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A2.2.1 Stickstoffbilanzen der deutschen Landwirtschaft

Dr. Frauke Godlinski, Julius-Kühn-Institut, und Bernhard Osterburg, Thünen-Institut

Zur Identifizierung und Quantifizierung des Einflusses der Landwirtschaft auf die Umwelt wurde der Indikator „Stickstoffüberschuss“ entwickelt und im Jahr 2002 in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (Bundesregierung, 2002) verankert. In der Nach-haltigkeitsstrategie wurde für das Bilanzjahr 2010 ein zu erreichender Zielwert in Höhe von 80 kg pro Hektar landwirtschaftlicher Fläche (LF) und Jahr festgelegt. Der Stickstoff-indikator wird als Gesamtbilanz berechnet und ergibt sich rechnerisch aus der Differenz von Stickstoffzufuhr und Stickstoffabfuhr. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sich bei dem Indikator um eine vereinfachende Zusammenfassung und Berechnung von komplexen und sowohl räumlich als auch zeitlich variablen Prozessen handelt. Die Ergebnisse der Gesamtbilanz finden zudem Berücksichtigung in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (BMU, 2010). Die Bilanzdaten werden in den Indikatorenberichten zur nachhaltigen Entwicklung (Statistisches Bundesamt, 2012) sowie in den Daten zur Umwelt4 des UBA veröffentlicht. Die Einzeldaten können auf der Internetseite des BMELV5 abgerufen werden. Die Gesamtbilanz setzt sich theoretisch aus einer Flächen- und einer Stallbilanz zusammen. Die Ergebnisse der Flächenbilanz werden z.B. im Rahmen des OECD/EUROSTAT Ländervergleichs und für den Nitratbericht der Bundesregierung verwendet (BMU und BMELV, 2008).

Zur Berechnung der Gesamtbilanz werden Stickstoffzufuhren und –abfuhren auf Ebene des Agrarsektors erfasst. Es werden Stickstoffzufuhren über Düngemittel, atmosphärische Deposition, biologische Stickstofffixierung, Saat und Pflanzgut sowie Futtermittelzu-käufe aus inländischer Erzeugung und aus Importen berücksichtigt. Die Stickstoffabfuhr findet über pflanzliche und tierische Produkte statt. Für die Bilanzierung werden alle Angaben in Naturalmengen der Zufuhren und Abfuhren in Stickstoffmengen umgerechnet. Dies erfolgt durch Multiplikation mit Koeffizienten für den Stickstoffge-halt. Die Methodik zur Berechnung des Stickstoffindikators wird laufend auf Bundes-ebene überarbeitet und die Daten des gesamten Berichtszeitraums werden auf dieser Grundlage neu berechnet. Aufgrund von jährlichen Aktualisierungen kommt es teilweise zu Abweichungen von bisher veröffentlichten Daten. Die Berechnungsmethode ist in Bach et al. (2011) näher erläutert.

4 http://www.umweltbundesamt-daten-zur-umwelt.de/umweltdaten/public/theme.do?nodeIdent=3639 5 http://www.bmelv-statistik.de/index.php?id=139, Suche nach Stichwort „Nährstoffbilanz“.

Als maßgebliche Zeitreihe dient das gleitende Dreijahresmittel, bezogen auf das jeweils mittlere Jahr. Durch die Mittelwertbildung werden z. B. die nicht zu beeinflussenden witterungs- und marktabhängigen jährlichen Schwankungen in der Darstellung ausgeglichen. Die ermittelten Überschüsse dürfen aber nicht pauschal mit Verlusten in die Umwelt gleichgesetzt werden, da eine gewisse Stickstoffmenge für den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit notwendig ist. Dennoch können die bilanzierten Überschüsse als Maß für die Umweltbelastung durch Stickstoff herangezogen werden. Ebenso können anhand der langjährigen Trends der Stickstoffüberschüsse Auswirkungen politischer Maßnahmen verfolgt werden. Seit März 2010 wird der Stickstoffindikator für Deutschland nach einer überarbeiteten und einvernehmlich zwischen BMELV und BMU verabschiedeten Methodik berechnet (Bach et al, 2011).

Die Stickstoffzufuhren der Gesamtbilanz erfolgten im langjährigen Durchschnitt zum überwiegenden Teil über Düngemittel (56 %). Zukauffuttermittel aus dem Inland und Futtermittelimporte trugen mit 19 % bzw. 12 % bei, während auf die biologische N-Fixierung nur ein Anteil von 7 % entfiel, auf die atmosphärische Deposition aus nichtlandwirtschaftlichen Quellen 5 % und auf Saat- und Pflanzgut 0,7 %.

Obwohl die Menge an abgesetztem Stickstoffdünger jährlich variiert und stark von den Schwankungen der Düngerpreise abhängt, ist bisher noch kein längerfristig abnehmender Trend für die Stickstoffzufuhr zu erkennen. Der Anstieg der Stickstoffüberschüsse in den Jahren 1999 und 2000 kann z.B. durch einen erhöhten Mineraldüngereinsatz aufgrund niedriger Düngermittelpreise begründet werden. Durch Preisveränderungen ist der N-Mineraldüngereinsatz in den letzten Jahren gegenüber dem langjährigen Mittel z. T.

deutlich zurückgegangen, namentlich in den Jahren 2007, 2009 und 2010.

Der N-Mineraldüngereinsatz hängt nicht nur vom Düngerpreis ab, sondern auch von den Preisen für landwirtschaftliche Verkaufsprodukte. Dieses Preisverhältnis bestimmt darüber, wie lohnend eine Erhöhung der N-Düngung zur Erzielung eines höheren Ertrags für die landwirtschaftlichen Betriebe ist. In Abbildung A2.5 wird das langjährige Verhältnis des Mineraldüngerpreises zum Brotweizenpreis der Entwicklung der N-Mineraldüngerabsatzes je Hektar LF in Deutschland gegenübergestellt. Für diesen Vergleich wurde der Brotweizenpreis wurde als „Leitpreis“ für pflanzliche Verkaufprodukte gewählt. Die Zeitreihen wurden für den Vergleich auf Basis des Wirtschaftsjahrs 1990/91 indexiert.

Obwohl beide Preisreihen in den letzten Jahren Anstiege verzeichneten, hat sich das Preisverhältnis zwischen N-Dünger und Weizen sehr stark zu Ungunsten des Weizens verändert. Die N-Düngerpreise sind in den letzten Jahren im Vergleich zum Weizenpreis deutlich stärker gestiegen. Zwischen der Entwicklung der Preisrelation und des N-Mineraldüngerabsatzes je Hektar zeigt sich ein deutlicher, gegenläufiger Zusammenhang.

Im Wirtschaftsjahr 2010/11 hat sich das Preisverhältnis wieder zugunsten des

Weizenpreises verändert, entsprechend höher ist auch der N-Mineraldüngerabsatz ausgefallen. Die Zunahme lag im Wirtschaftsjahr 2010/11 gegenüber den zwei vorherigen Jahren bei über 12 kg N aus Mineraldünger pro Hektar. Aufgrund von größeren Preisschwankungen ist auch zukünftig mit schwankenden N-Mineraldüngerabsatzmengen zu rechnen.

Abbildung A2.5: Entwicklung der Relation zwischen N-Mineraldüngerpreis und Brotweizenpreis sowie des N-Mineraldüngerabsatzes je Hektar LF

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Index (1990/91 = 100) N-Mineraldünger in kg N/ha

Index Preis(N)/Preis(Weizen)

Index N-Mineraldüngerabsatz (bezogen auf kg N/ha genutzte LF)

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von BMELV (div.. Jgg.), Stat. Bundesamt, Fachserie 4, Reihe 8.2, Düngemittelversorgung (div. Jgg.); N-Düngerpreis für 2010/11 auf Basis von Angaben im Landwirtschaftsblatt Weser-Ems; Preisangaben für Brotweizen von ZMP und AMI; eigene Berechnungen.

Die Stickstoffabfuhr fand im langjährigen Mittel zu 75 % über pflanzliche und zu 25 % über tierische Marktprodukte statt. Dabei ist seit 1990 ein leicht steigender Trend für die Stickstoffabfuhr vorhanden. Dieser ist durch einen Anstieg der Erntemengen von Getreide und Ölfrüchten begründet. Der Anstieg beim Getreide wiederum ist durch veränderte Anbauanteile der Ackerkulturen zu erklären. Es wurden mehr Weizen, Mais und Triticale angebaut, bei denen zudem noch Ertragssteigerungen realisiert wurden.

Der Stickstoffüberschuss der Gesamtbilanz lag im Jahr 2009 bei 84 kg N/ha LF, und ist damit der geringste Stickstoffüberschuss seit 1990. Dies ist durch eine verringerte Stickstoffzufuhr bei gleichzeitiger hoher Stickstoffabfuhr zu erklären.

Im Jahr 2010 lag der N-Saldo der Gesamtbilanz mit 96 kg N/ha um mehr als 12 kg N/ha über dem Wert des Jahres 2009. Die Änderung ist zu etwa gleichen Anteilen auf eine erhöhte N-Zufuhr und einer geringere N-Abfuhr zurückzuführen. Das Ziel der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie für das Jahr 2010, den Saldo auf 80 kg N/ha LF zu senken, wurde verfehlt. Aufgrund des gegenüber den Vorjahren noch einmal angestiegenen N-Mineraldüngerabsatzes ist auch im Jahr 2011 keine Zielerreichung zu erwarten.

Gegenüber 1990 hat der N-Saldo der Gesamtbilanz bis zum Jahr 2010 um gut 50 kg N/ha LF abgenommen. Die Zufuhr hat um ca. 26 kg N/ha abgenommen und die Abfuhr um gut 24 kg N/ha zugenommen. Der Rückgang der N-Zufuhr hat vor allem Anfang der 90er Jahre stattgefunden und ist vor allem durch eine Reduzierung der N-Mineraldüngermenge zu erklären. Dies erklärt den starken Rückgang des N-Saldos zu Beginn der 90er Jahre (vgl. Abb. A2.6). Der Zuwachs der N-Abfuhr erfolgt aufgrund von Ertragszuwächsen und veränderten Anbauflächen kontinuierlicher, unterliegt aber witterungsbedingten, jährlichen Schwankungen. Abbildungen A2.6 und A2.7 basieren auf jährlichen Daten und weisen deshalb entsprechende Schwankungen auf.

Abbildung A2.6: Entwicklung des jährlichen N-Saldos der Gesamtbilanz für Deutschland in kg N/ha LF (JKI) und Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement (ILR), Universität Gießen, Tabellen zur Nährstoffbilanz insgesamt.

Wird die N-Abfuhr in Relation zur N-Zufuhr gesetzt, zeigt sich, dass die Ausnutzung der N-Zufuhr in der deutschen Landwirtschaft seit 1990 deutlich und vergleichsweise kontinuierlich angestiegen ist (vgl. Abb. A2.7), und zwar ausgehend von einer Relation

von 0,3 auf einen Wert von ca. 0,5. Die Ausnutzung des zugeführten Stickstoffs in der deutschen Landwirtschaft und die Umsetzung in verkaufte Produkte haben sich demnach in den letzten 20 Jahren deutlich verbessert.

Abbildung A2.7: Entwicklung der Relation zwischen N-Abfuhr und N-Zufuhr in der Gesamtbilanz für Deutschland

Quelle: Eigene Darstellung und eigene Berechnungen auf Basis von Institut für Pflanzen und Boden-kunde, Julius Kühn Institut (JKI) und Institut für Landschaftsökologie und Ressourcen-management (ILR), Universität Gießen, Tabellen zur Nährstoffbilanz insgesamt.

Für das Jahr 2010 werden vom JKI N-Überschüsse in der deutschen Gesamtbilanz in Höhe von 1.605.000 t N ausgewiesen, dies entspricht 96 kg N/ha LF. Im Nationalen Inventarbericht über gasförmige Emissionen (UBA, 2011; Haenel et al., 2012) werden für das Jahr 2010 Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft in Höhe von 422.500 t Rein-N berichtet, als Lachgas emittierten ca. 71.000 t Rein-Rein-N (ohne Freisetzung aus Moorböden) (vgl. Kap.A2.2.3 und A2.2.4). Für den Verlustpfad über das Wasser liegen keine aktuellen Daten vor. Für die Jahre 1998-2000 berechnen Behrendt et al. (2003, S.

169, Tabelle 4.35) für Deutschland N-Austräge in die Meere in Höhe von 390.000 t N.

Diese unterschiedlichen, umweltbelastenden N-Austräge lassen sich nicht einfach summieren, da es sich z. T. um Folgebelastungen handelt. Beispielsweise entstehen aus Ammoniakemissionen nach atmosphärischer Deposition Lachgasemissionen.

A2.2.2 Gewässerbelastungen durch Nährstoffeinträge aus der