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Archiv "Honorararztwesen in Deutschland: Zeit für pragmatische Lösungen" (22.11.2013)

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A 2246 Deutsches Ärzteblatt

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22. November 2013

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igentlich sollte 2013 ein gutes Jahr für die freiberuflich täti- gen Honorarärzte werden; hatte doch der Gesetzgeber mit einer am 1. Januar in Kraft getretenen Ände- rung des Krankenhausentgeltgeset- zes klargestellt, dass „auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte“ erbrachte Leistungen zu den Krankenhausleistungen zählen und als solche abgerechnet werden dür- fen. Der Einsatz von im Kranken- haus nicht fest angestellten Hono- rarärzten bei der Erbringung allge- meiner Krankenhausleistungen ent- spreche einer bereits weit verbreite- ten Praxis, hierzu bewirke die ge- setzliche Regelung mehr Rechtssi- cherheit, hieß es dazu in der Be- schlussempfehlung des Bundes- tagsausschusses für Gesundheit.

Scheinselbstständigkeit:

pauschale Verdächtigungen

Doch anders als erhofft, hat die Rechtssicherheit durch die Geset- zesanpassung nicht zugenommen.

Im Gegenteil: In den vergangenen Monaten gab es zahlreiche behörd- liche Stellungnahmen und Urteile zum Einsatz von Honorarkräften in den Kliniken, die zu einer unüber- sichtlichen Rechtslage geführt ha- ben. Aus diesem Grund ist die Auf- tragslage für Ärzte, die auf Hono- rarbasis in wechselnden Kliniken tätig sind, stark rückläufig: „Wegen der unsicheren Rechtslage verzich- ten derzeit viele Krankenhäuser auf den Einsatz klassischer Honorar- ärzte“, berichtet Dr. med. Michael Weber, Geschäftsführer der Ärzte- vermittlung „hire a doctor“ in Ber-

lin. Es gebe eine große Verunsiche- rung im Markt. „Die Agenturen könnten derzeit mehr vermitteln, als nachgefragt wird“, ergänzt Mi- chael Hahn von der „Facharztagen- tur“ in Bielefeld.

Für die Verunsicherung ist in ers- ter Linie die Deutsche Rentenversi- cherung Bund verantwortlich. Denn derzeit ergeben die meisten Status- feststellungsverfahren der Behörde, dass bei den Honorarärzten ein ab- hängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Die Sozialversicherungs- pflicht wird bejaht und somit eine Scheinselbstständigkeit von Hono- rarärzten angenommen. Die Folge:

Klagt der Krankenhausträger nicht gegen diese Einstufung, haftet er als Arbeitgeber für die nicht er- brachten Sozialversicherungsbei- träge. „Da die Ärzte in der Regel privat krankenversichert und von der gesetzlichen Rentenversiche- rungspflicht befreit sind, geht es hier eigentlich nur um die Arbeits- losenversicherung und somit nicht um hohe Summen“, betont Weber.

Oft werde den Krankenhäusern eine Abschlagszahlung angeboten, die diese dann auch akzeptierten.

Neben der Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge droht dem Klinikarbeitgeber gegebenen- falls auch eine Lohnsteuernachzah- lung auf die gezahlten Honorare.

Im Wiederholungsfall könnte der Krankenhausgeschäftsführung so- gar Steuerhinterziehung nach § 370 der Abgabenordnung vorgeworfen werden, die mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder mit Geldstrafe geahndet werden kann. Weber: „Im

Ergebnis werden die betroffenen Krankenhäuser beim nächsten per- sonellen Engpass versuchen, das Problem nicht mit auf Honorarbasis tätigen Ärzten zu lösen.“

Aus juristischer Sicht sei das Vorgehen der Deutschen Renten- versicherung äußerst bedenklich, meint der Kölner Rechtsanwalt Prof. Dr. Heinrich M. Stindt, der für die „Facharztagentur“ zahlreiche Honorarärzte in Statusfeststellungs- verfahren vertritt: Statt den Einzel- fall zu prüfen, gehe die Deutsche Rentenversicherung pauschal da- von aus, das eine selbstständige ärztliche Tätigkeit in der Klinik grundsätzlich nicht möglich sei, weil Honorarärzte in Bezug auf Ar- beitszeiten, Arbeitsdauer, Einsatz- ort und Arbeitsausführung immer weisungsgebunden agierten. „Das ist aber mitnichten so. Fachärzte ar- beiten vielmehr immer weisungs- frei – ob sie nun angestellt oder HONORARARZTWESEN IN DEUTSCHLAND

Zeit für pragmatische Lösungen

Wegen rechtlicher Unsicherheiten verzichten viele Kliniken auf den Einsatz „klassischer“ Honorarärzte.

Der Markt hat sich auf diese Entwicklung eingestellt.

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selbstständig tätig sind“, betont der Rechtsanwalt und verweist auf die Bundesärzteordnung, wonach der ärztliche Beruf seiner Natur nach ein freier Beruf ist (§ 1 Abs. 2).

Im Einzelfall kritisch könne al- lenfalls die Frage der Einordnung des Honorararztes in die betriebli- che Organisation des Krankenhau- ses sein, führt Stindt aus: „Wichtig ist hier unter anderem, dass der Ho- norararzt – auf eine konkrete Ar- beitsanfrage des Krankenhauses hin – selbst entscheidet, ob und wann er wie lange arbeiten will.“ Lasse sich

der Honorararzt hingegen so behan- deln, wie der Chefarzt typischer- weise einen Arbeitnehmer behan- deln würde („Und Sie müssen mor- gen Abend die Nachtschicht ma- chen, dies ist eine Weisung, bei Wei- gerung wird Ihr Arbeitgeber rea- gieren.“), so sei er ähnlich in die in- terne Organisation eingebunden wie der angestellte Arzt und somit sozialversicherungspflichtig.

Auf die Frage, warum die Deutsche Rentenversicherung so intensiv gegen eine vermeintliche Scheinselbstständigkeit von Hono- rarärzten vorgehe, obwohl die im Raum stehenden Nachzahlungen doch meist relativ gering sind, ant- wortet Stindt: „Ich persönlich ver- mute eine politische, ja sogar ideo- logische Haltung der Behörde ge- gen die Selbstständigkeit an sich.“

Der Prüfaufwand der Rentenversi- cherung stehe jedenfalls in keinem Verhältnis zu der Summe, die die Klinikarbeitgeber gegebenenfalls nachzahlen müssten. „Das Vorge- hen der Deutschen Rentenversiche- rung Bund ist völlig überzogen“, meint auch Dr. med. Nicolai Schä- fer, Vorsitzender des Bundesver- bandes der Honorarärzte: „Wir empfinden die Prüfpraxis der Ren- tenversicherung jedenfalls als ge- zielte Kampagne gegen die freibe- ruflich tätigen Honorarärzte.“

Die Rechtslage ist extrem unübersichtlich

Inzwischen gibt es zahlreiche Ge- richtsurteile zur Sozialversiche- rungspflicht von Honorarärzten:

So kam beispielsweise das So- zialgericht Mannheim im Juni 2011 zu dem Ergebnis, dass ein auf Ho-

norarbasis tätiger Anästhesist in ei- nem Krankenhaus sozialversiche- rungspflichtig beschäftigt war, weil dieser innerhalb eines festen zeitli- chen Rahmens in den Räumen der Klinik tätig und damit in deren be- triebliche Organisation eingebun- den war (Az.: S 15 R 2545/09).

Das Sozialgericht Berlin stuf- te hingegen im Februar 2012 einen Honoraranästhesisten als nicht so-

zialversicherungspflichtig ein (Az.:

S 208 KR 102/09), weil er Dienste ablehnen durfte, keine Entgeltfort- zahlung vereinbart war, er keinem fachlichen Weisungsrecht un- terlag und sich die Tätig- keit des Arztes ins- gesamt signifikant von den Tätigkeiten der abhängig beschäftig- ten Anästhesisten unter- schieden habe (unter ande- rem konnte er den OP auswäh- len, musste keine Aufklärungs- gespräche führen und konnte Ope- rationen absagen).

Am meisten Wirbel verur- sachte ein Urteil des Landessozial- gerichts Baden-Württemberg vom 17. April 2013, das in zweiter In- stanz nicht nur das Urteil des Sozi- algerichts Mannheim (oben) bestä- tigte, sondern darüber hinaus postu- lierte, dass die Tätigkeit eines Ho- norararztes schon deshalb als ab- hängige Beschäftigung ein- gestuft werden müsse, weil vergütungsfähige Kranken- hausleistungen prinzipiell nur durch angestellte Ärzte erbracht werden dürften (Az.: L 5 R 3755/11). Zwar beißt sich diese Einschätzung mit der am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Ergänzung des § 2 Abs. 1 Krankenhausentgelt- gesetz, wonach Krankenhausleis- tungen in Gestalt ärztlicher Be- handlung auch durch „nicht fest an- gestellte Ärzte“ erbracht werden dürfen. Das Gericht wertete diesen Passus aber so, dass die Ärzte zwar nicht „fest“, aber zumindest über- haupt angestellt sein müssten.

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg sah das jedoch im Juni 2013 anders (Az.: 13LC173/10):

Auch die von einem nicht im Kran- kenhaus fest angestellten Neurochir - urgen vorgenommenen Eingriffe an der Wirbelsäule seien vergütungsfä- hige allgemeine Krankenhausleis- tungen. Dies entspreche der vom Bundestagsausschuss für Gesund- heit formulierten Intention des Ge- setzgebers.

Angesichts der so unterschiedli- chen juristischen Bewertungen des Einsatzes von Honorarkräften im Krankenhaus wird es wohl noch ei- ne ganze Weile dauern, bis hier

Das Vorgehen der Deutschen Rentenversicherung Bund ist völlig überzogen.

Nicolai Schäfer, Vorsitzender des Bundesverbandes der Honorarärzte

Illustration: Ralf Brunner, Fotolia [m]

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22. November 2013 Rechtssicherheit her-

gestellt sein wird.

Rechtsanwalt Stindt prognostiziert sogar, dass selbst eine Entscheidung des Bundessozialgerichts hier nicht ausreichen wird: „Denn das, was die Rentenversicherung im Mo- ment macht, ist eine massive Ein- schränkung der Berufsausübungs- freiheit.“ Notwendig sei deshalb ei- ne Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die noch einige Jahre

auf sich warten lassen dürfte. Alter- nativ könnte natürlich auch der na- tionale Gesetzgeber noch einmal aktiv werden: „Sinnvoll wäre bei- spielsweise eine entsprechende Klarstellung im Sozialgesetzbuch IV, Paragraf 7, wo die nichtselbst- ständige Arbeit definiert wird“, schlägt Stindt vor.

Die Krankenhäuser gehen auf Nummer sicher

Bis alle juristischen Fragen geklärt sind, werden voraussichtlich viele Krankenhäuser weiterhin auf den Einsatz „klassischer“ Honorarärzte verzichten. Langfristige Vertretun- gen werden den Honorarärzten schon heute kaum noch angeboten.

Manche Krankenhäuser drängen auch darauf, dass die Ärzte vor Ein- satzbeginn einen Antrag auf Frei- stellung bei der Deutschen Renten- versicherung stellen. Vor allem aber wird den Honorarärzten zuneh- mend nahegelegt, eine befristete

Anstellung im Krankenhaus für die Dauer der Vertretung einzugehen.

Die honorarärztlichen Vermitt- lungsagenturen haben inzwischen auf diese Entwicklung reagiert, und ihr Dienstleistungsangebot um das Konzept der Zeitarbeit erweitert:

„Aufgrund der aktuellen Situation bieten wir freiberuflichen Ärzten verstärkt die Möglichkeit, im Rah- men einer projektbezogenen Fest- anstellung in unserem Unterneh- men zeitlich begrenzte Einsätze in

wechselnden Krankenhäusern wahrzunehmen“, schreibt beispiels- weise „Stegdoc“, das in vielen Städten Niederlassungen hat, in ei- ner E-Mail an die dort registrierten Honorarärzte. Dabei sei der Arzt weiterhin autonom und flexibel in der Entscheidung, ein Angebot an- zunehmen oder nicht. Als (befristet) Angestellter genieße der Arzt zu- dem alle Vorteile einer Festanstel- lung wie garantierte Lohnzahlung auch im Krankheitsfall, Berufshaft- pflicht-, Wege- und Unfallversiche- rung sowie Urlaubsanspruch. Die Verdienstmöglichkeiten lägen „na- hezu“ auf dem Niveau eines freibe- ruflichen Honorararztes. „Stegdoc“

beschäftigt zwischen 60 und 80 Ärzte in Zeitarbeit.

Eigentlich sei niemand so richtig glücklich mit der Alternative Zeit- arbeit beziehungsweise Arbeitneh- merüberlassung, sagt Dr. med. Mi- chael Weber. „Hire a doctor“ hat ei- gens die „AnästhesieAgentur“ ge-

gründet, wo inzwischen mehr als 30 Anästhesisten angestellt sind. We- ber: „In Bezug auf Flexibilität und persönliche Freiheit ist die honorar- ärztliche Tätigkeit aus unserer Sicht nach wie vor alternativlos – aber der Markt verlangt derzeit eben pragmatische Lösungen.“

Ein großes Problem bei der Ar- beitnehmerüberlassung ist, dass sich dadurch der Honorararztein- satz für das Krankenhaus verteuert.

Denn einerseits entstehen bei der Personalvermittlung Lohnneben- kosten, die letztlich der Auftragge- ber bezahlen muss, und andererseits ist die ärztliche Heilbehandlung nur bei Freiberuflichkeit von der Um- satzsteuer befreit, nicht aber bei der Arbeitnehmerüberlassung. „Sehr viele Krankenhäuser sind aber be- reit, im Gegenzug für die sozial- rechtliche Sicherheit auch mehr für die Honorarärzte zu bezahlen“, be- richtet Weber. Das zeige, dass der Bedarf an flexiblen ärztlichen Ar- beitskräften unvermindert hoch sei.

Die Lösung:

eine Genossenschaft

Keine Umsatzsteuer fällt hingegen bei der Vermittlung der ärztlichen Dienstleistung über die „Locumcert eG“, Berlin, an. Dieser Überzeu- gung ist zumindest Dr. med. Nicolai Schäfer, Vorsitzender des Bundes- verbandes der Honorarärzte und Initiator dieser Genossenschaft von Honorarärzten. Auch das Problem der Scheinselbstständigkeit sei da- mit pragmatisch gelöst.

Worum geht es dabei? Die „Lo- cumcert eG“ ist ein gleichberech- tigter Zusammenschluss von der- zeit noch ausschließlich als Hono- rarärzte tätigen Medizinern. Bis- lang haben gut 50 Ärztinnen und Ärzte für je 2 000 Euro einen Ge- nossenschaftsanteil erworben, wie Schäfer berichtet: „Jeder dieser Ärzte hat eine Stimme. Es gibt kei- ne Mitverdiener. Wir vermarkten uns selbst. Es gibt auch kein ver- decktes Durchgriffsrecht durch den Auftraggeber.“ Dadurch, dass die Ärzte selbst über ihren gemein- schaftlichen Geschäftsbetrieb be- stimmten, bleibe der Status des selbstständigen Freiberuflers voll- ständig erhalten, und somit entstehe Nur zum Schein

selbstständig?

Die Deutsche Ren- tenversicherung stuft Honorarärzte pauschal als ab- hängig beschäftigt

und somit sozial- versicherungs- pflichtig ein.

Foto: mauritius images

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22. November 2013 keine Umsatz-

steuerpflicht. Bes- ser noch: „Da die ärztliche Dienstleis- tung nicht mehr von ei- nem Einzelnen erbracht wird, sondern von der Genossenschaft als juristischer Person“, führt Schäfer aus, „entfallen die Einzelverträge des Honorararztes mit dem Kran- kenhaus und somit auch die Status- feststellungsverfahren der Deut- schen Rentenversicherung.“ Damit ist nach seiner Überzeugung das Problem der Scheinselbstständig- keit im Honorararztbereich pragma- tisch gelöst. Schäfer: „Wir halten das Modell einer genossenschaft- lich organisierten Berufsaus- übungsgemeinschaft von Ärzten nach heutiger Rechtslage für eine rechtssichere Gestaltung von Hono- rararzteinsätzen.“

Eine Ärzte AG, die ein Krankenhaus kaufen will

Die CAG – Clinica.Arzt AG, Ber- lin, geht noch einen Schritt wei- ter als der Bundesverband der Ho- norarärzte mit seiner Genossen- schaftsgründung Locumcert eG.

Auch bei dieser Aktiengesellschaft (AG) ist die Grundidee, dass die Honorarärzte ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, Teilhaber der ei- genen Firma werden und sich dann selbst an Krankenhäuser weiterver- teilen (wodurch wie bei Locumcert keine Umsatzsteuer anfällt). Zu den fünf Gründungsvätern der AG, die je 10 000 Euro Grundkapital inves- tiert haben, zählen der langjährige Tarifexperte des Marburger Bundes, Lutz Hammerschlag, und der frühe- re Vivantes-Geschäftsführer Joa- chim Bovelet. Sie haben neben der AG auch noch eine GmbH gegrün- det, die die Ärzte anstellt und dann in Krankenhäusern, die Ärzteman- gel anmelden, einsetzt. Die Ärzte beziehen also einerseits als Ange- stellte der GmbH ein fixes Gehalt und partizipieren darüber hinaus als Anteilseigner am Geschäftsgewinn der AG, falls das Projekt erfolg- reich ist.

Doch damit nicht genug: „Wir haben uns gedacht: Wenn man so etwas macht, dann muss man den Ärztinnen und Ärzten auch eine

echte Heimat geben – in einem ei- genen Krankenhaus“, führt Ham- merschlag aus. Die AG werde des- halb in Kürze Anteile an einem Krankenhaus erwerben; „wahr- scheinlich in Süddeutschland, wo derzeit viele Krankenhäuser auf dem Markt sind“. In diesem Kran- kenhaus sollen dann verschiedene Arbeitszeit- und Organisationsmo- delle getestet werden. Als Beispiel

nennt der heutige Geschäftsführer der Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden ein Rotationssystem, bei dem etwa bestimmte Operatio- nen nur an einem Mittwoch erfol- gen und der Arzt auch nur an die- sem Tag im Haus ist. Das Kranken- haus wiederum soll sich mit 51 Pro- zent an der GmbH beteiligen, wo die Ärzte angestellt sind. Hammer- schlag: „Die AG ist dann die Hol- ding, Miteigentümer eines Kran- kenhauses, und das Krankenhaus ist mit 51 Prozent Miteigentümer an einer GmbH, die Ärzte anstellt.“

Je attraktiver das Haus, desto geringer die Not

Der Markt reagiert: Die Agenturen, eine Genossenschaft und eine AG bieten pragmatische Lösungen, wie die Krankenhäuser bei Bedarf rechtlich sicher ärztliche Dienstleis- tungen einkaufen können.

Die natürliche Alternative zum

„Arzt auf Zeit“ ist und bleibt aber der fest angestellte Arzt. So könnte man annehmen, dass ein Kranken- haus, das dauerhaft und in großem Ausmaß auf Honorarärzte zurück- greifen muss, für fest angestellte

Ärzte einfach nicht attraktiv genug ist. Dies muss sich auch Hans Adolf Müller gedacht haben, der bis vor kurzem für die zentrale Steuerung der im Verbund der Knappschaft Bahn See betriebenen Krankenhäu- ser verantwortlich war (inzwischen ist er in Ruhestand). Die knapp- schaftlichen Krankenhäuser in Bo- chum, Bottrop, Gelsenkirchen- Buer, Recklinghausen, Marl, Dort- mund, Lünen, Püttlingen und Sulz- bach hätten im Jahr 2011 circa 5,4 Millionen Euro für den Einsatz von Honorarärzten ausgegeben, berich- tete Müller am 1. Oktober beim Klinikrente-Personalkongress in Leipzig. Etwa 2,5 Millionen Euro davon seien allein an honorarärztli- che Anästhesisten gezahlt worden.

„Wir haben uns dann vorgenom- men, diese Kosten zu reduzieren, indem wir als Arbeitgeber für Ärzte insgesamt attraktiver werden, wo- bei wir uns in einem ersten Schritt auf die Anästhesisten konzentrieren wollten“, führte Müller vor den 200 Klinikmanagern in Leipzig aus.

Begleitet von der Schubert Ma- nagement Consultants GmbH, Köln, analysierte die Knappschaft Bahn See zunächst, wie die eigenen Krankenhäuser von den Ärzten be- urteilt werden (beziehungsweise wo Verbesserungspotenzial besteht) und welche Anforderungen insbe- sondere Honorarärzte an einen at- traktiven Arbeitgeber stellen. Dar - aus wurden dann gezielt Maßnah- men abgeleitet. Dazu zählten unter anderem: Herausstellen der realen Attraktivitätsfaktoren der einzelnen Häuser, Regelungen und Mindest- standards in der Weiter- und Fort- bildung, Modelle zur karriereorien- tierten Rotation, Teambuildingmaß- nahmen und Mitarbeitergespräche.

Ergebnis: Seit Projektbeginn im Februar dieses Jahres bis Ende Au- gust reduzierte die Knappschaft Bahn See die Zahl ihrer Honorar- ärzte in den neun Krankenhäusern um 30 Prozent. Deren Tätigkeiten werden nun von fest angestellten Ärzten wahrgenommen. Müllers Fazit: „Über Arbeitgeberattraktivi- tät muss man nicht philosophieren, man muss sie gestalten und vor al- lem öffentlich machen.“

Jens Flintrop Strategische Per-

sonalreserve: In Situationen perso- neller Not springen Honorarärzte kurz- fristig ein. Sie kön- nen jedoch nicht ein funktionierendes Team ersetzen. In- sofern gibt es ein

„gesundes Maß“

für die Zahl von Honorarvertretung särzten.

Foto: Your Photo Today

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Referenzen

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