• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Gendiagnostikgesetz: Auf der Zielgeraden" (08.05.2009)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Gendiagnostikgesetz: Auf der Zielgeraden" (08.05.2009)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A914 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 19⏐⏐8. Mai 2009

P O L I T I K

Leiter Sawicki für „nicht gerecht“.

Ein Vergleich über Krankheitsgren- zen hinweg würde unweigerlich eine Entscheidung erzwingen, ob es eine Krankheit im Vergleich zu einer an- deren „wert“ ist, dass für betroffene Patienten eine Innovation eingesetzt wird, und wenn ja, zu welchen Kos- ten. Die Methode des IQWiG ver- meide solche Werteentscheidungen.

Eben diese indikationsbezogene Betrachtung der Therapien bemän- geln aber andere Experten, insbe- sondere deshalb, weil sich die Ar- beit mit den indikationsübergrei- fenden QALYs in mehreren Län- dern etabliert hat, unter anderem in Großbritannien. QALYs dienen da- zu, die durch eine Behandlung ge- wonnene Verlängerung des Lebens mit der Lebensqualität zu gewich- ten. Unumstritten ist aber auch diese Methode nicht: So kombinieren QALYs mit dem Gewinn an Le- benszeit und Lebensqualität nur zwei Aspekte aus einer Vielzahl möglicher Parameter. Auch hat sich gezeigt, dass QALYs nicht die Wer- te der Mehrheit einer Gesellschaft widerspiegeln und in ihrer Wirkung mitunter ethisch fragwürdig sind.

Dennoch plädierte Prof. Dr. med.

Georg Marckmann, stellvertretender Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Univer- sität Tübingen, bei einer Tagung des Verbands Forschender Arzneimittel- hersteller in Berlin dafür, QALYs auch in Deutschland zu implemen- tieren. Zumindest seien die Mängel des QALY-Konzepts bekannt, was eine Weiterentwicklung erleichtere.

Nach Einschätzung von Marckmann, der auch Mitglied im Wissenschaftli- chen Beirat des IQWIG ist, bietet der Methodenentwurf des Instituts keine hinreichende Rechtfertigung für die Festlegung von Höchstbeträgen. Der Maßstab für die Kosten-Nutzen-Be- wertung sei das aktuelle Preisniveau im jeweiligen Indikationsbereich.

Man könne aber nicht einfach davon ausgehen, dass die geltenden Preise angemessen seien. Damit ziehe man einen unzulässigen Schluss von

„Sein“ auf „Sollen“.

Heike Korzilius, Samir Rabbata

E

in Dauerstreit ist vorerst bei- gelegt: Nach siebenjähriger Kontroverse über schärfere Regeln für Gentests verabschiedete der Bundestag am 24. April 2009 mit den Stimmen von Union und SPD das Gendiagnostikgesetz. Während der Gesetzentwurf im Vorfeld auf reichlich Kritik stieß und am Streit der Koalitionspartner gar zu schei- tern drohte, sprechen diese sowie viele Verbände und Organisationen mittlerweile von einer „längst über- fälligen Regelung“ und einem „gu- ten Ansatz“. Im Großen und Ganzen sei mit dem Gesetz, das noch in die- sem Jahr in Kraft treten soll, eine Balance erreicht worden.

Bei der Abstimmung im Bundes- tag enthielten sich die FDP und die Linksfraktion. Lediglich die Grü- nen, deren eigener Entwurf eines Gendiagnostikgesetzes im Bundes- tag scheiterte, kritisieren das Gesetz heftig. Insbesondere bemängeln sie, dass Regelungen für den Bereich der Forschung fehlen sowie Lücken im Arbeitsrecht bestünden. Im Be- reich Versicherungen biete das Ge- setz nur eine scheinbare Sicherheit.

Klar unterstützt wird von den Grünen jedoch das quasi in letzter Minute ins Gesetz eingebrachte Ver- bot von vorgeburtlichen Untersu- chungen auf Erkrankungen, die erst im Erwachsenenalter auftreten kön- nen. Eine solche Regelung war schon lange Bestandteil des grünen Ge- setzentwurfs. Innerhalb der Großen Koalition sorgte sie jedoch bis zuletzt für Zündstoff. Schließlich lenkten die Sozialdemokraten, die ursprünglich ein Verbot verhindern wollten, ein. An dieser Frage woll- ten sie nicht das gesamte Gesetz scheitern lassen.

Ein weiterer Vorschlag fand auch in letzter Minute Eingang. So sind Untersuchungen, die zwar keine Gentests sind, jedoch ebenfalls Rückschlüsse auf genetische Er- krankungen zulassen, den Gentests gleichgestellt. Erlauben sie eine Voraussage über die Gesundheit des ungeborenen Kindes, ist ebenfalls eine Beratung vorgeschrieben.

Keine Änderung des Entwurfs erfolgte in Bezug auf den „umfas- senden Arztvorbehalt“. Auf den Vorschlag des Bundesrats, diesen Allgemeinverständliches zur IQWiG-

Methode: www.aerzteblatt.de/09912

@

GENDIAGNOSTIKGESETZ

Auf der Zielgeraden

Das neue Gendiagnostikgesetz soll noch dieses Jahr in Kraft treten. Es regelt die Bereiche der medizinischen Versorgung, der Abstammung, des Arbeitslebens und der Versicherungen. Ein Überblick

5 000 Euro Buß- geld müssen dieje- nigen zahlen, die einen heimlichen Vaterschaftstest an- fertigen lassen. Die vergleichweise milde Strafe ist Ausdruck des langen Streits zwischen Gegnern und Befürwortern

heimlicher Tests. Foto:ddp

(2)

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 19⏐⏐8. Mai 2009 A915

P O L I T I K

einzuschränken, ging die Regierung nicht ein. Sowohl genetische Rei- henuntersuchungen, die auf einen gesundheitlichen Nutzen für die Pa- tienten abzielen, als auch das Neu- geborenen-Screening sind somit Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Relevante Regelungen für den medizinischen Bereich:Vorgeburt- liche genetische Untersuchungen sind auf medizinische Zwecke be- schränkt. Eine Schwangere kann keinen Gentest in Auftrag geben, nur um das Geschlecht ihres Kindes zu bestimmen. Stellt der Arzt bei einem aus medizinischen Gründen vorgenommenen Test allerdings das Geschlecht fest, kann er es auf Wunsch nach Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche mitteilen.

Ferner dürfen Gentests zu medi- zinischen Zwecken nur Ärztinnen und Ärzte vornehmen. Diese müs- sen ihre Patienten „über Wesen, Be- deutung und Tragweite“ der geneti- schen Untersuchung aufklären und deren schriftliche Einwilligung ein- holen, die jederzeit widerrufen wer- den kann. Vor und nach einem prä- diktiven Gentest muss der Arzt den Patienten beraten, auch bezüglich einer möglichen psychischen Be- lastung durch die Befunde.

Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßt ausdrücklich den im Gesetz festgeschriebenen Arztvorbehalt. Zu- zustimmen sei auch der Entschei- dung des Gesetzgebers, die geneti- sche Forschung vom Anwendungs- bereich des Gesetzes auszunehmen, sagte Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der BÄK. Schon jetzt gewährleisteten die Daten- schutzgesetze von Bund und Län- dern sowie die Ethikkommissionen einen umfangreichen Schutz vor möglichen Gefahren.

Auf Kritik stoßen bei der BÄK einige „weit in das ärztliche Berufs- recht hineinreichende Regelungen“.

Dem Gesetz zufolge sollen nämlich die Qualitätssicherung, die Prüfung der Qualifikation von Ärztinnen und Ärzten im Hinblick auf Weiter- bildung und Fortbildung sowie die Feststellung des allgemein aner- kannten Standes von Wissenschaft und Technik Aufgabe der geplanten Gendiagnostik-Kommission des Ro- bert-Koch-Instituts sein. Die Rege-

lungen ließen zum Teil die verfas- sungsrechtlichen Zuständigkeitsbe- reiche außer Acht, bemängelte Hop- pe. Sie beschnitten sowohl den ärzt- lichen Verantwortungsbereich als auch die den Ländern übertragene Kompetenz für Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung.

Neue Regelungen betreffen auch das Arbeitsrecht: Grundsätzlich sind genetische Untersuchungen auf Ver- langen des Arbeitgebers untersagt.

Lediglich zur arbeitsmedizinischen Vorsorge sind Gentests zulässig, beispielsweise um eine genetisch bedingte Überempfindlichkeit ge- genüber bestimmten Stoffen zu prü- fen. Auch Standardtests zur körper- lichen Eignung sind erlaubt. So kann bei angehenden Fernfahrern oder Elektrikern eine Rot-Grün- Farbblindheit ausgeschlossen wer- den. Der Verband Deutscher Be- triebs- und Werksärzte begrüßt das Verbot von Gentests bei Einstel- lungsuntersuchungen. Auf freiwil- liger Basis seien sie für bestimmte Berufsgruppen sinnvoll – aller- dings nur, wenn dabei die gesund- heitliche Vorsorge im Mittelpunkt stehe. Entscheidend sei, dass die Ergebnisse nur dem Arbeitnehmer bekannt würden, damit er sein Ri- siko abschätzen und sich beraten lassen könne.

Ferner widmet sich das Gesetz dem Versicherungsbereich:Unter- nehmen dürfen dem Gesetz zufolge bei Vertragsabschluss weder Gen-

tests noch Auskünfte über bereits vorgenommene genetische Untersu- chungen verlangen. Ausnahmen werden bei Lebensversicherungen mit Versicherungssummen von mehr als 300 000 Euro gemacht.

Das Gesetz beinhaltet zudem Be- stimmungen zum Schutz vor der un- befugten Weitergabe sowie zur Lö- schung von genetischen Daten.

Werden diese nicht eingehalten, drohen bis zu 300 000 Euro Buß- geld. Wer gegen die Einwilligung einer Person einen Gentest vorneh- men lässt, muss mit einer Haftstrafe bis zu einem Jahr rechnen.

Gleichfalls verbietet das Gesetz heimliche Vaterschaftstests: Män- ner, die ihre Vaterschaft überprüfen, oder Mütter, die sich wegen ver- schiedener Sexualpartner Klarheit über den Vater ihres Kindes ver- schaffen wollen, müssen vor dem Test die Zustimmung des jeweils anderen potenziellen Elternteils einholen. Zuwiderhandlungen wer- den mit bis zu 5 000 Euro bestraft.

Ein vorgeburtlicher Vaterschaftstest kommt nur bei einer Schwanger- schaft nach sexuellem Missbrauch oder einer Vergewaltigung infrage.

Dennoch bleiben Lücken: Auch wenn deutsche Ärzte heimliche Va- terschaftstests nicht anbieten dür- fen, ist es ohne Weiteres möglich, diese Tests im Ausland anfertigen zu lassen. Ein Medizintourismus ist nicht auszuschließen.

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

GENDIAGNOSTIKGESETZ – DIE REGELUNGEN IM ÜBERBLICK

Genetische Untersuchungen dürfen nur durchgeführt werden, wenn die betroffene Person in die Untersuchung rechtswirksam eingewilligt hat. Es besteht ein Recht auf Nichtwissen.

Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken dürfen nur von einer Ärztin oder einem Arzt durchgeführt werden. Diese(r) ist zu einer genetischen Beratung vor und nach Untersu- chungen verpflichtet, die Vorhersagen über die Gesundheit erlauben.

Die vorgeburtliche genetische Untersuchung ist auf medizinische Zwecke beschränkt. Verboten sind pränatale genetische Untersuchungen auf spätmanifestierende Krankheiten.

Heimliche Abstammungsuntersuchungen sind

verboten und werden als Ordnungswidrigkeit mit 5 000 Euro Bußgeld geahndet.

Genetische Untersuchungen auf Verlangen des Arbeitgebers sind grundsätzlich verboten. Le- diglich bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeunter- suchungen sind Gentests zugelassen.

Versicherungsunternehmen dürfen beim Ab- schluss eines Versicherungsvertrags grund- sätzlich keine Gentests verlangen. Ergebnisse bereits vorgenommener Untersuchungen müs- sen nur vorgelegt werden, wenn die Versiche- rungssumme mehr als 300 000 Euro beträgt.

Eine interdisziplinär zusammengesetzte, unab- hängige Gendiagnostik-Kommission soll Richtli- nien zum allgemein anerkannten Stand der me- dizinischen Wissenschaft und Technik erstellen.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

- Schwerstpflegebedürftige 1300 DM. Pflegegeld und Pflegesachlei- stungen und können auch kombiniert in Anspruch genommen werden. Bei Verhinderung der Pflegeperson übernimmt

kommt es zu einer Situation, in der für die betroffenen Mütter die vorher besprochene Möglichkeit eines Ab- bruches der Schwangerschaft zur logischen Konsequenz wird. Auch

Zu- gleich aber wird mit dieser Freispal- te noch einmal deutlich gemacht, daß der Arzt bei seiner Auswahl nicht nur auf den Preis schauen, sondern auch ihm

relevante Forschung und Lehre sind für mich aber auch sehr wichtig: Ich bearbeite mit meiner Arbeitsgruppe verschiedene Grund- lagenprojekte in den Sonderforschungs- bereichen 738

ln der genetischen Beratung kann durch eine auf ärztliche Be- funde gestützte Familienana- mnese oder durch die Untersu- chung der Ratsuchenden in man- chen Fällen ein

Während der achtstündigen E-Learning- Phase (webbasierte Lernplattform) werden neben einer infektiologischen Kasuistik unter- schiedliche Risikobewertungen im Hinblick auf

Statt die Ab- schaffung genetischer Beratung zu fordern, plädieren wir dafür, das Selbstverständnis, die Aufgaben und Ziele der genetischen Berater zu dis- kutieren und für

"Es ist offensichtlich", so Profes- sor Murken , " daß die pränatale Diagnostik auch in der ferneren Zukunft nur einen Teil der geneti- schen Risiken in