Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
Krankenversicherung der Rentner
trag für die KVdR zu zahlen. Ord- nungspolitisch und von der sozial- politischen Systematik her ist das angreifbar. Der Generationenvertrag zwischen Aktiven und Rentnern be- trifft per Definition die Zahlung von Beiträgen an die Rentenversiche- rung. Die Rente ist aber Lohnersatz.
Aus dem Lohn werden von den Akti- ven sämtliche Abgaben bestritten, auch die Zahlung an die Krankenver- sicherung. Daß innerhalb der KVdR ein Solidarbeitrag mit Hilfe eines in- terpersonalen Ausgleichs erhoben wird, wäre systematisch in Ordnung.
Nicht einzusehen aber ist, wieso die Aktiven — die schon für einen inter- personalen Ausgleich und die Finan- zierung der Familienhilfeleistungen
—zu Recht — herangezogen werden
— über die GKV Aufgaben der Ren- tenversicherung übernehmen sol- len. Richtig wäre es vielmehr, wenn
— was der finanziellen Lage ent- spricht — die in der Rentenversiche- rung erfaßten Aktiven höhere Beiträ- ge an die GRV zahlen müßten, um über die zusätzlichen Mittel eine Fi- nanzierung der Krankenversiche- rung der Rentner zu ermöglichen.
Die GKV ist ihrer Konstruktion nach ein Verein zum Ausgleich der Krank- heitsrisiken, also eine Versicherung zur finanziellen Abdeckung eventu- ell auftretender Krankheitskosten.
Der Risikoausgleich erfolgt mit Hilfe des Prinzips der Solidarhaftung nach dem Leistungsvermögen, das heißt in Form eines interpersonellen Einkommensausgleichs. Tatsäch- lich wird mit der Verbindung der GKV und der GRV — und der aus der Konstruktion der Verbindung er- wachsenen zusätzlichen Belastung der Aktiven in der GKV —ein zusätzli- cher Rentenversicherungsbeitrag gezahlt, der sich in der späteren Rente nicht niederschlägt.
Würde der Rentenversicherungsbei- trag soweit erhöht, daß die KVdR sich aus den Zuführungen der Ren- tenversicherung — oder den Beiträ- gen der Rentner — selbst finanzieren könnte, wäre eine Folge die Absen- kung der GKV-Sätze auf 9,1 Prozent.
Damit bestünde eine realistische Be- ziehung zwischen Gesundheitslei-
stung und Beitragsleistung. Da die Beitragsbemessungsgrenze bei der Inanspruchnahme zur Rentenversi- cherung höher ist als bei der GKV, wird in der Rentenversicherung auch ein größerer Personenkreis mit höheren Beiträgen belastet.
Die Folge wäre, daß die Erhöhung des Beitragssatzes für die Renten- versicherung, die eine Kostendek- kung der KVdR-Ausgaben gewähr- leisten würde, geringer wäre als die Beitragspunktsenkung für die GKV.
Die Belastung mit Beiträgen für die GKV und die GRV für die Arbeitneh- mer, die über der Bemessungs- grundlage der GKV liegen, würde höher ausfallen als bisher, die der unter dieser Bemessungsgrundlage befindlichen jedoch niedriger.
5. Gefahren für Finanzierung der KVdR durch die GKV heute
Die Finanzierung der Krankenversi- cherung der Rentner durch die akti- ven Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung ist ohne große Schwierigkeiten gesichert, so lange die Beiträge der Aktiven die abhän- gig von der Lohnentwicklung sind — überproportional steigende Ausga- ben für die Rentner mittragen kön- nen. Das aber setzt eine ständig wachsende Wirtschaft voraus, die von Krisen nicht nachhaltig in ihrem Wachstum beeinträchtigt wird.Scheiden Aktive als Beitragszahler aus und/oder ist das Wachstum der Grundlohnsumme gering, so ist ein Überschreiten der Beitragszuwäch- se durch Ausgabensteigerungen kaum zu verhindern. Das geschieht insbesondere durch die weitgehend konjunkturunabhängige Mitglieder- entwicklung der Rentner und durch die konjunkturabhängige Zahl der aktiven Mitglieder, die u. a. stark be- einflußt wird durch Frauen, die ihren Teilzeitarbeitsplatz in der Krise auf- geben und wieder als Familienversi- cherte ohne Beitragszahlung Lei- stungen in Anspruch nehmen. Eine Zunahme der Arbeitslosen durch ehemalige Vollerwerbstätige kann die Situation noch verschärfen, da die Arbeitslosenversicherung für sie
verminderte Beiträge entrichtet, während die Leistungsinanspruch- nahme in der Regel sogar zunimmt.
So lange die Beiträge an konjunktur- bedingte, das heißt externe, Ent- wicklungen gebunden sind und die Finanzierung der GKV weitgehend von der von einer Entscheidung der Versicherten unabhängigen Bei- tragsmechanik bestimmt wird, kann das einnahmeorientierte Ausgaben- dogma nur dann funktionieren, wenn die zugestandenen Ausgaben- raten mittelfristig über der Summe aus Inflationsrate und realer Kosten- zuwachsrate für die Leistungser- bringung liegen. Ist das nicht der Fall, werden sozialpolitische Span- nungen unvermeidbar sein.
(Wird fortgesetzt in Heft 4/1981) Landesärztekammer Rheinland-Pfalz in Verbindung mit der
Medizinisch Pharmazeutischen Studiengesellschaft in Mainz Anschrift des Verfassers:
Dr. Jens Jessen Deutschhausplatz 3 6500 Mainz 1
ZITAT
Keine Wunder erwarten
„Es gibt viel zu tun, und wir werden es sehr energisch anpacken, um unsere Versi- cherten vor überhöhten Ko- stensteigerungen zu schüt- zen. Wunder darf man davon allerdings nicht erwarten, denn der medizinische Fort- schritt hat nun einmal seinen Preis."
Dr. jur. Heinz Bach, Vorsit- zender des Verbandes der privaten Krankenversiche- rung (PKV), Dortmund, an- läßlich eines Pressege- sprächs bei der Mitglieder- versammlung 1980 des Ge- samtverbandes der Deut- schen Versicherungswirt- schaft (GDV) in München
98 Heft 3 vom 15. Januar 1981 DEUTSCHES ARZTEBLATT