A2074 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 40⏐⏐3. Oktober 2008
P O L I T I K
mit Teststreifen zur Blutzuckermes- sung erstaunlich hohe Verordnungs- mengen, große Preisunterschiede und auffällige Verteilungsmuster, erklär- te Glaeske. Ewa 30-mal am Tag hät- te sich beispielsweise ein Versicher- ter stechen müssen, um die ihm im Jahr 2007 mehr als 10 000 verord- neten Diabetesteststreifen zu ver- brauchen. „Wir haben bei der Test- streifenversorgung von Diabetikern Typ I einen klassischen Mix aus ei- ner Unter-, Über- und Fehlversor- gung“, sagte Glaeske.
Auf einen weiteren Bereich mit gleichzeitiger Unter- und Überver- sorgung verwies eine andere Mitau- torin des Reports, die Gynäkologin Dr. med. Maria Beckermann. Ledig- lich 28 Prozent der bei der GEK versicherten Brustkrebspatientinnen hätten im Anschluss an die Operati- on die optimale Therapie mit Kom- pression und manueller Lymphdrai- nage erhalten, 26 Prozent seien gar nicht therapiert worden.
Neue Regelung des
Ausschreibeverfahrens ab 2009
Studien wie der GEK-Heil- und Hilfsmittelreport stellen noch im- mer eine Ausnahme dar. Weitere Anstrengungen für mehr Transpa- renz und eine stärkere Qualitätsori- entierung seien unerlässlich, beton- te auch der GEK-Vorstandsvorsit- zende, Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, bei der Vorstellung des Reports in Berlin. Die GEK begrüßt die politi- schen Bestrebungen, das bisher gel- tende öffentliche Vergabeverfahren im Hilfsmittelsektor (GKV-Wettbe- werbsstärkungsgesetz, April 2007) zu modifizieren und vermehrt ein- zelvertragliche Abschlüsse zu er- möglichen. Die geplante Änderung der Ausschreibungspflicht in eine Kannregelung zum Januar 2009 ge- he in die richtige Richtung, sagte Schlenker.Einen Wandel des allgemeinen Trends im Heil- und Hilfsmittelbe- reich wird es vorerst nicht geben:
Ein Ende der Kostensteigerungen ist nicht in Sicht. Im ersten Halbjahr 2008 verzeichnete die GEK sowohl bei den Heil- als auch bei den Hilfs- mitteln einen erneuten Ausgaben-
anstieg. I
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
S
tatistisch gesehen erhöht sich die Lebenserwartung der Deutschen jedes Jahr um etwa zwei Monate. Es verwundert daher nicht, dass auch die Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel steigen. Bei einigen Krankenkassen sogar beträchtlich:Knapp zehn Prozent mehr als 2006, und zwar 81 Millionen Euro, musste die Gmünder Ersatzkasse (GEK) im vergangenen Jahr für Hilfsmittel aufbringen. Zu den Hilfsmitteln, die für ein möglichst beschwerdefreies Altern benötigt werden, gehören beispielsweise Bandagen, Schuh- einlagen oder Hörhilfen. Aber auch die Kosten für Heilmittel, wie Phy- siotherapie, Sprachtherapie oder Er- gotherapie, stiegen dem aktuellen Heil- und Hilfsmittelreport der Kas- se zufolge 2007 um 5,56 Prozent auf rund 83 Millionen Euro.
Tendenz auf GKV übertragbar
Nach Ansicht von Prof. Dr. Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpo- litik der Universität Bremen ist dieser Trend durchaus auf die ge- samte gesetzliche Krankenversiche- rung (GKV) übertragbar. So seien 2007 die GKV-Ausgaben für Heil- mittel um drei und für Hilfsmittel um fünf Prozent auf 8,6 Milliarden Euro gestiegen, erklärte der Mitau- tor des GEK-Reports. Damit liegt der Ausgabenblock, auf den 5,6 Pro- zent der gesamten GKV-Ausgaben entfallen, auf Platz vier der ausga- benstärksten Leistungen nach den Ausgaben für Krankenhaus (33 Pro- zent), Arzneimittel (18 Prozent) und ärztliches Honorar (15 Prozent).So wenig erstaunlich die Kosten- steigerungen im Heil- und Hilfs- mittelbereich sein mögen, so auffäl- lig ist die Intransparenz in diesem Sektor. Unterschiedliche Anbieter, große Preisunterschiede zwischen einzelnen Vertriebswegen und ein uneinheitliches Verordnungsverhal- ten lassen den Markt sehr undurch- sichtig erscheinen. Allein die GEK hat etwa 60 000 Vertragspartner im Hilfsmittelbereich.
Unterschiede weisen aber auch die Richtgrößen der Kassenärztli- chen Vereinigungen (KVen) auf. So konnte 2007 beispielsweise ein All- gemeinmediziner in Baden-Würt- temberg durchschnittlich Heilmit- telausgaben in Höhe von 10,91 Euro je Versicherten veranlassen, während die gleiche Richtgröße in Hamburg bei 3,83 Euro lag. Der Mittelwert für die Richtgrößen in den KVen be- trug 6,90 Euro. Bei den Ausgaben für Hilfsmittel lag dagegen die KV Hamburg mit 60 Euro je Versicher- ten an erster Stelle, während sich die Kosten in den östlichen KVen auf deutlich unter 40 Euro beliefen.
Neben den generell ho- hen Kostensteigerungen stellt der Report auch Män- gel in der Behandlung von Brustkrebspatientinnen und Diabetikern fest. So zeige die Versorgung von Typ-I-Diabetikern
HEIL- UND HILFSMITTEL
Undurchsichtiger Markt
In einer alternden Gesellschaft wächst der Bedarf an Heil- und Hilfsmitteln, und die Ausgaben steigen. Der GEK-Report stellt zudem Mängel fest.
Foto:Peter Wirtz