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Archiv "Aids-Therapie in Namibia: Mit der Hoffnung kommt die Verantwortung" (09.12.2005)

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A3400 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 49⏐⏐9. Dezember 2005

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amibia ist ein Land der Kontraste.

Der hohe Lebensstandard und die gute Infrastruktur in der Haupt- stadt Windhoek erwecken nicht den Ein- druck, man befinde sich in einem Ent- wicklungsland. Anders sieht es in den vier nördlichen Regionen Oshana, Oshi- koto, Omusati und Ohangwena aus, den so genannten four o-regions, die dem früheren Owamboland entsprechen. Die überwiegend schwarze Bevölkerung dort leidet unter einer hohen Arbeitslo- senrate mit den damit verbundenen so- zialen und medizinischen Problemen.

Mit einer HIV-Infektionsrate von 19,8 Prozent zählt Namibia mit seinen 1,9 Millionen Einwohnern zu den Hochprävalenz-Ländern (3). Im Engela- Distrikt in der Ohangwena-Region na- he der angolanischen Grenze leben cir- ca 172 000 Menschen.Außer dem Kran- kenhaus mit 230 Betten hat Engela nicht viel zu bieten. Das Dorfbild ist ge-

prägt von Schwangeren, die, auf Papp- kartons gebettet, unter einem großen Baum vor dem Krankenhaus zum Teil mehrere Wochen auf ihre Entbindung warten. Der Weg aus dem „Egumbo“, wie man die Ansammlung von strohge- deckten Hütten nennt, bis zum Kranken- haus ist für viele aufgrund der schlechten Sandpisten und fehlender Transport- möglichkeiten bei Einsetzen der Wehen nicht mehr zu bewältigen. Die HIV- Prävalenz bei Schwangeren liegt im En- gela-Distrikt bei 18,2 Prozent (2).

Um diese „Baumgemeinschaft auf Zeit“ gruppieren sich einige „Cuca- shops“ – inoffizielle Bars mit lauter Mu- sik – und kleine Marktstände, an denen Mopanewürmer und Hirsebier verkauft werden. Eine beschauliche Kulisse, wenn die von Hand gemalten Schilder der Bestatter neben der Krankenhaus- einfahrt nicht unmissverständlich be- legten, dass die Menschen hier mit einer Geißel leben müssen: Aids – die Krank- heit, über die man nicht spricht.

Der Vorschlag, im Krankenhaus eine Ambulanz für HIV und sexuell über-

tragbare Krankheiten (sexually trans- mitted diseases, STD) einzurichten, stieß bei den Mitarbeitern zunächst auf heftigen Widerstand. Hintergrund war die berechtigte Angst davor, dass die

„Oshilumbos“, wie die Weißen genannt werden, eine Entwicklung anstoßen würden, die die einheimischen Mitar- beiter aufgrund der mehr als dürftigen Personalsituation nach deren Weggang nicht mehr bewältigen könnten. Es gab beispielsweise für das gesamte Kran- kenhaus nur einen Counsellor, der Be- ratung und Aufklärung vor und nach ei- nem HIV-Test durchführte.

HIV-positiv bedeutete Tod

Die Wende kam im August 2003. Das namibische Gesundheitsministerium be- schloss, schrittweise die antiretrovirale Therapie zu implementieren. Die medi- kamentöse Aids-Behandlung war zu die- sem Zeitpunkt in den four o-regions nur im Referenzkrankenhaus Oshakati ver- fügbar, das rund 100 Kilometer von En-

Aids-Therapie in Namibia

Mit der Hoffnung kommt die Verantwortung

Die antiretrovirale Therapie ist auch unter den Bedingungen eines Entwicklungslandes möglich. Sie hilft, ein Tabu zu durchbrechen, und eröffnet neue Präventionsansätze.

Die Gynäkologin Dr. med. Daniela Wunderlich und ihr Mann, der Sozialpädagoge Ulrich Wunderlich, haben von April 2003 bis März 2005 in einem HIV/Aids-Projekt des Deutschen Entwicklungsdienstes in Namibia gearbeitet.

Fotos:Daniela Wunderlich

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gela entfernt liegt. Die Diagnose HIV- positiv bedeutete für die Patienten in der Regel Hoffnungslosigkeit und Tod.

Große Transportprobleme, große Di- stanzen und rudimentäre Kommunika- tionsstrukturen schienen die antiretro- virale Therapie für die ländliche Bevöl-

kerung der Ohangwena-Region uner- reichbar zu machen. Um eine verlässli- che Patientenbetreuung und eine syste- matische Überweisungspraxis zu ge- währleisten, eröffneten wir am Engela State Hospital im Dezember 2003 in en- ger Kooperation mit der Distrikt-Koor- dinatorin für HIV/Aids, STD und Tu- berkulose, Meme Kapofi, die „Infec- tious Disease Clinic“ (HIV-Ambulanz).

Am Anfang wurden in der HIV-Am- bulanz in erster Linie Tuberkulose und andere opportunistische Infektionen sowie sexuell übertragbare Erkrankun- gen der HIV-Patienten behandelt. Erst in einem zweiten Schritt wurden die Pa- tienten über eine antiretrovirale Thera- pie beraten. Qualifizierte sich ein Pati- ent nach den namibischen Richtlinien (1, siehe Kasten) für die antiretrovirale Therapie, wurde er zur Initiierung von HAART (highly active antiretroviral therapy) ins Oshakati State Hospital überwiesen. Die weitere ambulante Be- treuung der Patienten koordinierten beide Krankenhäuser gemeinsam.

Einmal wöchentlich transportierte der Krankenhausbus die HIV-Patien- ten nach Oshakati. Es dauerte jedoch nicht lange, bis die Vielzahl der Betrof- fenen die Kapazitäten sprengten. Fru-

striert mussten Patienten in Engela zurückbleiben, die mit der Therapie be- ginnen sollten. Einige starben, bevor ein Platz im Bus für sie frei wurde.

Erschwerend kam hinzu, dass wir pro Woche nur fünf Erwachsene und drei Kinder ins Oshakati State Hospital schicken durften. Anders war dort die Masse an thera- piebedürftigen HIV-Patien- ten nicht zu bewältigen.

Auf Druck der Betroffe- nen und Selbsthilfeinitiati- ven hin entschied das Ge- sundheitsministerium schließ- lich im August 2004, die anti- retrovirale Therapie in wei- teren Distrikt-Krankenhäu- sern zur Verfügung zu stel- len, auch in Engela. Das Ambulanz-Team nahm die- se Entscheidung zwar mit großer Freude auf. Gleich- zeitig bedeutete sie jedoch eine neue Herausforderung.

Für den Therapieerfolg un- erlässlich ist es, eine verläss- liche Medikamentenversorgung aufzu- bauen. Die Stelle des Krankenhaus- apothekers war jedoch seit eineinhalb Jahren vakant. Folglich erweiterten wir wieder einmal unseren Horizont, wälz- ten Bücher über „Drug Management“, verbrachten Stunden in der Apo- theke des Oshakati State Hospi- tal und erstellten Listen über den geschätzten monatlichen Ver- brauch an antiretroviralen Medi- kamenten.Wenige Wochen später luden wir mit der Hilfe des phar- mazeutischen Assistenten des Central Medical Store in Oshakati die Medikamente auf den Pick-up und holperten hoffnungsfroh 100 Kilometer über die Piste zurück nach Engela. Künftige Transporte würden über das bereits beste- hende, mehr oder weniger ver- lässliche System der Medikamen- tenbestellung und Belieferung der Krankenhausapotheke gere- gelt werden. Am 1. September 2004 konnten wir mit der Verord- nung antiretroviraler Medika- mente beginnen.

In der HIV-Ambulanz be- treuten wir täglich etwa 50 bis 70 Patienten. Medizinische Schwer-

punkte waren dabei die Prüfung der Indikation, die Behandlung von op- portunistischen Infektionen und Ne- benwirkungen der antiretroviralen The- rapie sowie gegebenenfalls die Thera- pieumstellung. Die Therapieentschei- dungen basierten ausschließlich auf dem klinischen Bild und der Zahl der CD4-Zellen, denn eine Bestimmung der Viruslast oder Tests auf Resisten- zen waren zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.

Neben den medizinischen Daten be- einflusst jedoch auch das soziale Um- feld die Entscheidung für oder gegen HAART. So galt es für die Vielzahl HIV-infizierter Aids-Waisen, die in der Regel von ihren betagten Großmüttern versorgt werden, einen zuverlässigen Therapie-Unterstützer (treatment sup- porter) zu finden. Bei den Erwachsenen war vor allem der weit verbreitete Al- koholmissbrauch ein wesentliches Aus- schlusskriterium für die antiretrovirale Therapie. Bei der sozialen Beratung spielte auch die Prävention eine große Rolle. Die Patienten mussten sich zur konsequenten Benutzung von Kondo- men verpflichten, wenn sie mit der anti- retroviralen Therapie beginnen woll- ten. Für viele betroffene Frauen stellte diese Forderung eine schier unüber- windliche Hürde dar, weil sich ihre T H E M E N D E R Z E I T

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HAART: Auswahlkriterien für Patienten

Medizinische Kriterien für Erwachsene:

>Stadium III oder IV der Erkrankung Laborwerte bei Erwachsenen

>generell: CD4 = < 250 Schwangerschaft: CD4 = < 300

Die Auswahl bei Kindern hängt von Alter, CD4-Status und Stadium der Erkrankung ab.

Soziale Auswahlkriterien:

Der Patient oder die Patientin

>hat während der vergangenen drei Monate einen festen Wohnsitz gehabt.

>hat ungehinderten Zugang zu einem Behandlungszentrum.

>hat sich zu einer Langzeitbehandlung unter HAART ver- pflichtet, hält sich an die Therapie, praktiziert safer sex und erlaubt Hausbesuche.

>hat einen Therapie-Unterstützer benannt.

>wird HAART abbrechen, wenn er oder sie zwei Kontroll- termine verpasst.

(Richtlinien des namibischen Gesundheitsministeriums)

Hoffnung für viele: Sprechstunde in der HIV-Ambulanz

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Partner in der patriarchalisch geprägten Gesellschaft vielfach schlicht weiger- ten, Kondome zu benutzen. Das brachte uns in einen schwierigen Konflikt, da wir diese Frauen streng genommen nicht in das HAART-Programm hätten aufnehmen dürfen. Ähnlich verhielt es sich mit den HIV-positiven Patienten aus Angola. Da HAART nun im staat- lichen Gesundheitswesen Namibias, nicht aber in Angola verfügbar ist, setz- te ein regelrechter Patienten-Grenzver- kehr ein. Die Bevölkerung im Norden Namibias und die im Süden Angolas gehören derselben Volksgruppe an. Das gestaltete es äußerst schwierig, den angolanischen Ovambo in der HIV- Ambulanz aufgrund der „falschen“

Staatsangehörigkeit die Therapie zu verweigern.

Eine große Herausforderung stellte die sozial-medizinische Versorgung HIV-infizierter Schwangerer dar. Sie litten häufig gleichzeitig an Tuberkulose und sexuell übertragbaren Erkrankun- gen wie Syphilis oder Hepatitis B.

Ein Frauenschicksal in Afrika

Anfang August 2004 erschien die 25- jährige T. in der Sprechstunde. Sie war ungefähr in der 35. Woche schwanger, es war das erste Kind. Ts Gesicht war von einem Herpes zoster entstellt, der auch das Auge in Mitleidenschaft gezogen hat-

te. Der HIV-Test fiel positiv aus. Da die Zahl der CD4-Zellen bei 131 lag, kam sie für HAART infrage. Um den Herpes zo- ster zu behandeln, nahmen wir T. sta- tionär auf und begannen zugleich mit der antiretroviralen Therapie (First Line in der Schwangerschaft: Nevirapine/3TC/

AZT). Die junge Frau zeigte keine we- sentlichen Nebenwirkungen, auch die Laborparameter blieben unauffällig.

Nach der Entlassung wurde sie regel- mäßig in die HIV-Ambulanz und die Kli- nik zur Geburtsvorbereitung einbestellt.

Vier Wochen später trugen jedoch Ver- wandte T. in die HIV-Ambulanz. Sie hat- te ihr Neugeborenes im rechten Arm.

Den linken Arm konnte sie wie die ge- samte linke Körperhälfte nicht bewegen.

Offenbar hatte sie einen Schlaganfall er- litten – sehr wahrscheinlich im Zusam- menhang mit der Geburt.Außerdem war sie auf dem vom Herpes befallenen Auge erblindet. Trotz dieser denkbar widrigen Umstände wurde sie weiterhin regel- mäßig in der HIV-Ambulanz vorstellig.

Ein Frauenschicksal in Afrika.

Neben der antiretroviralen Therapie HIV-infizierter Schwangerer gehörte auch das Programm zur Vermeidung der Übertragung des Aids-Erregers von der Mutter auf das Neugeborene (prevention of mother to child transmission, PMTCT) zu unseren Aufgaben. Auch die Post-Ex- positions-Prophylaxe nach Vergewalti- gung oder beruflicher Exposition wurde in der HIV-Ambulanz durchgeführt.

HIV/Aids verändert die traditionell gewachsenen sozialen Strukturen der Gesellschaft radikal. Die Generation der 20- bis 40-Jährigen stirbt unaufhalt- sam weg. Übrig bleiben die unzähligen Aids-Waisen, die das Sterben ihrer El- tern begleiten und dann bei betagten Großeltern, Tanten, Nachbarn oder weitläufigen Verwandten – oft in ein- fachsten Verhältnissen – aufwachsen und häufig selbst infiziert sind. Das Netz der extended family fängt diese el- ternlosen Kinder noch auf. Dennoch gibt es Fälle, in denen die Kinder ver- nachlässigt oder verstoßen werden, nicht zur Schule gehen, für niedrige Ar- beiten missbraucht und manchmal misshandelt oder vergewaltigt werden.

Die Existenz der HIV-Ambulanz gibt vielen neue Hoffnung. Die Option einer lebensverlängernden Therapie erleich- tert es, über die eigene HIV-Infektion und die dadurch entstehenden Probleme zu reden. Ein Tabu weicht langsam auf.

Bis Dezember 2004 behandelten wir in der HIV-Ambulanz Engela 757 Pati- enten. 183 wiesen einen CD4-Count von mehr als 250 Zellen auf und befanden sich im Stadium I oder II. Nach den na- mibischen Richtlinien war bei diesen Pa- tienten die Indikation zum Beginn der Therapie noch nicht gegeben – ein Um- stand, den die Patienten auch akzeptier- ten. 336 Patienten befanden sich in der Vorbereitungsphase.Weitere 238 wurden ins HAART-Programm aufgenommen.

Darunter waren 61 Kinder im Alter von zwei bis zwölf Jahren. Mit 132 lag der Anteil der Frauen unter unseren Patien- ten wesentlich höher als der der Männer (37). Die gute Kooperation mit der Schwangerenvorsorge ermöglichte acht Schwangeren eine antiretrovirale Thera- pie. Nach der Entbindung wurden die Neugeborenen ebenso wie ihre Mütter in der HIV-Ambulanz weiter betreut.

Ein wesentlicher Nebeneffekt des Therapieangebots ist die Entstigmati- sierung der Betroffenen. Dies bewegte auch viele Klinikmitarbeiter dazu, in der HIV-Ambulanz Hilfe zu suchen.

Dennoch blieb die Einbeziehung der Männer durchgängig ein Problem. Die Mehrheit der Frauen gab an, nach Be- kanntwerden ihrer HIV-Infektion, ab- stinent zu leben. Dagegen erklärten die Männer bei der Erstvorstellung in der HIV-Ambulanz, in der Regel keine A

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Visite auf der Frauenstation: Das Krankenhaus in Engela verfügt über 230 Betten.

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Kondome zu benutzen und weiterhin wechselnde Sexualpartner zu haben.

Durch die intensive Beratung und Vor- bereitung auf die antiretrovirale Thera- pie stellte sich bei vielen Männern eine neue Einsicht in notwendige Verhal- tensänderungen ein.

Sowohl die Entstigmatisierung als auch die Vermittlung von sexuellem Ver- antwortungsbewusstsein kristallisierten sich zu einem neuen Präventionsansatz heraus, der jedoch nur mit der antiretro- viralen Therapie erreicht werden kann.

Aus der Hoffnung der Betroffenen, die an die antiretrovirale Therapie geknüpft ist, ergibt sich eine neue Motivation, sich der HIV-Infektion zu stellen und sich und andere zu schützen. Trotz der schwierigen Lebensumstände vieler Pa- tienten und der Verständigungsschwie- rigkeiten (90 Prozent der Patienten

sprechen nur Oshikwanyama) haben wir den größten Wert auf die bestmögli- che Therapietreue gelegt, um Resistenz- entwicklungen zu vermeiden. Maßgeb- lich hierfür ist eine individuell zuge- schnittene medizinische und soziale Be- treuung der Patienten.

Hilfe kommt für viele zu spät

Wegen der hohen HIV-Prävalenz und der sinkenden Zugangsschwelle wer- den in Zukunft enorme personelle Res- sourcen zur Bewältigung dieser Auf- gabe notwendig sein. Die Einführung der antiretroviralen Therapie unter den Bedingungen eines Entwicklungslandes muss sehr sorgsam, kritisch und mit aus- reichender Geduld erfolgen. Beobach- tet man, wie sich die Patientinnen und

Patienten unter HAART verändern – von Dahinsiechenden zu wieder sozial integrierten lebenstüchtigen Mitmen- schen –, beantwortet sich die viel disku- tierte Frage von allein, ob man den Menschen im südlichen Afrika diese Therapie unter den dort gegebenen einfachen medizinischen und sozialen Bedingungen zugänglich machen kann und soll. Leider hilft HAART nicht allen, und für viele kommt die Option bereits zu spät. Dr. med. Daniela Wunderlich Ulrich Wunderlich E-Mail: du.wunderlich@web.de

Literatur

1. Ministry of Health and Social Services, Republic of Na- mibia: Guidelines for Anti-Retroviral Therapy; First Edi- tion April 2003; 5–7.

2. Ministry of Health and Social Services, Republic of Na- mibia: HIV/AIDS Sentinel Sero Survey Results 2004.

3. www.namibian.com.na/2004/december/national/

047F4496F.html.

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ine antiretrovirale Therapie ist bisher noch nicht möglich.“ So endete ein Bericht über die Arbeit der Hilfsorganisation „Komitee Ärz- te für die Dritte Welt“ in einem Slum von Nairobi, der 2003 im Deutschen Ärzteblatt er- schien (Heft 12). Seither hat sich vieles zum Guten gewandelt.

Das HIV-Programm des Komitees im Baraka Medical Centre im Mathare Valley in Nairobi startete 2001 und umfasste zunächst die frei- willige Beratung und einen HIV-Test. Ziel war es, weitere HIV-Infektionen zu verhindern und bereits Infizierte zu betreuen. In der Folge wurde das Angebot stetig erweitert. Es umfasst nun im Rahmen der medizinischen Betreu- ung ein Gewichtsmonitoring, Tuberkulose- screening sowie die Prophylaxe opportu- nistischer Infektionen mit Cotrimoxazol. Pati- enten mit einem Bodymass-Index von weni- ger als 17 oder sehr schlechtem Sozialstatus werden in ein Ernährungsprogramm aufge- nommen. Es gibt eine Selbsthilfegruppe für HIV-Infizierte sowie eine häusliche Betreuung von Schwerstkranken.

Seit Februar 2005 wird eine antiretrovirale Therapie (ART) angeboten, und zwar als Triple- Therapie ab Stadium III oder IV oder ab einer CD4-Zellzahl von unter 200. Für die meist ver- wendeten Medikamente Lamivudin, Stavudin

und Nevirapin liegen Fixkombinationen vor, sodass sich die Einnahme für die meisten Pati- enten auf zweimal eine Tablette beschränkt.

Kriterien für die Aufnahme in das Therapie- programm sind ein naher Wohnort, die bishe- rige Compliance sowie die Bereitschaft zur Teilnahme an einer ART-Selbsthilfegruppe. Vor Behandlungsbeginn findet eine wiederholte intensive Beratung über die Notwendigkeit der regelmäßigen Medikamenteneinnahme, mögliche Nebenwirkungen und Resistenz- entwicklungen statt. Opportunistische Infek- tionen werden vor Beginn behandelt. Jeder Patient soll darüber hinaus einen so genann- ten Behandlungsbegleiter (Treatment-Buddy) angeben, der eine Mitverantwortung für die regelmäßige Medikamenteneinnahme über- nimmt. Außerdem wird jedem Patienten ein Community Health Worker als Ansprech- partner zugeordnet.

Im ersten Monat kommen die Patienten al- le zwei Wochen in die Sprechstunde, danach monatlich. In regelmäßigen Abständen wer- den Blutbild und Leberwerte kontrolliert, alle sechs Monate werden die CD4-Zahlen be- stimmt. Die Therapie wird von nichtärzt- lichem Personal durchgeführt; die keniani- schen Richtlinien sind kochbuchartig: Medi- kamentenregime, Dosierung, Vorgehen bei

Nebenwirkungen werden anhand von Fluss- diagrammen vorgegeben.

Derzeit werden im Baraka Medical Centre etwa 1 000 HIV-positive Patienten betreut.

Gut ein Drittel von ihnen erfüllt die WHO-Kri- terien für eine antiretrovirale Therapie. Auf- grund personeller und finanzieller Engpässe erhalten derzeit allerdings nur 90 Patienten eine antiretrovirale Therapie. Bei den Behan- delten ist die durchschnittliche CD4-Zahl von 175 vor Therapiebeginn auf 295 nach sechs Monaten gestiegen. Bei den meisten hat sich der klinische Zustand entscheidend, zum Teil erheblich verbessert.

Seit Beginn der medikamentösen Aids-Be- handlung sind die Teilnehmerzahlen im HIV- Programm des Komitees „Ärzte für die Dritte Welt“ in die Höhe geschnellt. Die monatlichen Beratungen stiegen von etwa 300 auf jetzt durchschnittlich 460. Waren ehemals 57 Pro- zent der Beratenen bereit, sich einem HIV-Test zu unterziehen, sind es jetzt 97 Prozent – ein Ausdruck der Hoffnung, denn es lohnt sich in- zwischen, sich testen zu lassen. Selbst ein po- sitives Testergebnis ist kein Todesurteil mehr.

Eine antiretrovirale Therapie verlängert Le- ben und steigert die Lebensqualität. Sie dient der Erhaltung der Arbeitskraft für Familie und Gesellschaft, reduziert die Zahl der Aids-Wai- sen, verringert die Transmissionsrate durch die gesenkte Viruslast, steigert die Bereitschaft, sich testen zu lassen, und dient damit auch der Primärprävention.Aids wird allmählich entstig- matisiert. Barbara Hünten-Kirsch Eike Uhlich

Erfolgreiche Therapie in einem

Armenviertel von Nairobi

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