Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4828. November 2003 AA3129
S E I T E E I N S
Arzthelferinnen
Weniger Ausbildungsplätze N
ur auf den ersten Blick scheinendiese Zahlen den Befürwortern der Ausbildungsplatzabgabe Recht zu geben: Bei den Neuabschlüssen von Ausbildungsverträgen für Arzt- helferinnen (Stand 30. September) ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um rund acht Prozent zu verzeichnen. Während sich in den neuen Bundesländern der Negativ- trend des letzten Jahres fortsetzte, kam es in den westlichen Bundeslän- dern erstmals seit Mitte der 90er- Jahre wieder zu deutlichen Rück- gängen. Die Gesamtzahl der neuen Ausbildungsverträge mit Arzthelfe- rinnen betrug 15 346 gegenüber 16 705 im Vorjahr. Gleichzeitig stieg die Zahl der arbeitslosen Arzthelfe- rinnen spürbar an.
Diesem Trend mit einer Ausbil- dungsplatzabgabe, wie in den Eck-
punkten der SPD-Bundestagsfrakti- on zu einer Gesetzesinitiative an- gekündigt, entgegensteuern zu kön- nen, ist jedoch – sofern überhaupt die niedergelassenen Ärzte davon betroffen sein werden – mehr als zweifelhaft. Denn nach der gesetz- lich verordneten Nullrunde in die- sem Jahr und in Erwartung weiterer Einschnitte durch das Gesundheits- reformgesetz kann es nicht überra- schen, dass viele Ärzte vor länger- fristigen finanziellen Bindungen in Form eines Ausbildungsvertrags zurückschrecken, selbst wenn dies nicht immer ökonomisch rational begründbar ist.
Eine Sonderabgabe für diejeni- gen, die nicht ausbilden, würde an- gesichts der gesundheitspolitischen Großwetterlage am abwartenden Verhalten der Ärzte kaum etwas än-
dern, und eine Inanspruchnahme der Ärztekammern bedeutete nichts anderes, als jeden Arzt über höhere Beiträge mit in die Verantwortung zu nehmen.
Nicht vergessen werden sollte, dass trotz des aktuellen Negativ- trends die Zahl der Auszubildenden in den Arztpraxen immer noch re- lativ hoch ist. In den rund 103 000 Arztpraxen sind rund 46 000 Ausbil- dungsplätze registriert. Vor diesem Hintergrund könnte eine Ausbil- dungsplatzabgabe als eine unbillige Strafmaßnahme verstanden werden.
Zu hoffen bleibt, dass diejenigen Ärzte, die es sich leisten können, ge- rade auch in schwierigen Zeiten ih- rer sozialen Verantwortung weiter- hin gerecht werden, indem sie Aus- bildungsplätze für junge Menschen zur Verfügung stellen. Thomas Gerst
Sozialdemokraten
Faktenresistent D
ie Mehrheit des SPD-Bundes-parteitages in Bochum blieb un- belehrbar: Gegen den Willen der Parteiführung hat der Parteitag der rot-grünen Bundesregierung Vorga- ben für einen „dringlichen Umbau“
der Einrichtungen der sozialen Si- cherung gemacht. Die Delegierten wollen die gesetzliche Rentenversi- cherung zu einer Erwerbstätigen- versicherung für alle künftigen Er- werbstätigen ausweiten. Dabei sol- len Beamte, Selbstständige und Frei- berufler schrittweise der Renten- versicherungspflicht unterworfen werden. Die Mehreinnahmen, die durch die Zwangsrekrutierung neu- er Pflichtmitglieder entstehen und zu späteren Leistungsansprüchen führen, sollen aber nicht zur Bei- tragssatzsenkung verwendet, son-
dern einem Generationenfonds zu- geführt werden.
Würde der Beschluss so umge- setzt, würden die eigenständigen, subventionsfrei finanzierten berufs- ständischen Altersversorgungsein- richtungen in ihrer Existenz vital ge- troffen. Dabei gibt es starke verfas- sungsrechtliche Schutzwälle, die die Eigenständigkeit der Versorgungs- einrichtungen der Freien Berufe ga- rantieren und die Politik in die Schranken weisen.
Noch vor seiner ersten Wahl zum Bundeskanzler hat Schröder im Ok- tober 1998 drei heilige Eide ge- schworen, an den eigenständigen Versorgungswerken der Freien Be- rufe werde nicht gerüttelt.
Noch stehen die Versorgungswer- ke unter dem Bestandsschutz des
Grundgesetzes – im Hinblick auf den Eigentumsschutz, die Berufs- freiheit und den Gleichheitsgrund- satz. Eine zwangsweise Überleitung oder Eingliederung von Freibe- ruflern und Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung wä- re somit ein grundgesetzwidriger Eingriff. Deshalb darf der Staat die Altersversorgung auch nicht ohne weiteres zu einer Volks(versiche- rungs)einrichtung umwandeln. Nach der Sozialverfassung ist die Alters- vorsorge nicht ausschließlich auf das System der gesetzlichen Rentenver- sicherung festgelegt. Bestehende Versorgungseinrichtungen dürfen nicht entschädigungslos in diese übergeleitet werden. Der SPD-Par- teiführung ist das klar, der Basis wohl weniger. Dr. rer. pol. Harald Clade