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Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 19, 12. Mai 2000
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ettbewerb ist eine gute Sache, spornt er doch dazu an, das Beste zu ge- ben. Unsere marktwirtschaftliche Ordnung basiert auf dem Wettbe- werbsprinzip und ist alles in allem gut damit gefahren. Immerhin ge- standen die Väter dieser Wirt- schaftsordnung dem Sozialbereich eine gewisse Ausnahme zu. Das hat den Schwachen geholfen und dem sozialen Frieden gedient.Neuerdings macht sich eine Wettbewerbsideologie breit, die mit fast fundamentalistischem Ei- fer Wettbewerb auch da fordert, wo er nicht funktionieren kann oder bösartige Folgen hat. Was wird im Wettbewerb nämlich aus jenen, die zwar ihr Bestes geben, deren Bestes aber im Wettbewerb nicht gut genug ist? Die Apologe- ten des totalen Wettbewerbs zitie-
ren gerne die Losung des „Survival of the fittest“. Im Sozialwesen ge- winnt sie makabre Bedeutung, denn hier sind die Teilnehmer im Wettbewerb eben nicht fit – und wollen dennoch überleben.
Wettbewerb und Marktwirt- schaft setzen funktionsfähige Märkte voraus. Dort konkurrieren idealerweise gleichwertige Anbie- ter mit Produkten unterschiedli- cher Qualität. Ihnen gegenüber stehen Nachfrager, die sich frei entscheiden können und den vol- len Durchblick haben.
So gut wie alle diese Voraus- setzungen fehlen im Gesundheits- wesen. Die Anbieter können nicht frei anbieten; sie sind an einen Lei- stungskatalog gebunden. Sie sind vor allem ihrem Berufsethos ver- pflichtet, Patienten nach dem Stand ihrer Kunst zu behandeln,
von dem sie nicht nach Belieben abweichen können. Wirtschaftlich gesprochen handelt es sich um ein unelastisches Angebot. Unela- stisch ist auch die Nachfrage. Wer krank ist, will optimal behandelt werden und hat weder Kraft noch Zeit, mit seinem Arzt über kosten- günstige Varianten zu diskutieren.
Markttransparenz schließlich ist im Gesundheitswesen, trotz aller Bemühungen um Qualitätsauswei- se und Patienteninformation, nur eingeschränkt möglich.
Es ist Zeit, den Stellenwert von Wettbewerb im Gesundheits- wesen neu zu bestimmen – zu über- legen, wo das Marktmodell passt, durch andere Modelle ergänzt oder ersetzt werden muss. Nicht nur die Fitten sollen überleben, die Kranken brauchen ihr Survival- Programm. Norbert Jachertz
Wettbewerb
Survival-Programm
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un hat sich auch die FDP in Sachen Budgetierung zu Wort gemeldet. Ihr ge- sundheitspolitischer Sprecher Die- ter Thomae kündigte an, dass seine Partei einen Antrag zur Abschaf- fung der Arznei- und Heilmittel- budgets in den Bundestag einbrin- gen wolle. Begründung: Die Bud- gets gefährdeten zunehmend die medizinische Versorgung der ge- setzlich Krankenversicherten. Es sei unzumutbar, dass die Ärzte mit ihrem Einkommen dafür hafteten, dass sie ihre Patienten umfassend versorgen. „Statt die Konsequen- zen aus dem Desaster mit den Bud- gets zu ziehen, nämlich sie abzu- schaffen, belässt es Rot-Grün da- bei, die angeblich mangelhafte Umsetzung zu beklagen“, so Tho- mae. Das sind starke Worte für ei-ne Partei, die die Budgetierung im Gesundheitswesen jahrelang mit- getragen hat. Ob man das Ganze nun als Wahlkampfgeklingel abtun kann oder ob tatsächlich ein Um- denken in der Politik eingesetzt hat, wird sich bald zeigen.
Die Unionsparteien sind ge- danklich schon länger auf einem Kurs weg von den Budgets. Auch die SPD hat bereits laut darüber nachgedacht, dass die Arznei- und Heilmittelbudgets zur Steuerung der Ausgaben ungeeignet sind.
Zurzeit scheinen nur die Grünen am alten Kurs festzuhalten – in ihrem Gefolge die Krankenkassen, die darauf pochen, dass die Ärzte Regressforderungen von 250 Mil- lionen DM wegen Überschreitun- gen des Arzneimittelbudgets 1999 tatsächlich bezahlen. Auch im er-
sten Quartal 2000 zeichnen sich bei den Arzneimittelausgaben „kata- strophale Entwicklungen“ ab, so der Vorsitzende der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung, Manfred Richter-Reichhelm, bei der KBV- Vertreterversammlung (siehe die Berichterstattung in diesem Heft).
Der Präsident der Bundesärz- tekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, hat die Anwesenheit von Bundes- gesundheitsministerin Andrea Fi- scher bei der Eröffnung des 103.
Deutschen Ärztetages genutzt, er- neut auf die Folgen der Budgetie- rung hinzuweisen. Die Ärzte stün- den derart unter Druck, dass sie immer häufiger das medizinisch Notwendige nicht mehr garantie- ren könnten. Der Beifall belegte, dass nicht nur er dies für unverant- wortlich hält. Heike Korzilius