A 34 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 1–2|
9. Januar 2012 mindestens ebenso wichtigen As-pekt hinweisen.
Die Verfahrensordnung des Ge- meinsamen Bundesausschusses (G-BA) lässt zur Bewertung des Zusatznutzens von Arzneimitteln sechs Kategorien zu: eins (erheb- lich), zwei (beträchtlich), drei (ge- ring), vier (nicht quantifizierbar), fünf (fehlt), sechs (geringer). Wäh- rend die Kategorien vier und sechs eindeutig interpretierbar sind, lässt sich über die Auslegungen der Ka- tegorien eins, zwei, drei und fünf im Zweifelsfall streiten, da die ver- balen Definitionen an Schwammig- keit kaum zu überbieten sind.
Da der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Dr. Rainer Hess, das AMNOG als „lernendes und lernfä- higes System“ bezeichnet, sollte es möglich sein – etwa in Analogie zu den Häufigkeitsgrenzen von Neben-
wirkungen, den Versuch zu unter- nehmen, die Kategorien eins, zwei, drei und fünf quantitativ zu unterle- gen, wobei ich mich auch auf die Diskussionsrunde im DÄ (Heft 44/2011) beziehe, in der Journalis- ten zur Beurteilung des Nutzens ei- ner Therapie an erster Stelle emp- fohlen wird: „Darstellung verständ- lich, reale Zahlen statt Prozentzah- len etc., NNT?“
Der Vorteil der NNT-Werte ist un- übersehbar: Bei der NNT handelt es sich um ein klinisch intuitives Ef- fektmaß für dichotome Endpunkte.
Die NNT gibt die Anzahl an Patien- ten wieder, die behandelt werden müssen, um ein zusätzliches un- günstiges Ereignis zu verhindern (NNT: 100 dividiert durch ARR;
ARR: K minus E [Differenz der Ra- te ungünstiger Ereignisse in der ex- perimentellen Gruppe E im Ver-
gleich zur Kontrollgruppe K]).
Mein Vorschlag für eine mögliche Quantifizierung der Kategorien des Zusatznutzens:
Kategorie eins, Zusatznutzen erheb- lich, NNT: eins bis 15
Kategorie zwei, Zusatznutzen be- trächtlich, NNT: 16 bis 30 Kategorie drei, Zusatznutzen ge- ring, NNT: 31 bis 45
Kategorie fünf, Zusatznutzen fehlt, NNT: > 45.
Der Zusatznutzen eines neuen Arz- neimittels (E) kann natürlich immer nur gegen eine zweckmäßige Ver- gleichstherapie (Goldstandard, K) ermittelt werden. Wenn die Kon- trollgruppe K ein Placebo ist, kann nicht von einem Zusatznutzen ge- sprochen werden . . .
Literatur beim Verfasser
Prof. Dr. med. Frank P. Meyer, Klinischer Pharmakologe, 39164 Wanzleben-Börde
HONORA R Ä RZTE
Sozialversiche- rungsträger und Steuerbehörden be- werten den Einsatz von Honorarärzten in den Krankenhäu- sern als unzulässige Scheinselbstständigkeit (DÄ 44/2011:
„Einsatz von Honorarärzten: Vorsicht ist geboten“ von Kerstin Reiserer).
Cui bono?
Fakt ist, dass in den Krankenhäu- sern ärztliche und Funktionsperso- nalstellen nicht mehr besetzbar sind, ohne Honorarkräfte zur Erfül- lung des Versorgungsauftrages der Kliniken heranzuziehen.
Die mir bekannten Honorarvertre- tungsärzte und -fachkräfte sind hochqualifiziert und erfahren. Sie sind alle irgendwann in den letz ten Jahren an einem Punkt angekom- men, an dem sie für sich entschie- den haben, dass ihre Arbeitsbedin- gungen in den Kliniken ihnen das nicht mehr möglich machen, wes- wegen sie ihren Beruf ergriffen ha- ben: Verantwortliches und men- schenzugewandtes ärztliches und pflegerisches Arbeiten wird seit Jahren durch zunehmenden ökono- mischen Druck erschwert. Zudem legen die Honorarvertretungsärzte und -fachkräfte Wert auf eigenver- antwortliches Zeitmanagement.
Anstatt sich nun mit allen Beteilig- ten im Gesundheitswesen unter Fe- derführung der Politik zusammen- zusetzen und eine konstruktive Lö- sung des Problems anzustreben, wird die Verantwortung für den Fortbestand der deutschen Gesund- heitsversorgung an Gerichte und die Deutsche Rentenversicherung dele- giert.
Dabei sind die Entscheidungen der Gerichte zum Thema Scheinselbst- ständigkeit mehr als widersprüch- lich (LAG Hamm, 7. 2. 2011, Az: 2 Ta 505/10 [Honorararzt kein Ange- stellter]; LAG Hamburg, 1. 4. 2009,
Az: 3 SA 58/08 [Tagesschauspre- cher sind selbstständig]; LSG Ber- lin-Brandenburg, 15. 7. 2011, Az: L 1 KR 206/09 [Honorarkräfte für Besucherführungen im Deutschen Bundesrat sind nicht scheinselbst- ständig]; BSG, 28. 5. 2008, Az: B 12 KR 13/07 R [Pilot ist Freiberufler]).
Daraus wird – je nach persönlicher Interessenlage – ein potenziell brauchbares Drohszenario gestrickt.
Nur: Wem nützt das? Und wem glaubt man, drohen zu können?
Die mir bekannten Honorarvertre- tungskräfte werden nicht wieder in Anstellungsverhältnisse in die Krankenhäuser zurückkehren, wenn sich die Konditionen dort nicht gra- vierend ändern. Und sie wollen bei der Gestaltung ihrer Arbeitsbedin- gungen mitentscheiden, mit ihrer eigenen Interessenvertretung.
Bei allen etablierten Verbänden sind die Interessenlagen so verfes- tigt, dass das Problem der Fach- kräftemangelverwaltung nicht weiter als bis zum eigenen Teller- rand gesehen wird. Und dieses Problem nimmt zu. Die sich wider- sprechenden Aktivitäten der Ge- richte und der Deutschen Renten- versicherung führen ebenfalls nicht weiter . . .
Dr. Birgit Pabst, 24222 Schwentinental
O O
S r S w v i s Scheinselbstständig
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