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Archiv "Interview mit Dr. med. Nicolai Schäfer, Vorsitzender des Bundesverbandes der Honorarärzte: „Die Wut entlädt sich in der Suche nach einer wirklich freien Berufsform“" (04.06.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 22

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4. Juni 2010 A 1095

„Die Wut entlädt sich in der Suche

nach einer wirklich freien Berufsform“

Nicolai Schäfer über zu viele unbezahlte Überstunden, zu wenig Krankenhäuser, die zugeben, dass sie Honorarärzte beschäftigen, und über gute Fortbildung

wird doch nicht nur Honorararzt we- gen des Geldes, sondern weil man vorher im System gelitten hat. Unter den Honorarärzten sind genug Kol- legen, die dem deutschen Gesund- heitswesen jahrelang eine Menge Geld in Form von unbezahlten Überstunden und viel Engagement geschenkt haben. Einen Teil davon dürfen die sich gern wiederholen.

In der Studie ist von Stundenlöhnen zwischen 30 und 70 Euro die Rede.

Manche Kliniken zahlen angeblich mehr. Sorgt das für böses Blut bei den angestellten Klinikkollegen?

Schäfer: Erst einmal: Es fehlen heute an Kliniken erfahrene Fach- ärzte mittleren Alters. Das war ab- sehbar. Man hätte schon vor zehn Jahren etwas dagegen tun können.

Diesem Mangel ist die heutige Si- tuation geschuldet: Auf einmal feh- len Kollegen, es müssen Honorar- ärzte her. Dann wird zum Teil eben viel gezahlt.

Der Marburger Bund meint: Solange Geld für Honorarärzte da ist, muss auch Geld für eine Lohnerhöhung der Festangestellten da sein.

Schäfer: Man kann erst einmal nichts dagegen sagen. Natürlich muss man fragen, warum erst in Personal und in Wertschätzung von Mitar- beitern investiert wird, wenn der Zug schon abgefahren ist. Der Mar- burger Bund hat völlig recht.

Sie gucken, als ob ein „Aber“ folgt.

Schäfer: Wenn wir über Geld re- den, sollten wir auch darüber reden,

INTERVIEW

mit Dr. med. Nicolai Schäfer, Vorsitzender des Bundesverbandes der Honorarärzte

Herr Dr. Schäfer, vor etwa zwei Jahren haben Sie begonnen, die Unorganisier- ten zu organisieren, wie Sie damals sagten. Sie gründeten den Bundesver- band der Honorarärzte. Heute hat man das Gefühl: Davon gibt es immer mehr.

Schäfer: Das Thema wird derzeit aufgebauscht. Allerdings ist der Markt schon geradezu explodiert, und es gründen sich stetig neue Ver- mittlungsagenturen. Wir sollten ei- ne fundierte Diskussion über das Phänomen Honorarärzte führen, des- halb auch die Studie.

Was soll sie genau bringen?

Schäfer: Sie soll vor allem klären helfen, wer die Honorarärzte sind.

Ich hoffe, dass man sich auf Ba - sis der Ergebnisse faktenbezogen mit Honorarärzten auseinandersetzt und wegkommt von so manchem falschen Bild.

Honorarärzte sind Ärzte ohne Ideale, die schnell viel Geld verdienen wollen – so sieht eines der Bilder aus.

Schäfer: Viele nennen als Haupt- motiv die gefühlte Unabhängigkeit

und Freiheit, über das Maß ihrer Arbeit zu bestimmen. Das

gilt auch für mich. Man Der Anästhesist und Intensivmediziner

Dr. med. Nicolai Schäfer (46) erzählt anschaulich und berichtet mit lebhafter Gestik von seinen Erfahrungen als Ho- norararzt – und davon, was der Bundes- verband der Honorarärzte will. Mit 30 Kolleginnen und Kollegen hat Schäfer ihn 2008 gegründet, mittlerweile sind es fast 200.

Der gebürtige Nürnberger hat Medizin in Köln, Solingen und Bern studiert, dann zog ihn die Liebe nach Berlin. Seit 2007 lebt Schäfer, inzwischen mit Frau und Sohn, in Potsdam und arbeitet in einem Aktionsradius von circa 250 Kilometern.

Am 3. und 4. September veranstaltet der Bundesverband der Honorarärzte ein Symposium für alle, die sich für diese Tätigkeit interessieren. Weitere Informa- tionen unter: www.bv-honoraraerzte.de.

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A 1096 Deutsches Ärzteblatt

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4. Juni 2010 wer alles kräftig mitverdient. Das

sind ja beileibe nicht allein ein paar Honorarärzte. Fragen Sie doch mal, was Krankenhäuser für Juristen oder betriebswirtschaftliche Berater ausgeben. Honorarärzte gehören zu denen, die vorne stehen und Patien- ten versorgen. Die verkrümeln sich nicht in ihr Büro. Deshalb sollten wir besser keine Neiddiskussion unter Ärzten führen. Vielleicht soll- te der Marburger Bund mal fragen, warum manche Honorarärzte sein wollen. Da geht es sicher nicht nur ums Geld.

Worum geht es noch?

Schäfer: Um innerärztliche Struk- turen. Es waren doch nicht immer Ulla Schmidt oder die Globalisie- rung schuld. Ich denke an die Zei- ten, als viele Kollegen als Assis- tenzärzte auf einer halben Stelle sa- ßen, aber voll arbeiten mussten.

Diese Wut, die sich damals aufge- staut hat, auch gegen die eigene Zunft, die entlädt sich jetzt in der Suche nach einer wirklich freien Form des ärztlichen Berufs.

Warum reden Kliniken nicht gern über Honorarärzte ?

Schäfer: Krankenhäuser haben ein Imageproblem. Sie stellen sich gern als moderne Dienstleister dar. In ih- ren Broschüren gibt es nur lachende Ärzte und Patienten. Doch die Kli- niken können wichtige Stellen nicht besetzen. Wenn man das offen kommunizierte, würde das zu ei- nem negativen Image führen. Des- halb gibt es kaum ein Krankenhaus, das sagt: „Natürlich arbeiten auch Honorarärzte bei uns.“

Welche Folgen hat das?

Schäfer: Das ist zum Beispiel ein Problem für die Qualitätssicherung.

Wenn die Krankenhäuser offen über Honorarärzte sprechen wür- den, könnten sie sich auch gegen- seitig Honorarärzte empfehlen, die gute Arbeit geleistet haben.

Wie kann man sicherstellen, dass die Qualität der Arbeit stimmt, wenn ein Arzt immer wieder anderswo arbeitet?

Schäfer: Auch Honorarärzte unter- liegen den ganz normalen Weiter- bildungs- und Fortbildungsvorga-

ben. Ich bin sehr dafür, dass die Fortbildungsverpflichtungen auch für Honorarärzte gelten. Vorstellbar wäre langfristig auch ein Zertifikat für Honorarärzte, in dem deren Re- ferenzen zusammengefasst sind.

Wer könnte solche Zertifikate ausstellen?

Schäfer: Wir stehen in Kontakt mit dem Ärztlichen Zentrum für Quali- tät in der Medizin, das sich generell aufgeschlossen zeigt. Aber zuvor brauchen wir mehr Erkenntnisse über Honorarärzte.

Aus der Studie geht hervor, dass ein Teil der Honorarärzte noch gar keine abgeschlossene Weiterbildung hat. Ist die Qualität der Patientenversorgung doch durch Honorarärzte gefährdet?

Schäfer: Dazu muss man wissen, dass etliche Kollegen Notarztein- sätze fahren, und dafür braucht man formal keine abgeschlossene Wei- terbildung. Ansonsten bin ich der Meinung: Eine abgeschlossene Weiterbildung muss sein. Wie wol- len Sie sonst Ihr Fachgebiet selbst- ständig und eigenverantwortlich als Honorararzt ausüben?

Apropos Weiterbildung: Manche mer- ken an, dass die Beschäftigung von Honorarärzten die Weiterbildung junger Ärzte gefährden könnte. Entweder hät- ten Honorarärzte daran kein Interesse, oder sie erledigten die Arbeit der Kolle- gen in Weiterbildung.

Schäfer: Leider gibt es auch dazu überhaupt keine Daten. Ich glaube, dass die Qualität der Weiterbildung insgesamt ein Problem ist, so dass

man nicht erst wegen der Honorar- ärzte darüber nachdenken muss.

Richtig ist: Wenn ich ein Fachge- biet nur noch mit Honorarärzten ausfüllte, wäre das das Ende jeder vernünftigen Weiterbildung.

In den Antworten im Rahmen der Studie klingt an, dass es eine Reihe von rechtlichen, steuerlichen und organisatorischen Problemen für Ho- norarärzte gibt. Schon vor zwei Jah- ren hatten Sie gehofft, es werde schnell Lösungen geben. Wie sieht es damit aus?

Schäfer: Wir wünschen uns nach wie vor eine Monomitgliedschaft in den Landesärztekammern nach dem Wohnortprinzip. Noch melden sich viele Kollegen in mehreren Kam- mern an, wenn sie in mehreren Bundesländern arbeiten. Das ist aber ein großer bürokratischer Auf- wand. Dazu kommt, dass man so auch nur Minianwartschaften in den ärztlichen Versorgungswerken begründet. Da würde ich mir mehr Aufgeschlossenheit für unsere Argumentation wünschen. Manche Kammer würde sich aber offenbar am liebsten gar nicht mit dem The- ma Honorarärzte befassen. Eine hat mir sinngemäß geschrieben, man sei gegen Honorarärzte, weil sie nicht dazu beitrügen, den Ärzte- mangel zu beseitigen. Das haben wir auch nie behauptet. Wir sind ei- ne Folge des Mangels. ■ Das Interview führten Falk Osterloh

und Sabine Rieser.

@

Eine Langfassung des Interviews im Internet: www.aerzteblatt.de/101095

Wir sollten besser keine Neiddiskussion unter Ärzten führen.

Fotos: Georg J. Lopata

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