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Der „Anschluss“

Im Dokument NS-Siedlungen in Wien (Seite 75-81)

III. Wohnbaupolitik im Reichsgau Wien 1938 – 1945

1.1. Der „Anschluss“

Als der neu bestellte Bürgermeister von Wien, Hermann Neubacher, noch ganz im Taumel des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich, seine erste program-matische Rede vor Pressevertretern des In- und Auslandes hielt, zweifelte er nicht im Geringsten am glorreichen Aufstieg seiner Stadt im Rahmen des Großdeutschen Rei-ches und an der wohlwollenden Unterstützung durch den „Führer“:

„Wir werden diese deutsche Stadt Wien nationalsozialistisch verwalten und wir wer-den sie einem ungeahnten Aufbau zuführen, einem Aufbau, der der Kritik der Welt standhalten wird, und einer Ausgestaltung, über die als oberster unvergleichlicher Bauführer unser Führer des deutschen Volkes und des Großdeutschen Reiches Adolf Hitler mit seiner ganzen wahrhaft königlichen Baugesinnung stehen wird.“ 1

Der „Anschluss“ an das Deutsche Reich machte die Träume, Wünsche und Forde-rungen der illegalen Nationalsozialisten endlich wahr, zu denen auch Neubacher seit 1933 gehörte, aber auch weiter Kreise der Bevölkerung, ja sogar politisch Andersden-kender nach Wiederherstellung eines selbstbewussten und machtpolitisch wieder exis-tenten Österreich. Offenbar gingen sie alle von der Erwartung aus, dass Österreich als quasi zweiter deutscher Staat brüderlich vereint mit dem „Altreich“ an seine ehemalige

1 Neue Freie Presse vom 18.3.1938, S. 1.

Bedeutung würde anschließen können. Dass der „Anschluss“ in einem offenbar ein-zig wahrgenommenen Aspekt nicht Anschluss an Wohlstand und Aufbau − die für viele als Legitimation für die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im „Altreich“

und eben auch für Österreich galten –, sondern die Aufgabe jeglicher Selbstständigkeit von der Landeshoheit bis zur Gemeindeverwaltung bedeutete, erschien vielen nicht als allzu großer Verlust angesichts propagandistisch eindrucksvoll aufbereiteter Zukunfts-visionen.

Erst als sich der „Anschluss“ mit ganz konkreten Maßnahmen in allen politischen und wirtschaftlichen Bereichen praktisch auszuwirken begann und plötzlich negative Folgen, die eigentlich vorhersehbar gewesen sein mussten, nach sich zog – und das war bereits nach wenigen Monaten der Fall –, regten sich langsam Bedenken in breiteren Schichten der Bevölkerung. Nach Gerhard Botz liegt in diesem zaghaften Regen von Kritik und Widerstand „die wohl wichtigste soziologische Wurzel des heutigen Öster-reich-Verständnisses.“2

Das Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich

Die technisch-juristische Vorgangsweise der „Heimkehr ins Reich“ vollzog sich wohl-überlegt und stufenweise − zum Teil verzögert durch die Sudetenkrise Ende Septem-ber 1938, die bald nach dem „Anschluss“ Österreichs Hitlers RisikoSeptem-bereitschaft unter Beweis stellte.

Die erste Phase vom März 1938 bis Mai 1939 kann man als Adaptationsphase bezeichnen. Alle Ämter und Behörden wurden sowohl kompetenzmäßig als auch in ihren Bezeichnungen nach den im „Altreich“3 geltenden Organisationsplänen umge-staltet. Reichsbehörden als Kontrollinstanzen garantierten die straffe, zentrale Len-kung. Mit dem Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich vom 13. März 19384 wurde Österreich ein Land des Deutschen Reiches. Das österreichische Bundesverfassungsgesetz wurde nun deutsches Reichsgesetz, umgekehrt wurde das deutsche Reichsgesetz in Österreich eingeführt. Bis auf weiteres, also bis zur endgülti-gen verfassungsmäßiendgülti-gen Regelung, blieb allerdings das österreichische Recht in Kraft.

Konkret hieß das, dass die Einheit von Staat und Partei nun auch für Österreich galt – mit unbestrittener Vorherrschaft der Partei.

Wirtschaftlich wichtigste Konsequenz, die wohl an erster Stelle der Interessen der Reichsführung in Berlin stand, war, dass Österreich von nun an den Verordnungen des Vierjahresplanes unterworfen war5, womit – was auch die Rolle der Stadt Wien betraf

− die gesetzliche Grundlage für alle Rüstungs- und Wirtschaftspläne geschaffen war.

2 Botz, Eingliederung (1972), S. 123.

3 „Altreich“ war im Deutschen Reich von 1933 bis 1945 die übliche Bezeichnung für das Gebiet des Deutschen Reiches ohne die Eingliederung Österreichs als ‚Ostmark‘ und die 1938 annek-tierten Gebiete.

4 Zusammenfassung aller gesetzlichen Regelungen für Österreich, in: Raumforschung und Raumordnung 1938, Heft 4/5, S. 214ff.

5 Führererlass vom 23.4.1938.

Die Organisation der Verwaltung auf Reichs-, Gau- und Gemeindeebene Als Reichsstatthalter an der Spitze der österreichischen Landesregierung stand zunächst der bisherige Bundeskanzler Arthur Seyss-Inquart6, allerdings trat er bis zur Übernahme seines Amtes durch den Reichskommissar Josef Bürckel am 1. Mai 1939 kaum in Erscheinung. Die tatsächliche Führungskompetenz bis 1940 lag beim Reichs-kommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich Josef Bürckel, zugleich Gauleiter von Saarpfalz, der sich bereits dort in der Angliederung des Saar-landes für die neue Rolle qualifiziert hatte. Die Aufgabe des Reichskommissars war der gesamte politische Organisationsaufbau. Vom 23. April 1938 an immer wieder ver-längert, wurde die Arbeit des Reichskommissars erst am 31. März 1940 eingestellt, die Agenden den Gaubehörden tatsächlich übergeben. Bürckel machte von Anfang an klar, wie er seine Aufgabe sah:

„Meine Aufgabe ist es, Leitstelle für den Aufbau zu sein. Ich werde also in erster Linie die Kräfte zusammenfassen und zur einheitlichen Arbeit ausrichten, die Richt-linien für den Aufbau festlegen und die österreichischen Behörden beraten. Darüber hinaus werde ich die Maßnahmen ergreifen, für die sich eine politische Notwendig-keit ergibt.“7

Selbstverständlich entschied er selbst, was „politische Notwendigkeit“ war. Für Zuwi-derhandelnde kündigte er scharfe parteigerichtliche und dienstrechtliche Sanktionen an.

Das Ostmarkgesetz vom 24. April 1939

In der ersten Zeit nach dem „Anschluss“ konnten die bestehenden Institutionen und Ämter relativ problemlos adaptiert werden. Ab Mai 1939 wurde die Umgestaltung jedoch forciert durchgezogen – Bürckel hatte selbst inzwischen alle Fäden in der Hand.

Das entscheidende Gesetz für die gesamte Verfassungs- und Verwaltungsverän-derung in Österreich war das so genannte Ostmarkgesetz vom 24. April 1939: Sieben Reichsgaue ersetzten nun die bisherigen Bundesländer, und auch die Bezeichnung

„Ostmark“ für Österreich sollte ab August 1942 verschwinden. Schon seit Juni 1933 durfte nicht mehr vom „deutsch-österreichischen Anschluss“ geredet werden. Nach der „natio nalsozialistischen Revolution“ war auch der Ausdruck „besetztes Gebiet“ ver-boten. Richtig hieß es „Gebiet, das dem Schutz der Wehrmacht anvertraut ist.“ 8 Die Bürckel-Kundmachung vom 17. März 1938 sprach Klartext: „Genausowenig wie wir im übrigen Deutschland noch von Preußen, Bayern, Badenern oder Sachsen spre-chen, genauso wollen wir es auch vermeiden, noch von Österreichern zu sprechen.“9 Als Sammelbegriff für die sieben Gaue galt die Bezeichnung „Alpen- und Reichsgaue“,

6 Nach seiner Ablösung wurde Seyss-Inquart Reichsstatthalter der besetzten Niederlande (1940 – 45) und spielte dort eine für die Holländer höchst unerfreuliche Rolle. Seine Amtsfüh-rung wurde scharf abgelehnt (Zöllner, Erich, Geschichte Österreichs, Wien 19612, S. 525).

7 Anweisung an alle öffentlichen Dienststellen im Lande Österreich vom 23.5.1938, Pt.1, zit. nach Botz, NS in Wien (1978), S. 283.

8 Wodak, Ruth, Sprachwandel (1985), S. 78. Die Autorin zitiert hier Rolf Glunk, Erfolg und Misser-folg der nationalsozialistischen Sprachlenkung, in: Zeitschrift für deutsche Sprache 1966ff.

9 Anschluß 1938 (1988), S. 647, Nr. 43.

an der Spitze stand der Reichsstatthalter, nachgeordnet waren die Gauleiter. Endziel war der Abbau der Landesregierung. „Österreich wurde als politische, verwaltungs-mäßige Einheit wie als Begriff aufgelöst, und die Gaue der Ostmark sollten im Wege der unmittelbaren Unterstellung unter die Reichszentralbehörden den Charakter eines Reichslandes … erhalten.“10 Das heißt, die Landeskompetenzen wurden vom Reich 1:1 übernommen, die Idee eines „zweiten deutschen Staates“ mussten nun auch die beharr-lichsten Träumer aufgeben.

Probleme gab es beim Reichsgau Wien. Adolf Hitler war strikt dagegen, dass Wien dem Gau Niederdonau einverleibt würde. Also musste der Reichsgau Wien eine halb-wegs brauchbare Entsprechung zu den anderen Gauen bieten, auch als rein territoriale Operationsbasis für die begehrlichen Wünsche des auf Kriegsbeginn gierenden „Füh-rers“ und seiner Helfershelfer wie Hermann Göring mit seinem Vierjahresplan. Daher wurde das Gebilde Groß-Wien geschaffen.

Das Ostmarkgesetz gliederte die Verwaltung des Reichsgaus Wien in eine staatliche und eine Gemeindeverwaltung. An der Spitze beider stand der Reichsstatthalter der Ost-mark. Die parteipolitische Führung des Reichsgaus Wien übernahm gleich nach dem

„Anschluss“, allerdings nur bis Ende 1938, der von Hitler gewünschte Odilo Globocnik als Gauleiter. Offenbar erwies sich dieser Führerentscheid als „Mißgriff“11, denn am 1. Januar 1939 übernahm Bürckel selbst dieses Amt und etablierte sich damit endgültig als mächtigster Mann der Anschlussphase mit einer bisher nicht dagewesenen Ämterku-mulation: Ab 23. April 1938 war Bürckel Reichskommissar für die Wiedervereinigung, ab 1. Januar 1939 Gauleiter des Reichsgaues Wien, ab 1. Mai 1939 Reichsstatthalter und mit gleichem Datum quasi wahrer „Bürgermeister“ der Stadt Wien, der in der Gemeinde-verwaltung oberstes Weisungsrecht hatte. Dass seine Machtfülle nicht unwidersprochen blieb, lässt sich denken, doch Bürckel legte sich als „Hardliner“ mit allen Instanzen an und respektierte nur die oberste Ebene von Führer, Göring und Himmler. Er scheute auch den Konflikt mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten Reichsinnenminister Frick nicht, ja er trug sogar zu dessen Abstieg bei.12 Bürckel, der „mit radikaler Konsequenz und nicht mit Wiener Gemurksel“13 durchgriff, erregte durchaus Hitlers Zustimmung, dennoch verfügte er Bürckels Ablösung mit 2. August 1940. Die überraschende Abbe-rufung Bürckels kann man wohl als typisch für Hitlers „Personalpolitik“ sehen: Zuerst überließ er das Feld dem „freien Spiel der Kräfte“, griff aber dann ein, wenn der „Sieger“

allzu große Machtgelüste entwickelte. Diese Strategie war durchaus wirksam, denn sie hielt in den Betroffenen immer die latente Angst vor dem strafenden deus ex machina wach und garantierte die systemkonstituierende Unterwürfigkeit.

Am 7. August 1940 bis Kriegsende trat Baldur von Schirach als Gauleiter von Wien und Reichsstatthalter in der Ostmark an Bürckels Stelle; die Personalunion von Reichs-statthalter und Gauleiter war die sehr häufig gewählte systemimmanente Lösung für die notwendig auftretenden Kompetenzprobleme.

10 Seyss-Inquart an Lammers, 23.9.1938, R 43 II/1358, BA, zit. nach Botz, NS in Wien (1978), S. 283.

11 Botz, NS in Wien (1978), S. 357.

12 Botz, Eingliederung (1972), S. 123.

13 Hitler, Tischgespräche, zit. nach Botz, NS in Wien (1978), S. 444.

Die Organisation der Verwaltung auf Reichs-, Gau- und Gemeindeebene Die Deutsche Gemeindeordnung

Am 15. September 1938 war die Deutsche Gemeindeordnung für Österreich (DGO), deren Ziel die Vereinheitlichung der unterschiedlichen Gemeindeordnungen im Reich war, kundgemacht worden – sie galt von da an auch für die Organisation der Gemeindever-waltung der Stadt Wien. „Durch diese beiden Gesetze, die Deutsche Gemeindeord-nung und das Ostmarkgesetz, wurde die Stadtverwaltung im nationalsozialistischen Geist umgestaltet. Sie hatte nach dem Ausspruch des Gauleiters Bürckel nichts anderes zu sein als die Exekutive des nationalsozialistischen Willens.“14 Die DGO definierte die Gemeinden als öffentliche Körperschaften. „Sie verwalten sich selbst unter eigener Verantwortung. Ihr Wirken muß im Einklang mit den Gesetzen und Zielen der Staats-führung stehen (§1).“15

„Für die Selbstverwaltung ist wesentlich, dass Männer, die mit der örtlichen Volks-gemeinschaft vertraut und in ihr verwurzelt sind, die Geschicke der Gemeinde in der Hand haben und sie so leiten, dass die Verbindung zwischen der Gemeindeverwal-tung und der Bürgerschaft aufrechterhalten wird …“16

Die Ernennung von Bürgervertretern schloss natürlich Parlamentarismus und Reprä-sentation völlig aus, denn gerade die „zentralistischen“ Bestrebungen der Demokratie, den Volkswillen durch Parteien einheitlich zu organisieren, hätten die Selbstverwal-tung der Kommunen ausgehöhlt.17 Für die Gemeindeverantwortlichen in Wien war weniger die fehlende Bürgerbeteiligung das Problem – das kannten sie schon aus der

„Systemzeit“ –, sondern weit stärker der Grundsatz des unbeschränkten Führerprinzips, der von Anfang an Bestandteil der DGO war und jeder Eigeninitiative einen Riegel in Gestalt einer, meist sogar mehrerer vorgesetzter Behörden vorschob. Der Historiker und Zeitzeuge Rudolf Till kommentierte die Umgestaltung der Stadtverwaltung mit folgenden Worten:

„Durch die genannten Verordnungen, angefangen von der Deutschen Gemeinde-ordnung bis zur Hauptsatzung des Reichsgaues Wien, wurde ein völliger Umbau der Wiener Stadtverwaltung erreicht und diese auf eine den Wiener Verhältnissen fremde Grundlage gestellt. Die eigentliche Entscheidungsgewalt wurde der Stadt-verwaltung genommen und in die Reichsstatthalterei verlegt. Weiters ging das Bestreben dahin, die Tätigkeit der Stadtverwaltung in enger Zusammenarbeit mit

14 Till, Geschichte der Stadtverwaltung (1957), S. 123. Rudolf Till war zwischen 1934 und 1966 Archi-var im Wiener Stadt- und Landesarchiv, ab 1947 auch als Universitätsdozent sowie in der Katho-lischen Akademie Wien tätig und hatte als Zeitzeuge sowohl Gelegenheit als auch Kompetenz, in politische und verwaltungstechnische Angelegenheiten Einblick zu nehmen und in mehreren Schriften dazu Stellung zu beziehen (vgl. aeiou Östereich Lexikon: http://aeiou.iicm.tugraz.at/

aeiou.encyclop.t/t516816.htm, abgerufen am 19.7.2014).

15 zit. nach Haerendel, Kommunale Wohnungspolitik (1996), S. 82.

16 Vortragsmanuskript des Münchner Bürgermeisters Fiehler, zit. nach Haerendel, Kommunale Wohnungspolitik (1996), S. 84.

17 Forsthoff, Ernst, Die Krise der Gemeindeverwaltung im heutigen Staat, Berlin 1932, S.  21, zit.

nach Haerendel, Kommunale Wohnungspolitik (1996), S. 84.

der NSDAP zu gestalten. […] Dazu kam noch eine gewisse Überorganisation, eine gewisse Ämterhypertrophie.“18

Das Wesentliche am neuen Organisationsgefüge waren die auf Reichs-, Landes- und Gemeindeebene parallel laufenden Hierarchien von Staats- und Parteiorganisation.

Sämtliche Geschäftsbereiche waren in allen drei Organisationsgebäuden vertreten und wollten aufeinander abgestimmt sein. Nach dem so genannten Führerprinzip ent-wickelte sich Kompetenz von oben nach unten, den umgekehrten Weg gab es nicht.

Reichsstellen delegierten Kompetenzen an die entsprechenden Behörden beim Reichs-statthalter, die zugleich als Kontrollbehörden für die untergeordneten Gauleiter und deren Landesbehörden fungierten. Der Gauleiter mit seinen behördlich verwalteten Geschäftsbereichen instruierte die Gemeinden und deren Abteilungen. Grundsätzlich hatte alles, was „von oben“ kommt, unwidersprochen Vorrang zu haben.

Damit es nicht immer zu Umgehungen der Instanzen und direkten Interventio-nen in den Reichsbehörden kam, wurde in Berlin zusätzlich ein Reichsbeauftragter des Reichsstatthalters in Wien eingeschoben: Er sollte „die sachkundige Betreuung der Gemeindeverwaltungs angelegenheiten in Berlin vornehmen … Zu ihm ist auch Verbindung vor Dienstreisen nach Berlin aufzunehmen.“19 Ebenso saß in Wien ein

„Reichsbeauftragter für Österreich, der als Zentralstelle die Befugnisse des Reichsin-nenministers für die Durchführung der Wiedervereinigung innehatte; ihn hat aller-dings Josef Bürckel schnell eliminiert und verlangt, dass der gesamte Schriftverkehr der österreichischen mit den Reichsdienststellen über ihn zu gehen habe.20 Offenbar wurde alles, was nur den Anschein von direkter Demokratie erweckte, beseitigt. Statt-dessen sollte alles „straff“ organisiert und immer in kürzester Zeit erledigt sein, wie unzählige Anordnungen beweisen.

Schließlich wurden – bedingt durch die sich ständig ändernde außenpolitische Lage – immer wieder Kontroll-Sonderbeauftragte eingeschoben, die das jeweilige Kompetenzsystem mehr oder weniger „unterliefen“. Es war quasi vorausgesetzt, dass es keinerlei Interessengegensatz zwischen Staat und Partei gab. Symbolischer Ausdruck dafür war die Personalunion vom „Führer“ als Spitze von Reich und NSDAP und von Josef Bürckel bzw. Baldur von Schirach als Reichsstatthalter und Gauleiter der Ostmark. Personalunionen waren auch sonst ein häufig gebrauchtes Mittel, Kompe-tenzstreitigkeiten durch „schädliche Mehrgleisigkeit“21 zu umgehen. Beliebt war auch die Variante des „kommissarischen Leiters“, einer Art „vorläufiger“ Betrauung mit den Amtsgeschäften, was offenbar erwünschte Unsicherheit des Amtsträgers und leichtere Disponibilität für die Führungsebene zur Folge hatte. Jedenfalls entwickelte sich die Zusammenarbeit zwischen den untergeordneten Geschäftsbereichen mit den diversen

18 Till, Geschichte der Stadtverwaltung (1957), S. 124.

19 Schreiben Bürgermeister Jungs an alle Abteilungen, WStLA, A1, MA218, Planungsamt, Sch. 54, R/IV/Pla 877/40.

20 WStLA, A1, MD-BD, Sch. 112, 3138/38.

21 In der Anweisung Bürckels an alle Dienststellen vom 23.5.1938, zit. nach Botz, NS in Wien (1978), S. 283.

Die Organisation der Verwaltung auf Reichs-, Gau- und Gemeindeebene Reichs- und Parteistellen alles andere als spannungsfrei. Und zu den Unwägbarkeiten in den neu aufgeteilten Geschäftbereichen kamen noch die spontanen so genannten

„Führerentscheidungen“, die sich gerade in der Personalpolitik immer wieder beunruhi-gend bemerkbar machten.

1.2. Machtübernahme und Verwaltungsorganisation

Im Dokument NS-Siedlungen in Wien (Seite 75-81)