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Archiv "Arzneimittelbudget: Die Zeit danach" (02.11.2001)

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eun Jahre haben die Ärzte dafür gestritten. Nun ist es Gesetz. Am 18. Oktober hat der Bundestag mit den Stimmen der rot-grünen Regie- rungskoalition Arzneimittelbudget und Kollektivregress abgeschafft, „weil starre Budgets und die Kollektivhaf- tung der Ärzte nicht die Wege sind, die uns zum Ziel führen“, wie Horst Schmidbauer (SPD) in der Debatte zum Arzneimittelbudget-Ablösungsge- setz (ABAG) sagte. Für das Ziel, eine qualitativ hochwertige und gleichzeitig wirtschaftliche Versorgung der Patien- ten mit Arzneimitteln sicherzustellen, ist künftig die gemeinsame Selbstver- waltung der Ärzte und Krankenkassen verantwortlich.

Zielvereinbarungen so gut wie unter Dach und Fach

Um die Arzneimittelausgaben zu steu- ern – angesichts einer Steigerungsrate von rund elf Prozent im ersten Halbjahr dieses Jahres keine leichte Aufgabe –, sollen die Kassenärztlichen Vereinigun- gen (KVen) und die Landesverbände der Krankenkassen jeweils für ihre Re- gion ein Ausgabenvolumen festlegen und Zielvereinbarungen treffen. Be- reits im Juni hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen im Vorgriff auf das Gesetz eine gemein- same Bundesempfehlung zur Steue- rung der Arznei- und Verbandmittel- versorgung erarbeitet. „Die Zielverein- barungen, die die KVen in Kooperation mit den Kassenverbänden abschließen, sind einer unserer wichtigsten Hebel, um ohne Rationierung und ohne Ein- bußen in der Versorgungsqualität Ein-

sparpotenziale in der Arzneimittelver- sorgung auszuschöpfen“, sagte damals der KBV-Vorsitzende Dr. med. Man- fred Richter-Reichhelm.

Inzwischen haben 19 von 23 Kas- senärztlichen Vereinigungen die ge- meinsame Bundesempfehlung umge- setzt und mit den Kassen Zielvereinba- rungen geschlossen. In den übrigen vier KVen laufen die Verhandlungen. Die Vereinbarungen sehen vor allem Ein- sparungen bei der Verordnung von Analogpräparaten (so genannnten Me- toos) und „umstrittenen“ Arzneimit- teln vor und setzen auf eine Steigerung bei der Verschreibung von Generika und reimportierten Arzneimitteln. Da- neben verpflichten sich die Kassen, Da- ten zur Frühinformation zeitnah bereit- zustellen und ihre Versicherten über den wirtschaftlichen Umgang mit Arz- neimitteln zu informieren. Das Gesetz ist hier eindeutig: Es sieht vor, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen für jede KV monatliche Berichte über die Entwicklung der Arzneimittelaus- gaben übermitteln. Neben der allge- meinen Pharmako-Therapieberatung wollen die Vertragspartner die Bera- tung einzelner Kassenärzte verstärken, die von den angestrebten Zielwerten besonders negativ abweichen. Außer- dem hat man sich in den Zielvereinba- rungen darauf geeinigt, in gemeinsa- men Arbeitsgruppen die Entwicklung der Arzneimittelversorgung zu analy- sieren und zu begleiten.

Einige Beispiele: KV und Kassen in Brandenburg, wo die Ärzte Spitzenrei- ter bei der Verordnung von Me-too- Präparaten sind, streben an, den Ver- ordnungsanteil von derzeit 18,5 Prozent (zum Verleich: Bremen und Hamburg sechs Prozent) auf 16,3 Prozent zurück-

zufahren. Westfalen-Lippe, das mit ei- nem Verordnungsanteil von 22,1 Pro- zent bei den kontrovers diskutierten Arzneimittelgruppen bundesweit vorne liegt (zum Vergleich: Thüringen und Brandenburg 8,5 Prozent), will diesen Anteil auf 20,3 Prozent senken. Zur Umsetzung des gemeinsamen Daten-, Informations- und Beratungsmanage- ments haben sich Kassen und KV im Saarland auf eine paritätisch besetzte Kommission geeinigt, die das Verord- nungsgeschehen kontinuierlich beglei- tet, die Ausgabenentwicklung zeitnah beobachtet und Maßnahmen zur Ein- haltung der Ziele vorschlägt. In der KV Hessen, die mit Blick auf die Arznei- mittelausgaben lange als „Vorzeige- KV“ galt, will man die Arbeit in den Pharmakotherapiezirkeln intensivie- ren, insbesondere im Rahmen der Vor- ordnung von Spezialpräparaten eine evidenzbasierte Medizin realisieren so- wie die Ärzte gemeinsam schriftlich und persönlich über die Erschließung von Wirtschaftlichkeitspotenzialen be- raten. Nach dem Willen des Gesetzge- bers sollen darüber hinaus Kassen und KVen das regional äußerst unterschied- liche Verordnungsverhalten untersu- chen und daraus entsprechende Maß- nahmen ableiten.

Mehr Informationsrechte für die Selbstverwaltung

Das Arzneimittelbudget-Ablösungsge- setz stärkt die Informationsrechte der Organe der Selbstverwaltung. Danach müssen diese die Vertragsärzte auch vergleichend über preisgünstige Ver- ordnungen informieren und Hinweise zu Indikation und therapeutischem P O L I T I K

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A2844 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 44½½½½2. November 2001

Arzneimittelbudget

Die Zeit danach

Der Bundestag hat der Ablösung der Arznei-

und Heilmittelbudgets zugestimmt. Künftig

soll die Selbstverwaltung dafür sorgen, dass

die Ausgaben im Rahmen bleiben.

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Nutzen geben. Inwieweit diese Rege- lung vor den Gerichten bestehen kann, wird sich zeigen. Erinnert sei hier an das Schicksal der Arzneimittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, die aufgrund von Kla- gen der pharmazeutischen Industrie seit Jahren auf Eis liegen.

Zwar gehören Arzneimittel-Budget und Kollektivregress ab 1. Januar 2002 der Vergangenheit an, der Arzt wird je- doch nicht aus seiner individuellen Wirtschaftlichkeitsverantwortung ent-

lassen. Das ABAG sieht vor, dass die Vertragspartner erstmals bis 31. März 2002 arztgruppenspezifische Richt- größen vereinbaren, die Morbidität und Altersstruktur der Patienten berück- sichtigen. Überschreitet ein Arzt diese Richtgrößen, löst dies eine Wirtschaft- lichkeitsprüfung aus. Die Sanktionen reichen je nach Höhe der Überschrei- tung von der Beratung bis zum Indivi- dualregress.

Kritiker der Budget-Ablösung füh- ren ins Feld, dass die auffällige Steige- rung bei den Arzneimittelausgaben darauf zurückzuführen ist, dass die

Budgets wegfielen, ohne dass man par- allel neue und vor allem effektive Steuerungsmechanismen etabliert ha- be. Horst Schmidbauer sieht das opti- mistischer: „Es macht Mut, was jetzt schon läuft. Die Selbstverwaltung von Ärzten und Kassen beginnt bereits jetzt, auf regionaler Ebene Versor- gungsziele und Wirtschaftlichkeitsziele verbindlich zu machen. Das schafft Vertrauen für die Instrumente, die wir in diesem Gesetz vorsehen“, sagte er vor dem Bundestag.

Verspricht sich die Politik vom ABAG in erster Linie eine sinnvolle Steuerung der Arzneimittelverordnun- gen, geht es ihr im Arzneimittelausga- ben-Begrenzungsgesetz primär ums Sparen. Die Abgeordneten des Bun- destages haben darüber am 19. Oktober in erster Lesung beraten. Das Gesetz enthält unter anderem die nicht nur un- ter Ärzten umstrittene Aut-idem-Rege- lung, wonach die Ärzte künftig im Re- gelfall nur noch Wirkstoffe verordnen und der Apotheker das entsprechend preisgünstigste Präparat auswählt. Of- fenbar hegen inzwischen auch Politiker

Zweifel, ob diese Regelung mit den Vorgaben aus dem ABAG kompatibel ist.

Eine rechtliche Analyse für den KBV-Vorstand kommt zu dem Schluss, dass die Wirtschaftlichkeits- verantwortung des Arztes einge- schränkt werden muss, da die Verant- wortung für die preisbezogene Aus- wahl eines Medikaments beim Apo- theker liegt. Sie gibt außerdem zu be- denken, dass eine Umkehr der derzei- tigen Regelung nur zulässig wäre,

wenn „gesetzlich eine den Arzt entla- stende Haftung des Apothekers für Arzneimittelschäden durch Substituti- onsfehler eingeführt wird“. Die Aut- idem-Pläne beeinflussten zudem die Therapiefreiheit. Schließe der Arzt die Substitution aus, müsse er, wegen möglicher Folgen für die systemati- sche Billig-Arzneimitteltherapie durch die am Preis orientierte Abgabeent- scheidung des Apothekers, damit rechnen, seine „Ausnahmeentschei- dung“ rechtfertigen zu müssen. Heißt:

Bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung besteht Erklärungsbedarf. Heike Korzilius P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 44½½½½2. November 2001 AA2845

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DÄÄ::Sind die Ausgaben für Arz- neimittel seit Jahresbeginn so stark gestiegen, weil Ulla Schmidt die Ab- lösung des Budgets schon frühzeitig angekündigt hat?

Dr. Hansen: Die Anhänger der Budgets behaupten das jetzt, aber der Zusammenhang ist unbewie- sen. Alle uns bekannten Analysen zeigen eine ähnliche Ausgabenent- wicklung über Jahre hinweg. Im zweiten Halbjahr 2000, als von der Budgetablösung noch nicht die Re- de war, lag die Ausgabensteigerung bei etwa neun Prozent. Im ersten Halbjahr 2001 sind es rund elf Pro- zent. Das sind keine signifikanten Unterschiede. Nein, wir glauben, dass die Mehrausgaben Folge des Ausstiegs aus der stillen Rationie- rung sind.

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DÄÄ::Die Budgets sind zwar weg, aber die Verantwortung der Ärzte für die Arzneimittelausgaben bleibt.

Dr. Hansen: Diese Verantwor- tung nehmen wir an. Fast alle KVen

haben inzwischen mit den Kranken- kassen Zielvereinbarungen getrof- fen, um die Ausgaben für Arzneimit- tel sinnvoll steuern zu können. Wir wollen und werden Einsparungen realisieren. Aber um auch dies klar zu sagen: Die Versorgung der Pati- enten darf darunter nicht leiden.

Sinnvolle Arzneimittelinnovationen und notwendige Spezialpräparate müssen weiterhin verordnet werden können. Genau dieses Gleichge-

wicht zwischen Sparsamkeit und an- gemessener Versorgung müssen wir herstellen.

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DÄÄ:: Die Regierung plant aber schon wieder ein Gesetz zur Ausga- benbegrenzung bei Arzneimitteln.

Dr. Hansen: Mir scheinen diese Überlegungen ein wenig aus der Hüfte geschossen zu sein. Wie wol- len Sie beispielsweise die Aut- idem-Regelung mit der Richtgrößen- Verantwortung des Arztes verein- baren, wenn der Apotheker über Präparat und Preis bestimmt? Bei einer Aut-idem-Umsetzung darf niemals für den Patienten der Ein- druck entstehen: Der Arzt macht die Diagnose, der Apotheker die Therapie. Die Politik sollte ernst- haft den jüngsten Vorschlag des Deutschen Generikaverbandes prü- fen. Die Hersteller bieten anstelle von aut idem einen durchgängigen Preisabschlag von drei Prozent und damit Einsparungen von rund 450 Millionen DM an. Da weiß man,

was man hat. ✮

Nachgefragt

Dr. med. Leonhard Hansen ist Zwei- ter Vorsitzender der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung und im Vorstand der KBV für Arzneimit- telfragen zuständig.

Foto: Till Erdmenger, ÄkNo

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