Weihnachtszeit macht Hintern breit
Diese Erkenntnis liegt alljährlich drohend über den Feiertagen, sie ist sozusagen festtagsimma- nent. — Na, und wenn schon; im Zeichen der Weih- nacht wiegen die lukullischen Sünden leicht, besonders da sie Kollektivsünden sind. Daß die größten Geister beim Essen schwach wurden, zeigt, in welch guter Gesellschaft wir uns finden:
Schon aus der Antike wird berichtet, wie Diogenes sich für sein Mahl einen Kohlkopf zubereitet und zum hinzutretenden Aristipp, der ein rechter Op- portunist war, sagt: „Wenn du Kohl essen würdest, brauchtest du die Großen und Reichen nicht zu umschmeicheln." — „Und wenn du den Großen und Reichen schmeicheltest", erwidert Aristipp,
„brauchtest du keinen Kohl zu essen!"
Zuckmayer: La grande bouffe
Fast sinnlich erfährt Carl Zuckmayer die Freuden des Gaumens:
Beefsteak tartare ist fast so stark an Gnade wie ein am Grill gebratenes Lendenstück, und viele Götter leben im Salate,
saftrot und samenkerngeschwellt das Weib Tomate, und grünes Kraut im Frühling ist ein kühles Glück.
Wenn du Kartoffel oder Spargel ißt,
schmeckst du den Sand der Felder und den Wur- zelsegen, des Himmels Hitze und den großen Regen, die kühlen Wasser und den warmen Mist.
Rossini soll dreimal im Leben geweint haben: ein- mal, als sein „Barbier von Sevilla" ausgepfiffen
wurde, ein zweites Mal, als er Carafa eine Arie singen hörte, und ein drittes Mal, als ihm auf einer Bootsfahrt ein ge- trüffelter Truthahn ins Wasser fiel.
Adolf von Menzel ge- stand einmal im Ge- spräch: „Ach, Lorbeer, Madame! Der liebste Lorbeer ist mir der, den ich in der Suppe finde."
Ringelnatz: die Wende
Mit dem Blick auf die Figur empfiehlt es sich, spätestens am Neujahrsmorgen die Wende einzu- leiten, vielleicht mit folgendem Rezept, das Joachim Ringelnatz zugeschrieben wird:
Man mische sieben Pfund Palmin mit gleich viel Milch und Terpentin, dann füge man ein Hühnerei und etwas Öl nebst Essig bei.
Dieses zum festen Brei verrührt, wird dann in einen Strumpf geschnürt.
Das Ganze läßt man dreizehn Wochen in lauem Seifenwasser kochen.
Dann wird es mit Gelee garniert und im verdeckten Topf serviert.
Doch halte man zur rechten Zeit ein offnes Töpfchen sich bereit.
Dr. med. Olaf Ganssen, Oststraße 76, 5620 Velbert 1 Zeichnung: Hans Weber
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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen POST SCRIPTUM
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70 Heft 49 vom 10. Dezember 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B