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Archiv "GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz: Nachhaltige Änderungen, aber keine nachhaltige Finanzierung" (16.03.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 11⏐⏐16. März 2007 A687

P O L I T I K

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icht einmal diese kleine Freu- de will man ihr gönnen. Wer den Sektempfang bezahlt habe, zu dem Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nach Verab- schiedung der Gesundheitsreform in das Berliner Reichstagsgebäude eingeladen hatte, will ein Oppositi- onsabgeordneter in seiner Kleinen Anfrage an das Ministerium wissen.

Kein Sponsor, lässt Schmidt mittei- len. Ohnehin habe es sich nur um einen kleinen Umtrunk gehandelt.

Eine große Feier wäre angesichts der monatelangen Querelen und der Vorbehalte gegen das GKV-Wettbe- werbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) wohl auch unpassend gewesen, selbst wenn Schmidt am 2. Februar durchaus nach Feiern zumute gewe- sen sein dürfte. Denn mit dem Aus- gang der Beratungen kann sie zu- frieden sein. Zwar gibt die Ministe- rin unumwunden zu, dass sie die pri- vate Krankenversicherung (PKV) gerne in den Gesundheitsfonds ein- bezogen hätte. Verfechterin der rei-

nen Lehre einer Bürgerversicherung war Schmidt jedoch nie. Vielmehr gilt ihr Hauptaugenmerk seit jeher den ihrer Meinung nach „verkruste- ten Strukturen“ im Gesundheitswe- sen. Den Einfluss der gemeinsa- men Selbstverwaltung weiter zu be- schneiden ist ihr mit dem GKV- WSG gelungen.

Wahltarife bieten Chancen

Deutlich zu spüren bekommen dies vor allem die Krankenkassen. Mit dem Start des Gesundheitsfonds zum 1. Januar 2009 bestimmt der Bundestag den Beitragssatz der Kassen – jeweils bundeseinheitlich für das nächste Jahr. Kommt eine Kasse mit den ihr durch den Fonds zugewiesenen Mitteln nicht aus, kann sie eine einkommensunabhän- gige Prämie erheben. Über Chancen und Risiken dieser Option debattie- ren Fachleute seit Monaten. Die Zu- satzprämie und die bereits zum 1. April 2007 geltenden neuen Wahl- tarifmöglichkeiten für gesetzlich Ver-

sicherte sollen aber den Wettbewerb unter den Kassen fördern. Ärztinnen und Ärzte werden in Zukunft wohl mehr GKV-Patienten behandeln, die sich für Kostenerstattungs- oder Selbstbehalttarife entschieden ha- ben. Wie viele es sein könnten, traut sich noch keiner zu schätzen.

Neue Möglichkeiten bietet Ärz- ten auch die im Gesetz angelegte flächendeckende Förderung der in- tegrierten Versorgung. Zudem rüs- ten sich mehr ärztliche Verbände für den Einstieg in ein vielfältige- res Vertragsgeschäft. Der Deutsche Hausärzteverband sieht sich gut aufgestellt. So geht Verbandschef Rainer Kötzle davon aus, dass die Hausärzte bei Verträgen mit den Kassen die Nase vorn haben wer- den, obwohl künftig auch die Kas- senärztlichen Vereinigungen Kon- trakte zur hauarztzentrierten Versor- gung abschließen dürfen.

Wichtiger für Vertragsärzte ist je- doch, dass die Koalitionäre noch auf der Zielgeraden des Gesetzgebungs-

GKV-WETTBEWERBSSTÄRKUNGSGESETZ

Nachhaltige Änderungen, aber keine nachhaltige Finanzierung

Die Gesundheitsreform wird vom 1. April an umgesetzt. Das Deutsche Ärzteblatt informiert in den kommenden Wochen in einer umfangreichen Serie über die Neuerungen – und zum Auftakt darüber, was sich im Ganzen ändern wird und wie es dazu kam.

Am Rand des Lächelns – Ulla Schmidt und Wolf- gang Zöller verkün- deten mehr als ein- mal Änderungen an der geplanten Ge-

sundheitsreform. Foto:ddp

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A688 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 11⏐⏐16. März 2007

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verfahrens Änderungen bei den De- tails der Honorarreform vornahmen.

Künftig würden die niedergelasse- nen Kollegen von der Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die Kran- kenkassen und vor allem von der Ab- koppelung der Vergütungszuwächse von der Grundlohnsummensteige- rung profitieren, sagt der CDU-Ge- sundheitspolitiker Dr. med. Hans- Georg Faust.

Vollständig hebt die Politik die Budgetierung nicht auf. Weil aber die Einführung der neuen Vergü- tungsordnung zum 1. Januar 2009 – anders als zunächst geplant – für die Krankenkassen nicht zwingend kos- tenneutral erfolgen muss, stehen die Chancen für Ärzte und Psychothe- rapeuten gut, mehr Geld für ihre Leistungen zu erhalten.

Politik nimmt weiter Einfluss

Trotz der Möglichkeiten, die die neue Vergütungsordnung bietet, sieht der Vorstandsvorsitzende der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Andreas Köhler, die Ge- sundheitsreform insgesamt skep- tisch: „Regelungen, die zu Zentra- lismus führen, lehnen wir ab.“ So würden die Einflussmöglichkeiten der Politik auf den zum 1. Juli 2008 neu zu gründenden Spitzenverband der Krankenkassen auf Bundesebe- ne deutliche Züge von Staatsmedi- zin tragen. Ebenfalls vom 1. Juli 2008 an wird die Regierung auch mehr Einfluss auf die Arbeit des Gemeinsamen Bundesausschusses nehmen können.

Zu weit gingen CDU und CSU Pläne der SPD, die private Kranken- versicherung in den Gesundheits- fonds einzubinden. Das Gesetz sieht nun vor, dass private Krankenversi- cherungsunternehmen zum 1. Janu- ar 2009 einen Basistarif mit ver- gleichbaren Leistungen wie in der GKV anbieten müssen. Bereits pri- vat Versicherte und freiwillig ge- setzlich Versicherte können in der ersten Jahreshälfte 2009 in diesen Tarif wechseln. Ärzte müssen nun einerseits damit rechnen, dass sich ihr Honorar für die Behandlung von PKV-Patienten bei deren Wechsel in den Basistarif um 20 bis 30 Pro- zent verringert. Andererseits könnte die Versorgung von ehemals frei-

willig versicherten GKV-Patienten, die in den Basistarif wechseln, lu- krativer werden. Schlüssige Berech- nungen fehlen jedoch.

Die Reform betrifft jedoch nicht nur niedergelassene Ärzte. Den Kran- kenhäusern drohen Einnahmeein- bußen, die die angespannte Perso- nalsituation in vielen Kliniken ver- schärfen könnten. So hat ihnen die Politik einen „Solidarbeitrag“ für die Krankenkassen von jährlich 250 Millionen Euro aufgebrummt.

Keine sichere Finanzbasis

Unter dem Strich hat die Reform wenig mit den umfangreichen Plä- nen zu tun, die SPD und Union um- trieben, bevor sie sich auf die lang- atmige Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner machten. „4,6 Millionen Arbeitslose sind ein nicht zu schlagendes Argument hinsicht- lich der Dringlichkeit von Refor- men“, hatte Prof. Dr. Bert Rürup (SPD) Anfang 2003 gemahnt. Und Schmidt nicht zum letzten Mal dar- über belehrt, dass die Mobilisierung von Wirtschaftlichkeitsreserven die Suche nach einer nachhaltigen Fi- nanzierungsgrundlage für die GKV nicht ersetzen könne.

Es nutzte nichts. Die nach ihm benannte Kommission legte im Frühjahr 2003 ein Sparpaket vor, und zwar über rund 24 Milliarden Euro – und das sogenannte Y-Mo- dell: Je ein Kopfpauschalen- und ein Bürgerversicherungsansatz als Blau- pausen für eine Finanzreform. Die Politik arbeitete sich im Anschluss an den Optionen ab: SPD und Grü- ne, damals noch Koalitionäre, de- battierten über ihre Vorstellungen zur Bürgerversicherung. Die Union suchte nach einem Kompromiss zwischen der reinrassigen Kopfprä- mie der CDU und einem Stufenmo- dell der CSU.

Eine große Reform der großen Parteien in einer Großen Koalition?

„Wie soll das gehen? Wir sind in der Zielrichtung vollkommen konträr“, schüttelte Gesundheitspolitiker Wolf- gang Zöller (CSU) im Februar 2005 beim DÄ-Interview den Kopf. Doch nach den Neuwahlen im Herbst 2005 machten sich SPD und Union notgedrungen an die Arbeit.

Ihr Koalitionsvertrag war noch nicht unterzeichnet, da verlangte Schmidt Mitte November, medizini- sche Leistungen sollten in Zukunft gleich honoriert werden, egal ob sie für einen GKV-Patienten oder einen privat Versicherten erbracht wer- den. Die Union witterte neuerlichen offenen Einsatz für ein Bürgerversi- cherungsmodell und war sauer, der erste Streit da. Die CDU-Gesund- heitspolitikerin Annette Widmann- Mauz forderte, die Ministerin von den „Chefgesprächen“ über die Re- form auszuschließen.

Doch eine Gesundheitsreform auf höchster Parteiebene, ohne Zu- arbeit von Gesundheitspolitikern und vor allem dem zuständigen Mi- nisterium, ist eine Unmöglichkeit.

Schmidt war schnell wieder dabei und prägte die Verhandlungen. Mo- natelang wurde viel getagt, viel fan- tasiert, beispielsweise über Steuerzu- schüsse bis zu 30 oder 40 Milliarden Euro fürs System. Nun ist das GKV- WSG verabschiedet. Was es im Ein- zelnen bewirken wird, ist noch un- klar. Was es nicht bewirken wird, steht dagegen schon fest: eine we- nigstens mittelfristig nachhaltige Finanzierung der GKV. I Samir Rabbata, Sabine Rieser Mit Wut und

Transparenten:

Zahlreiche bundes- weite Aktionen und vier große Protest- kundgebungen von Ärztinnen und Ärz- ten in Berlin gegen die Reform prägten das Jahr 2006.

Foto:dpa

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