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Diplomarbeit. zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Philosophie. an der Karl-Franzens-Universität Graz

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Academic year: 2022

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Geschichte lehren und lernen durch Videospiele?!

Praxisbeispiel über den Einsatz des Videospiels „Valiant Hearts – The Great War“ im Geschichtsunterricht

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Bernhard PIRKER

am Institut für Geschichte

Begutachter: Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr.phil. Nikolaus Reisinger

Graz, 2020

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Danksagung

Ich bedanke mich bei Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr.phil. Nikolaus Reisinger sowie bei Mag.

Dr.phil. Georg Marschnig für die Unterstützung, die mir die beiden beim Schreiben der Arbeit entgegengebracht haben.

Bedanken möchte ich mich auch bei Mag. Alexander Berghold aus dem BG/BRG Klusemannstraße bedanken, der eine Verwirklichung des empirischen bzw. praktischen Teils durch seine lockere und innovative Unterrichtsart möglich gemacht hat. Es bräuchte mehr Lehrpersonen wie ihn, damit sich das österreichische Schulsystem weiterentwickeln und den Anforderungen dieser digitalisierten Zeit anpassen kann.

Mein Dank gebührt ebenfalls meinem Kollegen und guten Freund Manuel Tschudnig. Die Mischung aus Gamer und Geschichtelehrer verbindet uns als Kollegen und Freunde und ich habe ihm für seinen Hinweis zur Auswahl des Videospiels vielmals zu danken.

Bedanken möchte ich mich ebenfalls bei meiner Familie und insbesondere bei meinen Eltern, die mir diesen Bildungsweg ermöglichten und mich auch ob mancher Verwirrung und Unübersichtlichkeit im Laufe meines Studiums immer unterstützten und förderten.

Last but not least gilt mein ganz besonderer Dank jedoch meiner langjährigen Lebensgefährtin und Partnerin Jacqueline Grabner, die mich nicht nur während meines gesamten Studiums, sondern auch insbesondere während dem Schreiben dieser Diplomarbeit unterstützt hat. Ihre durchwegs positiven fachfremden Ideen und Vorstellungen, als auch ihre Erfahrungen im wissenschaftlichen Arbeiten haben mich immer wieder neue Ansätze an dieser interessanten Thematik erkennen lassen und ohne Sie wäre eine Arbeit in diesem Umfang und mit dieser Thematik nicht möglich gewesen. Ihre Ermutigungen über meinen Schatten zu springen und etwas Neues zu probieren, sind sowohl der Grund warum ich mich für diese Thematik entschieden habe, aber auch der Grund warum das „Lehrer-sein“ für mich nicht nur als Beruf sondern auch als Berufung zu sehen ist. Deshalb gebührt ihr mein größter Dank.

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Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG... 4

2. THEORETISCHE AUSEINANDERSETZUNG ... 7

2.1 STAND DER FORSCHUNG ... 7

2.2 EINFLÜSSE AUS DEM AMERIKANISCHEN RAUM ... 7

2.3 EMPIRISCHE UNTERSUCHUNGEN ZUR THEMATIK VIDEOSPIELE IM UNTERRICHT ... 9

2.4 EINFLUSS DER VIDEOSPIELDIDAKTIK UND DER GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN ... 11

2.5 DEFINITIONEN UND BEGRIFFSERKLÄRUNGEN ... 17

2.6 GESCHICHTSLERNEN MIT DIGITALEN MEDIEN ... 20

2.7 HERAUSFORDERUNGEN UND CHANCEN EINER DIGITALEN GESCHICHTSDIDAKTIK ... 20

2.8 PRAKTISCHE ANSÄTZE DER DIGITALEN GESCHICHTSDIDAKTIK ... 24

2.9 DIGITALE SPIELE UND MEDIENKOMPETENZ ... 29

2.10 RELEVANTE LERNTHEORETISCHE ANSÄTZE ... 34

2.11 ZUSAMMENFASSUNG DER THEORETISCHEN AUSFÜHRUNGEN ... 40

3. DARSTELLUNG DES VERWENDETEN SPIELS „VALIANT HEARTS – THE GREAT WAR“ 41 3.1 BESCHREIBUNG DES SPIELS UND DER CHARAKTERE ... 41

3.2 BESCHREIBUNG DER SPIELHANDLUNG ... 45

3.3 DARSTELLUNG DES MODELLS FÜR DIE SPIELANALYSE ... 53

3.4 ANALYSE DES VERWENDETEN SPIELS ... 58

3.4.1 PERSPEKTIVE ... 58

3.4.2 MISE-EN-SCÈNE ... 59

3.4.3 SITUIERUNGSÜBERGÄNGE ... 62

3.4.4 SOUND ... 63

3.4.5 INTERFACE ... 64

3.4.6 BEWEGUNGSMÖGLICHKEITEN DES AVATARS ... 65

3.4.7 INTERAKTION MIT OBJEKTEN DER SPIELWELT ... 65

3.4.8 KOMMUNIKATION UND SOZIALSTRUKTUR ... 66

3.5 ZUSAMMENFASSUNG DER DARSTELLUNG DES VERWENDETEN SPIELS ... 67

4. FACHDIDAKTISCHES KONZEPT ... 69

4.1 KURZDARSTELLUNG DER VORGANGSWEISE ... 69

4.2 BESCHREIBUNG UND BEGRÜNDUNG DER MISSIONSAUSWAHL ... 70

4.3 PLANUNGSMATRIX DER ZU HALTENDEN EINHEIT... 78

4.4 STRUKTURSKIZZEN DER EINHEITEN ... 81

4.5 ZUSÄTZLICHE ERLÄUTERUNGEN ZUR PLANUNGSMATRIX ... 83

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5. EMPIRISCHE ERHEBUNG ... 89

5.1 DARSTELLUNG DES EMPIRISCHEN VORGEHENS ... 89

5.2 AUSWAHL DER FORSCHUNGSFRAGEN ... 91

5.3 BESCHREIBUNG DER ERHEBUNGSMETHODEN ... 92

5.4 DARSTELLUNG DER ERHEBUNGSINSTRUMENTE ... 93

5.5 ERLÄUTERUNG FÜR DIE AUSWAHL DER STICHPROBEN ... 98

5.6 BESCHREIBUNG DES VORGEHENS BEI DER ANALYSE DER ERGEBNISSE ... 98

5.7 DOKUMENTATION,AUSWERTUNG UND ANALYSE DER ERGEBNISSE ... 99

5.8 INTERVIEW MIT DER LEHRPERSON ... 99

5.9 SCHÜLERINNENFRAGEBOGEN ... 108

5.10 WISSENS-CHECK ... 111

5.11 ZUSAMMENFASSUNG DER EMPIRISCHEN ERGEBNISSE ... 116

5.12 ZUSAMMENFÜHRUNG DER EMPIRISCHEN ERGEBNISSE ... 117

6. CONCLUSIO UND AUSBLICK ... 123

LITERATURVERZEICHNIS ... 125

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... 128

APPENDIX ... 130

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1. Einleitung

„Die Spiele der Jugend sind kein müßiger Zeitvertreib, sondern sie gehören zu den wichtigsten Erziehungsmitteln, bei deren Auswahl und Wechsel der Zweck der harmonischen Ausbildung des Körpers und Geistes im Vordergrund stehen sollte.“

Wilhelm Wundt (1832 - 1920)

Dass Wilhelm Wundt im oben angeführten Zitat kaum von Spielen für den Computer oder etwaigen Konsolen spricht, dürfte klar sein, doch dieser Satz kann durchaus auf Videospiele übertragen werden. Schließlich ist die Welt, in die die meisten Schülerinnen und Schüler hineingeboren wurden, mittlerweile digitaler als sie noch vor fünf Jahren – ja sogar vor einem Jahr – war. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass der Großteil der Jugendlichen eine eklatante Zeit in digitalen Medien verbringt. Sei es nun in sozialen Netzwerken, vor dem Fernseher oder eben beim Spielen von Videospielen. Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten und obwohl es durchaus rational erscheint, sich mit ihren negativen Konsequenzen auseinanderzusetzen, birgt dieses gesamtgesellschaftliche Phänomen doch Chancen, die auch in der Schule nicht unter den Teppich gekehrt werden sollten. Wenn ein Unterricht geschaffen werden soll, der sich mit den Individuen der jeweiligen Klasse identifizieren kann, so muss er die aktuelle Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler in dieser Klasse mit einbeziehen. Ein wesentlicher, wenn nicht sogar der wesentlichste Teil dieser Lebenswelt sind digitale Räume, in die sich Lernende in ihrer Freizeit – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schule – begeben. Warum sollten sich Lehrerinnen und Lehrer diese Tatsache nicht zu Nutze machen, wenn es um die Planung von didaktisch und pädagogisch wertvollen Unterrichtseinheiten geht? Themen, die Schülerinnen und Schüler privat beschäftigen, könnten auch in der Schule und im Unterricht für eine erhöhte Teilnahme und damit zusammenhängend auch für einen gesteigerten Lernerfolg sorgen. Insbesondere in einem Unterrichtsfach wie Geschichte wird von Lernenden oftmals mehr Methoden- und Medienvielfalt gefordert. Wieso also sollen digitale Medien und vor allem Videospiele nicht aktiv in den Geschichtsunterricht eingebaut werden? Lernende dort abzuholen, was sie auch in ihrer Freizeit beschäftigt und womit sie sich beschäftigen, stellt die Grundlage für einen guten Geschichtsunterricht dar. Dazu stellen sich in dieser Arbeit jedoch folgende Forschungsfragen: „Kann durch die gezielte Verwendung eines Videospiels mit historischem Inhalt ein Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern im Geschichtsunterricht erzielt werden?“ sowie „Ist eine gezielte Verwendung von Videospielen mit historischem Inhalt im Geschichtsunterricht methodisch sinnvoll und

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pädagogisch wertvoll?“. Die Ausführungen dieser Arbeit, insbesondere der empirische Teil, beschäftigen sich ausschließlich mit der Beantwortung dieser zwei Forschungsfragen.

Ziel dieser Arbeit ist es einerseits, herauszufinden, ob durch den Einsatz von digitalen Spielen ein Lernprozess und damit zusammenhängende ein Lernerfolg bei Schülerinnen und Schülern erzielt werden kann. Andererseits ob und wie Videospiele im Geschichtsunterricht implementiert werden können und was die Möglichkeiten, Chance aber auch die Herausforderungen und Probleme dabei sein können.

Zur Beantwortung der angeführten Forschungsfragen und zur Erreichung des Forschungsziels wird durch ein praktisches Beispiel die Implementierung eines bestimmten Videospiels mit historischem Inhalt in den Geschichtsunterricht durchgeführt. Das hierfür verwendete Spiel heißt Valiant Hearts – The Great War und wurde von Ubisoft Montpellier im Jahr 2014 veröffentlicht. Es behandelt den Themenbereich des Ersten Weltkriegs und begleitet fiktive Charaktere auf ihrer Reise durch die Schlachtfelder desselben. Die Entwickler haben sich jedoch mit der französischen Regierung bzw. deren gemeinnützigen Interessensgemeinschaft

„Mission du Centenaire“, also die Mission zum hundertsten Jahrestag des Ersten Weltkriegs, zusammengeschlossen und haben das Spiel mit einem historischen Hintergrund entwickelt.

Hier soll jedoch zuerst auf die Struktur der vorliegenden Arbeit eingangen werden.

Der erste große Kapitel, die theoretische Auseinandersetzung, behandelt und erörtert Themen, die für das Verständnis der Thematik Videospiele im Schulunterricht und im speziellen im Geschichtsunterricht grundlegend sind. Dazu gehört der Stand der Forschung als auch diverse Begriffserklärungen und Definitionen, die zur Erarbeitung des beschriebenen Themas unbedingt von Nöten sind. Des Weiteren wird explizit auf Historisches Lernen und Phänomene beim Einsatz von digitalen Medien und insbesondere Videospielen im Geschichtsunterricht eingegangen. Zusätzlich dazu wird in diesem Themenbereich auch das Konzept der Medienkompetenz beleuchtet und wie diese Kompetenzform mit digitalen Spielen gefördert und gefordert werden kann. Letztlich werden noch fünf ausgewählte und relevante lerntheoretische Ansätze behandelt, die im Sinne des Einsatzes von Videospielen im Geschichtsunterricht erwähnenswert sind.

Im nächsten Kapitel wird das bereits angesprochene Videospiel Valiant Hearts – The Great War behandelt, analysiert und erörtert. Neben der Beschreibung der Spielhandlung und der darin vorkommenden Charaktere wird auch ein Analysemodell für die Spielanalyse vorgestellt. In einem weiteren Unterpunkt wird das Videospiel praktisch anhand des beschriebenen Modells analysiert und interpretiert. Schließlich folgt noch die Beschreibung und Begründung der Missionsauswahl für die Schulstunden.

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Diese Schulstunden werden im dritten großen Kapitel dieser Arbeit, dem Bereich Fachdidaktisches Konzept, behandelt. Hierbei soll sowohl anhand einer Kurzdarstellung als auch anhand einer geschichtsdidaktischen Planungsmatrix das empirische Vorhaben beschrieben werden. Darunter fallen sowohl die Strukturskizzen also auch zusätzliche Erläuterungen zu den zwei geplanten Unterrichtseinheiten.

Das vierte Kapitel, die empirische Erhebung, beschäftigt sich mit der Auswertung der abgehaltenen Stunden. Hier wird nochmals auf die Fragestellung und die Zielsetzung dieser Arbeit eingegangen. Nach der Beschreibung der Stichprobe wird das methodische Vorgehen bei der empirischen Erhebung erörtert. Auch die Durchführung soll in diesem Themenbereich beschrieben und begründet werden. Den Hauptteil dieses Themenbereichs macht jedoch die Auswertung und Analyse der Ergebnisse aus. Hierbei werden sowohl die Fragebögen der Schülerinnen und Schüler als auch die absolvierten und ausgefüllten Wissens-Checks der Unterrichtseinheiten als auch das Experteninterview mit der unterrichtenden Lehrperson analysiert und hinsichtlich der Relevanz für die Fragestellung dieser Arbeit interpretiert. Im letzten Teil dieser Diplomarbeit soll schließlich noch ein kurzes Resümee gezogen und zukünftige Forschungsmöglichkeiten erörtert werden.

Im nun folgenden Kapitel dieser Diplomarbeit wird, wie bereits beschrieben, auf die theoretisch relevanten Konzepte und Phänomene hinsichtlich des Einsatzes von Videospielen im Geschichtsunterricht eingegangen und erörtert wie mit digitalen Spielen Geschichte gelernt werden kann.

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2. Theoretische Auseinandersetzung

Im folgenden Teil der Diplomarbeit wird auf die grundlegenden theoretischen Konzepte eingegangen, die für das Verständnis des empirischen bzw. praktischen Teils erforderlich sind. Am Beginn wird der Stand der Forschung skizziert, der insbesondere für diese Arbeit als Orientierungspunkt wichtig erscheint. Zusätzlich dazu sollen Begrifflichkeiten des semantischen Felds der digitalen Medien erklärt werden, die eher nicht so geläufig sind. Auch soll die Frage geklärt werden, ob und wie mit digitalen Medien und insbesondere digitalen Spielen Geschichte gelernt werden kann und das überhaupt sinnvoll ist. In diesem Zusammenhang spielt natürlich die Medienkompetenz eine wichtige Rolle, die ebenfalls im Theorieteil dieser Arbeit behandelt werden soll. Abschließend werden noch lerntheoretische Ansätze vorgestellt, die beim Lernen mit, in und durch digitale Medien bzw. Spiele zu Einsatz kommen können.

2.1 Stand der Forschung

Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit einem Überblick über den Stand der Forschung bezüglich dieser Diplomarbeit. Grundsätzlich soll hier ein Überblick über das Themengebiet gegeben werden. Einerseits sollen für die Thematik allgemein relevante Publikationen angeführt werden, andererseits soll insbesondere auf bereits eingereichte und veröffentlichte Arbeiten aus dem geschichtsdidaktischen Bereich anderer Lehramtskollegen eingegangen werden. Hier fallen die Diplomarbeiten von Nowak aus dem Jahr 2017 und Koger aus dem Jahr 2016 darunter. Zusätzlich soll und muss die Thematik dieser Diplomarbeit hinsichtlich ihrer Zielsetzung auch im geschichtswissenschaftlichen Forschungsfeld verortet werden. Dies wird ebenfalls in diesem Kapitel erörtert. Aufgrund der Fülle an Publikationen soll hier ausschließlich ein kurzer Überblick über relevante Forschungsfelder gegeben.

2.2 Einflüsse aus dem amerikanischen Raum

Schon zu Beginn der 2000er wurde der Einsatz von Videospielen in der Bildung thematisiert.

Wie unter Punkt 2.2 dieser Arbeit erläutert wurde der Begriff des „Digital Game-Based Learning“ von Marc Prensky 2001 erstmals geprägt und hinsichtlich der geschichtsdidaktischen Möglichkeiten beleuchtet. Zugegebenermaßen beschränkt sich Prensky in seinen Ausführungen auf die USA, doch lassen sich, je weiter man in die Thematik des Digital-Game Based Learning vordringt, Parallelen mit Europa und Österreich ziehen. Prensky behandelt hierbei nicht ausschließlich das Lernen mit bzw. durch Videospiele

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in der Schule bzw. im Unterricht, sondern bezieht sich auf die Erwachsenenbildung.

Abermals muss hier gesagt sein, dass sich auch hier Parallelen zur Schulbildung ziehen lassen, wie folgende Ausführungen zeigen: Prensky argumentiert, dass die Besucher der berühmten E3, der Electronic Entertainment Expo in Los Angeles, auch jene Arbeiter seien, die es zu unterrichten gilt. Sei es nun eine Weiterbildung im Job oder noch im Schulsystem selbst. Dabei zeigt Prensky, dass er damit nicht die Umstellung des Lernens auf Distance Learning oder andere Computer basierte Lerntechniken meint. Prenskys Vorstellung von der Lernrevolution geht von einem ganz anderen Punkt im Lernprozess aus: Er argumentiert mit der Fokussierung auf die Lernenden selbst und fügt einen, auch für diese Arbeit entscheidenden Punkt hinzu: den Spaßfaktor. Prensky erläutert in seinem Werk, dass sowohl Lernende, Lehrende, Eltern und Organisatoren des Bildungssystems, Spaß am Gestalten und Durchführen von Lernprozessen haben sollten, um den Lernprozess generell erfolgreicher zu machen. Begründet werden Prenskys Annahmen durch die Lernenden selbst, die eine Veränderung der Lernstrukturen verlangen würden. Erreichen will Prensky diese Lernrevolution durch das Zusammenbringen von zwei scheinbar gegensätzlichen Welten:

Einerseits das sog. „Serious Learning“, das hauptsächlich in Schulen und in der Wirtschaft betrieben wird, und andererseits das „Interactive Entertainment“, womit digitale Spiele aber auch Filme gemeint sind (vgl. Prensky, 2001, S. 4). Prensky erörtert, dass diese zwei gegensätzlichen Pole durch zwei wesentliche Faktoren beeinflusst und damit vereint werden können. Einerseits verbindet der technologische Wandel und die „generationale Diskontinuität“ (frei übersetzt nach Prensky, 2001, S. 5). Damit ist der Unterschied in den Anforderungen und Wünschen der jetzt Lernenden gemeint, die sich grundsätzlich von der älteren Generation unterscheiden sollen. Andererseits fordert der Autor jedoch auch die Bildung dazu auf, endlich den derzeitigen bzw. neuen Anforderungen der Lernenden gerecht zu werden, sodass der Bildungsprozess effektiver und effizienter ablaufen kann. Erreichen will Prensky dieses Vorhaben durch sein Konzept des Digital Game-Based Learning. Es soll einerseits Spaß machen aber auch ernsthaftes Lernen ermöglichen, das längerfristig zu Verbesserung von Lernprozessen beitragen kann. Spiele, die in dieses Konzept passen nennt Prensky Digital Learning Games (vgl. Prensky, 2001, S. 5).

Eine weitere Publikation, die sich mit der Fragen nach Spielen im Unterricht auseinandersetzte, stammt von Leonard Annetta aus dem Jahr 2008. In Serious Educational Games erörtert der Autor und Herausgeber des Werkes warum sog. Educational Games in der Schule denn überhaupt eingesetzt werden sollten. Er begründet seine Ausführungen einerseits mit der Tatsache, dass die Spieleindustrie zu einer massiven wirtschaftlichen Kraft mit

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beinahe 15 Milliarden Dollar an Verkaufserlösen aufgestiegen ist, andererseits aber auch damit, dass zusammengerechnet fast 3,5 Milliarden Stunden in und mit diesen Spielen verbracht wird. Im Zuge der Auseinandersetzung mit der Thematik der Educational Games wird darauf hingewiesen, dass Lernende durch solche Spiele durchaus mehrere Stunden mit tatsächlichem Lernen verbringen können, und dies auch noch in deren Freizeit. Annetta führt hier an, dass solche Educational Games sowohl die Motivation als auch das Interesse an einer Thematik steigern können. Videospiele fördern demnach das Lernen, in dem sie die Spieler herausfordern und ihre Neugier wecken aber auch durch die abgebildete Welt mit ihrer Schönheit und Fantasie, und letztendlich auch durch Spaß. In diesem Bezug spielt auch das sog. Stealth Learning, ein Konzept, das unter Punkt 2.2 näher erläutert wird, eine große Rolle.

Annetta zeigt, dass das Lernen durch und mit Videospielen am besten in Spielen abläuft, die sowohl einen dezidierten und ausgeformten Handlungsstrang haben, aber auch auf den Menschen bezogen sind. Dass die Erstellung solcher Spiele im Sinne eines Educational Game nicht einfach ist, spannt den Bogen zu Prenskys Ausführungen bezüglich der Veränderung der Lernenden. Auch Annetta konstatiert, dass Spieler eindeutig anders durch und mit virtuellen Welten in Videospielen lernen können. Die Auseinandersetzung mit dem virtuellen Medium erlaubt dem Spieler sich kritisch mit der Welt des Spiels auseinanderzusetzen, gleichzeitig jedoch erlangt er das Wissen, welches im Spiel ‚verbaut‘ ist durch die Interaktion mit der Spielwelt. Annetta folgert hier, dass virtuelle Spiele Lernenden die Möglichkeit zum learning- by-doing, zum Erleben von Situationen aus erster Hand und zu Rollenspielen geben (vgl.

Annetta, 2008a, S. 1ff).

2.3 Empirische Untersuchungen zur Thematik Videospiele im Unterricht

Wie schon im vorherigen Absatz erwähnt, wachsen die Umsätze der Spieleindustrie, vor allem jener der virtuellen Spiele, stetig. Da diese Angaben auf die Spieleindustrie in den Vereinigten Staaten bezogen sind, soll hier ein europäisches Beispiel anhand unseres Nachbarlandes, der Schweiz, aufgezeigt werden. Seit dem Jahr 2010 wird in Abständen von zwei Jahren durch die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in der Schweiz die sog. JAMES-Studie, die Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz, durchgeführt.

Ziel ist es das mediale aber auch non-mediale Nutzungsverhalten von Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren statistisch auszuwerten. Dabei werden alle drei Sprachräume der Schweiz abgedeckt, sodass ein relativ großer Überblick über das Nutzungsverhalten gewährt werden kann. Insgesamt befragte die JAMES-Studie 2018 1174 Schülerinnen und Schüler aus Realschulen, Sekundarschulen, Untergymnasien, Berufsschulen und Gymnasien (vgl. Suter

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et.al., 2018, S. 5). Die Erhebung ergab, dass 70% aller befragten Jugendlichen digitale Spiele spielen. Hierbei fällt auf, dass die Nutzung dieser Spiele mit dem Alter abnimmt. Sind es bei 12- bis 13jährigen immerhin 81%, so nutzen ‚nur‘ 62% der 18- bis 19jährigen digitale Spiele.

Die Befragung ergab, dass die Jugendlichen unter der Woche knapp eine Stunde und am Wochenende bis zu zwei Stunden mit dem Spielen von digitalen Spielen verbringen. Auch interessant ist, dass die Hälfte der Jugendlichen, die digitale Spiele nutzen „(…) täglich oder mehrmals pro Woche alleine (…)“ (Suter et. al., 2018, S. 60) spielen. Hier zeigt sich laut der Studie ein eklatanter geschlechtsspezifischer Unterschied. Insbesondere Onlinespiele, bei denen über das Internet im sog. Multiplayer gespielt wird, spielen 58% der Jungen und nur 12% der Mädchen (vgl. Suter et.al., 2018, S. 61). Was jedoch eindeutig auffällt, ist, dass die befragten Jugendlichen vornehmlich First Person Shooters spielen. Echtzeit-Strategiespiele, wie zum Beispiel Age of Empires oder Total War, stehen nur an Platz 14 der am häufigsten angeführten Videospiel Genres (vgl. Suter et.al., 2018, S. 63).

Soviel zur allgemeinen Darstellung und Sachlage. Fraglich ist im Zusammenhang mit dieser Diplomarbeit aber eher die Geschichtsdidaktik und die Herangehensweisen, die dieses Forschungsfeld entwickelt hat. Dass hierbei Lehramtsstudenten einen wesentlichen Einfluss haben, zeigt eine Diplomarbeit, die 2016 durch einen Lehramtsstudenten der Universität Wien eingereicht wurde. Hierbei wurde auf die Frage eingegangen, ob in digitalen Spielen historische Narrative und Geschichtsbilder dargestellt sind und in weiterer Folge, ob sich diese vorhandenen Narrative und Geschichtsbilder im Geschichteunterricht einsetzen lassen (vgl. Koger, 2016, S. 14). Koger untersuchte diese Fragestellung in seiner Arbeit anhand der Strategiespiele Civilization IV: Beyond the Sword und Europa Universalis IV. Durch eine eingehende Analyse dieser Strategiespiele kam Koger zum Schluss, dass „sowohl historische Narrative, als auch Geschichtsbilder oftmals nur stark vereinfacht werden.“ (Koger, 2016, S.

79). Er konstatiert ebenfalls, dass die Spielenden deshalb durchaus kritisch und reflektiert mit dem historischen Inhalt dieser Spiele umgehen müssen. Jedoch merkt der Autor an, dass vor allem ersteres Spiel Möglichkeiten für den Einsatz im Geschichteunterricht bietet. Hierbei bezieht sich Koger vor allem auf historische Begrifflichkeiten, die im Rahmen des Spiels auftauchen. Was jedoch an erster Stelle steht, ist die kritische Hinterfragung des Gespielten bzw. Gesehenen. Die kritische Hinterfragung des im Spiel abgebildeten soll und muss für die Lehrperson von primärer Bedeutung sein. Dass es als Geschichtelehrerin bzw.

Geschichtelehrer durchaus nützlich sein kann, Jugendliche mit Themen zu konfrontieren, die sie sowieso in ihrer Freizeit behandeln, unterstreicht Koger ebenfalls. Wie bereits beschrieben spielen die Mehrheit der Jugendlichen digitale Spiele in ihrer Freizeit. Weshalb sollte in der

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Schule nicht auch mit digitalen Spielen gearbeitet werden. Es kann angenommen werden, dass Schülerinnen und Schüler, die sich mit Spielen mit historischem Inhalt beschäftigen diese historischen Fakten auch in den Geschichteunterricht einbringen. Ob und welche Vorteile dies für die jeweiligen Schülerinnen und Schüler bringen kann zeigte die Diplomarbeit eines Lehramtsstudenten der Karl-Franzens-Universität Graz: 2017 setzte sich Nowak mit der Thematik der Videospiele im Unterricht auseinander. In seiner Diplomarbeit

„Computerspiele im Geschichteunterricht: Lernwerkzeug oder Gefahrenquelle? Eine empirische Untersuchung am Beispiel von Age of Empires II und Assassin’s Creed Syndicate beleuchtet der Autor die grundlegenden Fragen zum Thema Videospiele im Geschichteunterricht. Mit 100 Fragebögen wurde erhoben, ob Schülerinnen und Schüler, welche regelmäßig „historische“ Computerspiele spielten, ihr geschichtliches Faktenwissen verbessern können. Das würde ihnen, laut Nowak, einen gewissen Vorteil gegenüber ihren Mitschülerinnen und Mitschülern einbringen, welche diese Spiele nicht spielen würden. Des weiteren versuchte Nowak in seiner Diplomarbeit auf weitere Anwendungsmöglichkeiten von Computerspiele einzugehen (vgl. Nowak, 2017, S. 1). In Nowaks Diplomarbeit wird dezidiert auf die Schülerinnen und Schüler eingegangen, welche durch das Spielen von Computerspielen einen etwaigen Vorteil gegenüber ihren Mitschülerinnen und Mitschülern erlangen könnten. Herauszulesen ist hier, dass es sich um Computerspiele handelt, die von den Schülerinnen und Schülern in ihrer Freizeit gespielt werden. Was die Auswertung der Fragebögen angeht, so kommt Nowak zum Schluss, dass es scheinbar keine messbaren Vorteile bringt, wenn Schülerinnen und Schüler in ihrer Freizeit eben Spiele mit historischen Themen nutzen (vgl. Nowak, 2017, S. 85). Hier muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass sich der Fragebogen ausschließlich auf das historische Faktenwissen bezieht, die Schülerinnen und Schüler, nach Annahme des Autors, durch das Spielen besser hätten erlernen sollen. Schlussgefolgert kann hier aber werden, dass, sofern das historische Faktenwissen nicht gesteigert oder verbessert werden kann, doch einzelne andere Aspekte aus den digitalen Spielen herausgenommen werden und so dem Geschichteunterricht als Medium zum Erarbeiten von Thematiken dienen können.

2.4 Einfluss der Videospieldidaktik und der Geschichtswissenschaften

Auch die fachdidaktische Forschung beschäftigt sich schon des längeren mit digitalen Spielen im Unterricht. So auch Riemer und Möring in ihrem Sammelband Videospiele als didaktische Herausforderung. In dieser Publikation, die aus einer interdisziplinären Vorlesungsreihe der Universität Potsdam entstand, fließen Beiträge von verschiedensten Experten auf dem Gebiet

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der Videospieldidaktik ein. Für diese Diplomarbeit scheint jedoch der Beitrag von Heiko Christians besonders interessant zu sein. In diesem behandelt Christians die Frage nach dem spielerischen Lernen und wie dieses Phänomen auf digitale Spiele und vor allem auf die heutige Schulrealität umzumünzen sei. Der Autor stellt sich die auch für diese Diplomarbeit wichtige Frage nach den Übereinstimmungen von Spielen und Lernen. Wo genau liegen Überschneidungen vor und wie kann ein digitales Spiel, das eigentlich zu Unterhaltungszwecken programmiert wurde, für Lernkonzepte und Bildungsaufgaben heranziehen. Christians konstatiert, dass digitale Spiele oftmals durch das sog. Leveln, also den Aufstieg im Rang oder in der Spielwelt, lediglich das Kurzzeitgedächtnis der Spielenden anregen würden. Die Spielenden würden also nur ein Level spielen, um ins nächste zu gelangen und damit das vorherige zu vergessen. Das einzige, das bliebe wäre die Erinnerung an das vorherige Level, die helfen kann das laufende Level abzuschließen (Christians, 2020, S. 22f). Diese Schnelligkeit des Spiels würde laut Christians aber eher kaum dazu beitragen Lernen zu können: „Was im Kerngebiet des Lernens immer stattfinden muss – die Verlangsamung von Prozessen – verträgt das Spiel nicht besonders gut (…)“ (Christians, 2020, S. 24). Spielende würden deshalb spielen um besser im Spiel zu werden, also um das Ergebnis, das am Ende einer Spielrunde oder eines Levels steht, zu verbessern. Durch die Wiederholung im Spiel selbst wird Spannung aufgebaut, die der/die Spielende antreibt, weiter zu spielen (vgl. Christians, 2020, S. 25). Ein weiterer wichtiger Punkt, den der Autor in seinem Beitrag anführt, ist die Anregung der Vorstellungskraft durch digitale Spiele. Die dabei entstehenden Vorstellungsräume könnten dabei als Moment für das Lernen verwendet werden: „Die Imagination wird, das kann man prognostizieren, unschlagbar bequem werden“

(Christians, 2020, S. 34). Um genau die Imagination und die damit entstehenden Vorstellungsräume muss es also in der Schule und im Unterricht gehen. Christians argumentiert, dass genau die Geschichten der Spiele und die damit verbundenen Vorstellungsräume der Spielenden erfragt und hinterfragt werden müssen (Christians, 2020, S. 36).

Dass der Geschichtsunterricht nicht nur durch geschichtsdidaktische Tendenzen beeinflusst wird, ist unumstritten. Deshalb soll der wesentliche Einfluss der Geschichtswissenschaften auch hier nicht ausgeklammert sein. Generell muss also formuliert werden, dass Unterricht mittels digitalen Spielen nicht ohne die Verortung in der geschichtswissenschaftlichen Forschung möglich ist. Grund dafür ist die Struktur des Geschichtsunterricht an sich. Den Lernenden muss an vorderster Stelle klar gemacht werden, dass Geschichte eine Darstellung bzw. ein Konstrukt ist, das es zu reflektieren und zu interpretieren gilt. Schülerinnen und

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Schülern muss bewusst (gemacht) werden, dass Quellen keine allgemein gültigen Belege und Fakten sein können, die die ‚eine‘ Geschichtsversion abbilden. Genau so muss es sich auch mit den digitalen Videospielen verhalten. Tim Raupach zeigt in seinem Artikel Geschichte im Computerspiel, dass Spiele mit historischem Inhalt das „Spektrum populärkultureller Darstellungen von Geschichte“ (Raupach, 2016, § 2) erweitern. Er argumentiert auch, dass trotz diverser Unstimmigkeiten, wie zum Beispiel ungenaue, verkürzte bzw. vereinfachte oder gar komplett konträre Darstellungen, ‚Geschichte‘ erlebt und damit auch angeeignet werden kann (vgl. Raupach, 2016, § 2). Hier wird im Zusammenhang mit digitalen Spielen auf Angela Schwarz verwiesen, die 2014 drei Typen von digitalen Spielen mit historischem Inhalt differenzierte. Der erste Typus beschreibt oberflächliche und vorurteilsbehaftete Darstellungen von Geschichte, wie sie oft in Strategiespielen zu finden sind. Dabei wird eine historische Simulation erschaffen, die hauptsächlich ohne einen dezidierten Inhalt auskommt (Raupach, 2016, § 3). Es geht hierbei um sog. 4X Spiele, wie es an anderer Stelle von Heiko Brendel beschrieben wird. Der Buchstabe X kommt aus dem Englischen und bezeichnet die Begriffe „Explorer“, „eXpand“, „eXploit“ und „eXterminate“ (vgl. Brendel, 2020, S. 206f).

Eingedeutscht bedeuten diese Begriffe erkunden, ausbreiten, ausbeuten und auslöschen und bezeichnen den grundsätzlichen Spielablauf des Spiels. Der zweite Typ, der von Schwarz definiert wird und in Raupachs Ausführungen Erwähnung findet bezieht sich auf das Handeln von fiktiven Figuren in einem „relativ eindeutigen historischen Setting“ (Raupach, 2016, § 4).

In diesen Typus fließen meist wichtige historische Ereignisse, aber auch soziale Gruppen und deren Ideologien ein. Zusätzlich wird eine weitere Ebene durch das Interagieren des spielbaren Charakters mit historischen Persönlichkeiten eingezogen. Nachteilig zu beurteilen ist die Implementation von historischen Gegebenheiten, die wenig bzw. nichts mit dem Spielablauf zu tun haben. Diese werden meist ausgeklammert oder nur nebensächlich eingeblendet (vgl. ebd.). Der dritte, von Schwarz definierte Typ, kann als am meisten authentisch bezeichnet werden. Hier wird versucht eine möglichst „exakte Wiedergabe historischer Ereignisse sowie deren Nachvollzug“ (Raupach, 2016, § 5) herzustellen.

Entweder geschieht dies durch eine abstrakte Darstellung von historischen Sachverhalten, zum Beispiel fungiert der/die Spielende als Kommandant einer Armee in einem bestimmten Konflikt, oder aber durch direkte ‚Erlebnisse‘ in Form von First-Person-Shootern. Hierbei wird laut Raupach versucht, eine „historische Authentizität durch ein Spielerlebnis zu schaffen, das an Schlachten- und Kriegserfahrungen aus dem militärischen Unterbau anzuschließen sucht“ (Raupach, 2016, § 6). Insbesondere auf die Erlebnisse von einfachen Frontsoldaten oder direkt im Geschehen Involvierten wird hier eingegangen. Durch diese

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Herangehensweise werden die Spielenden direkt in die Spielwelt hineinversetzt und können sich im besten Fall mit den Protagonisten des Spiels identifizieren. Anzumerken ist hier jedoch, dass diese Spiele kaum über den Tellerrand der historischen Erzählung hinausblicken.

So werden zwar Schlachten mehr oder weniger historisch akkurat dargestellt, doch das Politische und das Gesellschaftlich-Soziale werden in solchen Spielen meist komplett ausgeklammert. Ebenso finden weder andere Perspektiven noch Motive in solchen Spielen Erwähnung. Das Ausblenden solcher Handlungsperspektiven führt laut Raupach

„zwangsläufig dazu, dass Historienspiele in eine mehr oder weniger starke Defizitanalyse überführt werden“ (Raupach, 2016, § 7). Dies ist auch für den didaktischen Zugang zu digitalen Spielen wichtig, da diese Medien weder die Vergangenheit zu hundert Prozent akkurat darstellen können noch imstande dazu sind, die Spielenden in die dargestellte Vergangenheit zu ‚befördern‘. Raupach verweist hierbei darauf, dass digitale Spiele mit historischem Inhalt nicht als „Zeitmaschinen“ (ebd.) gesehen werden dürfen. Was für die Erarbeitung dieser Diplomarbeit relevant erscheint ist die weitere Herangehensweise Raupachs:

„Wenn man bereit ist, den historischen Gegenstand der Spiele als beweglich wahrzunehmen, wenn die Bedeutung von Geschichte als nicht immer schon feststehende Größe angesehen wird, lassen sich Computerspiele (…) als Teil einer populären Geschichtskultur begreifen.“

(Raupach, 2016, § 8)

Raupach folgert, und das ist auch in dieser Arbeit unweigerlich von Interesse, dass digitale Spiele, die historische Inhalte abbilden bzw. darstellen, dokumentieren, wie Geschichte von uns heute gesehen, interpretiert bzw. analysiert und schließlich reflektiert wird. (vgl. Raupach, 2016 § 8). Obwohl sich digitale Spiele und Literatur bzw. Film doch sehr ähneln, so kann jedoch mit Bestimmtheit gesagt werden, dass sich erstere durch einen wesentlichen wichtigen Faktor von den letzteren beiden unterscheiden: die Interaktivität. Weder im Film noch in der Literatur, kann dermaßen interaktiv das Geschehen mitbeeinflusst werden. Raupach argumentiert, dass durch diese Interaktionen mit und im Spiel Aneignungen seitens der Spielenden stattfinden können, die über den historischen Inhalt bzw. die historische Narration des Spiels hinausragen:

„Computerspiele können somit eine Initialzündung für subjektive Aneignungsprozesse bewirken, die nicht unbedingt zu Expertenwissen, aber doch zu Erkenntnissen führen können, mit deren Hilfe weitere historische Zusammenhänge erschließbar werden.“ (Raupach, 2016, § 9)

Einen sehr wichtigen Faktor, der entscheidet, ob ein digitales Spiel diese Initialzündung geben kann, stellt die Authentizität dar. Raupach differenziert zwei Formen der Authentizität, die

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dazu beitragen können, dass Spielende das Gespielte intensiver erleben bzw. mehr in das Spielgeschehen involviert werden. Einerseits, so Raupach, muss Authentizität hinsichtlich der Geschichtswissenschaft, andererseits hinsichtlich des Spielerlebnisses ausgerichtet sein (vgl.

Raupach, 2016, § 17). Zusammengefasst bezeichnet der Autor diese Kriterien als

„Authentizität der Referenz“ und „Authentizität der Form“. Letzteres bezieht sich im Wesentlichen auf die Interaktionen zwischen Spielenden und Maschine und kann als sog.

sensomotorische Synchronisation bezeichnet werden. Hierbei ist vor allem der Zusammenhang zwischen Input über ein Eingabegerät und Output als Darstellung des Inputs im Spiel wichtig. Laut Raupach ist es nötig, dass dieses Feedback „jenseits der bewussten Wahrnehmung der Spielenden“ (Raupach, 2016, § 18) bleibt, „damit sich die Illusion einer stabilen und gleichzeitigen Interaktion (…) einstellt“ (ebd.). Dadurch kann gefolgert werden, dass das Spielen einer Szene mit historischem Inhalt in einer dargestellten Epoche oder Situation als direkte bzw. subjektive Erfahrung der/des Spielenden bezeichnet werden kann.

Die Spielenden handeln, durch die Immersion in das Spiel, direkt in der jeweiligen historischen Situation und ‚erleben‘ somit Geschichte bzw. die Art und Weise, wie Geschichte in dieser Situation gerade dargestellt wird. Wenn es um die Authentizität der Referenz geht, so kann dies als „Summe von Realismuseffekten“ (Raupach, 2016, § 21) verstanden werden. Das Nachstellen von historischer Realität im Sinne der Darstellung von

„Uniformen, Waffen, Fahrzeugen und Schauplätzen“ (ebd.) führt zu einer authentischen Darstellung dessen, was Spielende über diese historischen Inhalte erfahren können oder bereits erfahren haben. Die Spielenden werden somit durch die Referenzen, denen sie sich während des Spielens gegenübersehen in die Spielwelt involviert. Anzuführen wären hier zum Beispiel Archivmaterial in Form von Fotos oder Filmen.

Zusammenfassend kann also formuliert werden, dass es durchaus eine Veränderung der Lernenden gegeben hat und dass Lernende heutzutage wesentlich einfacher mit digitalen Medien lernen. Der Großteil der Schülerinnen und Schüler verbringen ihre Freizeit in digitalen Welten, sei es nun auf sozialen Plattformen oder tatsächlich in digitalen Spielen.

Sowohl Prensky als auch Annetta zeigen, dass, sofern sich der Schulunterricht solcher Medien anheim machen will, die Erarbeitung stets mit Spaß verbunden sein soll. Diese Aufgabe stellt sich auch die hier vorliegende Diplomarbeit. Wenn schon eine geschichtliche Thematik erarbeitet werden soll, die umfangreich und durchaus komplex erscheint, so soll das Ziel mit entspannten Methoden erreicht werden. Ein Videospiel, das es schafft, die Lernenden in seinen Bann zu ziehen, sodass diese durch Spaß und Engagement eine geschichtliche

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Thematik beinahe unterbewusst erarbeiten, wäre das optimale Mittel um eine Lernumgebung zu schaffen, die sowohl Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen im Voranschreiten im Lernprozess positiv unterstützt. Doch stellt sich hier die Frage, wie die Schülerinnen und Schüler bzw. die Lehrerinnen und Lehrer auf ein derart ‚neues‘ Medium reagieren. Ist das Videospiel als Medium in der Schule einsetzbar oder sollte es doch in der Freizeitbeschäftigung Anwendung finden? Solche Fragen soll die hier vorliegende Arbeit beantworten und gleichzeitig feststellen, ob die geschichtsdidaktische methodische und historische respektive geschichtswissenschaftliche Perspektive mit dem Einsatz von Videospielen im Geschichteunterricht vereinbar ist. Wie sich in den skizzierten Diplomarbeiten der anderen Lehramtsstudenten gezeigt hat, wurde bis dato stets auf indirekte Vorgangsweisen zurückgegriffen. Digitale Spiele wurden zwar behandelt, doch bezog sich das entweder auf das Abprüfen von historischem Faktenwissen durch das Spielen von digitalen Games in der Freizeit oder auf die generelle geschichtswissenschaftliche bzw.

fachdidaktische Anwendbarkeit von digitalen Spielen im Unterricht. Keiner der beiden Kollegen wählte eine direkte Herangehensweise. Was die hier vorliegende Diplomarbeit jedoch zu erreichen versucht, ist die tatsächliche Dokumentation eines Lernprozesses, der durch ein digitales Spiel eingeleitet und begleitet wird. Es ist gerade die direkte Auseinandersetzung mit einem digitalen Spiel, die hier grundlegend beleuchtet und im Sinne einer geschichtsdidaktischen Auseinandersetzung erörtert werden soll. Während bei Nowak der Lernprozess der Schülerinnen und Schüler durch das Spielen in der Freizeit indirekt beeinflusst wird, so soll in dieser Arbeit auf die Annahme Raupachs eingangen werden, dass digitale Spiele, sofern sie im Unterricht eingesetzt werden, das Zeug dazu hätten, eine Initialzündung bei Schülerinnen und Schülern herbeizuführen, die den subjektiven Lernprozess positiv fördern können. Zusätzlich zum Erarbeiten von Fotos oder Texten aus einem digitalen Spiel sollen die Schülerinnen und Schüler also aktiv bzw. direkt dem Spielgeschehen beiwohnen. Dass dies eine geschichtsdidaktische und methodische Herausforderung für die unterrichtende Lehrperson darstellt, ist unumstritten. Auch ein Wechsel der Lehrerinnen bzw. Lehrerrolle wird nicht auszuschließen sein. Deshalb soll in dieser Arbeit eine grundlegende Handhabe in der Form eines fachdidaktischen Konzepts für ein ausgewähltes Praxisbeispiel festgelegt werden. Dieses Konzept wird sowohl theoretisch fundiert erörtert, im empirischen Teil umgesetzt sowie abschließend evaluiert. Ob diese Handhabe dann auf andere digitale Spiele umgemünzt werden kann, wird noch zu behandeln sein. Nun sollen jedoch relevante Konzepte und Begriffe definiert werden, die im Umgang mit digitalen Spielen und damit zusammenhängenden Konzeptionen wichtig sind.

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2.5 Definitionen und Begriffserklärungen

Wie bereits angesprochen haben sich bereits andere Studenten mit der Frage nach dem Einsatz von Videospielen im Unterricht beschäftigt. Eine dieser Arbeiten stammt aus der Feder von Phillip Nowak, der sich bereits im Jahr 2017 im Zuge seiner Diplomarbeit im Fach Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung mit eben genau jener Frage beschäftigt hat.

Nowak beschäftigte sich vornehmlich mit der Frage nach dem Medium an sich, nämlich, ob Computerspiele im Geschichtsunterricht eine Gefahrenquelle darstellen oder ob sie als nützliches Lernwerkzeug verwendet werden können. Damit verbunden stellt sich jedoch die Frage, die hier von größerer Bedeutung ist: Wie werden digitalen Spiele eigentlich definiert und zusammenhängend damit auch, welche digitalen Spiele für den Unterricht in erster Linie geeignet sein können. Aus diesem Grund soll hier nun kurz auf die wichtigsten Begrifflichkeiten in Zusammenhang mit dieser Thematik eingegangen werden. Diese Begriffe stehen in wichtigem Bezug zu der empirischen Vorgehensweise dieser Arbeit und sollen demnach als Orientierungshilfe dienen. Anhand dieser Definitionen soll festgemacht werden, warum genau jenes Spiel für die Stundenplanung ausgesucht wurde.

Digitale Spiele

Vertraut man Wolfgang Bösche, so kann ein digitales Spiel folgend definiert werden: „Ein digitales Spiel ist ein solches, das auf Computern, Spielekonsolen, Handys, PDAs oder anderen digitalen Geräten oder in einem Webbrowser lauffähig ist.“ (Bösche, 2014, S.63) Angemerkt muss hier jedoch sein, dass nicht jedes digitale Spiel dafür geeignet ist im Unterricht eingesetzt zu werden.

Serious Games

Bösche, der sich in diesem Zusammenhang auf den Erfinder des Begriffs, Clark Abt beruft, bezeichnet solche Spiele als sog. „Serious Games“ und meint damit „digitale Spiele, die – über Unterhaltung, Spaß und Zeitvertreib hinaus – weitere (…) ernsthafte Ziele verfolgen.“

(ebd.) Auch wichtig in diesem Zusammenhang sind die von Bösche angesprochenen ernsthaften Ziele. Hier können „Serious Games“ angeführt werden, die Informationen vermitteln. Aber auch tatsächliche Lern- und/oder Bildungsspiele bis hin zu physisch fordernden digitalen Spielen, die zu Therapiezwecken eingesetzt werden können, fallen in diese Kategorie. Geht es nach der vom Woodrow-Wilson-Center im Jahr 2002 gestarteten Serious Games Initiative, so soll jedoch unbedingt der Faktor Spaß den Bildungs- und

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Lernerfolg positiv beeinflussen. Dazu sollen die im Spiel abgebildeten und konzipierten Aufgaben herausfordernd als auch unterhaltend sein und die Lernenden durch das wiederholte Spielen im Lernprozess fördern. Auch eine graphisch ansprechende Darstellung solcher

„Serious Games“ spielt bei der Förderung von derartigen Lernprozessen eine wichtige Rolle.

Digital Game-Based Learning

Wird im Zusammenhang mit „Serious Games“ und den damit verbundenen Zielen gesucht, so kann ein anderer Begriff parallel dazu aufgefunden werden, nämlich der des „Digital Game- Based Learning“, ein Begriff, der Anfang der 2000er Jahre von Marc Prensky erstmals verwendet wurde. Im gleichnamigen Werk versucht der Autor zwei, wie er selbst schreibt, gegensätzliche Welten miteinander zu vereinen: Einerseits sollen das Lernen in Schulen und andererseits der Entertainmentsektor miteinander verknüpft werden. Die Grundlage für die angestrebte Verschmelzung dieser zwei doch sehr konträren Bereiche verortet Prensky in den grundsätzlichen Veränderungen der Lernenden. Er behauptet, dass Lernende heute wesentlich andere Lernanforderungen haben als Lernende in den Jahren zuvor und begründet seine Annahmen in der Tatsache, dass eben genau diese Lernenden mit der Technologie aufgewachsen sind. Für Prensky bedeutet Digital Game-Based Learning einerseits Spaß und Engagement und das Zusammenspiel von Lernen in der Schule mit interaktivem Entertainment, das in einem neuen Medium gipfelt, den sogenannten Digital Learning Games (vgl. Prensky, 2001, S. 5f).

Histotainment

Unter Histotainment kann grundsätzlich eine Abwandlung von Infotainment verstanden werden. Gilt für das Infotainment die Annahme, dass Information auf unterhaltsame Weise vermittelt wird, so kann dies eins zu eins auf das Histotainment übertragen werden. Damit werden also Medien betitelt, die Geschichte und das damit zusammenhängende Geschichtswissen auf unterhaltsame Weise wiedergeben. Meist wird Histotainment über Comics, Fernsehen oder eben über digitale Spiele vermittelt. In der Kritik steht diese Form der medialen Vermittlung jedoch häufiger, da es durch den Entertainmentcharakter die Darstellung von Geschichte verfälscht, verkürzt oder teilweise verzerrt. Insbesondere in der Schule muss hier also definitiv eine gut durchdachte didaktische Herangehensweise gewählt werden (vgl. Lüdecker, 2012, § 1).

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Stealth Learning

Unter Stealth Learning wird nach Sharp ein Lernprozess verstanden, der unterbewusst eingeleitet wird. Diese Form des Lernens kann auch als „unexpected learning“ (Sharp, 2012, S. 42) bezeichnet werden. Diese Lernform kann eingesetzt werden, sollten Schülerinnen und Schüler nicht motiviert oder interessiert an einer Thematik sein, da Stealth Learning bzw.

unexpected Learning durch ein fehlendes Lernbewusstsein der Lernenden definiert ist. Die Lernenden wissen also per se nicht, dass sie eigentlich Lernen, was dem Lehrenden zum Vorteil wird. Digitale Spiele eignen sich hervorragend für diese Art des Lernens, da die Lernenden ‚nur‘ spielen, jedoch gleichzeitig im Lernprozess voranschreiten (vgl. ebd.). Nach Sharp kann gezeigt werden, dass Schülerinnen und Schüler durch Spiele – in welcher Form auch immer – in ein lernförderndes und vor allem motivierendes Umfeld gesetzt werden und auch, dass Spiele durchaus Fähigkeiten in der Zusammenarbeit mit anderen oder im Problemlösen fördern können (vgl. Sharp, 2012, S. 43).

Side Scroller

Als Side Scroller werden Spiele bezeichnet die sich vorwiegend im 2D Bereich aufhalten.

Spielende steuern die spielbare Figur durch ein zweidimensionales Level, das meist von links nach rechts aufgebaut ist. Durch die Bewegung des Charakters verschiebt sich sowohl der Hintergrund, der meist viel weitläufiger als das tatsächliche Level ist, als auch das tatsächliche Spiellevel. Die Spielfigur ist in den meisten Side Scrollern in der Bildschirmmitte zu verorten. Die „Kamera“ folgt direkt dem Charakter. Tong (2001) definiert unter den Side Scrollern einerseits ‚Shooter‘ und andererseits ‚Walker‘. In Ersteren, auch ‚Run and Gun‘

genannt, müssen Spielende mittels bewaffneten Charakteren bzw. Fahrzeugen oder

Abbildung 1: Vergleich von Super Mario Bros (1985, Walker/Jump and Run Format) und Metal Slug (1996, Shooter/Run and Gun Format) (https://www.funstockretro.co.uk/news/top-10-side-scrolling-shooting-games/, abgerufen am 03.05.2020 und https://nintendo.fandom.com/wiki/Super_Mario_Bros._theme , abgerufen am:

03.05.2020)

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Flugzeugen die Feindfahrzeuge oder -charaktere vernichten. Im letzteren Typus handelt es sich meist um sog. ‚Jump and Run‘ Spiele, bei denen Spielende über Hindernisse hüpfen müssen (vgl. Tong, 2001, S. 2). Abbildung 1 und Abbildung 2 zeigen berühmte Beispiele für diese Typen von Side Scrollern. Das in dieser Arbeit verwendete Spiel kann definitiv als Walker eingestuft werden. Zusätzlich zum Side Scrolling Element kommen jedoch auch noch Rätsel Elemente dazu. Näheres dazu findet sich unter Punkt 3.1 dieser Arbeit.

2.6 Geschichtslernen mit digitalen Medien

Geschichte zu lernen ist nicht einfach das Auswendiglernen von Fakten, Daten und Zahlen.

Lernenden soll und muss immer bewusst sein und gemacht werden, dass Geschichte und Vergangenheit nicht das gleiche sind. Diese Ambivalenz spiegelt sich im gesamten historischen Lernprozess wider und soll bzw. muss tatsächlich immer wieder neu definiert werden. Insbesondere für die neuen bzw. digitalen Medien ist es unabdinglich und notwendig, historisches Lernen ‚neu‘ zu definieren. Digitale Spiele sind hierbei nur ein kleiner Teil dessen, was sich in den letzten Jahren bzw. im letzten Jahrzehnt in der digitalen Welt verändert hat. Das nun folgende Kapitel beschäftigt sich demnach mit der Verortung des historischen Lernens in digitalen Medien und insbesondere in Spielen. Dabei sollen grundsätzliche Ansätze sowie spezielle Beispiele angeführt werden, um ein Bild über die Herausforderungen aber auch Möglichkeiten des Geschichtelernens mit digitalen Medien aufzeigen zu können.

2.7 Herausforderungen und Chancen der digitalen Geschichtsdidaktik

Nach Demantowsky und Pallaske beschäftigt sich die Geschichtsdidaktik bereits seit den 1990er Jahren mit der Frage nach dem Einsatz digitaler Medien. Begründet durch die Digitalisierung und den damit zusammenhängende digitalen Wandel können drei Ebenen herausgearbeitet werden:

„erstens bezüglich pragmatischer Aspekte der (möglichen) Veränderung des Geschichtslernens, zweitens der Entwicklung des Geschichtsbewusstseins der Einzelnen, ihrer Geschichtsbilder und historischen Imaginationen sowie der Geschichtskultur(en), schließlich drittens die Auswirkungen auf die Fachdisziplin selbst“ (Demantowsky, Pallaske, 2014, S. 10) Diese drei Teilbereiche verdeutlichen, welcher Aufgabenstellung sich Lehrende gegenübersehen, wenn es darum geht digitale Medien im Unterricht einzubauen. Nicht nur, dass sie sich der Digitalisierung anpassen müssen und mit der bereits angesprochenen Herausforderung der ständig zugänglichen Informationen zurechtkommen müssen, sondern

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auch die Tatsache, dass eine individuelle Formung des Geschichtsbewusstseins der Schülerinnen und Schüler vorgenommen werden muss bzw. soll, ist eine herkulische Aufgabe und muss dementsprechend auch in diese Arbeit einfließen. Das Erarbeiten von historischen Themen in digitalen Medien scheint ob der Einfachheit ihres Beschaffens nicht unbedingt schwer zu sein. Angemerkt muss hier jedoch werden, dass genau diese Einfachheit zur Stolperfalle werden kann, sofern das jeweilige Medium nicht ausreichend auf historische Akkuratheit geprüft wurde. Dies kann jedoch nur erfolgen, sofern die ‚Regeln‘ für das Geschichtelernen und die damit zusammenhängenden Phänomene bekannt sind. Wie bereits angesprochen verändert die Digitalisierung und die damit verbundene Veränderung der Medien den Zugang und die Verarbeitung bzw. Rezeption von geschichtlichen Inhalten. Dies gilt es stets zu beachten, wenn mit digitalen Medien im Unterricht gearbeitet werden soll. Ein wesentlicher Vorteil, der aus dem Lernen mit digitalen Medien gezogen werden kann, ist nach Pallaske folgender:

„Digitale Medien sind dabei Instrumente und Werkzeuge um Lernprozesse zu initiieren oder zu unterstützen und führen zu einer verstärkten Hinwendung zu individuellem und selbstgesteuertem Lernen, das in nachgeschalteten Plenumsphasen immer auch von Präsentationen und Diskussionen begleitet wird“ (Pallaske, 2014, S. 136)

Pallaske verortet des Weiteren Potenziale für das Lernen von Geschichte mit digitalen Medien. Er konstatiert, dass es durch die Veränderung der Aufgabenstellungen nicht mehr zur bloßen Abfrage von historischem Wissen, sondern zu einer Transferleistung aus dem Medium und damit zusammenhängend auch zu eigenen Fragestellungen kommt. Weiters können Lernprozesse vermehrt subjektorientiert und selbstgesteuert ablaufen. Dies würde unweigerlich mit einer Steigerung des Geschichtsbewusstseins der Lernenden zusammenhängen. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bzw. deren Darstellung(en) mit der Hilfe von digitalen Medien würde dies sicherlich fördern. Überdies können durch Gruppenarbeiten in digitalen Medien wie beispielsweise Blogs oder anderen Formaten, konstruktivistische Charakteristika der Geschichte hervorgehoben werden, was ebenfalls zur Steigerung des Geschichtsbewusstseins beitragen würde. Die historische Orientierungskompetenz des FUER Modells kann dahingehend gefordert und gefördert werden, dass durch die Kommunikation im digitalen Medium auf den historischen Diskurs und die damit zusammenhängende Kontroversität hingewiesen werden kann.

Besonders auf digitale Spiele bezogen, kann der angesprochene Sachverhalt in Bettina Alavis Herausgeberwerk Historisches Lernen im virtuellen Medium (2010) verortet werden, das ebenfalls grundlegende neue Phänomene des digitalen Geschichtelernens behandelt. Der Beitrag von Angela Schwarz scheint hier besonders interessant: Grundsätzlich behandelt

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Schwarz in ihrem Text Geschlechterverhältnisse in Computerspielen. Dass das im Zusammenhang mit dieser Arbeit kaum Relevanz hat, ist klar, was jedoch wesentlich relevanter erscheint ist Schwarz Schlussfolgerung ihres Beitrags. Darin konstatiert Schwarz, dass es durchaus als möglich erscheint, sich über digitale Spiele an Geschichte annähern zu können. Sie meint auch, dass sogar historisches Lernen in diesem Medium möglich sei, merkt jedoch an, dass dies eher als Vorstufe davon zu sehen ist und dass eine Bearbeitung eher in der Hinsicht auf das Suchen und Erkennen von historischen Ungereimtheiten in solchen Spielen abzielen sollte. Generell kann also formuliert werden, dass die Anforderungen an digitale Spiele mit historischen Inhalten durchaus hoch sind. Schwarz elaboriert hier: „Zum einen muss ein hohes Maß an Dekodierungsleistung erbracht werden, die Fähigkeit eingeschlossen, Geschichte nicht als Aneinanderreihung von Fakten eines lange vergangenen Kontextes zu begreifen“ (Schwarz, 2010, S. 47). Andererseits kann auch gesagt werden, dass digitale Spiele im historischen Kontext niemals abgekapselt betrachtet werden dürfen. Das Spiel an sich soll, wie auch Raupach konstatiert, als „Initialzündung“ zum Wecken des historischen Interesses herangezogen werden (vgl. Raupach, 2016, § 9). Der Übergang von der virtuellen in die reale Welt und die damit verbundene Transferleistung der Schülerinnen und Schüler ist also hier immer in den Vordergrund zu stellen.

Bernsen, König und Spahn beschäftigten sich ebenfalls mit den Grundzügen der digitalen Geschichtsdidaktik und formulieren deren zugrundeliegendes Konzept:

„In ihrer Breite beschäftigt sich digitale Geschichtsdidaktik theoretisch, empirisch und pragmatisch mit den Auswirkungen des sich gesamtgesellschaftlich vollziehenden und in immer kürzeren Innovationszyklen ablaufenden digitalen Wandels auf das historische Lernen.

(…) Sie versucht Erkenntnisse und Überlegungen aus den Bereichen des Wissens-, Informations- und Organisationsmanagements, der Informations- und Kommunikationswissenschaften, der Medienphilosophie, -didaktik und -pädagogik, der Sozial-, Kultur- und Medienwissenschaften in die Geschichtsdidaktik zu integrieren.“

(Bernsen, König, Spahn, 2012, S. 1f)

Wie diese Definition zeigt, scheint die digitale Geschichtsdidaktik ein sehr interdisziplinäres Feld zu sein, dessen Erarbeitung und genaue Erläuterung für Lehrende nicht unwesentlich sein darf bzw. kann. Wichtig dabei ist es, sich immer vor Augen zu halten, dass digitalen Medien auf keinen Fall abgekapselt betrachtet werden dürfen, sondern dass sich immer die Frage nach der Funktion des jeweiligen Mediums im historischen Erkenntnisprozess stellt (vgl. Bernsen, König, Spahn, 2012, S. 6). Für den eigentlichen Geschichteunterricht gibt es hier also einiges zu bedenken. Auch die bereits genannten Autoren beschäftigten sich intensiv mit diesen Herausforderungen. Allen voran steht ein Phänomen, das sich auf den ersten Blick

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eigentlich als Vorteil der Digitalisierung entpuppt: Die ständige Verfügbarkeit von Informationen. Heute kann jede und jeder prinzipiell von überall auf der Welt auf historische Informationen zurückgreifen und diese einsehen. Hier stellt sich natürlich die Herausforderung aus den Massen von Informationen filtern zu können. Nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität der jeweiligen Informationen ist hier zu bewerten (vgl. Bernsen, König, Spahn, 2012, S. 7). Im Zeitalter der Digitalisierung ist nichts leichter, als historische Informationen für die eigene Argumentation zu entfremden oder zu verzerren – Stichwort:

Links- und Rechtsextremismus im Internet. Das wesentliche Element, welches auch für digitale Spiele gilt, ist die neue Darstellung von historischen Narrationen im digitalen Medium. Im Gegensatz zu Schriftlichem bieten diese digitalen Medien nämlich einen wesentlichen Vorteil. Sie durchbrechen geradlinige und lineare Vorstellungen und Darstellungen von Geschichte und zeigen diese aus einer anderen, multimedialen Perspektive.

Hingewiesen muss hier jedoch auch auf die zusätzlichen Herausforderungen werden. Jene Kompetenzen, die zur Bearbeitung solcher digitalen Medien dienen, sollen und müssen erlernt und trainiert werden. Eine Erarbeitung ohne diese erforderlichen Kompetenzen wäre sinnfrei bzw. sogar kontraproduktiv im Ergebnis. Bernsen, König und Spahn führen hier einen treffenden Vergleich an: Im Internet bzw. im digitalen Raum reicht es meist bzw. ist es meist gewünscht, ohne viel Argumentation, De-Konstruktion oder Interpretation ein „Gefällt Mir“ unter einen Beitrag zu setzen (vgl. Bernsen, König, Spahn, 2012, S. 9). Dass jedoch dadurch viele verschiedene wichtige Herangehensweisen außer Acht gelassen werden, fällt kaum jemandem auf, der sich nicht mit der Quellenkritik und -analyse bzw. -interpretation auseinandergesetzt hat. Deshalb ist es unabdinglich, sich mit den für die Quellenkritik wichtigen Kompetenzen auseinanderzusetzen – insbesondere im Fall von digitalen Spielen.

Auch dies wird von den Autoren behandelt. Sie plädieren hierbei für die Implementierung der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler in die Medienlandschaft des Geschichteunterrichts.

Genauer: „Geschichte begegnet ihnen im Alltag nicht mehr nur in Form von alten Gebäuden, Denkmälern oder Filmen, sondern auf dem PC und im Netz: auf Youtube oder in Computerspielen“ (Bernsen, König, Spahn, 2012, S. 12). Eben genau diese Lebenswelt, in der Geschichte bzw. deren Darstellung unweigerlich vorkommt, gilt es in den Unterricht zu integrieren. Wichtig hierbei ist allerdings, wie schon mehrmals angesprochen, dass das jeweilige verwendete Medium nicht als „fertig“ angesehen wird, sondern erst einer Bearbeitung bedarf – Stichwort: De-/Re-Konstruktion. Generell kann formuliert werden, dass

„Medien als Werkzeuge und Denkräume (…) eine konstitutive Rolle für den Prozess der historischen Konstruktion spielen (…)“ (Bernsen, König, Spahn, 2012, S. 15). Des Weiteren

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ist es unabdingbar hier verschiedene Perspektiven zu behandeln, die auch im Sinne dieser Diplomarbeit bearbeitet werden sollen und müssen. Nicht immer scheint klar zu sein, welche Perspektive für die Unterrichtspraxis die beste ist, doch bei genauerem Überlegen stellt sich meist schnell heraus, was Lehrende und Lernende erreichen wollen. Bernsen, König und Spahn definieren vier verschiedene Kategorien, die es hier in aller Kürze zu behandeln gilt.

Auch die Verbindung mit dem hier vorliegenden Medium des digitalen Spiels wird herzustellen sein. Wie bereits angesprochen können Lernen und Medien auf vier verschiedene Weisen in ein Verhältnis gesetzt werden. Gelernt werden kann an, mit, über und in digitalen Medien. Ersteres bezieht sich auf die Auseinandersetzung mit Geschichte an digital vorhandene Quellen wie zum Beispiel Fotografien, Zeichnungen, Videos oder ähnlichem.

Zweiteres verweist auf die Funktion des jeweiligen digitalen Mediums als Werkzeug zum Erlernen von Historischem. Beispielhaft können hier tatsächliche Diskussionsrunden oder selbstgeschriebene Forumsbeiträge im digitalen Raum angeführt werden. Beim Lernen über digitale Medien handelt es sich um eine Meta-Ebene des historischen Lernens. Hier fällt zum Beispiel das Wissen über das Produzieren eines Films oder eines Fotos darunter. Die letzte Verhältnisbestimmung definiert das Lernen im digitalen Medium. Dabei wird das Medium selbst als Lernraum konstruiert und verwendet. Lernende setzen sich hierbei in diesem digitalen Medium mit der historischen Thematik auseinander (vgl. Bernsen, König, Spahn, 2012, S. 18). In Bezug auf das Medium digitales Spiel können hier eindeutige Verhältnismäßigkeiten bestimmt werden. Schülerinnen und Schüler sollen sowohl im als auch mit und am vorliegenden bzw. verwendeten Spiel (historisch) lernen. Durch das Erarbeiten einer historischen Thematik wird am Spiel gelernt. Mit dem Spiel wird dadurch gelernt, dass es als Lernwerkzeug eingesetzt wird und im Spiel kann deswegen gelernt werden, weil das vorliegende Spiel als Lern- bzw. Erfahrungsort herangezogen werden kann, der sich mit historischen Thematiken auseinandersetzt.

2.8 praktische Ansätze der digitalen Geschichtsdidaktik

Wer sich eher praktischer mit dieser Thematik auseinandersetzen will, konsultiert am besten ein im Jahr 2009 publiziertes Handbuch für Lehrende, in dem Patrick Felicia grundlegende Ideen und Techniken für den Umgang mit digitalen Spielen im Unterricht behandelt. Er, sowie auch Marc Prensky, stellen sich die grundlegende Frage nach dem Vorteil von digitalen Spielen, und warum sie im Unterricht genutzt werden sollten. Auch nach Felicia beinhalten digitale Spiele mehrere pädagogische Vorteile. So können laut dem Autor digitale Spiele dazu verhelfen Fakten, Prinzipien oder Kompetenzen im Problemlösen zu fördern. Zusätzlich dazu

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