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Archiv "Krankenversicherung: Wachstumsschwäche bei der Finanzierung" (25.10.2002)

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ie Gesetzliche Krankenversiche- rung (GKV) ist seit Jahren durch eine auffällige Wachstumsschwä- che bei der Finanzierung gekennzeich- net. Die beitragspflichtigen Einnah- men je Mitglied der GKV sind 1980 bis zum Jahr 2000 mit 84,32 Prozent deutlich geringer gestiegen als das Bruttoinlandsprodukt

(BIP) je Erwerbstä- tigen (+115,22 Pro- zent im gleichen Zeit- raum). Dies bedeutet:

Die beitragspflichti- gen Einnahmen je Mit- glied der GKV blie- ben im Zeitraum von 1980 bis 1990 in den alten Bundesländern im Wachstum um 20 Prozent hinter der Beitragsbemessungs- grenze – die bisher in ihrer Höhe jeweils der Versicherungspflicht- grenze entspricht – und

um fast 31 Prozentpunkte hinter dem BIP je Erwerbstätigen zurück. Dies hat Prof. Dr. rer. pol. Eberhard Wille, Ordi- narius für Volkswirtschaftslehre und Fi- nanzwissenschaft an der Universität Mannheim, in einer aktuellen Expertise vorgerechnet. Daraus resultieren gra- vierende Konsequenzen für die Finan- zierung der GKV, die Beitragsstabilisie- rung und den Finanzbedarf in Zukunft.

Die Aussagen des Mannheimer Finanz- wissenschaftlers, der seit Anfang Okto- ber 2002 Vorsitzender des Sachverstän- digenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (KAG) ist, im Einzelnen:

Während das Wachstum der beitrags- pflichtigen Einnahmen je Mitglied in den letzten zehn Jahren unter jenem des BIP

je Erwerbstätigen blieb, fällt das Wachs- tum der Beitragsbemessungsgrenze in der GKV erst ab 1989 schwächer als die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts je Erwerbstätigen aus. Im Jahr 2000 über- traf das Wachstum des BIP je Erwerbs- tätigen die Beitragsbemessungsgrenze um 10,5 Prozentpunkte.

Die Wachstumslücke bei der Finan- zierung wird verdeutlicht durch eine fiktive Berechnung, die unterstellt, dass die beitragspflichtigen Einnahmen je Mitglied in den letzten zehn Jahren par- allel und identisch mit der Wachstums- rate des Bruttoinlandsprodukts je Er- werbstätigen zugenommen hätten.

Einnahmequellen versiegen

Danach wären die beitragspflichtigen Einnahmen im Jahr 2000 um 16,7 Pro- zent höher gewesen, als dies in den alten Bundesländern – bei gegebenem Bei- tragssatz – den fiktiven Mehreinnahmen in Höhe von 35,6 Milliarden DM (18,2 Milliarden Euro) entspricht. Mit diesen

fiktiven Mehreinnahmen bei parallelem Verlauf der Beitragsbemessungsgrenze und des BIP ließe sich das GKV-Ausga- benvolumen bei einem Durchschnitts- beitragssatz von knapp 11,6 Prozent decken. Dieser Beitragssatz weicht nur unwesentlich von jenem der Jahre 1980 und 1984 ab. Hochgerechnet auf das ge- samte Bundesgebiet, belaufen sich in dieser Modellrechnung die entsprechen- den fiktiven Mehreinnahmen auf fast 43 Milliarden DM (22 Milliarden Euro).

Die Beitragsbemessungsgrenze in der GKV stieg seit 1975 mit 210,71 Pro- zent „spürbar stärker“ als die Brutto- lohn- und -gehaltssumme je Arbeitneh- mer, die lediglich um 143,82 Prozent wuchs. Dies bedeutet: Bei einer exakt genauen Berechnung der Beitragsbe- messungsgrenze (diese wird heute nach gesetzlichen Vorgaben grob gerundet) würde lediglich ein Zuwachs von 167,47 Prozent resultieren statt der festgestell- ten 210,71 Prozent.

Auf das Ausmaß der Beitragslücke hat sich auch die Verschie- bung in der demo- graphischen Struk- tur und im Alters- aufbau der Bevöl- kerung ausgewirkt.

Dies dürfte sich in den nächsten Jahren allerdings nur mo- derat auswirken; je- denfalls ist die Alters- komponente nach Berechnung des Sachverständigenrates nur mit zwei Prozentpunkten am Ausgabenwachs- tum der Krankenkassen beteiligt. Aus- schlaggebend sind vier andere Einfluss- faktoren, die sich auch künftig restriktiv auf die Steigerungsraten bei den bei- tragspflichtigen Einnahmen auswirken:

– abgeschwächtes Wachstum der Arbeitsentgelte infolge veränderter Ar- beitsverhältnisse und Berufskarrieren.

So schlagen die intermittierenden, das heißt die unstetigen, Beschäftigungsver- läufe relativ stark ins Kontor der GKV;

– überproportionale Zunahme von nicht beitragspflichtigen Teilen des Ar- beitsentgelts;

– vorgezogene Verrentung und län- gere Lebens- und Verrentungszeiten P O L I T I K

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A2830 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4325. Oktober 2002

Krankenversicherung

Wachstumsschwäche bei der Finanzierung

Sachverständiger Professor Dr. Eberhard Wille plädiert für Kombination von Reformoptionen.

Grafik

Quelle: Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 1994, Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 2000, Bundesdruckerei 1999, Bundes- ministerium für Gesundheit 2001, Statistisches Bundesamt 2002,Arbeitskreis VGR 2002; Berechnungen von Prof. Dr. Eberhard Wille, Universität Mannheim; G+G, Heft 8/2002

Wachstum der beitragspflichtigen Einnahmen je Mitglied der Beitragsbemessungs- grenze und des BIP je Erwerbstätigen seit 1980 (alte Bundesländer)

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(das durchschnittliche Verrentungsalter bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte liegt heute bereits unter 59 Jahren) sowie

– Wechsel von Versicherten in Kran- kenkassen mit relativ hohen Beitrags- sätzen zu solchen Kassen mit relativ niedrigen Beitragssätzen bei gleich blei- bendem Behandlungsbedarf.

Realistische Reformoptionen

Als Reformoptionen und mögliche neue Beitragsgestaltung bei drohenden Finanzierungsdefiziten bieten sich nach Wille folgende sieben Alternativen an, die auch zu kombinieren sind:

–Ausschöpfung von Wirtschaftlich- keitsreserven einschließlich des geziel- ten Abbaus von Überkapazitäten, vor allem im stationären Sektor;

—Aufbau einer zusätzlichen, kapital- gedeckten Krankenversicherung entwe- der im Rahmen der Gesetzlichen oder der privaten Krankenversicherung;

˜bedarfsgerechte Beitragssatzerhö- hungen;

™Erhöhung und Ausweitung der Zuzahlungen und Direktbeteiligungen der Versicherten;

šEingrenzung des Pflichtleistungs- katalogs der GKV;

›gezielte Verschärfung der Rationie- rung bei der Leistungserbringung sowie

œVerlagerung von Teilen der Finan- zierung auf andere Finanziers, zum Bei- spiel auf Gebietskörperschaften (ein- schließlich Staat), andere Teilsysteme der sozialen Sicherung und/oder die privaten Haushalte.

Nach Einschätzung von Wille ist eine Kombination von Elementen mehrerer Reformoptionen erforderlich und auch politisch durchsetzbar, um eine spür- bare Beitragssatzentlastung in Verbin- dung mit ausgewogenen Belastungswir- kungen zu erzielen. So schwäche sich zum Beispiel die Belastung infolge einer erweiterten Beitragsbemessungs- grundlage ab, wenn der Beitragssatz im Zuge einer grundlegenden Gesund- heitsreform sinkt. Dr. rer. pol. Harald Clade

Eberhard Wille: Reformoptionen der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung, in: G+G Gesund- heit und Gesellschaft, Heft 7–8, Beilage „Wissenschaft“, Ausgabe 3/2002, Hrsg.: AOK-Bundesverband, Bonn

P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4325. Oktober 2002 AA2831

V

ereint und verkleinert – knapper kann man die Empfehlungen zur Strukturreform in der Berliner Hoch- schulmedizin nicht zusammenfassen. In der vergangenen Woche präsentierte die vom Berliner Senat eingesetzte Kommis- sion ihre Vorschläge in einem 126 Seiten umfassenden Gutachten. Darin wird ge- raten, beide Klinika in der Hauptstadt (siehe Textkasten)zu verschmelzen.Auch die Medizinischen Fakultäten sollen zu- sammengeführt werden.

Langfristig soll sich die Hochschul- medizin auf zwei statt auf vier Stand- orte konzentrieren: auf die Charité Berlin-Mitte und das Universitätskli- nikum Benjamin Franklin (UKBF). Die universitären klinischen Forschungs- einrichtungen in Buch blieben dem Konzept nach als Kooperationspartner des Max-Delbrück-Zentrums für Mole- kulare Medizin erhalten.

Die Zukunft des Virchow-Klinikums im Stadtteil Wedding (Teil der Charité) ist unklar. Dr. Winfried Benz, Vorsitzen- der der Kommission, hat gegenüber der

„Berliner Zeitung“ betont, dass man die Sparvorgabe auch erfüllen könnte, wenn das Virchow Universitätsklinikum bliebe. Dagegen spricht die Ausrichtung:

„Die Krankenversorgung steht dort im Vordergrund und nicht die Forschung.“

An der Charité hält man dagegen, dass die Standorte in Mitte und Wedding erst 1995 zu einer Einheit verbunden wurden.

„Diese politisch gewollte Fusion darf man jetzt nicht rückgängig machen“, ver- langte der Dekan der Charité, Prof. Dr.

med. Joachim Dudenhausen.Würde das Virchow seinen Status als Universitäts- klinikum verlieren, könnte das teuer kommen. Dort wurden in den vergange- nen Jahren 1,5 Milliarden Euro verbaut, in erheblichem Umfang aus Bundesmit- teln. Sie müssten zurückgezahlt werden.

Ob mit Virchow oder ohne: Das neue Klinikum wird im Jahr 2010 vermutlich

nur noch 2 200 Betten vorhalten, ein Drittel weniger als heute. Bis dahin müssen zudem rund 2 500 Stellen abge- baut werden. Das soll nach Möglichkeit ohne Entlassungen geschehen, indem die übliche Fluktuation ausgenutzt und Personal umgesetzt wird.

Anerkannt wird in Berlin trotz der har- ten Vorgaben, dass sich die Kommission gründlich mit ihrer Aufgabe befasst hat.

Folglich werden sehr konkrete Vorschlä- ge unterbreitet, welches Angebot in Zu- kunft wo vorgehalten werden soll. Was aus den Empfehlungen wird,ist allerdings offen. Manchem im Senat behagt nicht, dass das komplette Sparziel erst 2010 er- reicht werden kann.Von den ersten posi- tiven Reaktionen der Betroffenen sollte man sich auch nicht täuschen lassen. „Die beiden Fakultäten sind im Augenblick noch so etwas wie verfeindete Brüder“, findet Benz. „Sie könnten jetzt versucht sein, noch so viel wie möglich im eigenen Interesse zu zementieren.“ Sabine Rieser

Hochschulmedizin in Berlin

Die Vereinigung kommt

Der Senat will von 2006 an 98 Millionen Euro jährlich bei den Universitätsklinika einsparen. Eine Kommission rät nun, wie.

Das Votum:

Zwei Unis, vier Klinika

Zurzeit gibt es in Berlin zwei Universitätsklinika an vier Standorten: Das Benjamin Franklin (UKBF) in Steglitz gehört zur Freien Universität (5 000 Be- schäftigte). Die Charité mit den drei Standorten Mitte, dem Rudolf-Virchow-Klinikum im Wedding und Berlin-Buch im gleichnamigen Ortsteil gehört zur Humboldt-Universität (8 200 Beschäftigte).

Ursprünglich hatte sich die Koalition von SPD und PDS Ende 2001 darauf verständigt, das UKBF zu schließen und den Landeszuschuss von 98 Mil- lionen Euro einzusparen. Dieser Betrag entspricht ungefähr 40 Prozent des Gesamtzuschusses an die Hochschulmedizin. Aufgrund der Proteste des UKBF und der Opposition wurde das Vorhaben zurückgestellt. Der Senat setzte eine neutrale Kommission ein. Den Vorsitz übernahm Winfried Benz, langjähriger Generalsekretär des Wissen- schaftsrates. Das Gremium hat am 14. Oktober seinen Abschlussbericht vorgelegt (abrufbar unter

www.science.berlin.de). Rie

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