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im Kontext der Seniorenselbsthilfe

2 Institutionalisierung und konkrete Arbeit

2.3 Aspekte der Organisationsentwicklung

Organisationssoziologisch betrachtet trifft der Versuch, vermittels einer

"von oben" implementierten sozialpolitischen Programmstruktur im hier diskutierten Feld innovative Institutionen zu schaffen, auf ausgespro-chen problematische Rahmenbedingungen. Dies gilt insbesondere an-gesichts seiner anspruchsvollen Ziele (die von jenen der Vor-Ort-Akteure abweichen können) - vom Versuch der dauerhaften Rekrutie-rung freiwilliger Mitarbeit einer ansprüchlichen und selbstbewußten Ziel-gruppe für eine Dienstleistungserbringung in jedenfalls teilweise hoch-sensiblen Feldern über die Initiierung anspruchsvoller Verbundprojekte im Schnittpunkt von Stadtteilsanierung, Schaffung altengerechter inte-grativer Wohnmöglichkeiten und Entwicklung von und Beteiligung an entsprechenden "maßgeschneiderten" Dienstleistungsangeboten bis hin zur Aufgabe, dies alles in einem Feld der Politik zu bewerkstelligen, das - gerade in Deutschland - durch zersplitterte politische Zuständigkeiten, konkurrierende Träger und korporatistische Strukturen hochgradig ver-machtet ist.39

Im vorangegangenen Abschnitt wurde gezeigt, inwiefern gerade be-züglich der entwickelten Institutionalisierungs- und Rechtsform mehrheit-lich einfacheren Lösungen der Vorzug gegeben wurde, deren Rege-lungsdichte jedenfalls zu Beginn niedrig gehalten werden kann. Darin liegt sowohl eine Stärke als auch ein längerfristiges Strukturproblem, das etwa im Selbsthilfebereich wohlbekannt ist. Im wesentlichen besteht es in der Balancierung eines je angemessenen Institutionalisierungspro-zesses.40 Hinzu kommen Anforderungen bezüglich der dauerhaften

39 Vgl. den Überblick zur bundesdeutschen "Arbeitsteilung" im Kontext ihrer histo-rischen Herausbildung bei Dieck (1993).

40 Ein Teil der Leistungen, die Selbsthilfegruppen für sich und oder für andere er-bringen, beruht darauf, daß dem Formalisierungsprinzip des Sozialstaats nicht Rechnung getragen werden muß. Entlastend für den Einzelnen wie für das Gemeinwesen als ganzes wirken diese Leistungen, weil sie sich in informellen Räumen entfalten, in denen die sozialen Beziehungen häufig nicht rechtlich

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ganisation von Ressourcen, Leistungen und Diensten im Horizont von Verläßlichkeit, Kontinuität, Reichweite und Qualitätssicherung. Fragen wir nur nach der Zeitperspektive als einem wichtigen Unterscheidungs-merkmal innerhalb der Selbsthilfezusammenschlüsse (vgl. Halves 1989:

139), so ist diese dem Willen nach übereinstimmend als langfristig zu bezeichnen.

Jenseits der Option unterschiedlicher Rechtsformen und dem Vorhan-densein durchgängig langfristiger Zeitperspektiven stellt sich mithin die Frage, welche Merkmale der Institutionalisierung und Organisationsent-wicklung hervorgebracht und als notwendig erachtet werden, um die Ar-rangements arbeitsfähig zu machen und zu halten. Das bezieht sich ins-besondere auf die personellen Ressourcen - für die konkreten Dienst-leistungen bis hin zu Organisation, Management, Matching, Fortbildung, Supervision, MitarbeiterInnen- und Freiwilligenführung - sowie die Aus-stattung mit materiellen Ressourcen.

Bei den personellen Ressourcen für die konkreten Dienstleistungen wird bislang zuallererst auf freiwillige, nicht erwerbsfähige Mitarbeit ge-baut. Dies entspricht den Vorgaben.41 An einigen Beispielen wird deut-lich, wie weit das diesbezügliche Spektrum ist. Zunächst wurden in ei-nem Ort die ersten Einsätze gleich von Vorstandsmitgliedern übernom-men. Dort wurde zwischenzeitlich auch mit geringbezahlten Aussiedler-frauen gearbeitet. In einem anderen Ort wurden gezielt Personen zur fixiert sind oder allenfalls Rechtsformen des bürgerlichen Rechts (wie der eingetragene Verein) übernommen werden, um förderungsfähig zu sein. Den Institutionalisierungsprozeß als Gruppenprozeß zeit- und gruppenadäquat in der Schwebe zu halten, ist ein äußerst fragiles Unterfangen. "Tritt eine Arbeitstei-lung in der Gruppe zu früh ein, so okkupieren einzelne Gruppenmitglieder Auf-gaben und Organisationskompetenzen und behindern damit das Selbstentfal-tungsbedürfnis anderer oder begünstigen Trittbrettfahrermentalitäten. Umge-kehrt zerfällt eine Gruppe relativ rasch, wenn sie ihre Arbeit nicht strukturieren kann" (Braun/Opielka 1992: 62).

41 Die Arbeitsgruppe formulierte lapidar, daß "nur dort, wo die Betreuungsfunktion aus technischen oder Qualifikationsgründen nicht durch die genossenschaftli-che Gruppe geleistet werden kann, auf das beim genossenschaftligenossenschaftli-chen Ge-schäftsbetrieb angestellte Personal oder auf den Zukauf der von anderen Orga-nisationen angebotenen Grunddienste zurückzugreifen" (Arbeitsgruppe 1990:

11) ist.

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Mitarbeit in der genossenschaftlichen Tagespflege eingeworben. In einer weiteren Initiative stand - jedenfalls in der aktiven ersten Phase der Ent-wicklung einer dortigen Seniorengenossenschaft - nicht nur die Rekrutie-rung zusätzlicher Freiwilliger, sondern auch die Erschließung zusätzli-cher bzw. neuer Hilfetätigkeiten nach Form und Inhalt für im Umfeld der Nachbarschaftshilfe bereits vorhandene Ehrenamtliche an. Einen Son-derfall stellt wieder jene schon länger bestehende Gruppierung dar, de-ren rund 40 Mitglieder allesamt aktive sind.

Aber es gibt auch erste Ansätze einer Teilverberuflichung. In einem seniorengenossenschaftlichen Verein wurde zielstrebig darauf hin gear-beitet, für ein Segment des Dienstleistungsangebotes eine professionel-le Kraft einzustelprofessionel-len.42 Interessanterweise finden sich im Haushaltsplan-entwurf jener Seniorengenossenschaft Rückstellungen für 200 Stunden pro Monat, die mit DM 10,- bewertet sind.43 In einem Fall wird über ABM- und Wiedereingliederungsmittel eine Sozialarbeiterin für eine be-fristete Zeit für den Bereich nachgehender und rehabilitativer Hilfen nach Krankenhausaufenthalten eingestellt. Semiprofessionelle Arbeitsres-sourcen bestanden für eine je begrenzte Zeit in zwei Modellorten in Ge-stalt sozialpädagogischer Praktikantinnen.

Leitungs- und Organisationsfunktionen stellen sich als Anforderung ständig neu in den unterschiedlichen Prozeßphasen der Organisations-entwicklung. Auf die Entstehungsphase ist nicht mehr weiter einzuge-hen. Wie bei jeder anderen Initiative auch stand vor der Erlangung einer

42 Dies ist eine Entscheidung, die durchaus deutlich das Problembewußtsein der dortigen (kommunalpolitisch dominierten) Akteure widerspiegelt, insofern diese starke Professionalisierung aus sachlichen Gründen jedenfalls nicht zwingend wäre.

43 Diese Angabe gilt für das Jahr 1992. Ein Jahr später wird eine Reduzierung auf DM 8,- von der örtlichen Verwaltung vorgeschlagen. Die Rückstellungen sollen Kaufkraft für den Fall der Rückerstattungsansprüche heute Aktiver absichern.

Die Einschätzung des Sachverständigenkreises, daß sich "die forcierte Ent-wicklung von Zeitkonten ... (nur?) da durchgesetzt (habe; U.O.), wo die Gemein-de für geleistete StunGemein-den DM-Beträge gutschreibt, damit offenbar 'Sicherheiten' gewährleistet werden" (Stellungnahme 1993: 4), ist empirisch lediglich durch eine hohe TeilnehmerInnenzahl in der besagten Gemeinde gestützt. Dagegen spricht wenig dafür, von einer Kausalbeziehung ausgehen zu können.

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gewissen Arbeitsfähigkeit die Überwindung der Eintrittsschwelle.44 Hier werden unterschiedliche Wege beschritten. Werden diese Funktionen in einem Ort stark von den Repräsentanten der Gemeindeverwaltung unter Rückgriff auf deren Apparat übernommen45, existieren daneben ganz auf freitätiger, ehrenamtlicher Tätigkeit basierende Gremien. Teilweise wird ein ehrenamtlicher und von Älteren dominierter Vorstand von einem Beirat unterstützt, in dem die Altenhilfeanbieter, die Kirchen oder auch die Wissenschaft vertreten sind. Es existieren sowohl Beiräte, die von der Mitgliederversammlung gewählt werden als auch solche, deren Mit-glieder qua Delegation von vorher bestimmten Vereinigungen bzw. Insti-tutionen entsandt werden.

Mischformen zwischen Selbstorganisation, freitätiger Mitarbeit und be-ruflich-professionellem Personaleinsatz existieren mancherorts in Form der Zuarbeit von SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen, denen bspw.

vom gemeinsamen Träger entsprechende Aufgaben übertragen wur-den.46 Unterstützung für Leitungs- und Organisationsberatung erfolgte einerseits direkt - durch intensive Bereisung und Beratung der Projektor-te seiProjektor-tens der MitarbeiProjektor-ter der GeschäftssProjektor-telle -, andererseits indirekt vor dem Hintergrund eines Konzepts der Vernetzung, in dem sich die Ge-schäftsstelle weitgehend auf Organisations- und Moderationsaufgaben beschränkte. Inhaltlich und von der TeilnehmerInnenstruktur her unter-schiedlich geschnitten - zwischen sehr allgemeinen und speziellen

44 Das heißt "die Frage, ob die personellen und materiellen Ressourcen gefunden werden können, die nötig sind, um all die Arbeit zu leisten, die vor dem eigent-lich gemeinten sozialen Engagement liegt" (Koch-Arzberger/Schumacher 1990:

42f.). Übertragbare Grundraster für Informationsvermittlung, Entscheidungsfin-dung und Aufgabenverteilung wurden nicht vorgegeben, obwohl dies in man-chen Teilbereiman-chen möglich und vermutlich sinnvoll gewesen wäre, aber wegen des Postulats der Selbstorganisation weitgehend vermieden wurde.

45 Hier hat bspw. der Bürgermeister den Vorsitz der Seniorengenossenschaft, der Sozialamtsleiter einen Großteil der Organisationsaufgaben übernommen.

46 In einem Projekt wurde allerdings vor diesem Hintergrund lange versäumt, eine tragfähige Mitbestimmungsstruktur und -kultur auszubilden. Durch die Grün-dung eines Vereins wird dort versucht, sowohl darauf eine Antwort zu geben als auch auf die bislang kaum überwindbare Beschränktheit der Gruppengröße - die freilich von vielen Beteiligten in erster Linie als positiv erlebt wurde und wird.

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men, breit eingeladen bzw. nach Funktionen - wurde ein Modell gegen-seitigen Lernens favorisiert, das sich z.B. auch in der regelmäßigen Pub-likation eines eigenen "Infodienstes" niederschlägt.47

Eine eigene professionelle Personalausstattung wird in Initiativen, die weitgehend auf freiwilliger Mitarbeit beruhen, in der Regel vor allem aus vier Gründen für vorteilhaft erachtet. Erstens bietet sie der Initiative die Möglichkeit, von Arbeiten entlastet zu werden, für die es keine oder ge-ringere freiwillige Motivation gibt (z.B. Organisation und Verwaltung).

Zweitens erlaubt erst sie es in der Regel, die zeitliche Erreichbarkeit in wünschenswertem Maße auszudehnen. Ein dritter Aspekt besteht darin, daß sie es erleichtert bzw. erst möglich macht, daß eine den meisten Beteiligten persönlich bekannte Vertrauensperson existiert, und viertens läßt sich die Initiative selbst durch eine systematischere Berücksichti-gung solcher Bereiche der Arbeit sichern, die den Bestand (an Aufga-ben, Mitteln und MitarbeiterInnen) sichern (vgl. Koch-Arzberger/Schuma-cher 1990: 64ff.).

Eigenes Personal - mit je unterschiedlicher Aufgabenbeschreibung im organisatorischen Bereich - besitzen oder besaßen zeitweise mehrere Projekte. Ein weiterer Weg besteht in dem Modell der Einbindung meh-rerer Projekte in das DPWV-Verbandsnetzwerk, das professionellen Sachverstand und ein Kontingent vom Sozialministerium dafür bezahlter Arbeitskapazität in Gestalt eines Mitarbeiters des Paritätischen Bil-dungswerks (Stuttgart) zur Seite hat. Diese Funktion bedeutet im we-sentlichen Organisationsberatung, daneben konkrete Leistungen der Öf-fentlichkeitsarbeit, pädagogischer Moderation, Multiplikatorenarbeit und Fortbildung, u.a. mit den Schwerpunkten Erfahrungsaustausch und Kon-zeptionsentwicklung. So werden in einem der zu diesem "Netzwerk" ge-hörenden Projektorte Kontakte der Seniorengenossenschaft etwa auf der kommunalpolitischen Ebene maßgeblich durch diesen DPWV-Mitarbeiter wahrgenommen. Zugleich hat er dort bspw. in Zusammenar-beit mit Architekten den Nutzungs- und Finanzierungsvorschlag für ein

47 Es ist kaum nötig zu erwähnen, daß all diese Maßnahmen neben dem Ziel der Information und Qualifizierung auch Ermutigung, Motivierung und die Ausbil-dung einer Corporate Identity anzielen.

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Familienzentrum erarbeitet. Die in der DPWV-Konstruktion zusammen-gefaßten Initiativen wiederum unterscheiden sich untereinander stark bezüglich ihrer Akteursstrukturen.48

Die Qualifizierung der beruflichen Profis in den Seniorengenossen-schaften ist in verschiedenen Ausprägungen ein besonderes Anliegen der Geschäftsstelle. Eine Reihe eigener Veranstaltungen finden speziell für sie statt, oft unter explizitem Einbezug relevanter freitätiger Akteure.

Professionelle Unterstützung für ehrenamtliche Akteure könnte schließ-lich auch in der Form von Supervision erfolgen, wurde aber bislang nur in einem Falle erwogen.

Zu den angesprochenen, weitergehenden Funktionen der Mitarbeiter- und Freiwilligenführung sowie der Organisation einerseits der Zugäng-lichkeit für Gebende und Nehmende, andererseits der Einsatzleitung läßt sich zum gegebenen Zeitpunkt noch wenig sagen. Teilweise wird der "Publikumsverkehr" auf solche Stellen verwiesen, die neben ihrer ei-genen Funktion (z.B. Gemeindeverwaltung oder Seniorenratsbüro) auch für die Belange der Seniorengenossenschaft ansprechbar sind. Anders-wo stehen Vorstandsmitglieder oder aktive Mitglieder regelmäßig am Telefon als Anlaufstelle zur Verfügung, oder es wird eine Kontaktstelle in einem Altenwohnheim eingerichtet.49

Finanzielle Ressourcen: In sehr unterschiedlichem Maße werden Mit-gliedsbeiträge als Finanzierungsquellen herangezogen. Gebühren exis-tieren bspw. bei der Abgabe von Essen auf Rädern in einem Modellort.

In den meisten Fällen wurden nach entsprechenden Haushaltsanträgen den Projekten Mittel vom Sozialministerium zur Verfügung gestellt, die sich in der Regel als Anschubfinanzierung für Sach- und Erstausstat-tungskosten verstehen lassen. Diese Mittel sind 1994 ausgelaufen (vgl.

48 Die intermediäre Unterstützungsform dieser Konstruktion wurde - dies kann hier nur angedeutet werden - von den jeweiligen Initiativen teilweise nicht nur begrüßt, teilweise wird der Mitarbeiter in Konkurrenz zum Sozialministerium ein-geschätzt.

49 Die Stärke der Gestaltung durch (potentiell) Betroffene bzw. Ältere zeigt sich etwa darin, mit welch hoher Sensibilität für Details in einem Ort darüber nachgedacht wird, wie die Kontaktstelle mit Blick auf potentielle aber oft extrem verunsicherte Hilfesuchende ausgestaltet werden sollte.

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Frenz/Hummel 1993: 10). Teilweise gibt es Zuwendungen von seiten der Kommunen. In mindestens zwei Fällen wurden darüberhinaus erste Gspräche mit Kostenträgern (Krankenkassen und Sozialämtern) bzgl. e-ventueller Kostenübernahmen bei bestimmten Dienstleistungen be-gonnen.50

Die Frage nach räumlichen Ressourcen stellt für die meisten Projekte bislang noch ein ungelöstes Problem dar. In den Orten, wo dies nicht der Fall ist, erhalten die Aktivitäten oft eine große Schubkraft. Räume sind notwendig für eine Geschäftsstelle und für Gruppen-, Mitglieder- oder Aktiventreffen sowie für konkrete Dienstleistungen.51

In den unterschiedlichen Lösungen spiegelt sich nicht nur das extrem unterschiedliche Niveau erfahrener Unterstützung durch Verbände, Kir-chen oder Kommunen. Es wird auch das konzeptionelle Selbstverständ-nis bezüglich möglicher Kooperationen und Vernetzungsmöglichkeiten

50 Zur Problematik der unterschiedlichen Finanzierungsquellen freiwilliger Vereini-gungen vgl. den Überblick bei Horch (1992: 55ff.).

51 Einige Beispiele mögen die unterschiedlichen Lösungen und Entwick-lungsstände deutlich machen. In einer Kleinstadt wird ein zentral gelegenes Haus durch die Stadt erworben, wobei vom Bürgermeister erwogen wird, dort räumlich sowohl eine Begegnungsstätte als auch die IAV-Stelle (Informations-, Anlauf- und Vermittlungsstelle) anzusiedeln. Der die Seniorengenossenschaft vorbereitende Seniorenrat in einer Großstadt residiert mit einem Büro im neuen Stadthaus, in dem schon die Abendakademie (Volkshochschule) untergebracht ist. Die Akzeptanz dieses Büros wird sicher verstärkt durch die regelmäßigen Öffnungszeiten des Seniorenrats als auch durch die dort stattfindenden Bera-tungsaktivitäten des VdK. Räumlichkeiten allerdings für die geplanten Hilfelei-stungen - sei es die Nähstube oder eine Werkstatt - bestehen noch nicht. Ähnli-ches gilt für die o.g. Nutzung des städtischen Sozialzentrums durch eine andere Initiative, dessen Nachbarn unter dem gleichen Dach z.B. das katholische und das evangelische Gemeindezentrum sind, in einem Haus, in dem bereits ein warmer Mittagstisch für Ältere besteht.

Ein Besuchs- und Handwerkerdienst kann - vorläufig - Räume des Diakoni-schen Werks bzw. des Caritasverbands nutzen zu Gruppensitzungen und als Werkstatt. Im Zusammenhang mit einer geplanten stärkeren Stadtteilorientie-rung sind Gespräche mit den Begegnungsstätten in Gang. In einem anderen Projekt steht die Raumfrage deshalb besonders im Mittelpunkt, da sich hier der Hauptkonzeptionspunkt auf die Verwirklichung eines Familienzentrums, für das ein ehemaliges Kino besonders geeignet schien, richtet.

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sowie bezüglich wahrgenommener Wünsche und Bedürfnisse Älterer deutlich.

Öffentlichkeitsarbeit und Werbung sind als höchst wichtiges Instru-ment, um bürgerschaftliches Engagement zu stimulieren, insbesondere von der übergeordneten Geschäftsstelle erkannt und betrieben worden.

Auf dieser Ebene werden - im Kontext dessen, was den Akteuren im Sozialbereich oder bei den freigemeinnützigen Trägern bislang dazu eingefallen ist - aufwendige und professionelle Methoden angewandt, die sich einer großen Bandbreite an Medien, Anlässen und Zielgruppen bedienen. Die lokalen Initiativen dagegen betreiben Werbung und Öf-fentlichkeitsarbeit zwar mit großer Unterschiedlichkeit, insgesamt aber eher rudimentär. Chancenreich scheint indes die Gleichzeitigkeit und Komplementarität von überregionaler Öffentlichkeitsarbeit mit regionaler und lokaler Ausstrahlung einerseits und gestreut verfügbaren Möglich-keiten andererseits, sich konkret mit einer Initiative zu identifizieren, sich über sie zu informieren oder sich in ihr zu engagieren (vgl. Koch-Arz-berger/Schumacher 1990: 62ff.).

Eine ganze Klasse wichtiger Transaktionsprobleme ergibt sich mit Be-zug auf die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage. Abhängig auch von den infrastrukturellen und personellen Ressourcen lassen sich aktive von passiven Varianten unterscheiden. Dazwischen existieren durchaus Mischformen. Die Wahl der einen oder anderen Form ist nicht nur von den Ressourcen abhängig, sie weisen jeweils auch unterschied-liche Vor- und Nachteile auf. Zur informationellen Verarbeitung von An-fragen und Angeboten in beiden Vermittlungsformen wird an einigen Or-ten seit Beginn über Computereinsatz nachgedacht, bspw. hinsichtlich geplanter Kontaktbörsen.52

Eine wichtige weitere Variante der Organisationsentwicklung könnten neue Formen der Verknüpfung des Tauschnetzes mit dem Sektor der Wohlfahrtsdienste einerseits und dem Sektor des regulären marktlichen Bedarfsausgleichs andererseits werden. Hierunter wäre mehr zu

52 Einen entsprechenden Auftrag zur Teilentwicklung geeigneter Software hatte die Geschäftsstelle des Sozialministeriums bereits vergeben und eine Präsenta-tion vor Mitgliedern zweier Modellprojekte durchgeführt.

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hen als gegenwärtig als "Vernetzung" gehandelt wird53, aber auch letzte-re ist ein wichtiges Merkmal der Organisationsentwicklung. Auf diesem Feld geht es insbesondere um die Etablierung von Kooperations- und Abstimmungsbeziehungen im lokalen bzw. regionalen Bereich. Teilwei-se bestanden dieTeilwei-se schon vor der Aufnahme Teilwei-seniorengenosTeilwei-senschaftli- seniorengenossenschaftli-cher Aktivitäten, andernorts stellte die Seniorengenossenschaft den ent-scheidenden Anstoß zur Aufnahme entsprechender Gespräche dar. Ob allerdings Seniorengenossenschaften mit ihren begrenzten Ressourcen - zumal wenn sie ohne eigene professionelle Personalausstattung arbei-ten - hier auch in längerer zeitlicher Perspektive tragfähig gestalarbei-ten bzw.

zumindest mitwirken können, ist noch offen.

Eine Reihe der bis hier referierten Merkmale der Entwicklung von Or-ganisationen haben Eingang in die in der einschlägigen Diskussion häu-fig vorzufindenden Versuche gefunden, Selbsthilfezusammenschlüsse zu typologisieren. Braun/Opielka (1992: 43ff.) etwa unterscheiden Selbsthilfegruppen von Betroffenen, außenorientierte Selbsthilfegruppen (bzw. Selbsthilfevereinigungen), Selbsthilfeinitiativen sowie Selbsthilfe-projekte (vgl. ähnlich, aber mit nur drei Typen Halves 1989). In diesen Unterscheidungen ist jenseits der Ziele, Aktivitäten und organisationeller Merkmale des weiteren die Frage nach der Außenorientierung - darauf wird im folgenden Absatz wie auch im Schlußkapitel einzugehen sein - und schließlich der je unterschiedliche Gesellschaftsbezug thematisiert.

Gerade der letztere Aspekt ist eine differenziertere Betrachtung wert, die über die im wesentlichen deskriptiv-analytische Ebene diesen Kapitels hinausgeht.

Eine klassische Problemstellung der Vereins-, Genossenschafts- und Dritte-Sektor-Forschung ist zwar auch hinsichtlich der

53 Es gibt schon in den untersuchten internationalen Beispielen eine Reihe un-terschiedlicher Verknüpfungsmodi. Nur als zwei Beispiele: In dem amerika-nischen Service-Credit-Modell können die für geleistete Hilfen "erworbenen Gutscheine an andere Assoziationen und Vereine übertragen werden, die sie dann zur 'Honorierung' von Diensten im Rahmen eines tendenziell durchaus 'flächendekenden' Netzes von freiwilligen Laienhilfen weiterverwenden können"

(Offe/Heinze 1990: 163). Anders gelagert ist der Fall jener in einem Programm existierenden Komponente von Pflichtarbeit, die in einer High-School organisiert wird.

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senschaften von hohem Interesse, wird aber hier ausgeklammert bis auf wenige Bemerkungen: Es handelt sich um das Transformationsproblem (vgl. dazu Horch 1992: 55ff.), d.h. die Frage danach, inwieweit Transfor-mationsprozesse freiwilliger Vereinigungen in Richtung auf Kommerziali-sierung, Bürokratisierung und Oligarchisierung auftreten und inwieweit sie quasi gesetzmäßig aufgrund der konstitutiven Qualitäten auftreten müssen. Diese Gefahr scheint vor dem Hintergrund der teilweise zu-nehmenden Anbindung an kommunale oder verbandliche Instanzen (und den dadurch zu erwartenden Autonomieverlust) sowie der auf meh-reren Ebenen angelegten Formalisierungstendenzen im Falle der Senio-rengenossenschaften durchaus nicht gering zu sein.