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Archiv "Neue Perspektiven in Pathogenese und Therapie von AIDS" (27.03.1998)

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om 3. bis 5. Oktober 1997 tra- fen sich 300 Wissenschaftler in Bamberg zu einem internatio- nalen Symposium über AIDS und Leukämien. Eingeladen hatte der Mitte 1996 eingerichtete Sonderfor- schungsbereich (SFB) 466 der Deut- schen Forschungsgemeinschaft der Universität Erlangen-Nürnberg mit dem Titel „Lymphoproliferation und virale Immundefizienz“. Sprecher des Sonderforschungsbereiches und Prä- sident der Tagung war Prof. Dr. Bern- hard Fleckenstein vom In-

stitut für Klinische und Mo- lekulare Virologie. Interna- tional anerkannte AIDS- und Leukämieforscher aus den USA, aus Japan und England stellten ihre aktuel- len Forschungsergebnisse in Bamberg vor. Besondere Beachtung fanden dabei Beiträge aus der aktuellen HIV-Forschung.

Der Erreger des erwor- benen Immunschwäche- Syndroms (AIDS), das hu- mane Immundefizienzvirus Typ 1 (HIV1), ist ein Vertre- ter der Retroviren. Ein Cha- rakteristikum der Retrovi- ren ist, daß nach der Infekti- on das virale Erbgut in das genetische Material (Ge- nom) der Wirtszelle einge- baut wird und mit jeder Zellteilung weitervererbt wird. Die Tatsache, daß die Integration des viralen Erb- gutes in das Genom der Wirtszelle einen grundle- genden Vorgang der Infek- tion darstellt, macht es zu-

mindest in den nächsten Jahren äußerst unwahrscheinlich, daß im Rahmen einer Therapie die vollstän- dige Entfernung sämtlicher Viren aus dem Gewebe Infizierter gelingen wird. Die Therapie von HIV1-Infek- tionen beruht gegenwärtig auf der

Verabreichung einer Kombination verschiedener Inhibitoren der viralen Enzyme Reverse Transkriptase und Protease. Diese Therapieform verzö- gert den Krankheitsverlauf, stellt je- doch keine Heilung dar.

HIV-Korezeptoren

Ein attraktives Ziel für neue anti- virale Therapien sind die im letzten Jahr entdeckten Korezeptoren von

HIV. Bereits seit 1984 ist bekannt, daß das CD4-Molekül den primären Re- zeptor für die humanen Immundefizi- enzviren darstellt. Fast genausolange weiß man, daß CD4 allein für die In- fektion der Wirtszellen nicht aus- reicht. Dr. Nathaniel Landau vom Aa-

ron Diamond AIDS Research Center in New York, der wesentlich an der er- folgreichen Suche nach den Korezep- toren von HIV beteiligt war, faßte in seinem Vortrag die wichtigsten neuen Erkenntnisse zusammen. Zum Durchbruch führten zwei Beobach- tungen: Zunächst berichteten im De- zember 1995 Forscherteams unter der Leitung von Prof. Dr. Robert Gallo und Prof. Dr. Paolo Lusso, daß primä- re HIV1-Isolate durch drei Chemoki- ne, RANTES, MIP-1a und MIP-1b, wirksam und spezifisch ge- hemmt werden.

Etwa ein halbes Jahr später konnte die Gruppe von Prof. Dr.

Edward Berger zeigen, daß T- Zell-adaptierte, zytopathische HIV-Varianten den Chemokin- Rezeptor CXCR4 (Fusin, LE- STR) für die effiziente Infek- tion benutzen. Die drei oben genannten Chemokine binden an den CCb-Chemokinrezeptor CCR5, der, wie CXCR4, zur Fa- milie der 7-Transmembran-b- Chemokin-Rezeptoren gehört.

Mehrere Arbeitsgruppen, unter anderem auch die von Dr. Lan- dau, konnten innerhalb kürze- ster Zeit belegen, daß CCR5 als Korezeptor für primäre makro- phagentrope HIV-Varianten dient. Dieser spielt besonders bei der sexuellen Übertragung von HIV eine Rolle. Mittlerwei- le ist bekannt, daß neben CCR5 und CXCR4 noch eine ganze Reihe weiterer Chemokinrezep- toren den Eintritt zumindest ei- niger HIV-Varianten in die Zelle ermöglichen.

Zahlreiche weitere wichti- ge Erkenntnisse zur Übertragung und Pathogenese der HIV-Infektion wurden seitdem gewonnen. So zeig- ten Landau und andere Forscher, daß etwa ein Prozent der Europäer und weißen Amerikaner homozygo- te Deletionen von 32 Basenpaaren A-750

M E D I Z I N

(58) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 13, 27. März 1998

KONGRESSBERICHT

Neue Perspektiven in Pathogenese

und Therapie von AIDS

V

Hemmung der Adsorption?

Reversetranskriptase-Hemmung

Hemmung des Kernexports viraler RNA?

Protease-Hemmung Adsorption

Penetration

Kern-Transport Integration Reverse Transkription

Transkription Spleißen

Translation virale Protease Zusammenbau

Freisetzung Verpackung

Kern-Export R U5

R U5 U3 R U5

U3 R U5

U3 R U5 U3 R

U3 R U3 R R U5

U3 R R U5

U3 R R U5

U3 R U5

Grafik

Ansätze der antiviralen Therapie im Vermehrungszyklus von HIV. Die gegenwär- tige Therapie gegen HIV beruht auf der gleichzeitigen Verabreichung einer Kom- bination von Inhibitoren der viralen Enzyme Reverse Transkriptase und Protea- se. Attraktive Ziele für neue antivirale Therapien sind die im letzten Jahr ent- deckten Korezeptoren von HIV sowie die spezifischen Wechselwirkungen zwi- schen Virus und Wirtszelle, die für den Kernexport viraler RNA notwendig sind.

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(§32/§32) im CCR5-Gen aufweisen.

Der Defekt im CCR5-Gen führt da- zu, daß makrophagentrope HIV- Varianten sich nicht in den mutierten Blutlymphozyten vermehren kön- nen.

Dadurch scheinen Menschen mit den mutierten §32/§32-CCR5- Allelen weitgehend resistent ge- genüber der sexuell übertragenen HIV-Infektion zu sein. Dieser Schutz gegen das Virus ist jedoch nicht ab- solut. Mittlerweile gibt es vier Be- richte über HIV-positive Personen mit dem §32/§32-Genotyp. Wahr- scheinlich diente in diesen Fällen CXCR4 als Korezeptor; eine Beteili- gung anderer Chemokinrezeptoren kann jedoch ebenfalls nicht ausge- schlossen werden.

Ob heterozygote Deletionen im CCR5-Gen, die bei bis zu 20 Prozent der weißen Amerikaner und Eu- ropäer beobachtet werden, das In- fektionsrisiko verringern, ist umstrit- ten. Gut belegt ist dagegen, daß bei HIV-Infizierten mit dem heterozy- goten Genotyp die Progression zu AIDS etwa zwei Jahre länger dauert.

Bricht AIDS jedoch bei diesen Pa- tienten aus, so scheint der Krank- heitsverlauf bei diesen Patienten überraschenderweise beschleunigt zu sein.

Neben diesen genetischen Fak- toren ist auch der virale Tropismus für bestimmte Korezeptoren wichtig für die Prognose der HIV-Infektion.

Während der asymptomatischen Phase findet man hauptsächlich HIV-Varianten, die CCR5 benutzen und als NSI-Viren (nicht synzytien- induzierende Viren) bezeichnet wur- den. Nach oder während der Pro- gression zu AIDS treten Virus-For- men auf, die CXCR4 und teilweise auch andere Chemokinrezeptoren für den Eintritt in die Wirtszelle be- nutzen können, sogenannte SI-Vari- anten (synzytieninduzierende Vari- anten).

Wird die Verwendung von CXCR4 als Korezeptor nachgewie- sen, ist die Krankheitsprognose für den Patienten eher schlecht. Bemer- kenswert ist dabei, wie auch von dem Erlanger Wissenschaftler Priv.-Doz.

Dr. Frank Kirchhoff beobachtet wur- de, daß das im Tiermodell von HIV verwendete Affenimmundefizienz-

virus SIVmac239, im Gegensatz zu HIV1 und dem eng verwandten HIV2, anscheinend nicht CXCR4 als Kofaktor verwendet.

Für die Entwicklung neuer The- rapeutika könnte die Entdeckung der Korezeptoren von großer Bedeutung sein. Die Liganden von CCR5 (MIP- 1a, MIP-1b und RANTES) und CXCR4 (SDF1) hemmen die Ver- mehrung der entsprechenden HIV- Varianten in Zellkultur. Prof. Dr.

Robert Gallo, Leiter des Institute for Human Virology in Baltimore, stellte während seines Vortrages darüber hinaus ein neues Chemokin vor (MDF), das alle bisher getesteten HIV-Stämme in Zellkultur inhibiert.

Langzeitasymptomatische HIV-Infi- zierte sollen besonders hohe Konzen- trationen an inhibitorischen Chemo- kinen aufweisen.

Daher könnten möglicherweise Chemokine auch in der Therapie eingesetzt werden. Es gibt bereits er- ste Erfolge damit, das Chemokin RANTES chemisch zu modifizieren, so daß es keine entzündliche Reak- tion auslöst, aber die Vermehrung von HIV mit hoher Effizienz blok- kiert. Diese Versuche und die Ent- wicklung von inhibitorischen Anti- körpern gegen die HIV-Korezepto- ren befinden sich noch im frühen ex- perimentellen Stadium, stellen aber aussichtsreiche Strategien zur Ver- besserung der AIDS-Therapie dar (Grafik).

Möglichkeiten der

somatischen Gentherapie

Weitere Ansätze für die AIDS- Therapie ergeben sich aus Untersu- chungen von Faktoren, die für die vi- rale Genexpression sowie die Akti- vierung des viralen Erbgutes not- wendig sind. Es erscheint denkbar, daß man durch Blockierung der Ak- tivierung des viralen Erbguts die Neubildung von HIV1 komplett in- hibiert und deshalb der Ausbruch von AIDS bei HIV1-Infizierten ver- hindert wird.

Die Aktivierung des Erbgutes von HIV1 benötigt das komplexe Zusammenspiel von viralen Regula- torproteinen mit Faktoren der infi- zierten Wirtszelle. Es ist deshalb not-

wendig, die zellulären Zielstruktu- ren essentieller viraler Regulator- proteine zu identifizieren. Die selek- tive Inhibition dieser Wechselwir- kungen zwischen Virus und Wirtszel- le erlaubt es dann, die Aktivierung des viralen Erbgutes und damit die Virusvermehrung spezifisch zu blockieren.

Die Funktion und Struktur die- ser essentiellen Regulatorproteine auf molekularbiologischer Ebene werden in den Vereinigten Staaten unter anderem in den Laboratorien von Prof. Dr. Matija Peterlin, San Francisco, und Prof. Dr. Bryan Cul- len, Durham, untersucht. Ohne das virale Regulatorprotein Rev können die Strukturproteine für die Hülle und das Kapsid von HIV nicht syn- thetisiert werden. Außerdem kön- nen ohne Rev keine RNA-Virusge- nome in das Zytoplasma gelangen und damit keine vermehrungsfähi- gen Nachkommenviren gebildet werden.

Neuere Untersuchungen konn- ten nun zeigen, daß für die Rev- Funktion eine spezifische Interakti- on von Rev mit zellulären Faktoren notwendig ist. Prof. Dr. Bryan Cul- len,Howard Hughes Medical Institu- te, Durham, North Carolina, stellte in seinem Vortrag einen solchen zel- lulären Faktor, genannt Rab, vor.

Rab scheint hochspezifisch an das HIV1-Rev-Protein zu binden. In- teressanterweise korreliert diese Bindung mit der Funktion von Rev.

Rab wiederum scheint Eigenschaf- ten von Faktoren zu besitzen, welche sich an Kernporen des Zellkerns be- finden und wahrscheinlich den Stoff- austausch zwischen Kern und Zyto- plasma kontrollieren.

Ein weiteres Rev-bindendes Protein, der eukaryotische Initiati- onsfaktor 5A (eIF-5A) wurde von Prof. Dr. Joachim Hauber,Extraor- dinarius für Virologie in Erlangen, beschrieben. eIF-5A bindet eben- falls Rev und beeinflußt dessen Funktion. Inaktive Formen von eIF- 5A hemmen die Rev-Funktion. Da- bei ist besonders bemerkenswert, daß außerdem durch diese Varianten von eIF-5A die Vermehrung von HIV1 in menschlichen Immunzellen wirksam blockiert wird. Es ist daher denkbar, daß im Rahmen eines so- A-751

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Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 13, 27. März 1998 (59) KONGRESSBERICHT

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matischen Gentherapie-Protokolls diese inaktiven eIF-5A-Gene in das Immunsystem von HIV1-infizierten Patienten eingebracht werden kön- nen.

Die Bildung der entsprechen- den Proteine könnte spezifisch zur Hemmung der Virusvermehrung im behandelten Patienten führen. Diese selektive Inhibition der spezifischen Wechselwirkungen zwischen Virus und Wirtszelle bei der viralen Genex- pression macht die identifizierten Faktoren zu attraktiven Kandidaten für den Einsatz in der somati- schen Gentherapie bei HIV- Erkrankungen.

Einsatz von

Lebend-Impfstoffen?

Durch die öffentliche Diskussion über den mög- lichen Einsatz eines ab- geschwächten HIV-Lebend- Impfstoffes an freiwilligen Probanden in den Vereinig- ten Staaten erhielt das Bam- berger Symposium zusätzli- che Aktualität, da der Ent- decker dieses Impfstoffes, Prof. Ronald C. Desrosiers vom Primate Research Cen- ter der Harvard Medical School in Boston, zu den Gastsprechern dieses Sympo- siums gehörte.

Am Rande des Symposi- ums wurde intensiv über die- sen Imfpstoff diskutiert. Die Entwicklung eines wirksa- men HIV-Impfstoffes ist schon seit langem ein wichti- ger Schwerpunkt in der HIV- Forschung. Besondere Be- deutung hat er für Entwick- lungsländer, in denen 90 Pro- zent der HIV-Infizierten le- ben und in denen eine HIV-Thera- pie nicht bezahlbar ist. Herkömm- liche Impfstrategien mit inaktivier- ten Viren, viralen Proteinen, syn- thetischen Peptiden, rekombinanten Vakziniaviren, Virus-ähnlichen Par- tikeln und gereinigter DNA haben selbst unter stark optimierten ex- perimentellen Bedingungen bisher enttäuschende Resultate geliefert.

Im Jahre 1991 publizierte die Ar-

beitsgruppe von Desrosiers in der Zeitschrift Cell ein sehr überra- schendes Ergebnis: Affenimmunde- fizienzviren (SIV) mit einer großen konstruierten Deletion im nef-Gen vermehrten sich im Vergleich zu Formen mit intaktem nef etwa 1000fach weniger effizient und wa- ren nicht pathogen.

Dieses Ergebnis hat die bis da- hin vorherrschende Meinung zur Wirkungsweise des nef-Gens voll- ständig gewandelt; war man doch da- von ausgegangen, daß nef die Virus-

vermehrung inhibiert und möglicher- weise eine Rolle bei der Latenzent- wicklung spielt. Spektakulär war auch das nächste Ergebnis aus dem Labor von Desrosiers: Als die Tiere mehr als zwei Jahre nach der Infekti- on mit den nef-defekten SIV-Varian- ten Belastungsinfektionen mit hohen Dosen an pathogenen Viren ausge- setzt wurden, waren alle vor der In- fektion geschützt.

Basierend auf diesen Ergebnis- sen schlug Desrosiers bereits 1993 ein stufenweises Konzept zur Ent- wicklung von abgeschwächten Im- mundefizienzviren als AIDS-Vakzi- ne vor. Dazu gehört insbesondere das Einfügen von Defekten in meh- reren viralen Genen zur Erhöhung der Sicherheit. Es soll damit verhin- dert werden, daß ein defektes HIV- Impfvirus zu einer AIDS-Erkran- kung führt.

Inzwischen haben mehrere For- schungsgruppen bestätigt, daß die le- bend-attenuierten Viren ei- nen sehr effizienten Schutz induzieren. Weiterhin wur- den keine Reversionen zu pa- thogenen Formen beobach- tet.

Die Resultate weisen je- doch auch darauf hin, daß ei- ne gewisse virale Vermeh- rung notwendig ist, um das Immunsystem so zu stimulie- ren, daß ein wirksamer Schutz aufgebaut wird. Diese notwendige virale Vermeh- rung birgt jedoch auch das Si- cherheitsrisiko einer derarti- gen Vakzine. Die Gruppe von Prof. Ruth Ruprechtaus Bo- ston zeigte, daß auch nef-de- fekte Varianten, wenn man sie neugeborenen Rhesusaf- fen, deren Muttertiere nicht infiziert waren, in sehr hohen Dosen direkt nach der Ge- burt oral appliziert, AIDS verursachen können.

Da unter derartig extre- men Bedingungen wohl jeder Lebendimpfstoff zu Kompli- kationen führen würde, sind noch unpublizierte Berichte über vereinzelte Erkrankun- gen bei ausgewachsenen Rhesusaffen wesentlich be- unruhigender. Wichtige Hin- weise darauf, daß möglicherweise auch abgeschwächte HIV-Vakzinen gegen AIDS beim Menschen herge- stellt werden können, ergaben Un- tersuchungen an langzeitasympto- matischen HIV1-Infizierten.

Mittlerweile konnten weltweit bei insgesamt neun dieser „Nonpro- gressors“ ausschließlich nef-defekte Proviren nachgewiesen werden. Alle zeigten eine sehr niedrige Virusbela-

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(60) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 13, 27. März 1998

KONGRESSBERICHT

Polymorphismus im SDF1-Gen möglicherweise für unterschiedliche

AIDS-Progession verantwortlich Möglicherweise beeinflussen nicht nur Defekte in HIV-Korezeptoren CCR2 und CCR5 die AIDS-Pa- thogenese. Eine neue Studie unter der Leitung von Dr. Stephen O’Brien (National Cancer Institute, Be- thesda, USA) beschreibt homozygote Sequenzvaria- tionen in der konservierten, nicht-translatierten 3’Region des Gentranskripts für SDF1 bei knapp 5 Prozent der untersuchten Patienten (Winkler C et al.: Genetic restriction of aids pathogenesis by an SDF1 chemokine gene variant. Science 1998; 279:

389–393). Das Auftreten dieser SDF1-3’A-Variation soll die Progression zu AIDS stärker verlangsamen als die beschriebenen Defekte in den Korezeptoren.

Die Autoren spekulieren, daß dieser Sequenz-Poly- morphismus die Produktion oder den Transport von SDF1 beeinflußt. Eine erhöhte SDF1-Produktion könnte dann, über die Blockierung und die Herabre- gulierung von CXCR4, die Vermehrung der zytopa- thischen SI-Varianten herabsetzen und so die Pro- gression zu AIDS verlangsamen. Falls es sich be- stätigt, daß diese Mutation die SDF1-Konzentratio- nen in HIV1-Infizierten erhöht, eröffnet diese Beob- achtung wichtige Perspektiven für die Entwicklung neuer Therapeutika. SDF1 selbst oder modifizierte Formen des Moleküls könnten möglicherweise selbst zu späten Stadien der Infektion HIV1 wirksam

hemmen. Monika Gröne

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dung und entwickelten keine Anzei- chen einer Immundefizienz.

Es gibt einige Ansätze, um die Effizienz und die Sicherheit dieser lebend-attenuierten Impfstoffe zu erhöhen. So hat Priv.-Doz. Dr. Klaus Überla aus Erlangen rekombinante SIV-Varianten hergestellt, die ver- schiedene Zytokingene anstelle des nef-Gens enthalten.

Durch die lokale Koexpression der Zytokine mit den viralen Anti- genen sollen die antivirale Immun- antwort verbessert und Mechanis- men, die für eine protektive Immun- antwort wichtig sind, identifiziert werden. Desrosiers stellte in sei- nem Vortrag ein weiteres Konzept vor, den jetzigen Impfstoff zu ver- bessern.

Die viralen Hüllproteine, die ein Hauptziel der antiviralen Immun-

antwort darstellen, bestehen zu etwa 50 Prozent aus Kohlenhydraten. Die starke Glykosylierung erschwert die Erkennung durch neutralisierende Antikörper und hilft anscheinend dem Virus, sich dem Zugriff des Im- munsystems zu entziehen. SIV-Vari- anten, bei denen einige Glykosylie- rungsstellen entfernt worden waren, induzierten höhere Antikörpertiter und waren nicht in der Lage, effizi- ent zu persistieren. Möglicherweise würden also abgeschwächte, defekte Varianten, deren Hüllproteine in we- niger starkem Maße durch Zucker- reste maskiert sind, sowohl eine bessere Immunantwort induzieren als auch gleichzeitig stärker abge- schwächt sein.

Zusammenfassend stellen auf- grund der beindruckenden Schutzef- fekte die attenuierten Lebendviren,

trotz der großen Sicherheitsproble- matik, eine der aussichtsreichsten Strategien der HIV-Impfstoffent- wicklung dar.

Ob ein derartiger Impfstoff je- doch jemals breite Anwendung im Menschen finden wird, ist aufgrund der schwierigen Sicherheitsabschät- zung zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen.

Priv.-Doz. Dr. rer. nat.

Frank Kirchhoff

Dr. rer. nat. Monika Gröne Prof. Dr. rer. nat. Joachim Hauber Nationales Referenzzentrum für Retroviren

Institut für Klinische und Molekulare Virologie

Universität Erlangen-Nürnberg Schloßgarten 4

91054 Erlangen

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KONGRESSBERICHT/FÜR SIE REFERIERT

(62) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 13, 27. März 1998 Werden in Städten für intravenös

Drogenabhängige Nadelaustausch- Programme angeboten, führt dies im Durchschnitt zu einer abnehmenden HIV-Seroprävalenz. Dies ist ein Stu- dienergebnis einer australischen Ar- beitsgruppe, die die Wirksamkeit die- ser, teilweise umstrittenen, Schlüssel- strategie zur Bekämpfung der Aus- breitung der HIV-Infektion unter- suchte.

In der Studie von Hurley et al.

wurden die Daten aus verschiede- nen publizierten Untersuchungen zur HIV-Seroprävalenz der Jahre 1984 bis 1994 zur Analyse herangezogen. Fer- ner wurden unveröffentlichte Infor- mationen über die HIV-Seropräva- lenz aus mehreren Gesundheitszen- tren der Vereinigten Staaten über den Zeitraum von 1988 bis 1993 ausgewer- tet. Die vorliegende Untersuchung basiert auf Daten aus 81 Städten und von insgesamt 322 892 Drogenab- hängigen.

Im Durchschnitt stieg die HIV- Seroprävalenz in 52 Städten ohne Na- delaustausch-Programme um jährlich 5,9 Prozent. Die HIV-Seroprävalenz sank hingegen durchschnittlich um 5,8 Prozent pro Jahr in 29 Städten, in de-

nen diese Präventivmaßnahme einge- führt worden war.

Eine plausible Erklärung dieser Differenz sehen die Autoren in einer Verminderung der HIV-Inzidenz un- ter intravenös Drogenabhängigen durch die Nadelaustausch-Program- me. Nach Ansicht der Autoren spre-

chen die Ergebnisse der Studie, trotz einiger Einschränkungen, zusammen mit dem verständlichen theoretischen Mechanismus der Nadelaustausch- Programme für die Wirksamkeit die-

ser Maßnahme. mll

Hurley SF et al.: Effectiveness of needle- exchange programmes for prevention of HIV infection. Lancet 1997; 349:

1797–1800.

Dr. Hurley, Research and Development Division, CSL Limited, 45 Poplar Road, Parkville, Victoria 3052, Australien.

Gute Ergebnisse der Nadelaustausch- Programme für Drogenabhängige

Die Bedeutung der Rachenan- ästhesie vor Durchführung einer Ma- genspiegelung wird unterschiedlich be- urteilt. Viele Gastroenterologen ver- zichten auf diese Maßnahme, da an- schließend noch für einige Zeit die Gefahr einer Aspiration besteht. Die Autoren von der Royal London School of Medicine führten eine randomisierte Doppelblindstudie durch, wobei ent- weder 30 mg oder 100 mg Xylocain- Spray zum Einsatz kamen und die Pa- tienten diese Maßnahme zu beurteilen hatten.

Unter der 100-mg-Dosierung klag- ten weniger Patienten über Schwierig- keiten beim Einführen des Endoskops und während der gesamten Untersu- chung. Trotzdem bestand etwa ein Drittel der Patienten auf zusätzlich se-

dierenden Maßnahmen. Ängstliche Pa- tienten jüngeren Lebensalters, insbe- sondere Frauen, sprachen sich auch nach ausgiebiger Rachenanästhesie für sedierende Maßnahmen bei künftigen Magenspiegelungen aus, so daß weni- ger die Rachenanästhesie, in welcher Dosierung auch immer, als vielmehr se- dierende Maßnahmen entscheidend zur Akzeptanz der Untersuchung bei-

tragen. w

Mulcahy HE, Greaves RRSH, Ballinger A, Patchett S E, Riches A, Fairlough PD, Farthing MJG. A double-blind ran- domized trial of low-dose versus high- dose topical anaesthesia in unsedated upper gastrointestinal endoscopy. Ali- ment Pharmacol Ther 1996; 10: 975–979.

Digestive Diseases Research Centre, St.

Bartholomew’s and The Royal London School of Medicine and Dentistry, Lon- don, Großbritannien.

Rachenanästhesie vor Gastroskopie?

Referenzen

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