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Archiv "Wissenschaftstheorie - Doppelblind bei alternativen Heilverfahren: Kausalitätskriterien für Schul- wie Alternativmedizin" (07.09.2001)

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Gebrauch des Wortes Logik enthüllt wird. Die Physik galt lange Zeit als die Kausalitätswissenschaft schlechthin.

Mittlerweile ist man auch in diesem Zweig der Wissenschaft davon ab- gerückt, strenge Einzelfallkausalitäten zu postulieren, man spricht vielmehr von Ereigniswahrscheinlichkeiten. Es ist möglich, dass sich aufgrund der zu- fälligen Synchronität der ungeordneten Teilchenbewegungen ein Traktor ent- gegen der Schwerkraftwirkung bewe- gen kann. Dass solche Ereignisse ex- trem unwahrscheinlich sind, wird auch der Autor aus seinem Ereignishorizont heraus bestätigen können. Dennoch ist es falsch, aufgrund der Möglichkeit des unwahrscheinlicheren Falles (Bewe- gung entgegen der Schwerkraft, Wir- kung des Placebos) die Existenz und die höhere Wahrscheinlichkeit des anderen Falles (Bewegung mit der Schwerkraft, Wirkung des Verums) anzuzweifeln.

Den zweiten Vorwurf will der Autor mit der Behauptung entkräften, indem er die Nichtanwendbarkeit des Doppel- blindversuchs auf die Homöopathie po- stuliert. Dies versucht er damit zu be- gründen, dass der Doppelblindversuch nur Elemente einer Klasse messen kön- ne, während der Homöopath die ge- samte Klasse der Elemente bemisst. Al- lerdings muss auch der Homöopath Pa- rameter für einzelne Elemente untersu- chen, anhand derer er den Erfolg oder Misserfolg seiner Therapie validiert.

Diese – individuellen – Parameter sind dann wiederum einer Doppelblindstu- die zugänglich. Diesen Fakt versucht der Autor zu verschleiern, indem er die Ausleseparameter als ungenügend defi- niert beschreibt, zum Beispiel die tem- poräre Verschlechterung von Kopf- schmerzen oder die Zunahme von Her- pes. Allerdings führen meines Wissens Chirurgen immer noch sinnvolle Dop- pelblindstudien durch, obwohl sich häufig postoperativ der Zustand des Pa- tienten verschlechtert. Eine adäquate Definition der Ausleseparameter ist auf jeden Fall notwendige Voraussetzung eines Studiendesigns, und die Verlet- zung dieser Voraussetzung stellt nicht das Studienprinzip infrage.

Interessant ist die Frage nach der Vergleichbarkeit von spezifischen Arz- neimitteln und einer homöopathischen Behandlung. Dies wird vom Autor mit

Verweis auf die formale Logik abge- lehnt, obwohl eher zu vermuten ist, dass er die unterschiedlichen Konzepte – symptomorientierte versus ganzheitli- che Therapie – nicht miteinander ver- glichen wissen möchte. Der Grund der Ablehnung erschließt sich auch nicht aus dem weiterführenden Internettext.

Es wäre sehr wohl möglich, eine Dop- pelblindstudie einzurichten, bei dem ei- ne Validierung durch den Patienten und/oder Therapeuten erfolgen könn- te, ob im Anschluss an die Behandlung in Bezug auf Allgemeinzustand und/

oder das auslösende Symptom eine Verbesserung eintritt.

Auf jeden Fall möchte ich dem Au- tor zustimmen, dass das Konzept der spezifischen (also der rein symptom- orientierten, wenn ich den Autor rich- tig verstehe) Heilung seine Grenzen hat und es das Verdienst der ganzheit- lichen Medizin ist, diese Grenzen auf- zuzeigen.

Tom Schilling,

Institute of Physiology, Department of Neuro- physiology, Tucholskystraße 2, 10117 Berlin

Kausalitätskriterien für Schul- wie Alternativmedizin

Ivanovas weist in seinem Artikel auf die Problematik hin, die bei der Anwen- dung naturwissenschaftlicher Kriterien auf alternative Heilverfahren auftritt.

Zu seiner Arbeit möchte ich drei An- merkungen machen:

1. Ivanovas verweist darauf, dass der Homöopathie häufig vorgeworfen wird, dass ihre Wirkung auf einem so genannten Placeboeffekt beruht. Er verteidigt sie unter anderem damit, dass alleine das Fehlen eines Modells, das die Wirkung einer Therapiemetho- de erklärt, nicht gegen die Wirksamkeit dieser Methode sprechen müsse. In un- serem Verständnis würde „ein Verum zum Verum, wenn es sich in der Beob- achtung häufiger als wirksam erweist als ein Placebo“, und „es handelt sich um eine willkürliche Bewertung auf der Wirksamkeitskoordinate“. Die vom Autor angesprochene Proble- matik geht letztlich darauf zurück, ob zwischen zwei Beobachtungen eine kausale Ursache-Wirkung-Beziehung besteht. Diese Frage kann nie ausrei-

chend und eindeutig beantwortet wer- den, schon gar nicht durch die alleinige Tatsache, dass unter A etwas häufiger beobachtet wird als unter B, wie Iva- novas behauptet. Vielmehr muss eine ganze Reihe von Kriterien für die Be- urteilung einer kausalen Beziehung überprüft werden. Bekannt sind die Kriterien nach Hill (1965) (1): Stärke der Beziehung, Konsistenz, Spezifität, Zeitlichkeit, Monotonie, Plausibilität, Kohärenz, experimentelle Überprüf- barkeit und Analogie. Ivanovas führt nur zwei Kriterien an, die weder hinrei- chend noch notwendig für eine kausale Beziehung sind. Jede Therapiemetho- de sollte sich aber allen Kausalitätskri- terien stellen, um zu einer umfassenden Beurteilung zu gelangen, ob eine The- rapie wirklich die Ursache für eine be- obachtete Wirkung und – nicht zu ver- nachlässigen – anderen Therapiefor- men überlegen ist. Dies gilt sowohl für die „Schul-“ als auch für die „Alternativ- medizin“.

2. Ivanovas bezweifelt, dass der

„Doppelblindversuch“ der Goldstan- dard der Medizin ist. Er begründet dies damit, dass beim Doppelblindversuch unspezifische äußere Faktoren nicht berücksichtigt werden könnten und dass zwei Placebo-Studien nicht mit- einander vergleichbar seien, da diese Faktoren nicht konstant gehalten wer- den könnten. Diese Argumentation ist nicht schlüssig. „Goldstandard“ der Medizin ist die doppelblinde, randomi- sierte (und damit kontrollierte) klini- sche Prüfung, die sich durch drei Punk- te auszeichnet (2): 1) Sie ist doppel- blind, womit ein Untersucher-Bias ver- hindert werden soll. Dieser Punkt, der vom Autor immer wieder zitiert wird, ist unter den dreien sicherlich derjeni- ge, auf den man am ehesten verzichten könnte. 2) Sie ist randomisiert, das heißt, die Einteilung in Gruppen er- folgt zufällig. Auf dieser zufälligen Einteilung basiert die gesamte Infe- renzstatistik, die als Nullhypothese an- nimmt, dass sich die Gruppen nicht – oder nur durch Zufall – unterscheiden.

3) Sie ist kontrolliert, das heißt, neben der Gruppe, die eine zu prüfende The- rapie erhält, gibt es mindestens eine zweite, die alternativ behandelt wird, sodass nur der „Nettoeffekt“ gemes- sen wird. Vor allem die letzten beiden T H E M E N D E R Z E I T

A

A2252 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 36½½½½7. September 2001

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Punkte sind die Gründe dafür, warum in einer randomisierten klinischen Stu- die unspezifische Faktoren nicht be- stimmt und berücksichtigt werden müssen: Auf alle Behandlungsgruppen wirken die gleichen unspezifischen Faktoren; der einzige Unterschied liegt in der Therapie. Die randomisier- te klinische Studie ist in der Medizin der Goldstandard, so wie allgemein das Experiment in der Naturwissen- schaft. Er ist sicherlich nicht ohne wei- teres in allen Bereichen der Medizin anwendbar, stellt aber trotzdem ein Ideal dar, an dem sich andere Modelle messen sollten. (3)

3. Ivanovas verweist darauf, dass der Doppelblindversuch symptomorien- tiert ist und damit möglicherweise nicht die Krankheit, sondern eben nur die Symptome bekämpft, wobei die Erkrankung unter Umständen sogar fortschreiten kann. Dies ist eine zu stark vereinfachende Darstellung. Un- ser gegenwärtiges medizinisches Ver- ständnis geht davon aus, dass mensch- liche Beschwerden Folge bestimmter Krankheiten sind. Danach äußert sich eine bestimmte Erkrankung durch ei- nen – möglicherweise variablen – Sym- ptomenkomplex. Der Arzt kann aber die Krankheit nicht „sehen“; die Krankheit ist (nur) ein Konzept des Menschen, das in der Natur (mögli- cherweise) gar nicht existiert; was der Arzt „sieht“, sind Symptome – seien es Schmerzen, erhöhte Laborwerte oder eine pathologische Histologie. Aus diesem Grund kann jedes Krankheits- bild – egal, ob in der „Schul-“ oder in der „Alternativmedizin“ – nur durch Symptome erfasst werden. Bei der Überprüfung einer Wirksamkeit wird man daher immer Symptome heranzie- hen müssen; diese Operationalisierung ist keine Besonderheit der „Schulme- dizin“, sondern tritt in allen wissen- schaftlichen Bereichen auf. (4) Ent- sprechend versucht auch die „Schul- medizin“ – so wie es Ivanovas für die Homöopathie dargestellt hat – Medi- kamente gegen die den Symptomen zugrunde liegenden Krankheiten zu entwickeln. Das Problem liegt eher darin, dass eben diese zugrunde liegen- den Krankheiten häufig nicht bekannt sind, sodass man, wie am Beispiel der Kopfschmerzen angedeutet, nur sym-

ptomatisch behandeln kann. Das Pro- blem ist also ein diagnostisches, kein therapeutisches.

Dr. Tobias Pischon,

Löwenzahnweg 43, 12357 Berlin

Literatur

1. Rothman KJ, Greenland S: Causation and causal infer- ence. In: Rothman KJ, Greenland S eds.: Modern epi- demiology. 2. ed. Philadelphia: Lippincott-Raven 1998: 7–28.

2. Friedmann LM, Furberg CD, DeMets DL: Fundamen- tals of clinical trials. 3. ed. New York: Springer 1998.

3. Pocock SJ, Elbourne DR: Randomized trials or obser- vational tribulations? N Engl J Med 2000 (Jun 22); 342 (25): 1907–1909.

4. Schnell R, Hill PB, Esser E: Methoden der empirischen Sozialforschung. 6. ed. München, Wien: Oldenbourg 1999.

Fortschritt der Medizin bleibt unbeachtet

In seinen historisch interessanten Dar- legungen geht Ivanovas auf ein Pro- blem ein, welches eine der besten Er- klärungen für die Entstehung der Homöopathie überhaupt ist: Er schreibt, dass die Homöopathie sich mit Symptomatik befasse und nicht mit Diagnosen. Dies ist eine hochinteres- sante Aussage, die das Dilemma und die Lösung des Problems durch Hahne- mann aufzeigt. Hahnemann war ein sorgfältig beobachtender Arzt, und ihm war klar, dass die Diagnosen seiner Zeit Krankheiten völlig unzulänglich be- schrieben. Statt sich auf diese ungewis- sen pathophysiologischen Vorstellun- gen zu verlassen, verließ er sich auf das, was er beobachten konnte, nämlich die Symptome. An dieser Stelle öffnet sich denn auch der Bruch zur modernen Medizin: Unsere diagnostischen Me- thoden haben sich in einem unvorstell- baren Maß gegenüber denen von Hah- nemann verbessert. Unsere pathophy- siologischen Vorstellungen sind mit de- nen seiner Zeit nicht mehr vergleichbar.

Die weiteren Ausführungen zeigen, dass die Homöopathie und ihre Vertre- ter nicht nur grundsätzlich gegen die moderne Medizin gestellt sind, sondern offensichtlich auch von ihr keine annähernd adäquate Vorstellung mehr haben. Die Behauptung, Digitalis wür- de das Leben verkürzen und nicht mehr eingesetzt, ist grundfalsch. Digitalis ist nach wie vor ein wesentliches Medika-

ment in der Behandung der schweren Herzinsuffizienz der New York Heart Association, Klassen drei und vier. Die Behauptung, ein Doppelblindversuch könne keine Aussage dazu machen, ob ein Medikament der Gesundheit för- derlich sei oder nicht, zeigt, dass der Autor allerwichtigste Studien der letz- ten Jahre nicht zur Kenntnis genommen hat, so zum Beispiel die CAST-Studie (New England Journal of Medicine 1999; 324: 781). In dieser Doppelblind- studie wird klar gezeigt, dass die Gabe des Antiarrhythmikums zu mehr To- desfällen führt als die Gabe des Place- bos. Ist das keine Aussage zu der Frage, ob das Medikament der Gesundheit förderlich ist oder nicht?

In Ivanovas’ Ausführungen taucht auch wieder die Formulierung auf, „der gesamten Person zu einem besseren Zustand verhelfen zu wollen“. Die Un- terstellung ist, dass der auf naturwissen- schaftlicher Basis arbeitende Arzt die- ses Ziel nicht im Auge hat. Diese Un- terstellung ist völlig abwegig. Im Ge- gensatz zur Homöopathie wird dieses Ziel jedoch auf dem Weg einer umfäng- lichen Diagnostik physischer und psy- chischer Faktoren erreicht, und es wird mit Methoden therapiert, über deren Ausgang im Rahmen von klinisch-phar- makologischen Untersuchungen Klar- heit besteht. Der Versuch, die Homöo- pathie dadurch zu retten, dass man den Doppelblindversuch angreift und sich in die Zeiten Hahnemanns zurückver- setzt, ist nicht nur ein zeitlicher Rück- schritt.

Prof. Dr. med. J. C. Frölich, Institut für Klinische Pharmakologie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover

Glückwunsch

Sehr geehrter Herr Ivanovas, herzli- chen Glückwunsch zu Ihrem ausge- zeichneten Beitrag im Deutschen Ärz- teblatt vom 30. März 2001. Darin for- mulieren Sie mit klarer Logik das Un- behagen vieler Ärzte auch im Umgang mit der evidenzbasierten Medizin.

Merte Bosch,

Geschäftsführerin im Hartmannbund – Verband der Ärzte Deutschlands e.V., Godesberger Allee 54, 53175 Bonn T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 36½½½½7. September 2001 AA2253

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