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Archiv "Honorararztwesen in Deutschland: Eine gefährliche Entwicklung" (15.02.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 7

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15. Februar 2013 A 261

KOMMENTAR

Dr. med. Alexander H. Andres, Chefarzt der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Martin-Luther-Krankenhaus Bochum-Wattenscheid

A

ls Chefarzt der Anästhesiologie und Intensivmedizin halte ich das Honorararztwesen mit freiberuflich tätigen Ärzten im Krankenhaus für nicht förderlich, ja sogar für gefährlich.

Vom fachlichen Aspekt her birgt die Beschäftigung von Honorarärztinnen und -ärzten im Krankenhausablauf erhebli- che Risiken. Es gibt einige hervorragen- de, aber auch ausgesprochen schlecht arbeitende Honorarärzte. Viele wollen möglichst ohne Übernahme von Abtei- lungs- oder Teamverantwortung wenig anspruchsvolle Tätigkeit leisten. Das In-

teresse an struktureller Arbeit in einer Abteilung geht oft gegen null. Anders als die festangestellten Mitarbeiter kennen Honorarärzte die konkreten Organisati- onsabläufe im Krankenhaus nicht (wie auch?), was zu unvollständiger Arbeit, aber auch zu Kommunikationsproblemen und Missverständnissen führt. Zudem wird die Etablierung und Einhaltung von Standards, die der optimalen Versorgung und der Sicherheit von Patienten dienen (wie beispielsweise in der Anästhesie das Melden von gelegten regionalen Kathetern an den Akutschmerzdienst), durch den Einsatz von Honorarärzten deutlich erschwert. Auch die Etablierung von wissenschaftlichen und technischen Neuerungen kann kaum durchgesetzt werden, von IT-Veränderungen und IT- Standards ganz zu schweigen. Der feh- lende Wille, sich mit den krankenhaus- spezifischen Regeln auseinanderzuset- zen, hat meines Erachtens weniger mit einer Auflehnung gegen starre Kranken- haushierarchien oder einer unflexiblen Arbeitszeit zu tun, sondern entspringt vielmehr einer gewissen Gemütlichkeit.

Der im Deutschen Ärzteblatt veröf- fentlichten Honorararztstudie (DÄ, Heft 22/2010) zufolge sind die Honorarärzte unzufrieden „mit den derzeitigen Struk- turen im deutschen Gesundheitswesen,

der fehlenden beruflichen Autonomie und der mangelnden Möglichkeit, in Teil- zeit zu arbeiten“. Ich möchte hier vom wissenschaftlichen Aspekt her nicht weiter auf die methodischen Schwächen des Instruments „Umfrage“ eingehen, aber diese Behauptungen können nicht nur ich, sondern viele meiner ärztlichen Kollegen so nicht nachvollziehen. Das in diesem Zusammenhang angeführte Modell des despotischen Chefarztes ist heutzutage Vergangenheit, ebenso wie die Unmöglichkeit von Teilzeitstellen.

Wenn man sich die Stellenangebote im

Deutschen Ärzteblatt ansieht, steht fast bei jeder Stelle auch der Passus „in Teilzeit möglich“. Dies wird auch so ge- lebt, meine eigene Abteilung beschäftigt 60 Prozent der Mitarbeiter in Teilzeit.

Mit bis zu 120 Euro je Stunde und darüber liegen die Honorare der zeitlich befristet tätigen Ärzte deutlich über de- nen der festangestellten Ärzte. Das Ge- haltsgefälle führt bei den festangestell- ten Mitarbeitern des Krankenhauses nachvollziehbar zu einer erheblichen und zunehmenden Unzufriedenheit.

Dass bei den festangestellten Ärzten beim Thema Gehalt noch Raum nach oben ist, sei hier nur nebenbei ange- merkt. Durch den Kontakt mit den Leihärzten kommen einige Fachärzte zudem auf die Idee, ebenfalls unabhän- gig tätig zu sein oder die Stelle zu re- duzieren, um an den freien Tagen ho- norarärztlich tätig zu werden und so das Einkommen zu steigern.

Vor allem volkswirtschaftlich ist das Phänomen der Honorarärzte aber auch bedenklich. Denn nicht nur die Stunden- löhne der „Freelancer“, sondern auch die hohen Provisionen der zahlreichen Ver- mittler und Vermittlungsgesellschaften im Markt entziehen der Patientenversorgung viel Geld und blockieren dringend benö- tigte Finanzmittel für die Patientenversor-

gung. Natürlich lässt sich anführen, dass der Markt die Preise gestaltet, aber es handelt sich hier schließlich um Versi- chertengelder, die in der direkten Patien- tenversorgung besser aufgehoben wären.

Vor diesem Hintergrund ist weder das Qualitätszertifikat hilfreich, das der Berufsverband der Honorarärzte nun einführen will (DÄ, Heft 46/2012), noch ist es möglich, den Fokus im Honorar- arztwesen von den rein finanziellen As- pekten auf das Thema Qualität zu len- ken. Dies wirkt bei den festangestellten Mitarbeitern wie blanker Hohn. Allein

schon die Tatsache, dass dem Bundes- verband ein Qualitätszertifikat notwen- dig erscheint, lässt doch auf grundle- gende fachliche Defizite einiger hono- rarärztlich tätiger Kollegen schließen.

Meine eigenen Mitarbeiter müssen kein Qualitätszertifikat vorlegen.

Das Honorararztwesen beginnt, un- sere ärztliche Versorgung zu destabili- sieren. Es sind zu viele „Rosinenpicker“

unterwegs, die die Stammbelegschaft verunsichern und belächeln. Honorar- ärzte weisen keine oder wenig Identifi- kation mit dem Arbeitgeber auf. Über viele Jahre hinweg ist der ärztliche Stand mit unzähligen unbezahlten Überstunden und 30-Stunden-Schich- ten sicher hoffnungslos ausgebeutet worden, aber diese Entwicklung hat sich ins Gegenteil verkehrt und ent- spricht nicht mehr unserem Berufsbild, in dem das Wohl des Patienten das wichtigste Gut darstellt.

Unser Ziel muss es jedenfalls sein, so wie es der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesio- logie und Intensivmedizin, Prof. Dr.

med. Jürgen Schüttler, formuliert hat, die „Aussteigerbewegung Honorararzt“

zu stoppen und wieder mehr Wert auf stabile patienten- und mitarbeiterorien- tierte Klinikstrukturen zu legen.

HONORARARZTWESEN IN DEUTSCHLAND

Eine gefährliche Entwicklung

P O L I T I K

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