A836 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 13⏐⏐30. März 2007
P O L I T I K
derung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Alkohol und die Ein- haltung des Jugendschutzes bei öf- fentlichen Veranstaltungen und im Handel. Gelobt wird „HALT“ nicht nur von der für die Evaluation zu- ständigen Prognos AG. „Die Projekte sind sehr gut, weil sie den Bedürfnis- sen vor Ort angepasst sind und die Ju- gendlichen nach Exzessen direkt in den Kliniken ansprechen“, sagt Pro- gnos-Mitarbeiterin Catherine Comte.
Ginge es nach ihr, sollten die HALT- Projekte weiter finanziert werden.
Doch der Bund wird nur noch bis Juni Modellprojekte finanzieren – auch wenn Drogenbeauftragte Bät- zing sie als „wichtigen Ansatz“ lobt.
Die Zahl der Klinikeinweisungen, bescheinigt man im Bundesgesund- heitsministerium, sei in den HALT- Gebieten nachweislich zurückge- gangen. Da Prävention Sache der Länder ist, müssen die elf Projekte nun darauf hoffen, dass die Länder und Kommunen oder andere Träger die Finanzierung übernehmen.
Vom Verbot zur Begleitung
Wie es mit ihrem Projekt weiter- geht, weiß auch die Berliner HALT- Mitarbeiterin und Sozialpädagogin Susanne Günther nicht. Die Diskus- sion über ein Abgabeverbot an Ju- gendliche unter 18 Jahren indes hält sie für scheinheilig. „Ein Verbot ist eher ein symbolischer Akt“, sagt sie.Schon jetzt gibt es ein Alkoholver- bot für Jugendliche unter 16 Jahren – „trinken tun die trotzdem“. Wich- tiger sei deswegen, dass die Ein- haltung des Jugendschutzgesetzes strenger überwacht werde.
Vor allem müssten die Jugend- lichen lernen, mit dem Alkohol verantwortungsbewusst umzugehen.
„Wir müssen weg von Verboten, hin zur Begleitung“, ist sie überzeugt.
Dabei gelte es, Eltern, Lehrer und Jugendclubs mit einzubeziehen.
Deswegen müssten die Präventions- projekte vor Ort gefördert werden.
Denn je später ein Jugendlicher mit dem Trinken anfängt, desto größer ist die Chance, dass er damit auch wieder aufhört – und nicht spä- ter zu einem der jährlich 40 000 To- ten infolge des Alkoholkonsums ge-
zählt werden muss. I
Timo Blöß
K
aum hat die Große Koalition die Gesundheitsreform hinter sich gebracht, zeichnet sich beim Thema Pflege ein neuer Streit zwi- schen Union und SPD ab. Zwar ist man sich einig, dass die „Reform- baustelle Pflegeversicherung“ drin- gend angegangen werden muss, doch umstritten ist, wie die Finanzierung auf solide Füße gestellt werden kann.Auslöser für den Konflikt: Bay- erns Sozialministerin Christa Ste- wens (CSU) hatte ein unionsintern abgestimmtes Konzept für eine künftige Finanzierung der Pflege vorgestellt. Neben dem Beitragssatz von 1,7 Prozent soll demnach jeder gesetzlich Pflegeversicherte monat- lich eine Pauschale von sechs Euro zahlen, die jährlich um einen Euro steigt. Damit sollen die seit mehr als zehn Jahren gleich gebliebenen Leistungen der Pflegeversicherung dynamisiert werden. „Gleichzeitig wird ein Kapitalstock aufgebaut, der für jeden einzelnen Beitragszahler eigentumsrechtlich geschützt ist“, erklärt Stewens.
SPD: Beitrag weiterhin an Einkommen koppeln
Die Sozialdemokraten erteilen die- ser Idee aus Bayern jedoch eine kla- re Absage, denn man hält sie für unsolidarisch. „Eine solche kleine Kopfpauschale ist sozial ungerecht, und sie löst die Probleme der Pfle- geversicherung nicht“, kritisiert El- ke Ferner (SPD). Privat Versicherte seien in das Modell nicht einge- bunden, die Pauschale benachteilige zudem Einkommensschwache.
Auch bei der Pflegereform liegen die Ausgangsvorstellungen der Ko- alitionspartner weit auseinander.
„Wie bei der Gesundheitsreform ver- heddern Sie sich schon wieder in al- bernen Finanzdebatten“, kritisierte die Grünen-Politikerin Elisabeth
Scharfenberg kürzlich im Bundes- tag. Während die Union mit dem Vorstoß aus Bayern nun recht klar Position bezogen hat, ist die SPD ins Hintertreffen geraten. Die Gegenvor- schläge der Sozialdemokraten sind weitaus weniger konkret und in- novativ. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) brachte zuletzt eine Erhöhung der Beitragssätze ins Spiel. Zu dem Unions-Konzept be- merkte Schmidt lediglich, die Pläne seien nicht neu, sondern hätten schon im vergangenen Jahr auf dem Tisch gelegen. SPD-Franktionschef Peter Struck erklärte, eine Kopfprämie komme für die Sozialdemokraten nicht infrage. Die SPD halte daran fest, die Beiträge an das Einkommen zu koppeln. Bei Bedarf könne der Satz angehoben werden. „Ich bin si- cher, dass die Bevölkerung höhere Pflegebeiträge akzeptiert, wenn gleichzeitig die Leistungen verbes- sert werden“, meint Struck.
Der nordrhein-westfälische Ge- sundheitsminister Laumann (CDU) hält sowohl eine Prämie als auch höhere Beiträge für denkbar. Ent- scheidend sei, dass eine Kapitalreser- ve gebildet werde, die ähnlich wie in einer privaten Krankenkasse als persönlicher Anspruch geschützt werden müsse. Eine Ministerrunde, bestehend aus Schmidt, Verbrau- cherschutzminister Horst Seehofer (CSU) und Familienministerin Ursu- la von der Leyen (CDU), soll nun ein Eckpunktepapier erarbeiten. Im Ko- alitionsvertrag hatten Union und SPD bereits vereinbart, in die Pflege- versicherung „kapitalgedeckte Ele- mente“ als Demografiereserve ein- zuführen. Darüber hinaus soll ein Fi- nanzausgleich zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung zum Ausgleich unterschiedlicher Risiko- strukturen geschaffen werden. I Dr. med. Birgit Hibbeler