,01 ± 0,03 für die Überlebensdauer nach Labmagenverlagerung wurde erstmalig quantifiziert. Im Vergleich zu den großen Unterschieden zwischen den einzelnen väterlichen Halbgeschwistergruppen erscheint dieser Wert unterschätzt, was eventuell durch die Begrenzung des Merkmals auf maximal 366 Tage verursacht wird. Die Überlebensdauer scheint nach dieser ersten Analyse mehr von der

individuellen Entscheidung des Besitzers und der individuellen Reaktion des Tieres auf die Erkrankung abzuhängen.

Aus den Ergebnissen dieser Untersuchung lassen sich somit folgende Schlussfolgerungen ziehen:

Kühe mit linksseitiger Labmagenverlagerung haben eine nahezu identische Überlebensdauer wie Kühe mit rechtsseitiger Labmagenverlagerung. Dies spricht für den heute möglichen hohen Standard der etablierten Operationstechniken und die gute Nachversorgung der Tiere.

Somit gewährleistet eine gute tierärztliche Versorgung auch bei Auftreten einer rechtsseitigen Labmagenverlagerung eine weitere Nutzung des Tieres. Die wichtigsten Risikofaktoren für eine frühzeitige Merzung der Kühe nach Labmagenverlagerung waren nach ihrer Bedeutung sortiert: der zunehmende Abstand von der letzten Kalbung, eine sehr hohe Laktationsnummer und die Art der Labmagenverlagerung (pendelnde Labmägen, Rezidive, verschleppte Erkrankungen). Die Relativ-Zuchtwerte der Väter der Kühe ließen keine Aussage für die Überlebenschancen einer Kuh nach Labmagenverlagerung zu.

3.4 Analyse des Laktationskurvenverlaufs der Milchleistung nach

Im Dokument Labmagenverlagerung beim Rind (Seite 102-111)