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Archiv "Arbeitsrecht: Streitpunkt Weihnachtsgeld" (23.11.2007)

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A3274 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 4723. November 2007

W I R T S C H A F T

N

iedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, ihren medizini- schen Fachangestellten ein 13. Ge- halt oder eine Weihnachtsgratifikati- on (Weihnachtsgeld) zu zahlen. Als Rechtsgrundlage für die Bezahlung eines 13. Gehalts kommt jedoch sehr häufig der Manteltarifvertrag (MTV) für Arzthelferinnen/Medizinische Fachangestellte in der Fassung vom 23. Januar 2002 oder der schriftliche Arbeitsvertrag zwischen dem nieder- gelassenen Arzt und der Medizini- schen Fachangestellten in Betracht.

Ein Rechtsanspruch auf die Bezah- lung einer Weihnachtsgratifikation kann auch wegen einer „betriebli- chen Übung“ bestehen.

Tarifgebundene Vertragsparteien

Der Manteltarifvertrag für Arzthelfe- rinnen/Medizinische Fachangestellte wird auf Arbeitgeberseite durch die Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthel- ferinnen bei der Bundesärztekammer und auf Arbeitnehmerseite durch den Verband der medizinischen Fach- berufe e.V. und die Vereinte Dienst- leistungsgewerkschaft Verdi abge-

schlossen. Unmittelbar verbindlich ist der Manteltarifvertrag nur für die Mitglieder der Tarifvertragsparteien.

Für diesen Personenkreis ersetzt der Tarifvertrag die einzelvertraglichen Regelungen im Arbeitsvertrag. Sind sowohl der niedergelassene Arzt als auch die Medizinische Fachange- stellte Mitglieder der Tarifvertrags- parteien, bestimmt für diese Perso- nengruppe § 12 Abs. 1 MTV, dass die Medizinische Fachangestellte spätestens zum 1. Dezember eines je- den Kalenderjahrs ein 13. Monats- gehalt in Höhe des letzten vollen Mo- natsgehalts erhält. Bei der Berech- nung werden unregelmäßige Zahlun- gen (Mehr-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit) oder unregelmäßi- ge Abzüge (zum Beispiel wegen un- bezahlten Urlaubs oder Krankheit) nicht berücksichtigt. Hat das Arbeits- verhältnis nicht während des gesam- ten Kalenderjahrs bestanden, so er- mäßigt sich das 13. Monatsgehalt.

Für jeden angefangenen Monat, in dem die Medizinische Fachangestell- te mindestens 15 Kalendertage im Arbeitsverhältnis stand, ist 1/12 des 13. Monatsgehalts zu zahlen. Be- stand das Arbeitsverhältnis weniger als 15 Kalendertage, ist der Monat

anteilig zu berücksichtigen (1/30 pro Kalendertag). Bei der Berechnung des 13. Monatsgehalts werden nur solche Monate gerechnet, in denen die Medizinische Fachangestellte Entgelt, während der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz Mut- terschaftsgeld oder bei weiter beste- hendem Arbeitsverhältnis Kranken- geld erhalten hat (§ 12 Abs. 1 bis 4 MTV). Auf das 13. Gehalt nach dem Tarifrecht hat jede Medizinische Fachangestellte einen unwiderrufli- chen Rechtsanspruch. Eine verzö- gerte Auszahlung dieses 13. Gehalts oder gar Kürzungen führen für den niedergelassenen Arzt zu einer Ver- tragsverletzung gegenüber der Me- dizinischen Fachangestellten.

Nicht tarifgebundene Vertragsparteien

Für nicht tarifgebundene Vertrags- parteien, also für niedergelassene Ärzte, die nicht der Arbeitsgemein- schaft zur Regelung der Arbeitsbe- dingungen der Arzthelferinnen an- gehören, sowie für Arzthelferin- nen/Medizinische Fachangestellte, die nicht dem Berufsverband oder Verdi angehören, ist die Regelung in

§ 12 MTV zunächst einmal nicht verbindlich. Die Ärztekammern ha- ben in ihren Vertragsmustern jedoch regelmäßig eine Bezugnahme auf den Manteltarifvertrag vorgenom- men. Damit hat jede niedergelassene Ärztin/jeder niedergelassene Arzt die Gewähr, dass ein solcher Ar- beitsvertrag, der mit einer Medizini- schen Fachangestellte abgeschlos- sen wird, nicht sittenwidrig ist oder gegen Treu und Glauben verstößt.

Dieses Korrektiv ist nämlich gerade im Arbeitsrecht zu beachten, weil das Bundesarbeitsgericht schon ei- nen Berufsausbildungsvertrag, der mehr als 20 Prozent in seinen Leis- tungen unter denen des Tarifvertrags blieb, als sittenwidrig angesehen hat.

Das Gleiche gilt für Arbeitsverträge, deren Vergütung um circa 30 Pro- zent unter der tariflichen Vergütung liegt. Nimmt der Individualarbeits- vertrag zwischen dem niedergelas- senen Arzt und seiner Medizini- schen Fachangestellte auf den Man- teltarifvertrag Bezug, gilt auch hier das, was schon oben zu § 12 MTV ausgeführt wurde.

ARBEITSRECHT

Streitpunkt Weihnachtsgeld

Auch in Arztpraxen ist es oft strittig, ob das 13. Gehalt

eine freiwillige Zahlung ist oder ein fester Gehaltsbestandteil.

Foto:KEYSTONE

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Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 4723. November 2007 A3275

W I R T S C H A F T

Betriebliche Übung

Nicht selten streichen niedergelas- sene Ärzte im Vertragsmuster der Ärztekammern die Bezugnahme auf den Manteltarifvertrag. Sie sind dann bis zu der 20-Prozent-Grenze frei, alle Vereinbarungen im Ar- beitsvertrag individuell und abwei- chend von den Tarifverträgen zu ge- stalten. Das gilt vor allem und sehr häufig für die tarifrechtliche Rege- lung über das 13. Monatsgehalt. An ihrer Stelle wird dann eine Weih- nachtsgeldregelung vereinbart oder zu einem 13. Gehalt ganz geschwie- gen. Der niedergelassene Arzt hat dann besonders darauf zu achten, dass er seiner Medizinischen Fach- angestellten nicht einen Rechtsan- spruch auf das Weihnachtsgeld auf- grund „betrieblicher Übung“ ein- räumt. Unter einer „betrieblichen Übung“ ist die regelmäßige Wieder- holung bestimmter Verhaltenswei- sen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen seine Arbeitnehmer schließen können, dass ihnen eine Leistung auf Dauer eingeräumt wer- den soll. Zahlt daher Arzt in drei aufeinanderfolgenden Jahren vor- behaltlos ein Weihnachtsgeld, so entsteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) eine „betriebliche Übung“ (BAG, Az.: 10 AZR 198/95). Kein Rechts- anspruch entsteht dagegen, wenn der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld zwar in drei aufeinanderfolgenden Jahren geleistet hat, jedoch in unter- schiedlicher Höhe (BAG, Az.: 10 AZR 516/95). Ein Rechtsanspruch aufgrund einer „betrieblichen Übung“ entsteht ebenfalls nicht, wenn sich der Arzt die Freiwillig- keit seiner Leistung ausdrücklich vorbehält (BAG, Az.: 10 AZR 840/98). Hier hatte sich das Bundes- arbeitsgericht mit einem Arbeitsver- trag auseinanderzusetzen, in dem das Weihnachtsgeld als „freiwillige Leistung (geregelt war), die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt wird“. Ferner hatten die Vertragsparteien vereinbart, dass die „wiederholte freiwillige Zah- lung keinen Rechtsanspruch auf Leistungsgewährung in der Zukunft begründet“. Niedergelassene Ärzte sind also, wollen sie ihren Medi- zinischen Fachangestellten keinen

Rechtsanspruch auf ein Weih- nachtsgeld einräumen, gut beraten, die zitierten Regelungen in den Ar- beitsvertrag aufzunehmen.

Hat ein niedergelassener Arzt ei- nen Rechtsanspruch auf das Weih- nachtsgeld durch eine dreimalige vorbehaltlose Zahlung begründet, so kann er diesen Rechtsanspruch wieder beseitigen, wenn er über drei Jahre hinweg erklärt, die jährli- che Zahlung der Weihnachtsgratifi- kation sei eine „freiwillige, jeder- zeit widerrufliche Leistung, auf die auch künftig kein Rechtsanspruch besteht“. Widersprechen die Medi- zinischen Fachangestellten dieser neuen Handhabung über einen Zeit- raum von drei Jahren nicht, bildet sich eine „gegenläufige betriebli- che Übung“. Sie beseitigt den schon entstandenen Rechtsanspruch auf das Weihnachtsgeld (BAG, Az.: 10 AZR 612/96). Wichtig ist, dass die Grundsätze zur „gegenläufigen be- trieblichen Übung“ nur anwendbar sind, wenn der Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation zuvor auch durch eine „betriebliche Übung“

entstanden ist. Der Rechtsanspruch auf eine Jahressonderzahlung, der im Arbeitsvertrag durch die Bezug- nahme auf den Manteltarifvertrag vereinbart worden ist, kann daher nicht durch eine gegenläufige be- triebliche Übung, sondern nur durch eine Änderungskündigung verschlechtert oder beseitigt wer- den (BAG, Az.: 10 AZR 202/04).

Gleichbehandlungsgrundsatz

Jeder niedergelassene Arzt, der den Rechtsanspruch auf das 13. Gehalt erfüllt oder freiwillig eine Weih- nachtsgratifikation bezahlt, muss seine Medizinischen Fachangestell- ten wegen des Gleichheitsgrundsat- zes gemäß Artikel 3 Grundgesetz gleich behandeln. Einen Unter- schied in der Höhe der Weihnachts- gratifikation darf der Arbeitgeber daher nur machen, wenn er dafür ei- nen „sachlichen Grund“ hat. So ist eine Staffelung der Weihnachtsgra- tifikation nach der Dauer der Be- triebszugehörigkeit zulässig. Be- nachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Welt- anschauung, des Alters, einer Be-

hinderung oder wegen der sexuellen Identität sind hingegen wegen des allgemeinen Gleichbehandlungsge- setzes unzulässig. Wichtig ist auch, dass das unterschiedliche Arbeits- pensum von geringfügig Beschäf- tigten, Teilzeitbeschäftigten und Vollzeitbeschäftigten kein sachli- cher Grund ist, die Weihnachtsgrati- fikation außer unter Einbeziehung der jeweiligen Arbeitszeit unter- schiedlich zu gestalten.

Rückzahlungsklauseln

Was die Frage angeht, ob ein 13.

Gehalt oder eine Weihnachtsgrati- fikation mit einem Rückzahlungs- vorbehalt versehen werden kann, gilt für das 13. Gehalt, dass es sich um einen Gehaltsbestandteil han- delt. § 12 Abs. 6 MTV sieht daher vor, dass der Anspruch auf Zahlung eines anteiligen 13. Gehalts nur entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb der dreimonatigen Pro- bezeit endet. Schon wenn das Ar- beitsverhältnis innerhalb der ver- längerten Probezeit zwischen drei und sechs Monaten endet, hat der niedergelassene Arzt das anteilige 13. Gehalt für den gesamten Be- schäftigungszeitraum zu zahlen.

Will der Arzt, der nur eine Weih- nachtsgratifikation vereinbart hat, diese unter bestimmten Umständen zurückfordern, muss er eine Rück- zahlungsklausel ausdrücklich ver- einbaren. Geregelt werden müssen sowohl die Voraussetzungen, wann zurückgezahlt werden muss, als auch der Bindungszeitraum, in der Regel bis zum 31. März des Folge- jahrs. Zulässig ist daher zum Bei- spiel eine Rückzahlungsklausel, mit der eine am Jahresende zu zah- lende Weihnachtsgratifikation, die über 100 Euro, aber unter einem Monatsgehalt liegt, zurückgefor- dert wird, wenn die Medizinische Fachangestellte bis zum Ablauf des 30. März des Folgejahres ausschei- det (BAG, Az.: 10 AZR 390/02).

Wer dagegen erst mit Ablauf des 31. März des Folgejahres (Kündi- gung zum Quartalsende) ausschei- det, verliert den Anspruch auf die Gratifikation nicht (BAG, Az.: 10

AZR 529/92). n

Prof. Dr. iur. Hans Kamps Bezirksärztekammer Südwürttemberg

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