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Archiv "Arbeitsrecht: Überstunden in der Arztpraxis" (02.02.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 5⏐⏐2. Februar 2007 A295

S T A T U S

D

er Fall: Ein Arzt beschäftigt mehrere Arzthelferinnen. Da seine Praxis zum Quartalsanfang besonders stark frequentiert wird, ordnet er an, dass zwei seiner Mitar- beiterinnen nicht bereits um 16 Uhr, wie vertraglich vereinbart, sondern erst um 18 Uhr ihre Arbeit beenden

sollen. Müssen die Arzthelferinnen dieser Anweisung Folge leisten?

Was geschieht, wenn sie sie miss- achten? Und müssen die Überstun- den vergütet werden und, wenn ja, in welcher Höhe?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) leis- tet ein Arbeitnehmer Überstunden, wenn er über die für sein Beschäfti- gungsverhältnis geltende Arbeits- zeit hinaus arbeitet.

Ob eine Pflicht der Arzthelferin- nen besteht, der Anordnung des Arz- tes zur Ableistung von Überstunden

zu folgen, lässt sich nicht mit einem Hinweis auf das allgemeine Direkti- onsrecht des Arztes als Arbeitgeber beantworten. Dieses beschränkt sich darauf, die im Arbeitsvertrag nur grob umschriebenen Pflichten der Arzthel- ferin zu konkretisieren. Es umfasst hingegen nicht das Recht, einseitig über den Umfang der zu leistenden Arbeitszeit zu bestimmen. Ein Recht des Arztes zur Anordnung von Über- stunden kann sich deshalb nur aus ei- ner der üblichen arbeitsrechtlichen Grundlagen – Arbeitsvertrag, Be- triebsvereinbarung, Tarifvertrag – er- geben. Dabei ist in Bezug auf den Ar- beitsvertrag als in der Praxis wich- tigster Rechtsquelle eine am Einzel- fall ausgerichtete Auslegung erfor- derlich. Es empfiehlt sich deshalb be- reits bei Vertragsschluss, eine eindeu- tige Regelung in die schriftliche Ar- beitsvertragsurkunde aufzunehmen.

In jedem Falle kann der Arzt je- doch in Notfällen und sonstigen außergewöhnlichen Situationen, die den Einsatz von Arzthelferinnen zur Abwehr von Gefahren für die Praxis oder zum Schutz erheblicher Inter- essen der Praxis erfordern – etwa bei einem unvorhergesehenen Aus- fall einer Kollegin wegen einer Er- krankung oder zur kurzfristigen Versorgung von Patienten mit aku- ten Beschwerden –, verbindlich sonst nicht geschuldete Überarbeit anordnen. Hier folgt die Pflicht zur Ableistung von Überstunden aus der allgemeinen Treuepflicht der Arzthelferin, für die es keiner aus- drücklich getroffenen Vereinbarung im Arbeitsvertrag bedarf.

Bei der Anordnung von Über- stunden muss der Arzt stets nach bil- ligem Ermessen handeln. Er muss die beiden Interessen gegeneinander abwägen und einen angemessenen Ausgleich herstellen. Entspricht da- nach die Anordnung der Überstun- den den rechtlichen Anforderungen, ist sie für die Arzthelferin verbind- lich. Weigert sie sich, die angefor- derte Mehrarbeit zu leisten, so dro- hen ihr arbeitsrechtliche Konse- quenzen wie Abmahnung und/oder Kündigung. War hingegen die An- ordnung unzulässig – sei es, weil ei- ne Anspruchsgrundlage für die An- ordnung nicht gegeben ist oder we- gen Verstoßes gegen die öffentlich- ARBEITSRECHT

Überstunden in der Arztpraxis

Ärzten ist zu empfehlen, bereits bei Vertragsschluss eine eindeutige Rege- lung zur Anordnung von Überstunden in die schriftliche Arbeitsvertragsurkunde aufzunehmen.

Foto:Eberhard Hahne

Entziehung der Zulassung

Eine Pflichtverletzung,die eine Zulassungsentzie- hung rechtfertigt, kann zwar nur dann im Rah- men eines Berufungsverfahrens relativiert wer- den, wenn das Gericht zweifelsfrei vom ord- nungsgemäßen Verhalten des oder der Betref- fenden überzeugt ist. Doch auch wenn für ein Berufungsgericht offenkundig ist, dass von ei- nem Wohlverhalten nicht die Rede sein kann, so hätte es sich zumindest für den Zeitraum des Berufungsverfahrens selbst qualifiziert zu Art und Umfang der Praxisführung äußern müssen. Das hat das Bundessozialgericht entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall hatte die klagende Vertragszahnärztin wiederholt über Jahre unwirt- schaftlich gearbeitet. Zusätzlich war sie wegen Eingehungsbetrugs zum Nachteil zweier Zahn- technikerbetriebe zu einer Freiheitsstrafe verur- teilt worden. Mit ihrer Revision machte die Kläge-

rin eine Verletzung von § 95 Absatz 6 SGB V so- wie von Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz geltend.

Die Ereignisse, die zur Rechtfertigung der Zulas- sungsentziehung herangezogen wurden, hätten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landessozi- algerichts bereits mehr als neun Jahre zurückge- legen. Sie könnten deshalb nicht mehr aktuell als gröbliche Pflichtverletzung gewertet werden, be- fand die Klägerin.

Auch nach Auffassung des Bundessozialge- richts hat sich das Landessozialgericht nicht ausführlich genug zu Art und Umfang der Praxis- führung der Klägerin während des länger dau- ernden Berufungsverfahrens geäußert. Es hat somit erneut zu prüfen, ob ihr Verhalten im Zeit- raum nach der Entscheidung des Zulassungs- ausschusses die Sachlage so zu ihren Gunsten verändert hat, dass der Zulassungsentzug nicht mehr als angemessen erscheint. (Urteil vom 19.

Juli 2006, Az.: B 6 KA 1/06 R) Be

RECHTSREPORT

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A296 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 5⏐⏐2. Februar 2007

S T A T U S

rechtlichen Höchstgrenzen zulässi- ger Arbeit aus dem ArbZG –, so ver- letzt die Arzthelferin ihre arbeits- vertraglichen Pflichten nicht, wenn sie der Aufforderung zur Ableistung von Überstunden des Arztes nicht nachkommt.

Ein Anspruch der Arzthelferin auf Überstunden besteht nicht, es sei denn, es existiert eine entsprechen- de vertragliche Grundlage. Dies gilt auch dann, wenn jahrelang Über- stunden abgeleistet und vergütet wurden, soweit sich aus der sonsti- gen betrieblichen Handhabung in der

Praxis eine (geringere) regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ergibt.

Die Frage der Vergütung von Überstunden stellt sich unabhängig davon, ob diese zulässig angeordnet worden sind. Der Arzt muss ange- ordnete Überstunden auch dann ver- güten, wenn etwa gegen das ArbZG oder eine andere Regelung ver- stoßen wurde. Zu beachten ist aber, dass Überstunden nur dann zu ver- güten sind, wenn sie mit Wissen und Wollen des Arztes geleistet wurden.

Sie müssen also von ihm angeord- net, zur Erledigung der der Arzthel- ferin übertragenen Aufgaben not- wendig oder vom Arzt gebilligt worden sein. Wurden die Überstun- den nicht angeordnet, muss die Mit- arbeiterin beweisen, dass die Über- stunden sachdienlich waren.

Gesetzliche Regelungen über die Vergütung von Überstunden beste-

hen mit Ausnahme der zu ihrer Be- rufsausbildung beschäftigten Perso- nen nicht. Regelungen finden sich allerdings häufig in Tarifverträgen.

Für Arzthelferinnen existiert so- wohl ein Mantel- als auch ein Ge- haltstarifvertrag. Danach gilt die über die tarifliche Wochenarbeits- zeit hinausgehende Arbeitszeit erst dann als Mehrarbeit, wenn ein Frei- zeitausgleich nicht innerhalb eines Zeitraums von längstens zwölf Wo- chen gewährt wird. Wird der Frei- zeitausgleich nicht gewährt, sind die Überstunden zu vergüten, und zwar

mit einem Zuschlag in Höhe von 25 Prozent. Zu beachten ist, dass auch bei einem Freizeitausgleich ein ent- sprechender Zeitzuschlag gewährt werden muss. Da aber Arzthelferin- nen in aller Regel nicht der tarifver- tragschließenden Gewerkschaft an- gehören, finden die Tarifverträge nur dann Anwendung, wenn dies im Arbeitsvertrag ausdrücklich so ver- einbart worden ist. Ist dies nicht der Fall, muss durch Auslegung des Ar- beitsvertrages ermittelt werden, ob ein Zuschlag zur üblichen Vergü- tung zu gewähren ist. Häufig kann es sein, dass aufgrund einer „be- trieblichen Übung“ ein Anspruch der Arzthelferin auf Überstundenzu- schläge entstanden ist, weil der Praxisinhaber in der Vergangenheit wiederholt (mindestens dreimal hintereinander ohne Vorbehalt) Zu- schläge gezahlt hat.

In jedem Falle ist jedoch zumindest der Grundlohn für geleistete Über- stunden zu vergüten. Ist nicht ein Stundenlohn, sondern ein Monats- lohn bei gleichzeitiger Festlegung der Arbeitszeit vereinbart worden, so sind die Überstunden mit dem auf eine Ar- beitsstunde entfallenden Anteil des Monatsentgelts zu vergüten. Eine pauschale Abgeltung aller anfallen- den Überstunden mit dem Monatsent- gelt ist mangels Bestimmtheit als un- wirksam zu betrachten. Etwas ande- res gilt aber dann, wenn eine Pau- schalvergütung vereinbart wird, die über der vereinbarten Vergütung liegt und die die Anzahl an mit der Monats- vergütung abgegoltenen Überstunden konkretisiert. Beispiel: „Bis zu drei Überstunden je Woche sind mit der Monatsvergütung abgegolten.“ Das BAG hat bislang noch nicht geklärt, ob in einem Formulararbeitsvertrag Überstunden bis zur Grenze der ge- setzlich zulässigen Arbeitszeit durch Zahlung eines Monatsgehalts wirk- sam abgegolten werden können.

Freizeitausgleich ist nach tarifli- cher oder arbeitsvertraglicher Ver- einbarung häufig möglich, teils auf Verlangen des Arbeitnehmers, teils nach Wahl des Arbeitgebers. Der Arzt ist nicht verpflichtet, einer Arzt- helferin, die ihre Arbeitszeit selbst gestalten und somit Überstunden nach eigener Entscheidung abfeiern kann, nicht ausgeglichene Überstun- den zu vergüten. Andererseits ist er aber auch nicht berechtigt, einseitig von einer vereinbarten Zahlung zum Freizeitausgleich überzugehen. I Dr. jur. Jörg Laber CBH Rechtsanwälte Köln

Überstunden sind nur dann zu vergüten, wenn sie mit Wissen und Wollen des Arztes geleistet wurden.

EBM-RATGEBER

Kann die Gesprächsleistung nach der Nummer 23220 telefonisch erbracht werden?

Nein, denn die Leistung nach der Nummer 23220 setzt den persönlichen Arzt-Patienten- Kontakt voraus. Das heißt, die Anwesenheit des Patienten ist Voraussetzung zur Abrechnung der Nummer 23220. Nach Abschnitt 4.1 der Allgemeinen Bestimmungen kann der Arzt tele- fonische Kontakte nur als Konsultationskom- plex, gegebenenfalls zusätzlich zur unvorher- gesehenen Inanspruchnahme des Arztes/Psy-

chotherapeuten durch den Patienten (Nummer 01100 und 01101), berechnen.

Worauf beziehen sich die in den Legen- den zur Gruppenpsychotherapie (Num- mern 35202 ff.) genannten Gruppengrößen, auf den Stamm der Teilnehmer oder auf die jeweils aktuelle Teilnehmerzahl?

Die angegebenen Teilnehmerzahlen bezie- hen sich auf die jeweils tatsächlich anwesen- de Zahl von Patienten. Da im Regelfall davon ausgegangen werden kann, dass beispiels-

weise im Rahmen der analytischen Therapie bei einer Gruppe von neun Patienten ein Patient fehlt, kann der Stamm auch aus zehn Patienten bestehen. Eine darüber hinaus- gehende Anzahl von Patienten pro Gruppe könnte jedoch dazu führen, dass gelegentlich in Sitzungen tatsächlich eine Gruppengröße von zehn Patienten erreicht wird. In diesem Fall wäre der Leistungsinhalt der entspre- chenden EBM-Nummer nicht erfüllt und die Leistung könnte bei keinem der Patienten ab-

gerechnet werden. KBV

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