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Verkehrsfolgen

Generell sind in der Verkehrsplanung einfache Verfahren der Verkehrsabschät-zung von neuen Standorten bzw. Vorhaben und komplexe Verfahren zur Mo-dellierung des Verkehrsgeschehens größerer Untersuchungsräume zu unterschei-den. In der Logistik sind zudem Verfahren der Tourenplanung üblich, die auf eine Optimierung der Transporte im Tagesgeschäft abzielen. Der folgende Überblick zeigt auf, welche generellen Verfahren vorhanden sind und inwiefern eine An-wendbarkeit dieser Verfahren oder ausgewählter Teile für die vorliegende Arbeit gegeben ist.

Ein im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit interessantes Verfahren zur Verkehrsauswirkungsprüfung für große Einrichtungen des Einzelhandels und der Freizeit stellt Kühling (2000) in seiner Dissertation vor (siehe Exkurs 6). Auf-bauend auf einer Verkehrsabschätzung schließt er weitere Verfahrensschritte zur Schätzung der Verkehrsverteilung und der Verkehrsmittelwahl an, die aus der Verkehrsmodellierung adaptiert sind.

Abschätzungsverfahren 2.4.1

Bei der Planung neuer Wohn- oder Gewerbegebiete und verkehrsintensiver Vorhaben können einfache Verfahren zur Verkehrsabschätzung zur Anwendung kommen. Dies sind überschlägige Verfahren, die unter Verwendung von Erfah-rungswerten oder einfach ermittelbaren Grunddaten das Verkehrsaufkommen mit ausreichender Genauigkeit abschätzen (vgl. FGSV 2006). Das ist vor allem dann von Vorteil, wenn die wesentlich aufwändigeren Verfahren der Verkehrs-modellierung (siehe 2.4.2) nicht zum Einsatz kommen (können).

In Deutschland gebräuchlich ist das Verfahren von Bosserhoff (2000b) und das Verfahren der Forschungsgemeinschaft für Straßen- und Verkehrswesen, die sich

weitestgehend decken. Dabei wird das Verkehrsaufkommen im Personen- und Güterverkehr basierend auf Richtwerten der Verkehrserzeugung abgeschätzt. Die Richtwerte umfassen Kennwerte zu den Nutzern nach Art und Maß der Vorha-ben, Verkehrserzeugungsraten pro Nutzer oder Vorhaben sowie Kennwerte zum Modal Split und Pkw-Besetzungsgrad. Das Verkehrsaufkommen wird allein auf Basis der neuen Nutzungen abgeschätzt und berücksichtigt bspw. keine Abzüge von Fahrten an anderen Standorten durch Verlagerung von Nutzungen an den neuen Standort. Ausgangspunkt der Abschätzung ist die Zahl der Nutzer (Ein-wohner, Beschäftigte, Besucher) eines Gebietes/Vorhabens. Darauf aufbauend werden für den Personenverkehr über verkehrszweckbezogene Wegehäufigkei-ten pro Person, Verkehrsmittelwahl und Pkw-Besetzungsgrad die täglichen Fahr-ten ermittelt. Das Lkw-Aufkommen wird in der Regel direkt anhand spezifischer nutzungsbezogener Lkw-Fahrtenhäufigkeiten je Einwohner bzw. Beschäftigten ermittelt. Eine Abminderung erfolgt, wenn auch Bahn bzw. Binnenschiff genutzt werden können, was eine entsprechende Verkehrsanbindung sowie die Bahnaf-finität und die räumliche und zeitliche Bündelungsfähigkeit der transportierten Güter voraussetzt. Bei Gewerbegebieten ist die Anzahl der Beschäftigten die maßgebende Schlüsselgröße, die sich aus der Nutzungsart und der Nutzungsin-tensität ermittelt. Für Einzelvorhaben wird das Lkw-Aufkommen zum Teil auch direkt aus Nutzungsgrößen wie dem Nettobauland ermittelt.

Zentraler Bestandteil der Verkehrsabschätzungsverfahren ist die Sammlung von Kennwerten der Verkehrserzeugung für unterschiedliche Nutzungen. Diese ba-siert in der Regel auf nationalen Verkehrserhebungen wie der MiD sowie auf Kennziffern vergleichbarer Projekte. Bei der Verkehrsabschätzung ist zu berück-sichtigen, dass sowohl die Intensität der Nutzung als auch die Kennwerte der Verkehrserzeugung Bandbreiten aufweisen. Dabei ist es in Bezug auf das Ziel der Wirkungsabschätzungen plausibel, von der durch die Bauleitplanung festge-legten maximalen Nutzungsintensität auszugehen und hinsichtlich der Verkehrs-erzeugung mit minimalen und maximalen Werten zu arbeiten.

Während die einfache Verkehrsabschätzung in Deutschland erst seit Bosserhoff ein

„standardisiertes Verfahren“ der Verkehrsplanung ist, wird in der USA seit Jahr-zehnten der „Trip Generation“ Report vom Institute for Transportation Engineers (ITE) publiziert22. Die dort gesammelten Kennwerte der Verkehrserzeugung un-terschiedlichster Nutzungen in Form von Einzeldaten, gewichteten Mittelwerten

22 Derzeit aktuell ist die 7. Auflage aus dem Jahr 2003.

und Regressionsgleichungen sind ein wesentlicher Baustein für die Beurteilung der Verkehrsauswirkungen von neuen Vorhaben im Rahmen des „Traffic Impact Assessment“. Allerdings sind auch in der USA weniger umfassende Daten für die Erzeugung von Lkw-Fahrten als von Pkw-Fahrten vorhanden (Fischer, Han et al. 2001). Diese Datensammlung von Verkehrserzeugungsraten wird einerseits als wichtige Quelle für die Verkehrsplanung angesehen, andererseits wird der zum Teil undifferenzierte Umgang mit den Kennziffern scharf kritisiert. Im Trip Generation Report wird bereits bei mehr als vier Datenfällen für einen Nutzungs-typ eine Regressionsgleichung ausgewiesen, sofern ihr Bestimmtheitsmaß grö-ßer als 0,5 ist. Solche statistisch schwach abgesicherten Zusammenhänge werden teilweise für umfassende Planungen verwendet.23 Daher ist zu konstatieren, dass beim Rückgriff auf Verkehrserzeugungsraten vergleichbarer Projekte Vorsicht hinsichtlich der Fallzahl und hinsichtlich der Rahmenbedingungen der Beispiele geboten ist (vgl. auch Kap. 3).

Der Vorteil von Verkehrsabschätzungsverfahren, die in der Regel als Excel-An-wendungen oder Datenbanken umgesetzt sind, ist ihre einfache Anwendbarkeit und die gute Nachvollziehbarkeit. Der Nachteil liegt darin, dass Verkehrsver-flechtungen und großräumige Verkehrswirkungen nicht berücksichtigt werden können.

Modellierungsverfahren 2.4.2

Traditionell zielt die Verkehrsmodellierung auf die Prognose des Verkehrsge-schehens in einem Untersuchungsraum basierend auf mathematischen Formu-lierungen von relevanten Zusammenhängen und empirischen Kennwerten des Verkehrsverhaltens. Aufgrund der Vielzahl von verwendeten Zusammenhängen und Kennziffern sowie der Notwendigkeit der Eichung auf reale

Verkehrsbe-23 Shoup (2005) beschreibt dieses Phänomen sehr ausführlich für die Nutzung von Parking Genera-tion Rates und Trip GeneraGenera-tion Rates im Rahmen von Abschätzungen zum Stellplatzbedarf und Planungen zum Parkraummanagement in den USA. Er macht deutlich, dass es höchst bedenklich ist, wenn auf wenigen Fällen basierende Stellplatzbedarfsraten oder Verkehrserzeugungsraten verwendet werden, um den Infrastrukturbedarf (hier Parkplätze), der sich aus einem Vorhaben ergibt, abzuschätzen. Stellplatzbedarf und Verkehrserzeugung sind nicht nur eine Funktion der Nutzung, sondern insbesondere auch der Lage, was aber bei der Abstraktion als Kennziffern nicht mehr ersichtlich ist.

lastungen, werden Verkehrsmodelle oft als „Black Box“ angesehen, was ihren Einsatz im Rahmen von Planungsverfahren nicht erleichtert (vgl. Exkurs 7).

Mit der Verbesserung der heute verfügbaren Verkehrsmodelle hinsichtlich der Abbildung der Wechselwirkungen zwischen Raumstruktur und Verkehr, steigt ihre potenzielle Einsatzfähigkeit zur Bewertung von Standortentscheidungen (Bohnet, Gutsche et al. 2006:7). Bohnet, Gutsche et al. zeigen, wie durch An-passung im Detail das Personenverkehrsmodell der Region Hannover für die Beurteilung der verkehrlichen Wirkungen unterschiedlicher Standorte für groß-formatige Einzelhandelseinrichtungen nutzbar gemacht werden kann. Sie iden-tifizieren folgende Gründe, die für den Einsatz von Verkehrsmodellen für die Standortbewertung von verkehrsintensiven Vorhaben sprechen (Bohnet, Gutsche et al. 2006:10):

Neben dem Verkehrsaufkommen lassen sich auch der Verkehrsaufwand

und die Verkehrsmittelwahl fundiert ermitteln.

Kumulative Effekte verschiedener Vorhaben lassen sich ermitteln.

Konkurrenzeffekte, also Wirkungen von Vorhaben auf existierende

Stand-•

orte können einbezogen werden.

Andererseits konstatieren sie, dass die verwendeten makroskopischen Modelle meist über keine ausreichende Abbildungsgenauigkeit verfügen, beispielswei-se hinsichtlich der im Modell differenzierten Wegezwecke. Ein Verkehrsmodell muss je nach Vorhaben hinreichend genau differenziert und geeicht sein, um realistische Ergebnisse zu liefern (Bohnet, Gutsche et al. 2006:66). Soll die Ab-bildungsgenauigkeit erhöht werden und eine Anpassung an die gegebene Frage-stellung erfolgen, sind daher zusätzliche Struktur- und Verhaltensdaten sowie ein tiefgehendes Verständnis der Verfahren des Verkehrsmodells notwendig.

Einen ähnlichen Ansatz verwenden Sonntag und Meimbresse (1999:72ff.) für die Modellierung des städtischen Wirtschaftsverkehrs unter Berücksichtung unter-schiedlicher Ansiedlungsszenarien für logistische Knoten in den Modellstädten München und Berlin. In dieser Studie, die bisher die detaillierteste Aufarbeitung des Themenfeldes Verkehrsauswirkungen von Logistikknoten in Deutschland darstellt (vgl. Kap. 3.1), wird das Wirtschaftsverkehrsmodell WIVER genutzt, um eine Matrix des Wirtschaftsverkehrsaufkommens nach Branche, Fahrzeugart und Tagesperiode zu erzeugen. Da jedoch innerhalb WIVER keine ausreichende

Abbildungsgenauigkeit besteht, um unterschiedliche Module logistischer Kno-ten24 zu berücksichtigen, wurde ein Ergänzungsansatz für Quellverkehre logisti-scher Knoten25 vorgeschaltet. Unter Berücksichtigung der Randbedingung, dass das Gesamtgüteraufkommen der betrachteten Region gleich bleibt, wird das von der neuen Verkehrszelle (dem logistischen Knoten) erzeugte Aufkommen systematisch von anderen Zellen abgezogen. Anschließend wird der logistische Fluss des Moduls in Lkw-Fahrten umgerechnet und es erfolgt eine Korrektur der Lkw-Fahrten anhand Modul-Typen spezifischer Verhaltensdaten (Tourenzahl, Zielpunkte). Als wichtigste methodische Beschränkung des Vorgehens nennen Sonntag und Meimbresse (1999:87) die fehlende Abbildung des Fernverkehrs durch WIVER, die fehlende Betrachtung von Güterströmen und die fehlende Möglichkeit des Festhaltens von Transportbeziehungen bei der Verlagerungen von Unternehmen in den logistischen Knoten. Als weitere Beschränkung nen-nen sie die begrenzte Verfügbarkeit empirischer Daten der Verkehrserzeugung zu Logistikbetrieben. Während die von Sonntag und Meimbresse definierten Modul-Typen von logistischen Knoten hinsichtlich ihrer Funktionen und Ver-kehrsabwicklung noch relativ gut beschrieben werden konnten, fällt ihnen die Quantifizierung des Verkehrsaufkommens schwer.

Beide hier kurz beschriebenen Ansätze gehen von einem durch das Verkehrsmo-dell gegebenen Gesamtverkehr aus und realisieren den Standortvergleich quasi durch Verschieben von „vorhandenen“ Nutzungen an neue Standorte (groß-formatige Einzelhandelseinrichtungen, aus Modul-Typen zusammengesetzte logistische Knoten), was methodische Gründe hat. Dies hat den Vorteil, dass Verlagerungseffekte abgebildet werden können, die Frage nach der Entstehung zusätzlichen Verkehrs durch zusätzliche Vorhaben bleibt jedoch offen.

24 Differenziert wurden: Bahntrans-Frachtzentren, Speditionsterminals (Hub und regionales Termi-nal), Logistische Basisbetriebe, Post-Frachtzentren, Handelsdistributionszentren, KV-Terminals, Einzelhandels-Konzentrationen und Autohöfe.

25 Der Quellverkehr logistischer Knoten wird in der Studie „logistischer Fluss“ genannt. Dazu wurden von Sonntag und Meimbresse einerseits Standard-Module logistischer Knoten, anderer-seits tägliche Aufkommenswerte (Tonnage oder Lkw-Fahrten) pro Umschlagfläche verwendet.

Auf das so ermittelte Aufkommen wird für einige Modul-Typen eine Dämpfungsfunktion für Entfernungsabhängigkeiten definiert und das Aufkommen je nach Lage des logistischen Knotens entsprechend abgemindert. Bei der Zuordnung der Modul-Typen zu einem betrachteten logisti-schen Knoten werden der Flächenpreis und die nationalen/internationalen Verkehrsanbindungen qualitativ berücksichtigt.

Planungsverfahren der Logistikwirtschaft