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Archiv "Honorararztwesen in Deutschland: „Das Symptom, nicht die Krankheit“" (08.03.2013)

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A 430 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 10

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8. März 2013

HONORARARZTWESEN IN DEUTSCHLAND

„Das Symptom, nicht die Krankheit“

Der kritische Kommentar eines Chefarztes zum Einsatz von Honorarärzten in den Kliniken löste viele Leserreaktionen aus. Die Sicht der Betroffenen

K

ritiker und Befürworter des Honorararztwesens sind sich in einem Punkt einig: Es herrscht Fachärztemangel in den deutschen Krankenhäusern. Aus Sicht der Ho- norararzt-Kritiker hat der Trend, dass immer mehr Ärztinnen und Ärzte ihren Angestelltenstatus auf- geben und jetzt auf Honorarbasis in den Kliniken tätig sind, die perso- nellen Engpässe freilich mitverur- sacht: „Das Honorararztwesen be- ginnt, unsere ärztliche Versorgung zu destabilisieren“, meinte Chefarzt Dr. med. Alexander H. Andres, Bo- chum-Wattenscheid, im Deutschen Ärzteblatt (DÄ, Heft 7/2013). Die Honorarärzte werten dies genau entgegengesetzt: „Honorarärzte sta- bilisieren die ärztliche Versorgung.

Ohne sie brechen Abteilungen zu- sammen. Die Patienten sind ver- sorgt. Honorarärzte sind auch da tä- tig, wo sonst keiner arbeiten will“, schreibt Elisabeth Graben, Münster, an das DÄ.

„Honorarärzte sind das Symptom, nicht die Krankheit“, betont Dr. med.

Paul Brandenburg, Berlin. Kritiker des Honorararztwesens verwechsel- ten häufig Ursache und Wirkung, meint auch Dr. med. Jan Schulte-Hil- len, Olching: „Nüchtern betrachtet ist ein Haus, das in großem Ausmaß auf Honorarärzte zurückgreifen muss, für festangestellte Mitarbeiter nicht attraktiv genug.“ Honorarkräfte wür- den immer dann eingesetzt, wenn der operative Betrieb der Klinik mit nor- malem Personal nicht mehr gewähr- leistet sei: „Insofern helfen die frei- beruflich tätigen Ärzte auch, die Kli- nik überhaupt am Leben zu halten und damit die Stellen der festange- stellten Kollegen zu sichern.“

Sündenböcke gefunden Der Bundesverband der Honorar - ärzte (BV-H) räumt in einer Stellung- nahme ein, dass „es ohne Zweifel Aspekte und Ausprägungen der ho- norarärztlichen Tätigkeit gibt, die

auch der Verband stets kritisch be- trachtet und begleitet hat“. Auch aus Sicht des BV-H ist das Honorararzt- wesen „kein gleichwertiges Substitut für eine gut funktionierende klini- sche Abteilungsstruktur oder ein ein- gespieltes Team“ (obgleich speziali- sierte Honorararztgemeinschaften den qualitativen Vergleich mit klas- sischen Abteilungen nicht scheuen müssten). Eine Tätigkeit mit häufig wechselnden Einsatzorten und Strukturen habe eben ihre Grenzen und ihre spezifischen Nachteile – so- wohl für den Honorararzt als auch für die betroffenen Kliniken und Ab- teilungen, schreibt der Vorsitzende des BV-H, Dr. med. Nicolai Schäfer.

„Aber wenn dem System notwendi- ge Mittel entzogen werden, so ist das nicht die Schuld der relativ wenigen Honorarärzte hierzulande.“ Wer für die Strukturprobleme im Gesund- heitswesen einige wenige Sünden - böcke verantwortlich mache und so von komplexen Defiziten und eige- nem Unvermögen ablenke, mache es sich zu einfach.

Überhaupt kein Verständnis ha- ben die auf Honorarbasis tätigen Ärzte für den Vorwurf, sie seien fachlich nicht auf der Höhe:

„Selbstverständlich gibt es hervor- ragende, aber auch ausgesprochen schlechte Honorarärzte. Genauso wie es hervorragende, aber auch ausgesprochen schlechte festange- stellte Anästhesisten gibt“, unter- streicht Dr. med. Alexander Bas- teck, Hamburg. Dies habe nichts mit der Form des derzeitigen Ar- beitsverhältnisses zu tun, sondern schlichtweg mit der Aus-, Weiter- und Fortbildung, die der jeweilige Anästhesist genossen habe. „Unter- schiede in Qualifikation und Enga- gement bei der Arbeit sind keine Phänomene, die ausschließlich Ho- norarärzte betreffen“, meint auch Constanze Rumpel-Sodoma, Ber- lin. Aber es sei im Zweifel immer- Warum entscheiden sich im-

mer mehr Ärztinnen und Ärz- te, auf Honorarbasis im Kran- kenhaus tätig zu sein?

Montgomery: Viele, gerade qualifizierte Fachärztinnen und Fachärzte, wollen die Hierarchien und Gängelungen im Kranken- hausbereich nicht länger hinneh- men – sie entziehen sich dem durch den Sprung in eine flexib- lere, freiberufliche Tätigkeit.

Ist das eine gute Entwicklung?

Montgomery: Ich habe ge- mischte Gefühle dabei. Auf der

einen Seite brauchen wir auch Honorarärzte, um Belastungs- spitzen, Urlaubszeiten und Krankheitsfälle flexibel ausglei- chen zu können. Andererseits bilden Honorarärzte aber kaum weiter, und sie sind oft nur peri- pher in die Krankenhausstruk- turen integriert. Ihnen wird auch gerne „Rosinenpickerei“ bei un- angenehmen Diensten und Tä- tigkeiten vorgeworfen.

Klüger wäre es sicher, wenn die Krankenhausträger endlich Strukturen und Einkommensbe- dingungen schaffen würden,

die auch Daueranstellungen als Fach- oder Oberarzt wirklich at- traktiv machten.

Wie funktioniert denn die Zusammenarbeit zwischen den angestellten Ärzten und den Honorarärzten in den Kliniken?

Montgomery: Die Kollegen be- klagen sich schon, dass Hono- rarärzte nicht ausreichend in die Klinik integriert sind. Und die höhere Vergütung der Frei- schaffenden stößt auch nicht nur auf Gegenliebe . . .

3 FRAGEN AN . . .

Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer

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8. März 2013 A 431 hin einfacher, sich von einem Ho-

norararzt zu trennen als von einem angestellten Arzt.

Gleich mehrere Leserbriefschrei- ber verweisen in diesem Zusam- menhang auf eine verbreitete Alter- native zum Honorararzteinsatz. So schreibt Markus Rempe, Essen: „Es ist schon seltsam, dass der Honorar- arzt das Ende der qualitätsorientier- ten Medizin sein soll und zugleich die ärztlichen Kollegen aus dem Rest der Welt als die Ret- ter des deutschen Kranken- hauswesens gefeiert werden, obwohl deren Sprach- und Sachkenntnisse doch sehr oft zu wünschen übriglassen.“

Dr. med. Bernd Reisbeck, Marbella, macht sich Sorgen, weil „man in den Kliniken zurzeit oft auf junge Kollegen aus dem eu- ropäischen Binnenraum trifft, die nicht nur Berufsanfänger sind, son- dern auch Sprachanfänger und zu- dem wegen des Ärztemangels teil- weise auch nur unzureichend super- vidiert werden können“.

Christian Fortner, Hamburg, ist überzeugt, dass der Einsatz von Ho- norarärzten oft sogar die Qualität steigert: Er erlebe immer wieder Si- tuationen, in denen beispielsweise in einer Klinik mit sechs Operati- onssälen ein Facharzt für den Tho- raxsaal eingeteilt sei und in den an- deren Sälen nur Jungassistenten im ersten und zweiten Jahr ohne fach- ärztliche Betreuung allein vor sich hin werkelten: „Ein Honorarfach- arzt verbessert die Qualität in die- sen Kliniken oft erheblich.“ Die ge- ordnete Weiterbildung liege in den Krankenhäusern doch schon seit Jahren brach, weil sich im Grunde niemand wirklich dafür interessiere und sie als Bürde und Kostenfaktor empfunden werde – „und nicht als Chance, Personal für die Zukunft zu rekrutieren“. Das räche sich jetzt. Auch Dr. med. Jens Heyder- Musolf, Bernau, ist sich sicher, dass der Einsatz von Honorarärzten häu- fig positiv ist: „Honorarärzte haben oft als Betrachter von außen einen viel größeren Blickwinkel für das Ganze, weil sie gut die Abläufe in verschiedenen Kliniken vergleichen und somit neue Ideen einbringen können.“ Das Honorararztwesen

eigne sich selbstverständlich nicht für alle ärztlichen Berufsgruppen, meint er: „Stationsdienst oder Tä- tigkeiten, die einer längeren Einar- beitung bedürfen, sind für ,Leihärz- te’ eher ungeeignet.“ Aber vor al- lem in der Anästhesie, wo die Tätig- keiten in nahezu allen Krankenhäu- sern im Wesentlichen die gleichen sind, sei es sehr wohl gut möglich, sich als „Fremder“ sehr schnell in

ein Team einzugliedern und sehr gute Arbeit zu leisten.

Mehrere Honorarärzte kommen- tieren die Aussage, dass sich ihre Honorarsätze auf bis zu 120 Euro in der Stunde belaufen sollen: „Die Norm ist ein Stundenlohn von knapp 80 Euro“, berichtet Branden- burg. Davon gehe die Hälfte an den Fiskus, und vom Rest müsse der Freiberufler dann noch die Versiche- rungsprämien (Haftpflicht, Krank- heit, Unfall), Kosten für Reisen, Un- terkunft, Material und Verwaltung sowie die vollen Kosten für die Ärzteversorgung abziehen. Letzt- lich verbleibe ein Stundensatz zwi- schen 20 bis 30 Euro. Brandenburg:

„Das ist sicher ein besserer Stun- denlohn als der des fest angestellten Kollegens. Für ihn fährt ein Hono- rararzt aber bundesweit auf Monta- ge und trägt sein unternehmerisches Risiko.“

Das Honorar ist relativ

Dr. med. Siegfried Zieroth, Saarbrü- cken, analysiert das Honorar aus Sicht des Krankenhauses: „Der Stun- denlohn von Honorarärzten hängt von der Qualifikation ab und über- steigt selten die 100-Euro-Marke.

Die Krankenhäuser sparen zudem Krankengeld, bezahlten Urlaub, Weihnachtsgeld, Ortszuschlag, Ar- beitgeberanteil an Krankenversiche- rung, Rentenversicherung und Ar- beitslosenversicherung sowie den Beitrag zur Berufsgenossenschaft.“

Für ein Krankenhaus könne es daher

unter dem Kostenaspekt sogar at- traktiv sein, Personalengpässe mit Honorarärzten zu überbrücken, fol- gert Rumpel-Sodoma.

„Ja, monatliche Bruttoeinkom- men von mehr als 25 000 Euro sind für einen Honorararzt möglich“, be- richtet Schulte-Hillen. Auf diese Summen komme man aber nur mit weit über 80 Wochenstunden, al- so mit einer Arbeitsleistung, die

für Festangestellte gesetzlich überhaupt nicht erlaubt sei:

„Die wenigsten der Honorar- ärzte, die ich kenne, arbeiten so. Das ist ja auch ungesund.

Außerdem muss man im Scha- densfall vor Gericht nachwei- sen können, dass man ausge- ruht gewesen ist.“ Die Klini- ken forderten solche Einsatzzeiten auch nur vom Honorararzt ein, wenn es um das wirtschaftliche Überleben des Krankenhauses gehe.

Kein Öl ins Feuer gießen Eine Statistik darüber, wie viele Ho- norarärzte in deutschen Krankenhäu- sern tätig sind, existiert nicht. Denn nicht in allen Kammerbezirken gibt es eine entsprechende Meldemög- lichkeit, und auch nicht jeder Arzt, der gelegentlich auf Honorarbasis tä- tig ist, definiert sich als Honorararzt.

Schätzungen gehen von circa 4 000 Honorarärzten in Deutschland aus.

Belegt ist hingegen, dass der BV-H inzwischen knapp 400 Mitglieder hat. Dessen Vorsitzender Schäfer betont: „Die kritischen Aspekte eines Honorararztsystems muss man offen diskutieren, kann sie aber letzten En- des nur gemeinsam und nicht mit ei- nem innerärztlichen Gegeneinander ändern.“ Die Frage „Honorararztwe- sen: ja oder nein?“ treibe überflüssi- gerweise einen Keil in die Ärzte- schaft und lenke von grundsätzlichen Problemen im Gesundheitswesen ab, meint auch Basteck. Denn eines ist klar, wie Schulte-Hillen verdeutlicht:

„Wer einen vollwertig eingebun - denen Arzt sucht, muss ihm ei- nen vernünftigen Lohn, gute Arbeits- bedingungen und Karrierechancen

bieten.“

Jens Flintrop

@

Das DÄ hat ein Forum eingerichtet, um die Diskussion weiterzuführen:

www.aerzteblatt.de/Honorararztforum

Wer einen vollwertig eingebundenen Arzt sucht, muss ihm einen vernünftigen Lohn, gute Arbeitsbedingungen und Karriere- chancen bieten.

Jan Schulte-Hillen, Honorararzt

P O L I T I K

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