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Archiv "Streitpunkt: Bereitschaftsdienst im Krankenhaus" (28.06.1979)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Heft 26 vom 28. Juni 1979

Streitpunkt:

Bereitschaftsdienst im Krankenhaus

Wolfgang Dau

Durch das aufsehenerregende Urteil des Hamburger Arbeits- gerichtes über den ärztlichen Bereitschaftsdienst ist festge- legt worden, daß von einem Assistenzarzt nur einmal wö- chentlich ein Bereitschafts- dienst zu verlangen ist (bisher waren nach den Bestimmun- gen des BAT acht Bereit- schaftsdienste im Monat zu- lässig). Das Hamburger Urteil (Aktz. 11 Ca 421/78) ist noch nicht rechtskräftig (DEUT- SCHES ÄRZTEBLATT Heft 44/

1978, Seite 2566, und Heft 17/

1979, Seite 1139 f.). Es schei- nen sich aber Veränderungen anzubahnen, die von den Krankenhausträgern berück- sichtigt werden müssen.

Auch der Marburger Bund (MB) hat als Gewerkschaft der angestellten und beamteten Ärzte folgerichtig gefordert, daß die ärztlichen Bereit- schaftsdienste reduziert werden müßten, was durch Neueinstellung von Assistenten geschehen könnte.

Daß dies zu einer Erhöhung des Pflegesatzes führen muß, liegt -auf der Hand. Daß aber andererseits die Assistenzärzte, insbesondere an kleinen Häusern, mehr Dienste ver- sehen, als tariflich gestattet ist, ist ebenfalls eine bekannte Tatsache.

Sicherlich erhalten diese Assistenz- ärzte für ihren Bereitschaftsdienst, der eine Notwendigkeit ist, ein Ent- gelt. Da aber die Einnahmen aus Be- reitschaftsdiensten bei der Veranla- gung zur Einkommensteuer nicht gesondert berücksichtigt werden, kommen die Assistenzärzte automa- tisch in die Steuerprogression und werden auf diesem Wege dafür be- straft, daß sie an kleineren Häusern tätig sind und hier, der Not gehor- chend, mehr Dienste als anderswo ableisten müssen. Der Verlust an Freizeit wird dabei durch Bezahlung keineswegs aufgewogen. Daß die

„Lebensqualität" eine Vokabel aus der Zeit, in der alles reformiert und besser werden sollte — dieser Assi- stenzärzte erheblich vermindert ist, sei am Rande vermerkt.

Wie kann man die Dinge ändern?

Der Verwaltungsleiter eines kleinen Krankenhauses hat sich darüber Ge- danken gemacht, wie man ohne we- sentliche Steigerung der Kosten die

Zahl der Bereitschaftsdienste verrin- gern könnte („Krankenhausum- schau", Heft 1/1979). Das ist sicher- lich erstrebenswert im Sinne der so hoch gelobten und nirgends defi- nierten Wirtschaftlichkeit am Kran- kenhaus. Der Verwaltungsleiter stellt zunächst fest, daß den Bestim- mungen Nr. 8, Abs. 7, der Anlage 2 c zum Bundesangestelltentarif (BAT) aus verschiedensten Gründen nicht nachgekommen werden kann. Eine derartig lapidare Feststellung von Verwaltungsseite ist an sich schon bemerkenswert, denn damit wird ja zugegeben, daß der Krankenhaus- träger, ohne Folgen befürchten zu müssen, gegen gesetzliche und ta- rifliChe Bestimmungen verstoßen kann. Der Verwaltungsleiter muß da- her auch zugeben, daß die Vielzahl der Dienste, insbesondere an klei- nen Häusern, auf erhebliche Beden- ken stoßen muß. Es genügt aber nicht, dies nur als unumstößliche Tatsache festzustellen. Was hat man dagegen getan? Darauf wird der Verwaltungsleiter antworten: „Die Assistenten bekommen ja ihr Geld."

Damit ist die Sache aus Verwal- tungssicht aus der Welt.

Hier treffen wir auf die Tatsache, daß die Kostendämpfungspolitik, von den Gemeinden eingeleitet und von den Verwaltungen durchgezogen, zu negativen Folgen für die Patien- ten im Krankenhaus geführt hat. Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) meint dazu: „Diese Politik hat die Kran- kenhäuser gezwungen, alle Mög- lichkeiten der Rationalisierung zu nutzen. Die Auswirkungen auf die

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Spektn1m der Woche Aufsatze · Notizen Bereitschaftsdienst

Pflegequalitäten, die menschliche Atmosphäre im Krankenhaus, sind kaum beachtet worden. Der Perso- nalstand isttrotzwachsender Aufga- ben nicht erhöht, sondern zum Teil sogar reduziert worden."

Daran schuld sind auch fragwürdige Untersuchungen durch sogenannte Wirtschaftsprüfungsinstitute. Von Verwaltungsseite wird uns nun ein Plan vorgelegt, um diesen Schwie- rigkeiten durch zusätzliche Einstel- lung von Assistenten beizukommen, um damit den Bereitschaftsdienst durch Freizeit abgelten zu können.

Im einzelnen sieht der Plan vor, daß ein Assistenzarzt eine Woche lang nur Bereitschaftsdienst macht und damit für den Tagesdienst ausfällt.

Dies wäre die vom Assistenten zu beanspruchende Freizeit. Lediglich ein kleiner Rest von Arbeitsstunden müßte vergütet werden. Als Alterna- tive ist vorgesehen, im Anschluß an den Bereitschaftsdienst am näch- sten Tag dem Arzt am Vormittag frei- zugeben. Für das Wochenende wür- den an den Dienst zwei freie Tage angeschlossen. Da auf diesem Wege fast der gesamte Bereitschaftsdienst durch Freizeit abgegolten werden kann, ist es möglich, für das Geld, das bisher für den Bereitschafts- dienst ausgegeben wurde, einen oder zwei zusätzliche Assistenten einzustellen. Von verwaltungstech- nischer Seite ist dies natürlich ein rechnerisch einfacher Vorschlag, der eine erhebliche Kostenauswei- tung verhindert. Ob dieser Vor- schlag jedoch den medizinischen und ärztlichen Notwendigkeiten ent- spricht, ist dabei noch nicht unter- sucht worden. Die verwaltungsmäßi- ge Lösung vergißt nämlich völlig, daß durch diese Vorschläge die Ver- sorgung der Patienten empfindlich gestört werden könnte. Das Kran- kenhaus dient in erster Linie der Versorgung der Patienten, das heißt aber auch, daß die Behandlung von Patienten durch eine Bezugsperson .. Arzt" kontinuierlich erfolgen muß.

Bezugsperson "Arzt"

Für den Patienten ist ein bestimmter Arzt die Bezugsperson, die Behand-

lung liegt in einer Hand. Bei den Vorstellungen des Verwaltungslei- ters ist dieses bisher geübte Prinzip an deutschen Kliniken durch die vie- le Freizeit der Assistenten in Frage gestellt. Was technisch einfach aus- sieht, ist menschlich und ärztlich nicht zu vertreten. Wer eine Woche aus dem Stationsdienst fehlt, hat die größten Schwierigkeiten, wenn er sich innerhalb weniger Tage wieder einarbeiten muß. Es kann nur zu La- sten der Patienten gehen. Bei der anderen Möglichkeit, daß täglich im Anschluß an den Dienst Freizeit ge- währt wird, muß mit einer erhebli- chen Unruhe im Dienstbetrieb ge- rechnet werden. Nicht berücksich- tigt ist die Frage der Dienstübergabe am Morgen. Das Krankenhaus ist keine Fabrik, in der Ärzte als Ge- sundheitsingenieure ,.defekte" Pa- tienten reparieren; dabei sind die In- genieure natürlich beliebig aus- tauschbar.

Die Vorschläge des betreffenden Verwaltungsleiters halte ich im Sin- ne einer humanen Krankenhausver- sorgung für sehr fragwürdig. Schon daß solche Vorschläge gemacht werden, weist darauf hin, daß die Verwaltung Schwierigkeiten hat, wenn sie mit medizinischen und ärztlichen Problemen konfrontiert wird.

So scheint es überhaupt in der letz- ten Zeit das Bestreben von Verwal- tungen zu sein, sich in medizinische und ärztliche Angelegenheiten ein- zumischen und diese entscheiden zu wollen. Verwaltungsdenken kann am Krankenhaus keine Priorität be- anspruchen. Vorrang hat die huma- nitäre Versorgung des Patienten, der sich auch eine Verwaltung un- terordnen muß. Wir müssen dahin wieder zurückkehren, daß am Kran- kenhaus die oberste Verantwortung von einem Arzt getragen wird und daß die Verwaltung sich auf diejeni- gen Gebiete beschränkt, für die sie da ist, nämlich materielle Vorausset- zungen zu einer guten Patientenver- sorgung zu liefern und den Wirt- schaftsbetrieb zu regeln und auf- rechtzuerhalten; natürlich auch dies nur in Zusammenarbeit mit dem me- dizinischen und ärztlichen Personal.

1770 Heft 26 vom 28. Juni 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Es kann nicht angehen, daß den Ver- waltungen an den Krankenhäusern .. auf stillem Wege" die Leitung eines Krankenhauses übertragen wird.

Sollte letztinstanzlieh vom Gericht entschieden werden, daß eine be- stimmte Anzahl von Bereitschafts- diensten - nämlich einer wöchent- lich - nicht überschritten werden darf, wird man mehr Ärzte einstellen müssen. Dies wird unzweifelhaft zu einer Kostensteigerung führen. Nur - ich sehe nicht ein, weswegen wir uns gerade im Gesundheitswesen vor Mehrausgaben fürchten müs- sen, wenn diese Mehrausgaben nicht dem einzelnen Arzt, sondern dem Kranken zugute kommen. Daß sich die Ärzte dann noch am Bereit- schaftsdienst "bereichern", trifft auch nicht mehr zu, weil die Bereit- schaftsdienstvergütung durch die mehr eingestellten Ärzte sinkt.

Deutsche Minister erhalten Gehälter bis zu 200 000 DM jährlich. Die Ab- geordneten erhöhen ihre Diäten - alles aus Steuergeldern finanziert-, nur der Assistenzarzt, dem eine wir- kungsvolle Lobby fehlt, guckt in die Röhre.

Jede Gewerkschaft, die auf sich hält, fordert Leistungsverbesserungen für ihre Mitglieder. Warum soll nicht auch den Assistenzärzten an Kran- kenhäusern eine Leistungsverbes- serung zugesichert werden. Die For- derung muß daher lauten:

..,.. Besetzung der Krankenhausab- teilungen mit Ärzten nach reellen und realen Anhaltszahlen der Deut- schen Krankenhausgesellschaft (DKG), Düsseldorf - dadurch Ver- minderung der Bereitschaftsdienste, die bezahlt und einem besonderen Steuersatz unterliegen müssen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Wolfgang Dau

Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses Priwall

2400 Lübeck-Travemü nde 1

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