[106] Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 14⏐⏐3. April 2009
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b ein Arbeitnehmer dazu ver- pflichtet ist, über die verein- barte Arbeitszeit hinaus zu arbeiten, richtet sich danach, ob der Arbeits- vertrag, der Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung hierzu eine Regelung vorsieht. Viele Arbeits- und Tarifverträge enthalten die Ver- pflichtung, auf Aufforderung Über- stunden zu leisten. Häufig sehen Ar- beitsverträge dabei die Abgeltung ei- ner Zahl von Überstunden mit einem Pauschalgehalt vor. Eine solche Re- gelung ist zulässig, wenn die Anzahl der Überstunden begrenzt ist und das Arbeitszeitgesetz eingehalten wird.Unwirksam sind Klauseln, die pau- schal alle anfallenden Überstunden mit dem Monatsgehalt abgelten.
Überstunden sind Arbeitsstunden, die auf Anordnung des Arbeitgebers geleistet werden und über die regel- mäßige Arbeitszeit hinausgehen. Wi- dersetzt sich der Arbeitnehmer einer zulässigen Überstundenanordnung, können Abmahnung oder Kündi- gung drohen. Allerdings verletzt der Arbeitnehmer seine arbeitsvertragli- chen Pflichten nicht, wenn die An- ordnung die Höchstgrenze zulässiger Arbeit nach dem Arbeitszeitgesetz verletzt. Das Arbeitszeitgesetz regelt also, wie viele Überstunden zulässig sind. Ausgegangen wird von einer werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden. Die Arbeitzeit darf je Tag auf bis zu zehn Stunden, also um zwei Überstunden, verlängert wer- den. Dies gilt aber nur dann, wenn in- nerhalb von sechs Monaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stun- den je Werktag, wozu auch Samstage zählen, nicht überschritten werden.
Die Höchstgrenze für die wöchent- liche Arbeitszeit ist für Arbeitnehmer also auf maximal 48 Stunden fest- gelegt. Ärzte bilden jedoch eine Aus- nahme. Unter Anrechnung von Be- reitschaftsdiensten können sie unter bestimmten Voraussetzungen sogar bis zu 66 Stunden je Woche arbeiten – also im Einzelfall bis zu 26 Über- stunden pro Woche machen, ohne gegen das Arbeitszeitgesetz zu ver- stoßen. Allerdings muss der einzelne Arzt einer solchen Überschreitung der Höchstarbeitszeit explizit zu- stimmen. Es genügt nicht, dass im Arbeitsvertrag ein Verweis auf den
Tarifvertrag enthalten ist. Das Glei- che gilt für Ärzte oder Pflegedienst- berufe in einer nicht tarifgebundenen Klinik. Sollen diese länger als 48 Stunden je Woche oder 60 Stunden ohne nachgewiesenen Ausgleich ar- beiten, ist dies mit dem derzeit gel- tenden Arbeitszeitgesetz nicht ver- einbar. Die Verlängerung ist auch hier nur möglich, wenn der Arbeit- nehmer ihr schriftlich zustimmt.
Der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Kran- kenhäusern (TV-Ärzte/VKA) sieht eine 40-Stunden-Woche vor. Nach dem Tarifvertrag für Ärzte an Uni- versitätskliniken beträgt die regel- mäßige Arbeitzeit dagegen 42 Stun- den pro Woche. Damit wäre eigent- lich jede von einem Arzt an einem kommunalen Krankenhaus oder ei- ner Universitätsklinik geleistete Ar- beitsstunde, die über 40 beziehungs- weise 42 Stunden je Woche hinaus- geht, als Überstunde zu bewerten.
Der TV-Ärzte/VKA ermöglicht je- doch eine Ausdehnung der täglichen
Arbeitszeit im Schichtdienst auf bis zu zwölf Stunden. Außerdem ist bei der Bewertung, ob es sich bei Mehr- arbeit auch tatsächlich um vergü- tungspflichtige Überstunden han- delt, auf die durchschnittliche wö- chentliche Arbeitzeit abzustellen.
Um diese zu ermitteln, wird eine Gesamtschau der vergangenen zwölf Monate angestellt.
Abschließend stellt sich die Frage, inwieweit Überstunden zu vergüten oder auszugleichen sind.
Erbringt der Arbeitnehmer mehr Arbeitsstunden, als ursprünglich ver- traglich vereinbart, sind die Über- stunden in der Regel auch zu vergü- ten. Im Stundenlohnbereich wird die Vergütung mit dem jeweiligen Grundlohn anzusetzen sein. Bei der Vereinbarung eines Monatslohns unter gleichzeitiger Festlegung ei- ner Arbeitszeit sind Überstunden mit dem auf eine Arbeitsstunde ent- fallenden Anteil des Monatsgehalts zu vergüten. Ob darüber hinaus noch ein Zuschlag für die geleiste- ten Überstunden zu zahlen ist, hängt davon ab, wie dies zuvor in dem je- weiligen Betrieb gehandhabt wor- den ist (und damit als stillschwei- gend vereinbart gelten kann) oder wie dies in der jeweiligen Branche praktiziert wird. Im Zweifel schul- det der Arbeitgeber jedoch keinen Überstundenzuschlag.
Ärzte an Unikliniken und kom- munalen Krankenhäusern erhalten laut den tarifvertraglichen Regelun- gen neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung einen Zuschlag in Höhe von 15 Prozent je Überstunde. Es kann aber auch gere- gelt sein, dass die geleisteten Über- stunden durch Freizeit auszuglei- chen sind. Ein solcher Zeitausgleich wird meist mit der Anwendung von Arbeitszeitkonten umgesetzt. I RAin Annika Adams, Köln
ARBEITSRECHT