Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1511. April 2008 A769
P O L I T I K
K
urt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und an Turbulenzen gewöhnter SPD-Bun- desvorsitzender, kann Stimmungen doch noch ganz gut einschätzen.Dass die rund 200 Ärztinnen und Ärzte nicht zum Feiern in den großen Saal des Mainzer Schlosses gekom- men waren, dürfte dem Landesvater spätestens bei seinem Begrüßungs- applaus klar geworden sein: höflich, aber doch recht dünn. Und unter- schwellig signalisierte der zurück-
haltende Beifall auch: Weder den Veranstaltern des 2. Rheinland-Pfäl- zischen Ärztetages, der Landesärzte- kammer und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), noch den Ärzten aus Praxis und Klinik war am bloßen Austausch von Floskeln und Nettig- keiten gelegen. Dafür ist die Situati- on, insbesondere der niedergelasse- nen Ärzte zu ernst. Sie fordern „ech- tes Geld für echte Leistungen“ und meinen damit die Umstellung der kassenärztlichen Gebührenordnung auf Eurobeträge zum 1. Januar 2009.
Beck hörte sich an, was Prof. Dr.
med. Frieder Hessenauer, Präsident der Landesärztekammer, und Dr.
med. Günter Gerhardt, Vorsitzender der KV Rheinland-Pfalz, zu sagen hatten. Beide Standesvertreter ließen keinerlei Zweifel an der Notwendig- keit, die Vergütung der Ärzte deut- lich zu verbessern. Gerhardt: „Meh- rere Studien verweisen auf eine Un-
terfinanzierung der ambulanten Ver- sorgung in Höhe von sechs bis acht Milliarden Euro. Praxissterben, Haus- und Facharztmangel, die Auswande- rung des ärztlichen Nachwuchses so- wie zunehmende Ärzteproteste spre- chen eine deutliche Sprache.“ Und Hessenauer ergänzte: „Gutes Geld für gute Leistungen: Diese Forde- rung ist nicht unethisch, sondern überlebenswichtig.“ Die permanente Unterfinanzierung in Praxen und Kliniken führe dazu, dass die Ärztin-
nen und Ärzte mit dem Rücken zur Wand stünden.
KV-Chef Gerhardt wies in die- sem Zusammenhang wiederholt und eindringlich auf die wachsende Zahl derjenigen Ärzte hin, die ange- sichts der anhaltenden Budgetie- rung und der verfallenden Honorare ihr Heil nur noch in einem System- ausstieg sehen. Zwar glaubt Ger- hardt nicht, dass Selektivverträge zwischen einzelnen Arztgruppen und den Krankenkassen die Lösung sein können, aber in einem Punkt ist er sich sicher: „Wenn die Honorar- reform 2009 mal wieder zum Rohr- krepierer oder zum Papiertiger wird, dann wird der Ärzteschaft gar nichts anderes mehr übrig bleiben als der Systemausstieg.“
Allerdings müsse die Forderung dann lauten: Wenn, dann alle und nicht nur ein Teil der Hausärzte- schaft. Ein Rohrkrepierer wäre die
Honorarreform dann, wenn die von der Politik zugesagten 2,5 bis drei Milliarden Euro zusätzlich nicht be- reitgestellt würden. „Dann treten wir als KVen zur Seite“, prophezeite Gerhardt, „und begleiten den Sys- temausstieg mit Sympathie. In ei- nem solchen Fall hätten die KVen allerdings auch kaum mehr Argu- mente gegen eine Abkehr von den ärztlichen Körperschaften.
Kurt Beck dürfte dies und die vie- len weiteren mahnenden Worte ver-
standen haben. Er aber sei zuver- sichtlich, dass die drei Milliarden Eu- ro zur Verfügung gestellt würden, versicherte der SPD-Politiker. „Ich sehe dagegen keinen ernsthaften po- litischen Widerstand.“ Immerhin, so Beck weiter, entsprächen die drei Milliarden einer durchschnittlichen Honorarsteigerung von zehn Prozent.
Günter Gerhardt hielt dem unter dem Beifall der Ärzte entgegen: „Das kann aber nur ein Anfang sein, denn wir haben in den letzten Jahren durch die Budgetierung Honorarverluste von 30 Prozent zu verzeichnen.“
Auf die Frage, wie denn künftig der finanzielle Mehrbedarf bedient werden könne, plädierte der SPD- Bundesvorsitzende für einen wach- senden Steueranteil an der Finanzie- rung des Gesundheitswesens. Damit würden die Lasten gerechter ver-
teilt. I
Josef Maus
2. RHEINLAND-PFÄLZISCHER ÄRZTETAG
Warnung vor dem großen Dammbruch
Wenn die Honorarreform 2009 misslingt, sieht KV-Chef Günter Gerhardt die Ärzteschaft vor dem Systemausstieg. Blieben die zugesagten drei Milliarden Euro aus, brächen alle Dämme.
Die Hoffnungen der Ärzte ruhen auf der Honorarreform 2009 und auf festen Eurobeträgen. Für Frieder Hessenauer, Präsident der Lan- desärztekammer (l.), und Günter Ger- hardt, KV-Vorsitzen- der in Rheinland- Pfalz (r.), werden die versprochenen drei Milliarden Euro zu- sätzlich zur Nagel- probe. Kurt Beck (Mitte) ist zuver- sichtlich, dass das Geld fließen wird.
Foto:KV RLP/Stefan Sämmer