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Archiv "Interview mit Dr. med. Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Hartmannbunds: „Man muss ein bisschen Kette lassen“" (28.09.2012)

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A 1914 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 39

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28. September 2012

INTERVIEW

mit Dr. med. Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Hartmannbunds

„Man muss ein bisschen Kette lassen“

Im Honorarstreit herrscht die Ruhe vor dem nächsten Sturm. Klaus Reinhardt über

Arztproteste und Kassenmacht, den richtigen Kurs im Gesundheitswesen und frischen Wind im Hartmannbund durch junge Ärztinnen und Ärzte

Herr Dr. Reinhardt, hatten Sie für die Honorarverhandlungen mit einem so harten Kurs gerechnet? Viele nahmen doch an, dass es in Zeiten von hohen Rücklagen nicht derart heftige Ausein - andersetzungen zwischen der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband geben würde.

Reinhardt: Ich glaube, der harte Kurs hat gerade damit zu tun, dass die Krankenkassen über relativ gro- ße Rücklagen verfügen. Solange sie quasi am Tropf der Politik hingen, weil ein Defizit drohte, waren sie viel umgänglicher. Jetzt entwickeln sie ein stärkeres Eigenleben, auch gegenüber dem Bundesgesundheits - ministerium. Das merkt man.

Hat der GKV-Spitzenverband zu viel Macht in der Selbstverwaltung?

Reinhardt: Das glaube ich nicht.

Ich glaube eher, dass es Spannun-

gen zwischen ihm und den Mit- gliedskassen gibt, vor allem in den Regionen. Viele Kassenverantwort- liche dort sind nicht glücklich mit der Linie ihres Spitzenverbands.

Das ähnelt dem, was wir von KBV und Kassenärztlichen Vereinigun- gen kennen. Dieses Verhältnis war zwischendurch auch nicht immer einfach, aber da hat man sich ja zuletzt wieder ganz ordentlich zu- sammengefunden.

Der Hartmannbund ist Teil der Allianz Deutscher Ärzteverbände, die spürbare Maßnahmen angekündigt hat, falls die Kassen beim Honorar nicht nachbes- sern. Dafür hat die Allianz die Zustim- mung ihrer Mitglieder eingeholt. Wie bewerten Sie das Ergebnis?

Reinhardt: Ich war außerordent- lich zufrieden mit den Rückmel- dungen. Etwa die Hälfte der be-

fragten Kolleginnen und Kollegen in den Verbänden hat sich an der Abstimmung beteiligt, ungefähr drei Viertel davon haben selbst Praxisschließungen zugestimmt. Das zeigt, dass die grundsätzliche Be- reitschaft vieler da ist, sich aus - einanderzusetzen.

Rechnen Sie noch mit einem Honorar- kompromiss?

Reinhardt: Ich wäre sehr froh, wenn KBV und GKV-Spitzenver- band das noch schaffen würden bis zum 4. Oktober. Für den Fall, dass es nicht gelingt, haben wir wir- kungsvolle Proteste vorbereitet.

Wir haben schon kurz über die Macht der Kassen und ihres Spitzenverbands gesprochen. Unlängst hat der Hart- mannbund gefordert, den Kassen ihren Körperschaftsstatus abzuerkennen.

Was wollen Sie damit erreichen?

Reinhardt: Damit wollte ich klar- machen, dass das Handeln des Spitzenverbands im Moment nicht dem Verantwortungsbewusstsein entspricht, das eine Körperschaft haben sollte. In Honorarverhand- lungen muss jeder wissen, dass er Verantwortung trägt. Und zwar am Ende für die Versorgung der Patien- ten und Versicherten.

Wenn Gewerkschaften und Arbeitgeber über Löhne verhandeln, wird gestritten und gedroht. Das gehört zum Geschäft.

Reinhardt: Sicher. Trotzdem müs- sen die Krankenkassen bei Honorar- verhandlungen mit den Ärzten dar - über nachdenken, wie ein Gesund- heitswesen in einem hochentwickel- ten Land wie dem unseren eigentlich aussehen soll. Man kann natürlich Mehr Balance

zwischen Tagespolitik und langfristig ange- legten Überlegungen – das vermisst Klaus Reinhardt (52) manchmal nach einem knappen Jahr im Amt. Die Diskus- sionen mit dem Nachwuchs findet er anregend.

Foto: Georg J. Lopata

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28. September 2012 A 1915 Medizin, Medizintechnik, Pharma-

industrie immer weiter herunterre- gulieren – oder diesen Wirtschafts- zweigen auch etwas Raum lassen.

Sehen Sie sich doch um: In Berlin fahren noch genug teure Autos, es entsteht Büroraum in allen mög - lichen Luxusvarianten. Da frage ich mich manchmal schon, warum wir unser Gesundheitswesen auf ein Niveau herunterzuregulieren versu- chen, das nicht dem allgemeinen Lebensstandard in allen übrigen Le- bensbereichen entspricht. Wir soll- ten das Gesundheitswesen nicht im- mer nur als Kostenfaktor betrachten.

Hier entsteht auch Wertschöpfung.

Ein anderer Status für die Krankenkas- sen: Was schwebt Ihnen da vor?

Reinhardt: Ich bin ja grundsätzlich der Auffassung, dass wir ein System mit einer Versicherungspflicht statt einer Pflichtversicherung brauchen und dass die Kassen morgen zu Pri- vatunternehmen umgewandelt wer- den könnten. Allerdings innerhalb eines versicherungsrechtlichen Ord- nungsrahmens, der allen sehr klare, faire und gleiche Spielregeln ver- schafft. Darunter könnte man die privaten Krankenversicherungsun- ternehmen gleich subsumieren. Ich würde allen Anbietern einen Kontra- hierungszwang für Versicherte ins Gesetz schreiben. Und dann wäre es Aufgabe der Versicherungsbranche, damit zurechtzukommen. Das hielte ich für einen guten Weg, zu dem auch Kostenerstattung und Transpa- renz in Kostenfragen gehörten.

Aber was hat das mit dem aktuellen Honorarstreit zu tun?

Reinhardt: Unser Honorarsystem ist doch fast schon unerklärbar für einen Arzt, der sich nicht für Be- rufspolitik interessiert, von den Versicherten ganz zu schweigen.

Eigentlich liegt in dieser Unver- ständlichkeit auch eine gewisse Ent - mündigung der Bürger, weil sie wich - tige Teile des Systems ja gar nicht mehr richtig einsortieren können.

Ihr Verband hat mit Erfolg um Studie- rende und junge Ärzte geworben. Wie wirkt die Honorardiskussion auf sie?

Reinhardt: Ich könnte mir vorstel- len, dass die Jüngeren das befremd-

lich finden. Nur: Auch wer eine Schlosserlehre macht, wird man- ches Gebaren der IG Metall be- fremdlich finden. Ich meine, dieser Aspekt kann uns daher nicht davon abhalten, legitime und berechtigte Interessen zu formulieren. Wir for- dern ja nicht mehr Geld für unseren persönlichen Lebensstandard, son- dern für mehr Gestaltungsmöglich- keiten in der Versorgung.

Der Streit schreckt Nachwuchs nicht ab?

Reinhardt: Nein, und Geld ist auch nicht das zentrale Thema. Das ist – zwar nicht überraschend, aber in seiner Deutlichkeit doch immer wieder verblüffend in verbandsin- ternen Diskussionen – die Verein- barkeit von Familie und Beruf. Die

ist den Jüngeren in besonderer Wei- se wichtig. Dabei geht es nicht nur um praktische Aspekte, sondern um mehr: um die Frage der Bereitschaft zur Selbstausbeutung, um Fremd- bestimmung, um Aufopferung in zeitlicher Hinsicht im Arztberuf.

Wie kommt das an in Ihrem Verband?

Reinhardt: Teilweise führt das zu spannenden Diskussionen. Manche finden, die Jungen machten es sich zu einfach. Oder sie lernten zu we- nig, wenn sie nicht auch einmal ei- nen 24-Stunden-Dienst durchge- standen hätten. Die Frage ist auch, ob sich durch eine andere Berufs- einstellung bei den jüngeren Kol - legen das Arztbild in der Bevölke- rung verändert.

Jüngere Ärzte finden viel Verständnis, die Arbeitsbedingungen ändern sich.

Warum ist es trotzdem schwierig, Nachwuchs für manche Orte zu finden?

Reinhardt: Ich glaube, dass viele, ob Einzelpraxisinhaber oder Kli- nikbetreiber, sich noch nicht genug bewegen. Zusätzlich existieren zahl - reiche externe Behinderungen.

Wie sollen niedergelassene Kolle- ginnen und Kollegen angesichts der Mengenbegrenzung jemanden

anstellen? Hier wären vor allem Kassen und KVen gefragt. Da müsste man auch mal den Mut ha- ben, ein bisschen Kette zu lassen, wie man auf dem Schiff beim An- kern sagt.

Für junge Ärzte spielt eine moderne Weiterbildung eine große Rolle. Müss- ten die Ärztekammern hier nicht eben- falls ein bisschen Kette lassen?

Reinhardt: Das ist ein schwieriges Thema, auch weil an vielen Stellen Kollegen am Ende ihres Berufsle- bens Regeln für die Jungen aufstel- len. Dennoch ist schon einiges in Bewegung gekommen. Die jungen Kollegen fordern nach unseren Er- kenntnissen in großer Zahl eine modulare Weiterbildung, Teilab-

schnittsprüfungen, insgesamt grö- ßere Gestaltungsmöglichkeiten.

Wie wichtig wäre es, die Weiterbildung im ambulanten Bereich zu forcieren?

Reinhardt: Sehr wichtig. Es gibt doch viele Fächer, in denen heute große Leistungsbereiche überwie- gend ambulant erbracht werden.

Dem muss man Rechnung tragen.

Was würden Sie anders organisieren?

Reinhardt: Ich finde das holländi- sche Modell gut. Da nimmt ein jun- ger Arzt, bildlich gesprochen, das Geld für seine Weiterbildungszeit quasi im Rucksack mit. Egal ob er sich in einer Klinik oder Praxis weiterbildet, er ist finanziert und für keinen eine wirtschaftliche Be- lastung. Das würde auch eine ganz andere Form von Wettbewerb unter den Weiterbildern auslösen.

Die Diskussionen um neue Ansätze und Wege gefallen Ihnen, oder?

Reinhardt: Ja. Wir sind dabei, uns zu wandeln vom altehrwürdigen Verband zu einem, der nach meinen Vorstellungen hoffentlich die mo- dernsten Konzepte vertreten wird.

Das Interview führten Sabine Rieser und Heinz Stüwe.

Warum versuchen wir, unser Gesundheitssystem auf ein

Niveau herunterzuregulieren, das nicht dem allgemeinen Lebens- standard in allen übrigen Lebensbereichen entspricht?

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