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Archiv "Das Kostendämpfungsgesetz — ein folgenschwerer Irrtum" (26.02.1981)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Heft 9 vom 26. Februar 1981

Das Kostendämpfungsgesetz — ein folgenschwerer Irrtum

Hans-Peter Höhle

1975 schlug die Bundesregie- rung wegen der Kostenexpan- sion in der Krankenversiche- rung Alarm. Die Ausgaben entsprachen einem Beitrags- satz von über 11 Prozent. Man machte die Ärzte in erster Li- nie verantwortlich. Vom Ge- setzgeber wurden Maßnah- men zur Begrenzung der Aus- gaben für ambulante Versor- gung und Arzneimittel erwar- tet. Nun steigen die Beiträge trotzdem, die der Ersatzkas- sen durchschnittlich von 11,2 auf 11,9 Prozent, die der RVO- Kassen von durchschnittlich 11,7 auf 12,2 Prozent. Und dies ist höchstwahrscheinlich nur die Spitze des Eisberges.

Auch nachdem der Lärm um das „Kostendämpfungsge- setz" verklungen war, wurden vielfach die Fakten der tat- sächlichen Kostenentwick- lung ignoriert. Kein Wunder, denn sie enthüllen schwerwie- gende Fehlentscheidungen, deren negative Konsequenzen nun zu Buche schlagen.

Die Kostenentwicklung

Für die Öffentlichkeit ist das Durch- einander von Zahlen und Argumen- ten kaum mehr überschaubar. Redu- ziert man jedoch die Kostenentwick- lung der letzten 20 Jahre auf einige wenige Daten anhand der durch- schnittlichen Ausgaben der Kran- kenkassen pro Versicherten auf eine einheitliche „Meßlatte", den Bei- tragssatz, so ergibt sich ein über- sichtliches Bild (Tabelle). Lohnent- wicklung und Veränderungen der Versicherten- und Rentnerzahlen sind neutralisiert.

Die Ausgaben der Krankenversiche- rung erforderten 1960 pro Versicher- ten 8,76 Prozent des beitragspflichti- gen Lohnes. 1970 waren es nur noch 8,23 Prozent. Dies allerdings nur, weil die Krankengeldzahlungen größtenteils in Form der Lohnfort- zahlung dem Arbeitgeber allein übertragen wurden.

Nach 1970 stiegen die Ausgaben steil an. Auch nach Inkrafttreten des

„Kostendämpfungsgesetzes" 1977 hielt der Gesamttrend an. 1979 ent- sprachen die Ausgaben einem Bei- tragssatz von 11,91 Prozent. — So- weit die Globalentwicklung.

Betrachtet man jedoch die einzelnen Ausgabensparten, so erweist sich, daß sich zwischen 1960 und 1970 am Beitragsanteil für die Ärzte nichts geändert hat. Dagegen waren schon 1970 der Solidarbeitrag für die Rent- ner von 0,21 auf 0,77 um 266 Prozent und die Krankenhausausgaben von

1,24 auf 1,59 um 28 Prozent überpro- portional zur Lohnentwicklung ge- stiegen.

Bei den Krankenhäusern verursach- ten diese 28 Prozent allein schon eine Steigerung des Gesamtbeitra- ges von 7,88 auf 8,23 Prozent. Die Arzneikosten und die Ausgaben für Zahnärzte stiegen um 23 und 39 Pro- zent.

Die eigentliche Kostenexpansion trat aber nach 1970 ein. Bei Inkraft- treten des „Kostendämpfungsgeset- zes" (1. Juli 1977) hatte sich der Bei- tragsanteil der Krankenhäuser er- neut von 1,59 auf 2,39 um 50,31 Pro- zent erhöht. Die Krankenhauspflege war damit zum größten Ausgaben- posten für die Krankenkassen ge- worden.

Der Anteil für den Solidarbeitrag der Rentner war gleich von 0,77 auf 1,76 um 128,57 Prozent gestiegen. Er rangierte damit an zweiter Stelle der Gesamtausgaben.

Die Ausgaben für Zahnersatz, der durch Gerichtsentscheidung zur Pflichtleistung der Kassen wurde, brachten es auf eine Steigerung des Beitragsanteils von 0,24 auf 0,86 = 258,33 Prozent! (Der Zahnersatz ko- stet seither mehr als die Hälfte der Gesamtausgaben für Kassenärzte!) Die Kosten für Heil- und Hilfsmittel zwischen 1970 und 1977 waren in ihrem Anteil um 131,58 Prozent, die der Zahnärzte um 34,38 Prozent ge- stiegen. Unbedeutend war die Stei-

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Tabelle: Ausgabenentwicklung in Beitragssatzanteilen pro Versicherten')

+ 4,81 + 79,64 6,04 7,22 10,26 10,85

Ausgaben ohne Krankengeld:

Veränderung 1960/1979 1960 1970 1977 1979 in Bei- in

trags- Prozent anteilen

Ärzte Zahnärzte

Arzneien Heil- und Hilfsmittel

Zahnersatz Krankenhäuser Krankengeld Sonstiges

Solidarbeitrag') Rentenversich.

1,63 0,46 0,80 0,18 0,24 1,24 2,72 1,28 0,21

1,64 0,64 0,98 0,19 0.24 1,59 1.01 1,17 0,77

1,71 0,86 1,03 0,44 0,86 2,39 1,00 1,21 1,76

1,68 0,85 1.04 0,48 0.90 2,25 1.06 1,22 2,43

+ 0,05 + 0,39 + 0,24 + 0,30 + 0,66 + 1,01 - 1,66 - 0,06 + 2,22

+ 3,07 + 84,78 + 30,00 + 166,67 + 275.00 + 81,45 X 61,03

• 4,92 + 1057.14 Gesamt: 8,76 8,23 11,26 11,91 + 3,15 + 35,96

1) I bet der ges ger stär Aus 197 ten auc Ein 2) Kra

Der durchschnittlic reffende Ausgabena n Gesamtbeitrag wählte Form der Dar

bei Veränderunge ldlichen Ergebniss ,gaben für ärztliche 9 1,68 Prozent des

die Beitragsanteile h steigende Beträg Prozent Beitrag be Der sogenannte So nkenversicherung z

he Beitragssatzanteil stellt gleichsam den Beitragssatz für die rt dar. Er ist unabhängig von der Höhe der anderen Ausgaben und und ermöglicht daher eine objektive Darstellung. (Die häufig stellung des prozentualen Anteils vom Gesamtbeitrag kann Jage- n anderer Ausgabenfaktoren und des Gesamtbeitrages zu mißver- en führen.) Hätte es zum Beispiel für die Krankenversicherung nur Behandlung gegeben, so hätte der Beitragssatz 1960 1,63 und beitragspflichtigen Lohnes betragen. Selbstverständlich beinhal- infolge steigender Löhne und steigender Bemessungsgrundlagen e. Diese Steigerungen betreffen aber alle Ausgaben gleichmäßig.

inhaltete 1960 6,60 DM, 1979 30 DM.

lidarbeitrag für die Rentner ist der Anteil am Beitrag, den die ur Rentner-Krankenversicherung beitragen muß.

Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

„Irrtum Kostendämpfunggesetz"

gerung des Arzneikostenanteils.

Ganze 5,1 Prozent! Unbedeutend auch die Veränderungen bei Kran- kengeld und den sonstigen Kosten.

Und die Kassenärzte, um die in der Öffentlichkeit so viel gestritten wur- de? Anstieg des Beitragsanteils um ganze 4,27 Prozent!

Besonders aufschlußreich ist der langfristige Vergleich 1960/1979 über 20 Jahre. Er zeigt, daß der Bei- tragsanteil, den die Ärzte verbrau- chen, nur drei Prozent über dem von 1960 liegt.

Die Steigerungsraten der anderen Sparten zwischen 1960 und 1979 sind auch langfristig eklatant: die Krankenhauskosten 81,5 Prozent, Zahnärzte 84,8 Prozent, Heil- und Hilfsmittel 166,7 Prozent, Zahnersatz 275,0 Prozent und Solidarbeitrag für die Rentnerkrankenversicherung schlicht 1057,14 Prozent! Ohne die Verlagerung der Lohnfortzahlung wären die Ausgaben zwischen 1960 und 1979 nicht von 8,76 auf 11,91 = 35,96 Prozent, sondern auf über 13,50 = 54 Prozent angestiegen.

Spätestens ab 1970 hätte es nahege- legen, zu prüfen, wie die Kostenent- wicklung auf dem Krankenhaussek- tor abgebremst werden könnte. Im Gegenteil, 1974 wurde mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht etwa das ökonomisch wider- sinnige Pflegesatzsystem abge- schafft, sondern den Krankenkassen noch ein Großteil des Defizits aufge- bürdet, für das bis dahin die Kran- kenhausträger aufkommen mußten.

Der Aufwärtstrend wurde verstärkt.

Hier könnte eingewandt werden, daß die unterschiedliche Entwicklung von einer unterschiedlichen Inan- spruchnahme her zwangsläufig ge- wesen sei.

Die Zahl der Krankenhauseinwei- sungen ist seit 1960 tatsächlich um mehr als 60 Prozent gestiegen; die Zahl der ambulanten Behandlungs- fälle in der kassenärztlichen Versor- gung aber um nahezu 100 Prozent.

Beide Zahlen sind zwar nicht exakt vergleichbar, die Fehlergröße dürfte

jedoch 10 bis 15 Prozent nicht über- steigen. Die Inanspruchnahme in der ambulanten Versorgung hat also stärker zugenommen.

Ursachen

der Gesamtkostenentwicklung Mehrere Ursachen haben die allge- meine Kostenentwicklung mit beein- flußt:

I> Die Ausweitung des Leistungs- rechts und des Krankheitsbegriffes durch Gesetzgebung, Rechtspre- chung und Satzung. Diese Fakten wirken sich auf alle Ausgaben aus und stellen wahrscheinlich den maß-

geblichen Grund der Kostensteige- rung dar. Hinsichtlich des Satzungs- rechts wird die Ausweitung des Lei- stungsrechts verstärkt durch die Tendenz der Arbeitnehmervertreter in den Krankenkassen, den Versi- cherten möglichst viele Leistungen zu gewähren, zu denen die Arbeitge- ber 50 Prozent der Kosten tragen.

Der ehemalige Bundestagsabgeord- nete Dr. med. Karl Becker veran- schlagte diese Mehrkosten in 1976 mit 7,95 Milliarden DM!

> Die zunehmend ungünstige Al- tersstruktur der Versicherten und die immer ungünstiger werdende Relation zwischen Versicherten und Rentnern.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 9 vom 26. Februar 1981 411

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

„Irrtum Kostendämpfungsgesetz"

> Der steigende Wohlstand, der zu überproportionalen Ansprüchen auf dem Gesundheitssektor führt.

E> Das Naturalleistungssystem in der deutschen Krankenversicherung, das die Inanspruchnahme aller Lei- stungen anscheinend kostenlos er- möglicht und infolge hoher Beiträge Anspruchsdenken tendenziell för- dert.

> Der medizinische und medizi- nisch-technische Fortschritt, die fortschreitende Medizin-Technik und die ständige Erweiterung des Angebotes an Leistungen in nahezu allen Ausgabenbereichen.

Detailanalyse

Die Analyse der unterschiedlichen Kostenentwicklung in den einzelnen Sektoren ergibt folgendes Bild.

Kassenärzte

Daß die Umstände, die allgemein zur Kostenexpansion im Gesundheits- wesen führten, in der Kassenpraxis, und nur in der Kassenpraxis, aufge- fangen wurden, hängt im wesentli- chen von vier Fakten ab:

> Die kassenärztliche Versorgung unterliegt dem sogenannten Wirt- schaftlichkeitsgebot. Das „Ange- bot" an ärztlichen Leistungen wird auf das notwendige Maß be- schränkt.

I> Die kassenärztliche Versorgung wird von freiberuflich tätigen Ärzten wahrgenommen, für die Kostenbe- wußtsein im betriebswirtschaftli- chen Sinne eine Existenzfrage ist.

Zeitweilige Spitzenbelastungen, die anderenorts zu erheblichen Vorhal- tekosten auf Dauer führen, werden durch die flexible Arbeitszeit der Freiberufler weitgehend aufge- fangen.

> Die Kassenärzte unterliegen ei- nem Verhandlungszwang mit den Krankenkassen, der sich nicht nur auf die Veränderung der Honorare, sondern auch allgemein auf die Ver-

gütungsbedingungen und die Struk- tur der Gebührenordnung bezieht.

> Die Zahl der Kassenärzte ist im Verhältnis zur „Nachfrage" relativ

„knapp" geblieben. Die Zunahme der „voll"-zugelassenen Ärzte be- trägt gegenüber 1960 aber immerhin 40 Prozent.

Das Wirtschaftlichkeitsgebot stellt die sinngemäße Übertragung des ökonomischen Prinzips aus der Wirtschaft auf die ambulante kas- senärztliche Versorgung dar, ohne daß allerdings eine exakte Gegen- überstellung von Aufwand und Er- trag möglich ist. Ohne Zweifel hat das Prüfwesen einen wesentlichen Einfluß auf die Gesamtkostenent- wicklung in der ambulanten Versor- gung.

Das rationelle Verhalten des einzel- nen Arztes in seiner Praxis ent- spricht der „Unternehmerfunktion"

in der Wirtschaft. So ist es beispiels- weise erklärbar, daß der Kassenarzt Einkünfte aus Honorarsätzen erar- beitet, die in anderen Institutionen zur Kostendeckung nicht ausrei- chen.

Der Verhandlungszwang mit den Krankenkassen ersetzt bis zu einem gewissen Grade den fehlenden Marktmechanismus. Leider zeigt sich dabei, daß zum Teil die Kran- kenversicherungsträger in der ge- sundheitspolitischen Gesamtstrate- gie ihr Heil auch in bürokratischen Beschränkungen, statt in ökonomi- schen Überlegungen suchen.

40 Prozent mehr Ärzte wurden ebenso wie die Verdoppelung der Behandlungsfälle nahezu ohne Er- höhung des Beitragsanteils „ver- kraftet". Trotzdem verursacht der Zusammenhang zwischen einer stei- genden Zahl der Kassenärzte und steigender Inanspruchnahme bezie- hungsweise steigenden Leistungen immer wieder Diskussionen. Er scheint die These zu bestätigen, daß die Ärzte den Leistungsumfang sel- ber bestimmen. Dabei ist es offen- sichtlich, daß es sich in der ambu- lanten Versorgung vergleichsweise zur Wirtschaft um eine Art „Ange-

botsmarkt" handelt, bei dem eine la- tente ungedeckte Nachfrage be- steht. Abgesehen von Bereichen mit geringer Arztdichte, die ohnehin besser versorgt werden sollen, be- steht auch in vielen anderen Berei- chen aus der Sicht der Versicherten noch ein zusätzlicher „Bedarf", der beim Hinzukommen weiterer Ärzte zu erhöhter Inanspruchnahme führt.

Die sich weiter ungünstig entwik- kelnde Altersstruktur der Bevölke- rung, aber auch der steigende Wohl- stand sowie der medizinische und medizinisch-technische Fortschritt führen u. a. zwangsläufig zu weite- ren „Bedarfssteigerungen".

Veranlaßte Leistungen

Nach den Buchstaben des Gesetzes trägt der Arzt die Verantwortung für alle veranlaßten Leistungen. Die Ko- stenentwicklung läßt vermuten, daß es dem Kassenarzt leichter gelingt, eigene Leistungen im Griff zu behal- ten als Ansprüche auf andere Lei- stungen abzuwehren. Offensichtlich wirken sich hier die Nachteile des Naturalleistungssystems stärker aus. Er veranlaßt sie, verursacht sie aber nicht. Zweifellos hat er in vielen Fällen einen Ermessensspielraum.

Hier liegt seine besondere Verant- wortung und Schlüsselfunktion. Er hat jedoch weder Einfluß auf Preise von Heilmitteln oder Medikamenten noch auf Pflegesätze oder Pflege- dauer. Auch die ständige Auswei- tung des Leistungsangebotes in na- hezu allen Sparten, die Schaffung neuer Behandlungsmöglichkeiten und die Entwicklung neuer Medika- mente führen zwangsläufig zu Lei- stungsausweitungen. Die Kostenar- ten entwickeln Eigengesetzlich- keiten.

Für die Entwicklung der veranlaßten Leistungen ist typisch, daß die Arz- neikosten noch die geringeren Stei- gerungsraten aufweisen. Dies liegt zweifellos daran, daß die Kosten für die Verordnungstätigkeit relativ leicht feststellbar sind. Bei Heil- und Hilfsmitteln fehlt dem Arzt dagegen jede Kostenkenntnis.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 9 vom 26. Februar 1981 413

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

„Irrtum Kostendämpfungsgesetz"

Geradezu beispielhaft für die Kostenentwicklung im Naturallei- stungssystem ist der Zahnersatz. Die Einbeziehung als Pflichtleistung der Krankenkassen sollte offensichtlich die steigenden Preise dämpfen. Die zusätzlichen Ansprüche, die durch die Einbeziehung mobilisiert wur- den, und die Hilflosigkeit der Kran- kenkassen gegenüber der Preisge- staltung haben zu einer regelrech- ten „Kostenexplosion" geführt.

Krankenhaus

Die Ursachen für die Kostenentwick- lung im Krankenhaus wurden zum Teil schon angesprochen. Es sind dies u. a.:

• Die zunehmende Zahl der „Kran- kenhausfälle". 1960 waren es sechs, heute sind es zehn Millionen Patien- ten jährlich. Die Steigerung liegt bei über 60 Prozent.

> Die Finanzierung mit Pflegesät- zen pro Tag der Belegung mit dem indirekten Zwang zur Vollbelegung.

(Nur wenn das Bett belegt ist, erhält das Krankenhaus Geld. Wenn nicht 75 Prozent Belegung im Durch- schnitt erreicht wird, drohen Ab- schläge am Pflegesatz.)

1> Das öffentliche Tarifwesen. Die Leistung entscheidet weniger über die Höhe des Tarifgehaltes als Alter und Beschäftigungsdauer sowie Fa- milienstand.

• Der Zwang, bestimmte Leistun- gen personell und apparativ vorzu- halten, unabhängig von der Häufig- keit der Inanspruchnahme.

1> Die Zahl der Krankenhausärzte.

Sie hat sich seit 1960 um etwa 180 Prozent erhöht.

Wenn das Naturalleistungsprinzip und die Krankenhaushäufigkeit mit öffentlichem Tarifwesen zusammen- treffen, kombiniert mit einem unöko- nomischen Finanzierungssystem, wird keine „Globalsteuerung" ä la Kostendämpfung Abhilfe schaffen.

Abgesehen davon ist es dem Bun- desarbeitsminister noch nicht ein-

mal gelungen, die Krankenhäuser formal in die Kostendämpfungsbe- stimmungen ausdrücklich einzube- ziehen.

Die starke Erhöhung der Zahl der Krankenhausärzte resultiert insbe- sondere aus der Spezialisierung, sie ist jedoch auch systembedingt, ge- wissermaßen Ursache der Kosten- entwicklung und Konsequenz aus dem System zugleich.

Die Forderung nach mehr Ärzten und mehr Pflegepersonal hat sicher ihre Berechtigung. Kostenmäßig aber müßten sie zusammen mit den eingangs erwähnten ohnehin zu er- wartenden Beitragserhöhungen den Beitragssatz auf über 13 Prozent treiben!

Kommt es dann noch zu einer Ar- beitszeitverkürzung etwa auf 35 Stunden, so würde dies etwa 14 Pro- zent ärztliche und nichtärztliche Mit- arbeiter zusätzlich erfordern. Die Krankenhauskosten müßtenzwangs- läufig nahezu proportional steigen.

Da auch noch andere Ausgaben der Krankenkassen von derartigen Maß- nahmen betroffen werden, müßte es zu einem neuen Beitragsschub ver- mutlich in die Gegend von 14 Pro- zent kommen.

Schon die Arbeitszeitverkürzungen zwischen 1965 und 1975 haben ei- nen Mehrbedarf von knapp 8000 Krankenhausärzten und eine ent- sprechende Zahl nichtärztlicher Mit- arbeiter ausgelöst. Dies waren auch damals etwa 20 Prozent, die nicht unerheblich zu Beitragserhöhungen beigetragen haben.

In der freien Praxis dagegen haben sich Arbeitszeitverkürzungen ledig- lich in erhöhten Kosten für die Arzt- praxis ausgewirkt. Für die Ärzte selbst fanden sie nicht statt und schlugen auch nicht zu Buche, denn hier werden nur Leistungen vergü- tet. Im Krankenhaus führen Lei- stungsverminderungen durch Ar- beitszeitverkürzung zwangsläufig zu höheren Krankenkassenbeiträgen.

In der freien Praxis muß heute indi- rekt der steigende Leistungsumfang finanziell durch unterproportionale,

d. h. unter der Preisentwicklung liegende Gebührenanpassungen kompensiert werden.

Solidarbeitrag für Rentner

Die Steigerung des Solidarbeitrages für Rentner um mehr als das Zehnfa- che hat insbesondere drei Ursa- chen:

> die stark steigende Zahl der Rent- ner, die sich seit 1960 von 5,5 auf 10,17 Millionen nahezu verdoppelt hat (während die Zahl der Versicher- ten demgegenüber nur um 12,3 Pro- zent von 21,6 auf 24,2 Millionen stieg. Auf einen Versicherten entfie- len 1960 etwa 0,25 Rentner, 1979 schon 0,42). Die daraus resultieren- de Erhöhung des Solidarbeitrags war zwangsläufig;

• die Verlagerung eines höheren Kostenanteils von der Rentnerkran- kenversicherung auf die Kranken- versicherung. Die Versicherten müs- sen heute 53 Prozent dieser Kosten tragen. Diese Erhöhung wurde durch die finanzielle Misere der Rentnerversicherung verursacht;

> die Übernahme von freiwillig ver- sicherten Rentnern (mit Beitragslei- stung) in die Rentnerkrankenversi- cherung (ohne Beitragsleistungen) in den Jahren 1967/1968. Die daraus resultierende Erhöhung war also die Folge einer sozialpolitischen Ent- scheidung.

Im Solidarbeitrag schlägt sich dies alles nieder. Bei einer Aufteilung des Solidarbeitrages auf die einzelnen Ausgabensparten für die Rentner entfallen fast 40 Prozent wiederum auf die Krankenhäuser, weniger als die Hälfte davon auf die Kassen- ärzte.

• Wird fortgesetzt

Anschrift des Verfassers:

Dr. rer. pol. Hans-Peter Höhle Geschäftsführer der

Kassenärztlichen Vereinigung Hessen

Georg-Voigt-Straße 15 6000 Frankfurt 414 Heft 9 vom 26. Februar 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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