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Archiv "Entwurf eines Transplantationsgesetzes: Organentnahme bei Zustimmung der Angehörigen" (03.03.1995)

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LEITARTIKEL

Entwurf eines Transplantationsgesetzes

Organentnahme bei Zustimmung der Angehörigen

Künftig sollen Transplantationen dann erlaubt sein, wenn

„bei fehlender Erklärung des Verstorbenen der nächste An- gehörige der Entnahme ausdrücklich zustimmt". Ein auf Grundlage dieser sogenannten erweiterten Zustimmungslö- sung erarbeiteter Entwurf eines bundesweiten Transplantati- onsgesetzes wurde jetzt vom Bundesgesundheitsministerium

(BMG) vorgelegt. Auf diese Weise soll ein breitgetragenes

„ Ja" zur Organtransplantation herbeigeführt werden. Mit ei- ner im September letzten Jahres beschlossenen Grundge- setzänderung — sie ist am 15. November 1994 in Kraft getre- ten — war dem Bund die Möglichkeit gegeben worden, ein Ge- setz vorzulegen, das am 1. Januar 1996 in Kraft treten soll.

D

ie Zustimmung von An- gehörigen zur Organentnah- me bei Verstorbenen ist in den letzten Jahren von 90 Prozent auf rund 70 Prozent zurückgegangen.

Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Deutschen Stiftung Or- gantransplantation (DSO) nur 1 887 potentielle postmortale Organspen- der den Transplantationszentren mit- geteilt. Davon waren 1 604 medizi- nisch als Organspender geeignet. Von diesen schieden 502 wegen verweiger- ter Zustimmung der Angehörigen, 87 wegen Kreislaufversagens und zwei aus sonstigen Gründen aus. Lediglich bei 1 013 Verstorbenen konnten Or- gane entnommen werden. Benötigt werden jedoch nach Einschätzung der DSO jährlich rund 2 000 postmortale Organspender. Dies setzt die Mittei- lung von etwa 4 000 potentiellen Or- ganspendern voraus.

Das Bundesgesundheitsministe- rium will deshalb mit einem bundes- einheitlichen Gesetz „ein breitgetra- genes ‚Ja' zur Transplantationsmedi- zin herbeiführen". Der jetzt vorgeleg- te Entwurf beruht auf der erweiterten Zustimmungslösung. Danach dürfen bei fehlender Erklärung des Verstor- benen dann Organe entnommen wer- den, wenn der nächste Angehörige ausdrücklich zugestimmt hat. Der Angehörige kann mit dem entneh- menden Arzt vereinbaren, daß sein Schweigen innerhalb einer bestimm- ten Erklärungsfrist als Zustimmung

gilt. Dies sei eine ausgewogene Kom- promißlösung zwischen Einwilli- gungs- und Informationslösung, heißt es in den Eckpunkten des Gesetzent- wurfs.

Der neue Entwurf liegt jedoch sehr nah an der Informationslösung, bei der die Entnahme von Organen dann erlaubt ist, wenn bei fehlender Erklärung des Verstorbenen der An- gehörige innerhalb einer bestimmten Frist nicht widersprochen hat. Gegen diese Lösung wird nach Darstellung des BMG allerdings vorgebracht, daß der Angehörige überrumpelt werde, weil er sich gegen eine postmortale Organentnahme bei dem Verstorbe- nen ausdrücklich wehren müsse. Die Länder Hessen und Bremen, die im Bundesrat einen eigenen Gesetzent- wurf eingebracht hatten, favorisieren die Informationslösung.

Bei der sogenannten engen Zu- stimmungslösung wäre eine Entnah- me von Organen nur bei zu Lebzeiten erklärter Einwilligung des Verstorbe- nen möglich gewesen. Gegen diese Lösung spricht, so das BMG, daß

„nicht zu erwarten ist, daß sich jeder Bürger zu Lebzeiten für oder gegen ei- ne Organentnahme entscheidet".

Bei der Widerspruchslösung ist die Entnahme grundsätzlich zulässig, wenn kein ausdrücklicher Widerspruch des Verstorbenen bekannt ist. Diese Lösung „ist jedoch in der Gesellschaft nicht konsensfähig", so das Ministeri- um. Das BMG hat also einen akzepta-

blen Kompromiß erarbeitet, der außerdem auch der bereits gängigen Rechtspraxis entspricht. Wichtig für die Diskussion sind auch die Haltung der Kirchen und die „ethischen Grundlagen für die Ärzteschaft". Die beiden Kirchen hätten bereits 1989 und 1990 grundsätzlich die Organ- spende befürwortet.

Feststellung des Hirntodes

Bei der medizinischen Bewer- tung des Hirntodes sei eine Minder- heit der Auffassung, daß der Hirntod der Beginn des Sterbens, aber noch nicht der sichere Todeseintritt sei, heißt es in den Eckpunkten. Das Bun- desgesundheitsministerium beruft sich dagegen auf die Bundes- ärztekammer. Diese habe betont,

„daß mit dem Hirntod der Tod des Menschen eingetreten sei". Deshalb solle der Tod mittels der Feststellung des Hirntodes festgestellt werden.

Der Hirntod soll nach „klaren, im Gesetz festgelegten Kriterien, die dem Stand der medizinischen Wissen- schaft entsprechen, durch zwei von den Transplanteuren unabhängige Ärzte" festgestellt werden. Die Bun- desärztekammer soll das nähere Ver- fahren und die Anforderungen an die besondere Qualifikation der Ärzte in Richtlinien bestimmen, um jeden

„vernünftigen Zweifel und Miß- Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 9, 3. März 1995 (15) A-569

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POLITIK

brauch auszuschließen". Zur Organ- entnahme bei Lebenden sieht der Entwurf vor, daß „auch eine Person, die mit dem Organempfänger in be- sonderer Weise persönlich verbunden ist, ein nicht regenerierungsfähiges Organ spenden kann", so die Eck- punkte

In das Gesetz wird die Strafbar- keit des Organhandels einbezogen.

Ein vom Bundesjustizministerium er- arbeiteter Entwurf zum Verbot des kommerziellen Organhandels war vom Bundesrat für „nicht sachge- recht" gehalten worden. Die Länder- kammer hatte kritisiert, daß der Re- gierungsentwurf nur den Handel mit Organen, Organteilen und Geweben

Gesuncheitsstrukturreform

Nach den ersten drei Diskussions- runden zur Vorbereitung einer weite- ren Stufe zur Strukturreform bleibt Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer unbeirrt bei seiner bisher schon verfochtenen Taktik: Der Re- formpoker soll tunlichst in Abstim- mung und im Konsens mit den Betei- ligten und Betroffenen durchgezogen werden. Nachdem die ersten Richt- pflöcke eingerammt sind, soll auch das

„Benehmen" mit der Opposition und den Bundesländern herbeigeführt werden. Dies dürfte erst am Ende des zweiten Halbjahres der Fall sein, wenn die Hearings und Klausurtagungen durchgezogen sind und der Sachver- ständigenrat für die Konzertierte Ak- tion im Juli 1995 sein Gutachten mit Empfehlungen präsentiert hat.

In den Runden mit Repräsentan- ten der ärztlichen Verbände und Kör- perschaften, der Krankenhausverbän- de und der Arzneimittelindustrie gab sich Seehofer gewohnt verbindlich, mit allen taktischen Finessen ausge- stattet — markante Richtpunkte vor- gebend. Wer den Konsens, auch einen parteienübergreifenden, nicht will, müsse die Reformstufe im Konflikt hinnehmen. Gewisse politische Vor- gaben müsse es geben. Seehofer be- teuert, nicht den Stein der Weisen ge- funden zu haben. Dennoch: Die ge-

LEITARTIKEL/KOMMENTAR

unter Strafe stellt, die von Lebenden entnommen wurden. Der Handel mit Organen Verstorbener sollte nach Regierungsansicht außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden.

Der Bundesrat fordert dagegen, den Handel mit Organen toter und le- bender Personen in einem Gesetz zu regeln. Der Entwurf eines Transplan- tationsgesetzes des Bundesgesund- heitsministeriums trägt dieser Forde- rung Rechnung. Das Bundesgesund- heitsministerium will auch den Han- del mit Organen Verstorbener unter Strafe stellen. Darüber sei mit dem Justizministerium Einvernehmen er- zielt worden, heißt es in den Eck- punkten. Gisela Klinkhammer

setzliche Krankenversicherung soll ei- nen finanzstabilen Zuschnitt erhalten.

Hohe Qualität bei stabilen Beitrags- sätzen soll durch ein Wettbewerbsmo- dell verwirklicht werden. Die Selbst- verwaltung von Ärzten und Kranken- kassen soll bei der Sicherstellung des Versorgungsauftrages, der Qualitäts- sicherung und bei der Erprobung neu- er Methoden der Vertragsgestaltung wesentlich mehr Freiheiten als bisher erhalten. Dennoch gelte die Vorgabe:

Entbürokratisierung und Deregulie- rung bei gleichzeitigem notwendigen Umbau des Sozialstaates. Im Gegen- zug will Seehofer die Einhaltung des politischen Dogmas der Beitragssatz- stabilität und der grundsätzlichen Be- achtung der Leistungsgewährung (Sachleistung) einfordern. Nur unter diesen Konditionen werde die sekto- rale Budgetierung (für Ärzte und Krankenhäuser) Ende 1995 plan- mäßig beendet werden. Die verstärk- te Beitragssatzstabilität sei, so Seeho- fer blauäugig, „keine Spielart der Budgetierung". Nach anderer Lesart wird allerdings ein Schuh daraus.

Schon dringt aus Bonn die Kunde, daß die Seehofer-Administration ein Einsparvolumen von fünf beziehungs- weise drei Milliarden DM für die sta- tionäre und ambulante ärztliche Be- handlung anpeile (zum Vergleich:

Beim GSG 1992 ging es um 11 Milliar- den DM, die zu 9,5 Milliarden DM eingespielt wurden).

Es fragt sich, wie dies mit Seeho- fers Bekundung in Einklang zu brin- gen ist, daß die gesetzliche Kranken- versicherung Ende 1995 kein „Not- fallpatient" mehr sei. Im Widerspruch dazu steht Seehofers frühere Mei- nung, das GSG sei Ende 1995 an die Grenzen seiner Wirksamkeit gelangt.

Was gilt nun?

So sehr die Verbände der Heilbe- rufe eine Deregulierung begrüßen, so kann der dringend notwendige größe- re Bewegungsspielraum für die Selbstverwaltung doch nicht damit ge- füllt werden, daß gerade dieser und den Leistungsträgern im Gesund- heitswesen noch mehr undankbare Aufgaben aufgehalst werden, die nicht oder kaum lösbar sind. Die Selbstverwaltung muß einen Teufel daran tun, Dinge zu übernehmen, die außerhalb ihrer Macht, ihrer Reich- weite und Kompetenz stehen. Wenn Seehofer zur Mitverantwortung auf- ruft, etwa wenn Grund-/Regel-Lei- stungen von Wahl- und Komfortlei- stungen abgegrenzt werden müssen, so können doch nicht der praktizie- rende Arzt oder seine Interessenver- tretung die Verantwortung für die

„richtige", nur politisch zu treffende Entscheidung übernehmen. Bei aller Bereitschaft, den Dialog offen und fair zu führen, können die Leistungs- erbringer nur die Mitverantwortung für eine rationelle und wirtschaftliche Mittelverwendung übernehmen, wenn sie die Ursachen und Kosten- faktören direkt und selbst beeinflus- sen können. Die Kostenschübe im Gesundheitswesen werden von vielen

„exogenen Faktoren" ausgelöst, das weiß auch Seehofer, insbesondere:

Veränderung des Krankheitsspek- trums, Ausweitung des medizinischen Leistungsspektrums, medizinischer Fortschritt, Auswirkungen einer durch die Rechtssprechung geprägten Defensivmedizin, Veränderung des Morbiditätsspektrums, „Altersberg", Verlängerung der Lebenserwartung, aber auch systemimmanente Fakto- ren, die den Ausgabentrend beein- flussen, etwa die Strukturierung, Stu- fung und der Grad der Integration der Gesundheits- und Krankenversor- gung. HC

Seehofers Kalkül

A-570 (16) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 9, 3. März 1995

Referenzen

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