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S P E K T R U M AKUT
(4) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 24, 18. Juni 1999
7. Deutscher AIDS-Kongreß
Dringender Bedarf an neuen Arzneien
S
chätzungsweise 30,6 Millionen Menschen sind derzeit weltweit mit HIV infiziert. Die Hälfte der Neuinfektionen betrifft junge Menschen, was regional zu einer erheblichen Morbidität und Mortalität in dieser Altersklasse führt. Wie Prof.Norbert Brockmeyer (Dermatologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum) als Präsident auf dem 7. Deutschen AIDS-Kongreß in Essen berichtete, sind zum Beispiel in Westberlin über zwei Prozent al- ler Männer, die zwischen 1950 und 1960 geboren sind, HIV-infiziert. „Dabei ist die Infektion schon lange nicht mehr auf Risikogruppen beschränkt, denn mitt- lerweile sind 20 Prozent der Betroffenen Frauen;
außerdem stieg der Anteil der Heterosexuellen in den letzten Jahren von etwa zwei Prozent auf 13 Pro- zent an, wobei viele Infektionen bei Urlaubs- kontakten erworben wurden“, so Brockmeyer.
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ach Angaben von Prof. Helga Rübsamen- Waigmann (Wuppertal) werden ein Drittel der Neuinfektionen nicht mehr durch den hierzulande vorherrschenden Subtyp B verursacht, sondern durch Subtypen, die überwiegend aus Asien eingeschleppt werden. „Bislang lassen sich die mei- sten HIV-Subtypen durch die existierenden Medika- mente hemmen, allerdings mit leicht veränderten Empfindlichkeiten. Einige seltene Subtypen, zum Beispiel O, sind schwer hemmbar“, so die Wissen- schaftlerin. Zu bedenken sei auch, daß immer häufi- ger resistente HI-Viren sexuell übertragen werden.Es bestehe daher ein dringender Bedarf für neue Me- dikamente mit neuen Wirkprinzipien. Alternativ werde die Kombination von antiviraler Chemothera- pie mit immunstimulierenden Prinzipien untersucht.
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ufgrund der Ergebnisse der biologischen Grundlagenforschung bestehen verschiedene Ansatzpunkte zur Entwicklung neuer Thera- peutika. Nach Angaben von Brockmeyer blockieren Fusionsinhibitoren wie T20 das „Andocken“ des Vi- rus am Rezeptor der Zielzelle. Darüber hinaus könn- ten Zytokine wie MIP-1-alpha und -beta die Ausbil- dung der Zytokinrezeptoren, die HIV als Rezeptor und Eingang in die Zielzelle dienen, downregulieren.Denkbar sind auch modifizierte Zytokine, welche die Rezeptoren auf den Zielzellen blockieren, ohne gleichzeitig die Replikation des Virus zu fördern.
„Nach den bisherigen Erkenntnissen wird auch eine Modulation der Rezeptoren CCR5 und CXCR4, die HIV als Korezeptoren für den Eintritt in die Zielzel- le dienen, eine zukünftige Therapieoption sein“, be- richtete Brockmeyer in Essen. zyl