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Ergebnisse des Sepsis-Schnelltests in Korrelation mit bakteriologischen und histologischen Befunden

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Aus dem Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover

Ergebnisse des Sepsis-Schnelltests in Korrelation mit bakteriologischen und histologischen Befunden

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Sara Victoria Schütz

aus Hannover Hannover 2018

(2)

2 Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am:12.06.2019

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Professor Dr. med. Michael P. Manns

Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. med. Michael Klintschar 1. Referent: Dr. rer. nat. Guntram Graßl

2. Referent: Dr. rer. nat. Ulrich Maus Tag der mündlichen Prüfung: 12.06.2019 Prüfungsausschuss:

Vorsitz: Prof. Dr. med. Michael Klintschar 1. Prüfer: Prof. Dr. rer. nat Armin Braun 2. Prüfer: Prof. Dr. med. Rainer Blasczyk

(3)

3

Inhaltsverzeichnis

1.0 Einleitung ... 6

1.1. Geschichte der Sepsis ... 6

1.2. Klinische Definition und Einteilung der Sepsis ... 7

1.3. Epidemiologie der Sepsis ... 11

1.4. Pathophysiologie der Sepsis ... 12

2.0. Biochemische und Immunhistochemische Marker bei Sepsis... 15

2.1. Akute-Phase-Proteine ... 15

2.1.1. Das C-reaktive Protein ... 15

2.1.2. Neopterin ... 16

2.1.3. Zytokine (IL-1, IL-2, IL- 6, IL-8) und TNF- α... 17

2.1.4. Klinische Parameter (Temperaturerhöhungen, WBC, BSG)... 17

2.1.5. Procalcitonin ... 18

2.2. Das Verhalten von PCT bei verschiedenen Krankheitsbildern ... 20

2.2.1. PCT bei viralen und bakteriellen Pneumonien ... 20

2.2.2. PCT bei viraler und bakterieller Meningitis ... 21

2.2.3. PCT bei viralen Erkrankungen, Pilzerkrankungen und parasitären Erkrankungen ... 21

2.2.4. PCT bei Pankreatitis ... 22

2.2.5. PCT bei Autoimmunerkrankungen ... 22

2.2.6. PCT als Marker bei Sepsis und SIRS ... 23

2.2.7. PCT Erhöhungen ohne Nachweis eines bakteriellen Fokus ... 25

2.2.8. PCT bei Trauma, Operationen und Verbrennungen ... 25

2.2.9. PCT bei Akutem Koronarsyndrom und kardiogenen Schock ... 26

2.3. PCT, CRP und andere Infektionsmarker im Vergleich ... 27

2.4. Sepsis-Diagnostik in der Rechtsmedizin ... 28

2.5. Möglichkeiten der PCT-Testung ... 33

2.6. Zielsetzung der Arbeit ... 35

3.0. Material und Methoden ... 35

3.1. Material ... 35

3.1.1. Ein- und Ausschlusskriterien ... 36

3.1.2. Oberschenkelvenenblut ... 36

3.1.3. Histologie ... 37

3.1.4. Besonderheiten der Gruppe 4 (Sepsis/septischer Schock) ... 37

(4)

4

3.2. Methoden ... 38

3.2.1. BRAHMS PCT-Q-Test®. ... 38

3.2.2 Testergebnisse ... 39

3.2.3. Mikrobiologische Untersuchungen ... 40

3.2.4. Histologische Untersuchungen ... 40

3.2.5. Statistische Auswertung ... 43

3.2.6. Tabellen und Bilder ... 43

3.2.7. Datenbanken ... 44

4.0. Ergebnisse ... 44

4.1. Ergebnisse der Gruppe 1 „Ungeklärte Todesursachen“ ... 44

4.1.1. Klinische Angaben ... 44

4.1.1.1. Obduktionsbefunde ... 46

4.1.1.2. Todesursache ... 46

4.1.1.3. Zusätzliche Ursachen für PCT-Erhöhung und Zusatzgutachten ... 47

4.1.2. Histologische Untersuchungen ... 47

4.1.3. Mikrobiologische Untersuchung ... 48

4.2. Ergebnisse der Gruppe 2 „Trauma- Fälle“ ... 49

4.2.1. Klinische Angaben ... 49

4.2.1.1. Obduktionsbefunde ... 50

4.2.1.2. Todesursache ... 50

4.2.1.3. Zusätzliche Faktoren für PCT-Erhöhung und Zusatzgutachten ... 51

4.2.2. Histologische Ergebnisse ... 51

4.2.3. Mikrobiologische Untersuchung ... 52

4.3. Ergebnisse der Gruppe 3 “natürliche Todesfälle“ ... 52

4.3.1. Klinische Angaben ... 52

4.3.1.1. Obduktionsbefunde ... 54

4.3.1.2. Todesursache ... 54

4.3.1.3. Zusätzliche Faktoren für PCT-Erhöhung und Zusatzgutachten ... 55

4.3.2. Histologische Gutachten ... 55

4.3.3. Mikrobiologische Ergebnisse ... 56

4.4. Ergebnisse der Gruppe 4 „Sepsis-Gruppe“ ... 56

4.4.1. Klinische Angaben ... 56

4.4.1.1. Obduktionsbefunde ... 59

4.4.1.2. Todesursache ... 59

4.4.1.3. Zusätzliche Faktoren für PCT-Erhöhung und Zusatzgutachten ... 62

(5)

5

4.4.2. Histologische Ergebnisse ... 62

4.4.3. Mikrobiologische Untersuchungen ... 64

4.5. Statistische Ergebnisse ... 66

4.6. Gesamttabelle der histologischen Veränderungen ... 66

5.0. Diskussion ... 68

5.1. Diskussion der Ergebnisse ... 68

5.2. Ergebnisse der einzelnen Gruppen ... 71

5.3. Diskussion der histologischen Befunde ... 73

5.4. Diskussion der mikrobiologischen Befunde ... 75

5.5. Diskussion des Materials und der Methoden ... 77

6.0. Zukunftsausblick ... 79

7.0. Zusammenfassung der Arbeit ... 81

8.0. Literaturverzeichnis ... 83

9.0. Abbildungsverzeichnis ... 115

10.0. Tabellenverzeichnis ... 115

11.0. Grafikverzeichnis ... 117

12.0. Abkürzungsverzeichnis ... 117

Lebenslauf Sara Schütz ... 121

(6)

6

1.0 Einleitung

1.1. Geschichte der Sepsis

So schwer wie die klinische Diagnose „Sepsis“ gestaltet sich auch eine genaue Definition des Begriffes. Lange Zeit war die Pathophysiologie dieses Krankheitsbildes nicht verstanden und eine Therapie nicht existent.

Der Begriff „Sepsis“ wurde erstmals von Hippokrates geprägt. Der Begriff leitet sich vom griechischem „σηπω“ ab und bedeutet „faul machen“.1 Eine genaue Kenntnis der Pathophysiologie der Sepsis war lange Zeit nicht vorhanden. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts wurde durch die Arbeiten von Ignaz Semmelweis (1818-1865) ein erster Zusammenhang zwischen hygienisch medizinischer Arbeit und dem Verhindern von septischen Krankheitsverläufen gesehen. Semmelweis brachte das damals häufig vorkommende Kindsbettfieber mit der Tatsache in Verbindung, dass in seiner Klinik für Geburtshilfe in Wien seine Studenten mit ungewaschenen Händen nach dem Pathologie-Unterricht auf seine Station kamen und die Frauen untersuchten. Er führte daraufhin eine Händedesinfektion mit Chlorkalklösung ein und war so in der Lage die Sterblichkeit von 11,0 % auf 2,0 % zu senken.

2,3

Im Jahre 1914 lieferte Hugo Schottmüller erstmals eine Definition der Sepsis, die einen Zusammenhang zwischen einer Infektion mit Bakterien und der konsekutiven Reaktion des Körpers auf diese Infektion darstellt.4

„Eine Sepsis liegt dann vor, wenn sich innerhalb des Körpers ein Herd gebildet hat, von dem kontinuierlich oder periodisch pathogene Bakterien in den Kreislauf gelangen und zwar derart, dass durch diese Invasion subjektive und objektive Krankheitserscheinungen ausgelöst werden.“5

Mit dem Voranschreiten der Medizin, insbesondere mit der Entdeckung und dem verstärkten Einsatz von Antibiotika (Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts), veränderte sich auch das Verständnis der Sepsis. Die aktuellste, mit dem Stand der modernen Medizin am ehesten zu vereinbarende Definition, lieferten Werdan und Schuster 2005.

„Sepsis ist die Gesamtheit der lebensbedrohlichen klinischen Krankheitserscheinungen und pathophysiologischen Veränderungen als Reaktion auf die Aktion pathogener Keime und ihrer Produkte, die aus einem Infektionsherd in den Blutstrom eindringen, die

(7)

7 großen biologischen Kaskadensysteme und spezielle Zellsysteme aktivieren und die Bildung und Freisetzung humoraler und zellulärer Mediatoren auslösen.“6

Die deutsche Sepsis-Gesellschaft (DSG) bezeichnet die Sepsis in den aktuellen Leitlinien (Erstfassung 01.02.2010, gültig bis 01.02.2015) zusammenfassend als eine komplexe systemische inflammatorische Wirtsreaktion auf eine Infektion.7

In den seit Februar 2016 geltenden Kriterien der dritten internationalen Konsens Definition für Sepsis und den septischen Schock (Sepsis-3) wird Sepsis wie folgt definiert:

“Sepsis is defined as life-threatening organ dysfunction caused by a dysregulated host response to infection.” (zu Deutsch: “Sepsis ist definiert als eine lebensbedrohliche Organdysfunktion, hervorgerufen durch eine inadäquate Reaktion des Körpers auf eine Infektion“)8

1.2. Klinische Definition und Einteilung der Sepsis

Eine genaue Definition ist auch deshalb problematisch, weil die klinische Diagnose „Sepsis“

nicht allein durch einen einzelnen Parameter definiert werden kann. Vielmehr wird die Diagnose durch die Zusammenschau von vielen klinischen Parametern und dem objektiven Krankheitszustand des Patienten gestellt.7

Im Januar 2016 erfolgte eine erneute Definitionsänderung der bislang gültigen Sepsis-Kriterien.

Unter der „Sepsis-3“-Studie wurden die bislang geltenden Kriterien gestrichen und durch eine Definition ersetzt, die eher den Organausfall im Falle einer Sepsis in den Mittelpunkt rückt.8 Zur Vollständigkeit sind hier beide Definitionen aufgeführt, da zum Beginn dieser Arbeit noch die 2001 festgelegten Kriterien gültig waren.

Grundlage der neuen Definition ist der SOFA-Score (sequential organ failure assessment score).9 Dieser beinhaltet (wie in Tabelle 1 dargestellt) die Parameter Atmung, Blutgerinnung, Leberfunktion, Kreislauf, Bewusstseinslage und Nierenfunktion des Patienten. Bei Patienten, bei denen kein septisches Geschehen als Krankheitsursache angesehen wird, soll der erwartete Score 0 sein. Kommt es zu einem akuten Zugewinn des SOFA-Scores um zwei Punkte, so liegt bei vermuteter Infektion eine Organdysfunktion vor. Diese Patienten haben laut einer von Singer et al. veröffentlichten Studie ein um 10 % erhöhtes Mortalitätsrisiko.8 Der septische

(8)

8 Schock wird in der „Sepsis-3“ Studie als Sepsis definiert, bei der die metabolischen Funktionen, sowie die Kreislauffunktionen so gestört sind, dass es zu einer stark erhöhten Mortalitätsrate des Patienten kommt. Insbesondere bezieht sich dieses auf Patienten, die bei bestehender Hypotension Vasopressoren zur Erhaltung eines mittleren arteriellen Drucks von über 65 mmHg brauchen oder deren Serum-Laktat trotz adäquater Volumensubstitution >2 mmol/l (18 mg/dl) beträgt. Im septischen Schock beträgt die Mortalitätsrate laut Singer et al. dann über 40 %.

Zudem wurde in der oben genannten „Sepsis-3“ Studie ein so genannter „qSOFA Score“

vorgestellt (wobei das „q“ hier für „quick“ steht), der in klinischen Notfallsituationen zur schnellen Einordnung bezüglich der Prognose eines Patienten behilflich sein soll. Vorteil hierbei sei, dass für den schnellen SOFA-Score keine Laborparameter benötigt würden und er von jedem Mediziner in jeder Situation schnell und einfach erhoben werden kann.

Tabelle 1: The Sequential [Sepsis-Related] Organ Failure Assessment Score (SOFA-Score)

Organsystem Score 0 Score 1 Score 2 Score 3 Score 4 Atmung

PaO2/FiO2, mmHg(kPa)

≥400(53,3) ≤400(53,3) ≤300(40) ≤200(26,7) with respiratory

support

≤100(13,3) with respiratory

support

Blutgerinnung

Blutplättchen, x10³/µl

≥150 <150 <100 <50 <20

Leberfunktion

Billirubin, mg/dl(µmol/l)

<1,2(20) 1.2-1,9(20- 32)

2,0-5,9(33- 101)

6,0-11,9 (102- 204)

>12,0(204)

Kreislauf

Katecholamine in µg/kgKG/min

MAP≥70 mmHg

MAP<70 mmHg

Dobutamin<5 oder Dobutamin in

egal welcher Konzentration

Dobutamin 5,1-15 oder Epinephrin

≤0,1 oder Norepinephrin

≤ 0,1

Dobutamin

>15 oder Epinephrin

>0,1 oder Norepinephrin

>0,1

Bewusstsein

Glasgow Koma Scale

15 13-14 10-12 6-9 <6

Nierenfunktion

Kreatinin, mg/dl(µmol/l)

<1,2(110) 1,2-1,9(110- 170)

2,0-3,4(171- 299)

3,5-4,9(300- 440)

>5,0(440)

Urine output (ml/d) <500 <200

(9)

9

Tabelle 2: Der quick SOFA-Score

In der nachfolgenden Tabelle (Tabelle 3) werden die bis Februar 2016 gültigen Kriterien zur Diagnose einer Sepsis nach der Definition der deutschen Sepsis-Gesellschaft dargestellt.

I. Nachweis einer Infektion mittels Bakteriennachweis im Serum

II.

Mindestens zwei der nachfolgenden Kriterien:

1. Fieber (≥ 38 °C) oder Hypothermie (≤36 °C)

(Die Messung sollte hierbei rektal, intravasal oder intravesikal erfolgen)

2. Tachykarde Herzfrequenz ≥90/min

3. Tachypnoe (Frequenz ≥20/min) oder

Hyperventilation (paCO2≤4,3 kPa bzw. ≤33 mmHg)

4. Leukozytose (≥12.000/mm3) oder

Leukopenie (≤4000/mm3) oder ≥10% unreife Neutrophile im Differentialblutbild

III.

Akute Organdysfunktion

- Enzephalopathie - Thrombozytopenie - Hypoxämie

- Renale Dysfunktion

- Metabolische Azidose Tabelle 3: Diagnosekriterien der Sepsis7

qSOFA (Quick SOFA) Kriterien

Atemfrequenz ≥ 22/min Geänderter Bewusstseinszustand Systolischer Blutdruck ≤ 100 mmHg

(10)

10 Tabelle 4 zeigt die klinische Einteilung der Sepsis. Hierbei werden die Kriterien aus Tabelle 3 aufgenommen. Zugleich erfolgt hier eine Einteilung nach Schweregraden.

1.

Sepsis

Kriterien I. und II.

2.

SIRS

Siehe II.

3.

Schwere Sepsis

Kriterien I., II. und III.

4.

Septischer Schock

Kriterien I. und II.

Außerdem besteht eine, nicht durch andere Ursachen zu erklärende und nicht mit Volumengabe zu behebende Hypotonie. Hierbei liegt der systolische arterielle Blutdruck (mittlere arterielle Blutdruck) für mindestens 1h ≤90 mmHg (≤65 mmHg) und ist nicht durch Vasopressorengabe zu beheben.

Tabelle 4: klinische Einteilung Sepsis7

Grundlage der Entwicklung dieser Kriterien waren die, 1992 vom American College of Chest Physicians/Society of Critical Care Medicine Consensus Conference getroffen Leitlinien bezüglich Sepsis, SIRS und septischem Schock.10

Eine Bakteriämie beschreibt das Vorhandensein von Bakterien oder deren Toxinen im Blut.

Analog dazu kann die Präsenz von Viren, Pilzen oder Protozoen als Virämie, Fungämie oder Protozoämie bezeichnet werden. Eine Infektion bezeichnet die Invasion von nicht- körpereigenen, mikrobiellen Organismen, die eine Reaktion des Organismus auslösen.10 Eine Sepsis kann somit potentiell von Bakterien, Pilzen oder Parasiten ausgelöst werden.11

Bei Vorliegen einer positiven mikrobiellen Blutkultur und dem Vorhandensein von Fieber oder Hypothermie, Tachykardie, Tachypnoe oder Hyperventilation und Leukozytose wird dann nach den alten Kriterien von einer Sepsis gesprochen. Zur Diagnose reichen zwei der oben genannten Kriterien. Hierbei muss allerdings auf die fachgerechte Abnahme der Blutkultur geachtet werden. Die Diagnose Sepsis erfordert also den Nachweis von Bakterien, deren Toxinen, Pilzen oder Parasiten in der Blutbahn.12 Zudem muss eine Reaktion des Organismus auf diese Invasion nachweisbar sein.

Der Terminus SIRS (systemic inflammatory response syndrome) bezeichnete wiederum das Vorhandensein zwei der nachfolgenden Kriterien: Fieber oder Hypothermie, Tachykardie, Tachypnoe oder Hyperventilation und Leukozytose. Allerdings besteht hier kein Nachweis oder Verdacht einer Infektion. Je mehr SIRS- Kriterien zutreffen, desto wahrscheinlicher ist eine

(11)

11 bakterielle Besiedlung.13 Tritt bei einer Sepsis mindestens eine akute Organdysfunktion auf, kann von einer schweren Sepsis gesprochen werden.14 Dieses ist zum Beispiel der Fall bei Enzephalopathie, Thrombozytopenie, Hypoxämie, renaler Dysfunktion oder metabolischer Azidose. Ist eine eventuell vorhandene Hypotonie bei Sepsis nicht mehr durch Volumen- oder Vasopressorengabe (wie zum Beispiel Noradrenalin) zu beheben und liegt der Blutdruck länger als eine Stunde systolisch unter 90 mmHg vor, so liegt nach alter Definition der deutschen Sepsis Gesellschaft ein septischer Schock vor 7,15

1.3. Epidemiologie der Sepsis

Im Rahmen einer prospektiven, multizentrischen, epidemiologischen Beobachtungsstudie im Jahre 2003 auf 454 deutschen Intensivstationen durch das, im Jahre 2001 gegründete, Kompetenznetzwerk Sepsis (SepNet), wurde die Prävalenz der schweren Sepsis und des schweren septischen Schocks auf 11 % bestimmt. Es lag eine 90-Tage Sterblichkeit von 54 % vor.43

Die gleiche Studie geht davon aus, dass in Deutschland täglich 162 Menschen an einer Sepsis sterben. Das statistische Bundesamt gibt allerdings nur 16,7 Tote pro Tag durch Sepsis an.43,44 Deutschlandweit wird schätzungsweise jährlich 154.000 Mal die Diagnose Sepsis gestellt.15 Damit ist Sepsis die siebthäufigste Entlassungsdiagnose im Krankenhaus unter den lebensbedrohlichen Krankheiten, hinter dem Myokardinfarkt und der Herzinsuffizienz die dritthäufigste Todesursache überhaupt.15

Die Ursachen einer Sepsis/eines SIRS sind in den meisten Fällen Atemwegsinfektionen (63 %).

Am zweithäufigsten führen intraabdominelle Infektionen (25,3 %) zu einer Sepsis. Eine urogenitale Infektion ist lediglich in 6,5 % der Fälle Ursache einer Sepsis. In 35,4 % der Fälle lag der Erkrankung eine ambulant erworbene Infektion zu Grunde und in 19,8 % der Fälle wurde die Infektion außerhalb des Krankenhauses erworben.14,27 In den Daten von Brunkhorst et al. wurde der Keim Escherichia Coli mit einem Anteil von 44,7 % als häufigster Erreger bestimmt, der bei Sepsis-Verdacht in einer Blutkultur nachgewiesen wurde. Es folgten der Keim Staphylococcus aureus (26,8 %) und eine Infektion durch Streptokokken-Keime (18,7

%).32

(12)

12 Insgesamt ist Sepsis die häufigste Todesursache auf nicht-kardiologischen Intensivstationen in Deutschland. Auf chirurgischen Intensivstationen liegt die Inzidenz sogar bei über 80 %.13 Eine schwere Sepsis oder ein septischer Schock entwickelt sich in 2 – 3 % aller Patienten auf Normalstationen und bei 10 – 15 % der Patienten auf Intensivstationen. Studien in den USA zeigen einen deutlichen Anstieg der Inzidenz von Sepsis und SIRS, allerdings wird gleichzeitig eine verringerte Sterblichkeit nachgewiesen.46,47 In einer Studie aus Frankreich konnte ein gleiches Ergebnis für die schwere Sepsis festgestellt werden.48

1.4. Pathophysiologie der Sepsis

Zum besseren Verständnis des Zusammenhangs zwischen den verschiedenen Markern für das Erkennen einer Sepsis und deren Funktion im Krankheitsverlauf wird in diesem Abschnitt genauer auf die Entstehung und die pathophysiologischen Zusammenhänge der Sepsis und des SIRS eingegangen.

Wird der Körper mit einem, ihm unbekannten Erreger konfrontiert, so kommt es zu einer Reaktion des Immunsystems mit dem Ziel der lokalen Eindämmung und schlussendlich Elimination des eindringenden Erregers.49

In einem Review von Stearns-Kurosawa et al. aus dem Jahre 2009 konnten als Hauptauslöser einer Sepsis in 57 % gram-negative Infektionen, in 44 % gram-positive Infektionen und in 11 % Pilzinfektionen nachgewiesen werden. Ebenfalls in dieser Studie wurden häufige Komorbiditäten bei Sepsis ermittelt. So war bei 24 % der Patienten mit Sepsis ein Diabetes Mellitus, bei 16 % eine chronische Lungenerkrankung oder ein Krebsleiden, bei 14 % eine Herzinsuffizienz und bei 11 % der Patienten ein Nierenversagen zusätzlich zu diagnostizieren.14 Begünstigend für das Entstehen einer Sepsis kann zum einen ein sehr hohes oder sehr niedriges Patientenalter sein, zum anderen angeborene oder spezifische Immundefekte, Operationen, Mangel- oder Fehlernährung, Polytrauma, Infektionen, maschinelle Beatmung, parenterale Ernährung oder intravasale Katheter.50-52

Dringt ein Pathogen von außen in den Organismus ein, so versucht der Körper an erster Stelle die Infektion lokal begrenzt zu halten. Die erste Abwehrlinie gegen das Pathogen sind physikalische, natürliche Barrieren wie die Haut oder die Mukosa des Gastrointestinaltrakts.53 Hier sind als erstes die Komponenten der angeborenen Immunabwehr involviert.54

(13)

13 Wichtig in der Erkennung von krankmachenden Strukturen sind in erster Linie die so genannten

„Pattern-Recognition-Rezeptors (PRRs)“. Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von Proteinen auf oder in Zellen des Immunsystems. Durch antigen-präsentierende Zellen, wie zum Beispiel dendritische Zellen, werden durch die PPRs Immunreaktionen-auslösende Bestandteile erkannt. Wichtigste und bekannteste Vertreter dieser Familie sind die so genannten Toll-like-Rezeptoren.223

Durch diese Rezeptoren ist der Körper sowohl in der Lage körperfremdes Material, wie auch körpereigenes Material zu erkennen.

Die ersten Immunzellen am Ort des Geschehens sind Monozyten, bzw. Makrophagen. Sie phagozytieren Bakterienbestandteile und schütten darauf eine Vielzahl von proinflammatorischen Zytokinen, wie zum Beispiel IL-6, IL-1β und TNF-α aus.14 Diese Freisetzung an Zytokinen aktiviert das erworbene Immunsystem und führt letztendlich unter anderem über eine T-Zell-Aktivierung zu einer dauerhaften Immunität gegenüber dem Pathogen.

Diese phagozytierten Bestandteile werden als „Pathogen-associated molecular patterns (PAMPs)“ auf der Oberfläche von Makrophagen präsentiert und von Antigen-präsentierenden Zellen, wie dendritischen Zellen, durch die PRRs erkannt. Bei PAMPs handelt es sich um chemische Muster, die im menschlichen Körper nicht vorkommen, aber auf der Oberfläche von, zum Beispiel Bakterien exprimiert werden. So werden beispielhaft Lipopolysaccharide auf der Außenhülle von Gram-negativen-Bakterien als PAMPs bezeichnet, oder aber Peptidoglycane auf Gram-positiven-Bakterien. Zudem wird Flagellin, bakterielle DNA-Fragmente, Chitin, Mannose oder aber Proteine aus der Wand von Pilzen zu der Gruppe der PAMPs gezählt.224 Ein ähnliches Muster an Zytokinen wie bei der Aktivierung des Immunsystems durch PAMPs wird auch bei Zellschäden nach Operationen, Verbrennungen, Trauma oder bei einer Pankreatitis ausgeschüttet und aktiviert über so genannte „Damage-associated-Molecular- Patterns“ (DAMPs) Antigen-präsentierende Zellen.53 Hierbei gehandelt es sich um Strukturen aus Zellen, die nicht durch den natürlichen, apoptotischen Zerfall entstehen, sondern im Rahmen von spontanen Zellverletzungen zu Stande kommen. Es handelt sich hierbei um Enzyme oder DNA-Fragmente aus dem Zellkern. Zu nennen sind hier die Heat-Schock- Proteine und insbesondere die Gruppe der High-Mobility-Group-Proteine (HGMB- Proteine).225

(14)

14 Die von Makrophagen freigesetzten Zytokine stimulieren zudem die Ausbildung von Adhäsionsmolekülen an der Endothelwand und ermöglichen so die Adhäsion und Invasion von neutrophilen Granulozyten. Insbesondere IL-8 sorgt für eine Rekrutierung von neutrophilen Granulozyten entlang eines chemischen Gradienten.226

Ebenfalls können phagozytierende Zellen können auf eine Aktivierung unterschiedliche mikrobizide Effektormechanismen entwickeln, mit denen sie Bakterien aus dem Körper eliminieren. Durch oxidative und nicht-oxidative Reaktionen kann der Körper Sauerstoffmetabolite bilden, die mikrobizid auf Bakterien wirken. Dieser Vorgang wird als

„respiratory burst“ bezeichnet und beschreibt mehrere komplexe Vorgänge, deren gemeinsame Endstrecke die Bildung von Sauerstoffmetaboliten ist.14

Unter dem Einfluss von IL-1, IL-6, IL-8 und TNF-α induzieren Endothelzellen die Produktion des Gewebefaktors (TF), reduzieren die Expression von Thrombomodulin und Heparin- Sulfaten und tragen so zu einer prokoagulatorischen Stoffwechsellage bei.55 Kommt es zu einer

„Dissiminierten intravaskulären Gerinnung (DIC)“, so findet anfänglich eine Herunterregulierung von Thrombin und damit eine Hemmung der Fibrinolyse statt.56 Es folgt eine intravaskuläre Fibrin-Formierung und eine Aktivierung der Endothelzellen.57 Die Folge ist eine vermehrte Durchlässigkeit der Endothelwände für Zellen und Flüssigkeit. Im Zuge der Fibrinablagerungen kommt es dann zu einem Verbrauch von Gerinnungsfaktoren, Thrombozyten und Antithrombin, sodass es letztlich zu einer vermehrten Blutungsneigung kommt. Klinisch führend und determinierend sind allerdings die Fibrin-bedingten-Verschlüsse der kleinen Gefäße und die konsekutive Hypoxie, die schlussendlich zu einem Multiorganversagen führt.55

Allerdings kommt es im Zuge einer Infektion nicht nur zu dem oben beschriebenen Inflammationssyndrom im Sinne einer überschießenden Immunreaktion, sondern auch zu einer um zwei bis vier Tage zeitlich versetzten antiinflammatorischen Reaktion.58 Ziel ist hier die Begrenzung des, durch die inflammatorische Reaktion begangenen Zellschadens.53 Viele Autoren sehen das Ungleichgewicht zwischen diesen beiden Reaktionen als Schlüsselfaktor zum Verständnis der pathophysiologischen Reaktionen bei der Sepsis. Zu bedenken ist dabei allerdings, dass die anti-inflammatorische Reaktion zu Lasten einer intakten Immunabwehr abläuft und den Körper empfänglich für Infektionen macht.59,60

(15)

15

2.0. Biochemische und Immunhistochemische Marker bei Sepsis

Wie oben ausgeführt ist die gemeinsame Endstrecke der Sepsis und des SIRS eine Aktivierung verschiedener pro-und antiinflammatorischer Substanzen, die in einem Circulus vitiosus enden und im schlimmsten Fall ein letales Multiorganversagen hervorrufen können.61 Im Folgenden werden diese Mediatorsubstanzen näher beschrieben und ihre Bedeutung in der klinischen und pathologischen Diagnostik der Sepsis dargestellt.

Laut Marshall et al. sollte ein Marker für Sepsis drei verschiedene Grundvorrausetzungen erfüllen. Zum einen sollte er eine Diagnose bestätigen und einen kranken Patienten zuverlässig erkennen, zum anderen sollte der Marker geeignet sein den Schweregrad dieser Krankheit verhältnismäßig genau vorauszusagen. Zusätzlich sei es wichtig, dass der Marker in der Lage ist den Therapieerfolg zu bemessen.62,63 Die Anforderungen an einen postmortalen Marker sind vor allen Dingen größtmögliche postmortale Stabilität und eine fehlende Involvierung in postmortale Prozesse.64

2.1. Akute-Phase-Proteine

Als Akute-Phase-Proteine werden die Proteine bezeichnet, deren Konzentration während einer entzündlichen Erkrankung entweder um 25 % angehoben (positive-akute-Phase-Proteine) oder um 25 % gesenkt werden (negative-Akute-Phase-Proteine).65 Bei diesen Akute-Phase- Proteinen handelt es sich um eine große Gruppe an Proteinen, die als unspezifische Antwort des Körpers auf Entzündungen, Gewebeveränderungen und Neoplasien in das Blutplasma abgegeben werden.66

2.1.1. Das C-reaktive Protein

Das C-reaktive Protein wurde 1930 erstmals von Tillett et al. im Serum von septischen Patienten als ein nicht-Eiweiß-haltiges Material somatischen Ursprungs identifiziert.67 Das codierende Gen für CRP ist auf dem ersten Chromosom lokalisiert und kodiert ein Protein mit 224 Aminosäuren und einem molekularen Gewicht von 25,106 kDa. Es gehört zur Familie der

(16)

16 Pentraxine.68 Im Rahmen von Gewebeverletzungen wird CRP als so genanntes Akute-Phase- Protein durch die Leber synthetisiert und in den Blutkreislauf abgegeben. Dort aktiviert es das Komplementsystem und trägt somit zur Immunabwehr bei.69 CRP wird ausschließlich von Hepatozyten synthetisiert und auf einen Stimulus hin transkriptional durch IL-6 reguliert.70 Bei gesunden Blutspendern beträgt die mittlere CRP-Konzentration 0.8 mg/l und kann bei schweren bakteriellen Infektionen auf bis zu 500 mg/l steigen. Sechs Stunden nach Stimulus ist eine Erhöhung der Konzentration nachweisbar, nach 48 Stunden wird der Höchstwert erreicht. Die Halbwertszeit beträgt 19 Stunden und wird ausschließlich von der hepatischen Produktion bestimmt.71,72 In der forensischen Diagnostik von Sepsis spielt CRP, trotz großer Sensitivität auf Grund seiner geringen differentialdiagnostischen Wertigkeit nur eine untergeordnete Rolle.61

Die nachfolgenden Parameter haben in der klinischen Diagnose von Infektionen bei jeweils verschiedenen Fragestellungen einen hohen Stellenwert und werden hier zur Vollständigkeit kurz vorgestellt.

2.1.2. Neopterin

Neopterin ist ein Pteridin (aromatischer Heterozyklus) und wird als Nebenprodukt der Biopterin- Synthese angesehen.73 Erhöhte Level von Neopterin können bei Aktivierung des Immunsystems im Blut, im Liquor cerebrospinals (CSF) und im Urin nachgewiesen werden.74 Auf eine Stimulation mit Interferon- γ, welches von aktivierten T- Zellen produziert wird, synthetisieren Monozyten und Makrophagen Neopterin.75 Erhöhte Neopterin-Spiegel werden zum Beispiel bei Komplikationen in Zusammenhang mit Organtransplationen76, bei akuten viralen Infekten77,78 und bei HIV-Erkrankungen79 detektiert. Die Halbwertszeit von Neopterin wird im menschlichen Organismus ausschließlich von der renalen Elimination bestimmt.80 Bezüglich der Verwertbarkeit von Neopterin als Marker bei bakteriellen Entzündungen ist die Studienlage nicht eindeutig. Es konnte nur eine nicht signifikant und zudem geringe Erhöhung von Neopterin bei bakteriellen, verglichen mit viralen Infekten nachgewiesen werden.81 Bei Patienten auf einer Intensivstation konnten bei Sepsis und septischem Schock allerdings signifikant höhere Werte von Neopterin ermittelt werden als bei Patienten mit einer anderen Ursache für ein systemisches inflammatorisches Response Syndrom.82 Zudem war der Neopterinspiegel bei Patienten mit letalem Ausgang höher als bei überlebenden Patienten.83 In

(17)

17 der forensischen und klinischen Diagnostik ist Neopterin auf Grund seiner hohen Akkumulation bei Niereninsuffizienz eher ungeeignet zur Diagnose einer Sepsis.61

2.1.3. Zytokine (IL-1, IL-2, IL- 6, IL-8) und TNF- α

Zytokine sind interzelluläre Signalproteine die von zahlreichen immunkompetenten Zellen wie zum Beispiel Monozyten, Makrophagen und Lymphozyten produziert werden.84 Die meisten dieser Zytokine werden von verschiedenen Zellen produziert, haben verschiedene Ziele und zahlreiche Funktionen im menschlichen Körper. Während eines inflammatorischen Prozesses, von Makrophagen und Monozyten gebildete Zytokine sind die wichtigsten Stimulatoren für die Ausschüttung von Akute-Phase-Proteinen. Zu ihnen zählen IL-6, IL-1β, TNF-α, IFN-γ und IL- 8. Insbesondere IL-6 spielt im Rahmen eines septischen Geschehens als „second messenger“ nach bakteriellem Stimulus eine große Rolle und gilt hier als Vorläufer der Akute-Phase- Proteine.84 Es besteht ein Zusammenhang mit IL-6 und dem klinischem Schweregrad einer Sepsis. Dabei korrelieren Serum-Werte von ≥1000 pg/ml mit einer schlechten Prognose und erhöhter Letalität.61

2.1.4. Klinische Parameter (Temperaturerhöhungen, WBC, BSG)

Die Erhöhung der Körperkerntemperatur bei Infektionen dient der Abwehr von Bakterien und Viren, unterdrückt deren Wachstum und führt zu einer verbesserten Sensitivität von Bakterien gegenüber Antibiotika und dem Komplement-System.85,86 Fieber kann somit als Reaktion des Körpers auf Infektionen angesehen werden, tritt allerdings auch bei nicht-infektiösen Erkrankungen auf.87 Manche Autoren legen 38,0 °C als Grenze zwischen Normothermie und Fieber fest, andere sprechen bei Körperkerntemperaturen von ≤38.5 °C von subfebrilen Temperaturen. Nicht nur eine erhöhte Temperatur, auch eine erniedrigte Temperatur kann Ausdruck einer Reaktion des Körpers auf ein Pathogen sein. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Kushimoto et al. belegt eine um das Doppelte erhöhte Mortalität bei Hypothermie (Tb≤36.5 °C) bei Sepsis-Patienten auf Intensivstationen.

Der so genannte „White blood cell count (WBC)“ beschreibt die Anzahl an weißen Blutkörperchen (Leukozyten) im peripheren Blut. Zu einer Veränderung der Leukozytenzahl

(18)

18 kann es bei physischem oder mentalem Stress, bei nahezu allen Immunreaktionen, so zum Beispiel als Reaktion auf eine Infektion, eine Allergie oder auf eine autoimmune Krankheit kommen. Als maximaler Referenzwert sollten die Leukozytenzahlen 10×109/l (Gpt/l) nicht überschreiten.91

Die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) dient als unspezifischer Screening-Test bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung.92 Bestimmt wird die BSG durch die Methode nach Westergren. Zur Erhöhung der BSG kommt es im Rahmen von entzündlichen Veränderungen, malignen Geschehen oder bei Anämie.95 Eine Erhöhung der BSG spiegelt im Wesentlichen die Erhöhung des Anteils von Akute-Phase Proteinen im Serum wieder, kann allerdings auch durch Veränderungen der Erythrozyten beeinflusst werden.66

2.1.5. Procalcitonin

Bei Procalcitonin (PCT) handelt es sich um das Vorläufermolekül von Calcitonin. PCT besteht aus 116 Aminosäuren und hat eine molekulare Masse von 14,5 kDa.96 Klinisch hat Calcitonin einen hohen Stellenwert als Screeningparameter für das medulläre Schilddrüsenkarzinom.97 Sowohl PCT als auch Calcitonin werden durch das Calc-1 Gen auf Chromosom 11 reguliert.63 Procalcitonin ist Teil eines Moleküls namens Preprocalcitonin, welches neben Procalcitonin auch die Aminosäuresesequenzen von Calcitonin und Katacalcin enthält. Daraus werden durch differentielles Splicing nicht nur PCT und Calcitonin, sondern auch Katacalcin und Calcitonin- Gene-related-Peptide (CGRP), eine stark vasodilatorisch wirkende Substanz, synthetisiert.99 Während Calcitonin bei Hyperkalzämie hauptsächlich von den C-Zellen der Schilddrüse produziert wird, kann die Produktion von PCT, bei geeignetem Stimulus Kalzium-unabhängig in nahezu jedem Gewebe erfolgen.100

Die Induktion von PCT kann theoretisch in jedem Gewebe erfolgen, ist bis dato allerdings nur für Adipozyten nachgewiesen. In Tierversuchen mit Affen, die mit Endotoxin behandelt wurden, konnte ein PCT-Anstieg in der Leber, den Nieren, der Aorta, dem Fettgewebe, den Ovarien, der Blase und der Nebenniere nachgewiesen werden.103 Dandona et al. zeigten mit ihren Versuchen an menschlichen Probanden, dass PCT unabhängig von Calcitonin durch Endotoxin- Gabe stimuliert werden kann.104 In Tiermodellen zeigten sich Interleukin 1-β, TNF- α, IL-6 und Lipopolysaccharide als Stimulator für eine PCT- Produktion.71 Meisner liefert in seinem Buch „Procalcitonin-Biochemie und klinische Diagnostik“ ein Stufenmodell einer

(19)

19 biologischen Wirkung von PCT. So führt ein primärer Stimulus (z.B. eine Infektion oder ein Gewebetrauma) zur Adhärenz von Monozyten, die dadurch eine 3 – 4 Stunden andauernde PCT-Produktion an den Zielzellen induzieren. Das freigesetzte PCT wirkt als Chemokin und lockt weitere Monozyten an. Durch direkten Kontakt mit Monozyten produzieren andere Zellen, so zum Beispiel Adipozyten PCT und CGRP. Die Wirkung von PCT variiert dann abhängig vom Wirkungsort. Hier kann zwischen einer entzündungsfernen (Hemmung von iNOS (induzierbare Nitric Oxide Synthase) und damit eine Gefäßkontraktion auslösend) und einer entzündungsnahen (Stimulation von iNOS und konsekutive Gefäßdilatation) unterschieden werden. Zudem bewirkt PCT eine Modulation der Zytokinantwort und hat Einfluss auf den mittleren arteriellen Blutdruck, den Herz-Index, den pH-Wert, die Kreatinin- Clearance und die Letalität im tierexperimentellen Endotoxin- Schock.99

Im tierexperimentellen Modell konnte nachgewiesen werden, dass PCT durch Interferon-γ gehemmt wird. Dieses dient als ein Erklärungsansatz für den ausbleibenden PCT-Anstieg bei viralen Infekten.106

Die Induktion von PCT erfolgt sehr rasch innerhalb von 2 – 6 Stunden nach Stimulus.

Spitzenwerte der Plasmakonzentrationen treten nach 12 bis 48 Stunden auf.104 Die klinisch beobachtete Halbwertszeit von PCT liegt etwa bei 20 – 24 Stunden bei einmaligem Stimulus, im forensischen Kontext werden 25 – 30 Stunden angegeben.107 Tsokos et al führen hier an, dass in einem Zeitintervall von bis zu 140 Stunden postmortem, abhängig von den antemortem bestehenden PCT-Werten, eine forensische PCT-Bestimmung sinnvoll ist.108

Im Zusammenhang mit Infektionen und Sepsis wurde Procalcitonin erstmalig im Jahre 1993 von Assicot et al. beschrieben. Die Studie beschreibt das Ausbleiben eines Procalcitonin Anstiegs bei nicht-septischen Infektionen, z. B. bei lokalisierten Entzündungen.98 Hingegen wird PCT nicht durch virale Infektionen, Autoimmunkrankheiten oder allergische Reaktionen induziert. 96,108 Auch unabhängig von einer bakteriellen Belastung kann es zu einer Erhöhung kommen. So führen verschiedene Arten von maligen Prozessen (z. B. das kleinzellige Bronchialkarzinom), akute Pankreatitis, gutartige Lebertumore und Meningokokkeninfektionen zu PCT-Erhöhungen. Zudem ist eine Erhöhung bei schwerem körperlichem Trauma, Operationen, im kardiogenem Schock, bei Verbrennungsopfern und bei Hitzeschlag zu beobachten. Auch Pilz- oder Parasiteninfektionen können ein Stimulus für PCT sein. Zudem kommt es zu einer natürlichen PCT-Erhöhung vor und nach Geburt bei Neugeborenen.63,98,99,109 Der normale Referenzbereich für Procalcitonin im Serum liegt bei gesunden Erwachsenen bei ≤0,05 ng/ml.110 Die verschiedenen Grenzwerte für PCT in der

(20)

20 forensischen Diagnostik der Sepsis sind im Kapitel 3.2.2. (Material- und Methoden) näher beschrieben.

2.2. Das Verhalten von PCT bei verschiedenen Krankheitsbildern

Wie oben beschrieben können zahlreiche infektiöse oder nicht-infektiöse Krankheiten eine PCT-Erhöhung auslösen. Im Folgenden wird der PCT-Verlauf bei verschiedenen Krankheitsbildern dargestellt.

2.2.1. PCT bei viralen und bakteriellen Pneumonien

Als Pneumonie wird in der Klinik eine akute mikrobielle Infektion des Lungenparenchyms und angrenzender Organe angesehen.127 Dabei wird unterschieden, in welchem Umfeld die Pneumonie erworben wurde. Eine so genannte „Community-acquired-pneumonia“ (CAP) ist definiert als Pneumonie die ohne Kontakt zu einer Einrichtung des Gesundheitssektors und somit ambulant erworben wurde. Dem gegenüber steht die „Hospital-acquired-pneumonia“

(HAP) mit der Untergruppe der „Ventilator-associated-pneumonia“ (VAP).99 Zudem kann die Pneumonie bezüglich der verursachenden Erreger eingeteilt werden. Der am häufigsten isolierte Erreger ist studienübergreifend Streptococcus pneumoniae. Bedeutend seltener werden Mycobacterium pneumoniae, Haemophilus influenzae, Enterobacteriaceae oder Staphylococcus aureus nachgewiesen.127-129 Die Rate an positiven Blutkulturen ist mit 10 % angegeben.130 Klinisch betrachtet bestimmen Fieber, Dyspnoe, Husten, eitriger Auswurf und ein allgemeines Krankheitsgefühl das Krankheitsbild einer Pneumonie.127,131 Grundsätzlich induzieren bakterielle Pneumonien nur einen geringen PCT-Anstieg.132,133 Bei bakteriellen Erregern kann man allerdings eher einen PCT-Anstieg erwarten als bei viralen Erregern, atypischen Erregern oder bei der Tuberkulose.117,134,135 In einer Studie von Huang et al. hatten 28 % der in die Studie aufgenommenen Patienten mit Pneumonie einen PCT-Wert von

≤0,1 ng/ml. Hier war außerdem zu beobachten, dass Patienten mit einer weniger schwereren Pneumonie tendenziell einen geringeren PCT-Wert aufwiesen und ein geringeres letales Risiko hatten.136,137 Patienten mit einem bakteriell bedingten „acute-respiratory-distress-syndrome“

(21)

21 (ARDS) oder einer Aspirationspneumonie zeigten häufiger erhöhte PCT-Werte als Patienten mit einem ARDS nicht-bakterieller Ursache.138

2.2.2. PCT bei viraler und bakterieller Meningitis

Die akute Meningitis ist gekennzeichnet durch eine Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute des zentralen Nervensystems und kann durch Bakterien, Viren oder durch nicht-infektiöse Ursachen hervorgerufen werden.139 Einer Studie von van de Beek et al. zufolge präsentieren sich fast alle Patienten mit mindestens zwei der vier Symptome wie Kopfschmerzen, Fieber, Nackensteifigkeit und reduziertem Allgemeinzustand.140 Als Erreger werden bei Erwachsenen in 80 % aller Meningitiden Neisseria meningitidis oder Streptococcus pneumoniae als Erreger nachgewiesen.141 Eine virale Meningitis zeigt kaum PCT-Erhöhungen im Serum, während eine bakterielle Meningitis meist PCT-Serum-Werte von ≥0,5 ng/ml zeigt.99 Die Bestimmung von PCT aus dem Liquor cerebrospinalis liefert keine zusätzlichen Informationen zum Serum-PCT.142 PCT kann bei Meningitis also hilfreich bei der Diagnosestellung und beim Therapiemonitoring sein.99 So kann beispielsweise der Antibiotika- Verbrauch durch PCT-Bestimmung im Serum signifikant gesenkt werden.143 Lokale Infektionen wie zum Beispiel Shuntinfektionen induzieren keinen PCT-Anstieg. 144

2.2.3. PCT bei viralen Erkrankungen, Pilzerkrankungen und parasitären Erkrankungen

Besonders bei der Abgrenzung von bakteriellen zu viralen Erkrankungen wird die Stärke von PCT und seine Vorteile gegenüber anderen Markern für eine Sepsis deutlich. Virale Erkrankungen induzieren nur in wenigen Fällen PCT.145 Sollte dennoch PCT erhöht sein, so überschreitet der Wert in den seltensten Fällen 1 – 2 ng/ml.99 Andere Studien belegen für Atemwegserkrankungen, RSV-positive-Bronchiolitis und Ebstein-Bar-Virus-Infektionen gleiche Ergebnisse.146,147

Pilzerkrankungen können im fortgeschrittenen Stadium PCT-Erhöhungen induzieren.148 Allerdings gibt es auch Pilzinfektionen, die gar kein PCT produzieren.149-151 Bei lokal begrenzten Pilzinfektionen wird PCT sehr selten induziert.99 Liegt eine Erhöhung von PCT bei

(22)

22 Pilzinfektion vor, so korreliert der Verlauf des Markers häufig sehr gut mit dem Erfolg der Therapie.152 Patienten mit Candidämien zeigten im Vergleich mit Patienten mit Bakteriämien häufig einen geringeren PCT-Anstieg. In einer Studie von Charles et al. wurde der diagnostische Grenzwert für Candidämien bei 5,5 ng/ml PCT im Serum angegeben.153 Auch bei der unkomplizierten Malaria wird PCT in einer Studie als prognostisch nützlicher Parameter beschrieben.154

2.2.4. PCT bei Pankreatitis

Die akute Pankreatitis ist gekennzeichnet durch eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse durch Selbstdigestion.155 Auslösende Faktoren sind hauptsächlich Gallensteine und Alkoholmissbrauch.156 Procalcitonin wird bei diesem Krankheitsbild insbesondere zur Abschätzung des Schweregrads und der Unterscheidung von infizierten zu nicht-infizierten Nekrosen genutzt.157 Mehrere Studien ergaben eine gute Korrelation von Procalcitonin und dem Schweregrad der Pankreatitis. Bei schweren Pankreatitiden lagen die PCT-Werte bei ≥0,5 ng/ml.158-160 Bei einem PCT-Wert von ≥1,0 ng/ml wird die Wahrscheinlichkeit einer ungünstigen Prognose und das Vorhandensein infizierter Nekrosen als sehr hoch eingeschätzt.99

2.2.5. PCT bei Autoimmunerkrankungen

In der Regel wird PCT bei Autoimmunkrankheiten nicht vermehrt im Serum nachgewiesen.99 Bei der Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener`sche Granulomatose), beim Kawasaki Syndrom, dem Goodpasture Syndrom oder der Anti-neutrophilen-Antikörper-positiven- Vaskulitis können leicht erhöhte Werte für PCT nachgewiesen werden.122,161,162 Erhöhte PCT- Werte können bei Patienten mit einer Autoimmunerkrankung und einer zeitgleichen Infektion auch unter Immunsuppression nachgewiesen werden.126

Diagnose Cut-Off Werte Sensitivität Spezifität

Literatur

(23)

23 Akute Meningitis

- Virale Infektion - Bakterielle Infektion

(Kinder)

≥0,5 µg/l 94%

100%

163

Autoimmunerkrankungen

- Keine Infektion - Bakterielle Infektion

≥0,5 µg/l 100%

84%

122

Pneumonie

- Bakteriell - Virale Erreger

2,0 ng/ml 63%

96%

164

Infektionen (Kinder)

- Invasiv - Lokal

0,9 ng/ml 93%

78%

165

Pankreatitis, ödematös

- sterile Nekrosen - infizierte Nekrosen

≥1,8 µg/l 94%

91%

166

Tabelle 5: Serumkonzentrationen von PCT und deren Sensitivität/Spezifität bei verschiedenen Cut-Off Werten und verschiedenen Krankheitsbildern 99

2.2.6. PCT als Marker bei Sepsis und SIRS

Procalcitonin ist in der Lage bei Verdacht auf Sepsis, SIRS und septischem Schock wichtige Informationen bezüglich der Diagnose, dem Verlauf und der Therapie zu liefern. Hierbei ist zu beachten, dass ein Anstieg von Procalcitonin fast ausschließlich durch systemische Infektionen hervorgerufen wird, während bei den meisten lokalen Infektionen kein PCT-Anstieg gemessen werden kann.167 Obgleich Procalcitonin ein sehr guter Marker für die Routinediagnostik der Sepsis ist, ist es laut der Meta-Analyse von Tang et al. nicht eindeutig in der Lage, ein Systemisches-Inflammatorisches-Response-Syndrom (SIRS) von einer Sepsis zu unterscheiden.168 Eine Studie aus dem Jahre 2014 unterstreicht allerdings die Fähigkeit von PCT, ein SIRS in der Notfallsituation zu erkennen und beschreibt PCT mit einer „Area under

(24)

24 the curve (AUC)“ von 0.87 als den besten Marker für die Unterscheidung einer Sepsis zu einer nicht-infektiösen Ursache einer Inflammation.169 Je höher die gemessenen PCT-Werte werden, desto wahrscheinlicher wird ein schwerer Verlauf der Sepsis. So hat PCT bei der Diagnose des septischen Schocks oder der schweren Sepsis einen sehr hohen prädiktiven Wert.99 Betragen die PCT-Werte 10 ng/ml oder mehr, so sei die Diagnose einer schweren Sepsis nahezu sicher.170 Eine Meta-Analyse aus dem Jahre 2015 zeigte zudem, dass PCT-Werte in der Anfangszeit einer Infektion bei Überlebenden signifikant niedriger sind als bei nicht- Überlebenden.109,171

Nützlich kann der Einsatz von Procalcitonin auch in Bezug auf die Therapie von Patienten mit Sepsis sein. So lässt sich mit Hilfe von PCT die Verschreibungsdauer von Antibiotika signifikant verkürzen.172-174 Der Verlauf von PCT korreliert mit dem Verlauf, bzw. dem Erfolg der antibiotischen Therapie.175 Des Weiteren ist PCT laut Guo et al. in der Lage, Gram-negative von Gram-positiven Bakteriämien zu unterscheiden und kann so zu einer verbesserten antibiotischen Therapie beitragen.176,177 In Bezug auf das generelle Erkennen einer Bakteriämie sind die Ergebnisse von PCT von Jones et al. in einer Meta-Analyse als „moderat“ beschrieben worden.96

Wichtig für die Verwendung eines Markers in der Klinik ist zudem dessen Fähigkeit, in der Notfallsituation das frühzeitige Erkennen des Krankheitsbildes zu ermöglichen. Hierbei ist der Vergleich zu herkömmlichen Markern besonders wichtig und wird in dem unten angeführten Kapitel 2.3 weiter behandelt.

Diagnose PCT (ng/ml) Sensitivität (%) Spezifität (%) Literatur

Sepsis 0,6 68 61 178

Sepsis 1 89 94 179

Septischer Schock

5 88 67 180

SIRS/Sepsis 1,2 63 87 181

Tabelle 6: Sensitivität und Spezifität bei verschiedenen Cut-Off Werten für PCT 99

(25)

25

2.2.7. PCT Erhöhungen ohne Nachweis eines bakteriellen Fokus

Auch ohne den Nachweis eines bakteriellen Fokus kann es zu einer Erhöhung der PCT- Konzentration im Serum kommen. Insbesondere muss dieses bei Neugeborenen berücksichtigt werden, da es kurz nach der Geburt zu einem physiologischen Anstieg aller Entzündungsmarker kommt.182 Dennoch kann PCT hier unter Verwendung einer altersadaptierten Grenze für Referenzwerte von PCT genauso zur Detektion von Infektionen genutzt werden wie bei Erwachsenen.183 Zudem gibt es eine Reihe von anderen Zuständen, die eine PCT-Erhöhung bedingen können (siehe Tabelle 7). Unter anderem zählt hierzu auch die höhergradige Niereninsuffizienz. Hier wird mit einem veränderten Referenzbereich für PCT gearbeitet.

Werte von 0,5 ng/ml bis 1,5 ng/ml sind dann als normal anzusehen.184,185 Bei Tumorerkrankungen wird PCT mit Ausnahme des medullären Schilddrüsenkarzinoms nicht induziert.186,187

Nicht bakterielle Bildung von PCT bei den folgenden Zuständen:

chirurgische Eingriffe

schweres Polytrauma

schwere Verbrennungen

prolongierter kardiogener Schock

Multiorganversagen, schwere Pankreatitis

Hochgradige Niereninsuffizienz

Neugeborene

Schwere Leberzirrhose

Hitzschlag

Pilzinfektionen

Paraneoplastisch, besonders C-Zell Karzinom der Schilddrüse

Schwere Rhabdomyolyse

Prolongierte Reanimation

Tabelle 7: Zustände die eine nicht-bakterielle Erhöhung von PCT zur Folge haben.99

2.2.8. PCT bei Trauma, Operationen und Verbrennungen

Nach Operationen konnten, abhängig von Art und Ausmaß der Operation, Erhöhungen der PCT-Konzentration im Serum nachgewiesen werden.188,189 Dabei ist die Induktion nach

(26)

26 Operationen unabhängig von Infektionen, sondern spiegelt vielmehr das Ausmaß des Gewebetraumas und die nachfolgende systemische Entzündungsreaktion wider.99 Kleine Operationen induzieren meist kein PCT und bleiben unter dem Grenzwert von 0,5 ng/ml.123 Dagegen können größere Operationen, wie zum Beispiel abdominelle und retroperitoneale Eingriffe oder kardiochirurgische Interventionen PCT-Werte von bis zu 2 ng/ml induzieren.124,190 Es existieren nahezu für alle größeren Operation Referenzwerte für PCT.

Übersteigen die postoperativ gemessenen PCT-Werte die Referenzwerte, so ist von anderen Komplikationen wie zum Beispiel einer Sepsis auszugehen.191 Dieses gilt auch für Patienten mit einem akzidentiellen Trauma.123 Es ist zudem möglich, eine Trauma-induzierte PCT- Erhöhung von einer Sepsis-bedingten PCT-Erhöhung durch eine regelmäßige Verlaufsbestimmung von PCT zu unterscheiden. Postoperativ fallen die PCT-Werte ohne septischen Verlauf häufig schon nach dem ersten postoperativen Tag schnell wieder ab und erreichen nach wenigen Tagen wieder Normbereiche.192,193 Bei Patienten mit schweren Verbrennungen konnten ebenfalls erhöhte PCT-Werte ohne den Nachweis einer Infektion nachgewiesen werden.194

Auch nach verlängerter Reanimation konnten erhöhte PCT-Werte nachgewiesen werden.195

2.2.9. PCT bei Akutem Koronarsyndrom und kardiogenen Schock

Beim kardiogenen Schock wird regelmäßig eine Erhöhung von inflammatorischen Markern, wie zum Beispiel Procalcitonin, gemessen.196,197 Geppert et al. berichten von PCT- Konzentrationen von über 2ng/ml bei Patienten mit kardiogenem Schock.198

Die Rolle von Procalcitonin im akuten Koronarsyndrom ist weiterhin sehr umstritten.199 Während manche Autoren von einer Erhöhung des Procalcitonin-Spiegels beim akuten Koronarsyndrom sprechen und Procalcitonin als neuen Marker für die Frühdiagnose des Myokardinfarkts vorschlagen200, konnten andere Autoren keine signifikante Erhöhung von Procalcitonin beim Myokardinfarkt erkennen.201 Remskar et al. konnten eine Erhöhung von PCT beim Myokardinfarkt nur in Verbindung mit einem schweren Linksherzversagen, einer Reanimation nach kardialem Arrest oder einer Infektion beobachten.202 Von Picariello et al.

konnte vergleichend bei unkompliziertem STEMI und NSTEMI nur ein geringer Anteil (33 % und 8,3 %) an Patienten mit Procalcitonin-Erhöhungen gefunden werden, während alle

(27)

27 Patienten mit kardiogenem Schock nach Myokardinfarkt eine Procalcitonin-Erhöhung zeigten.203

2.3. PCT, CRP und andere Infektionsmarker im Vergleich

Das C-reaktive Protein ist klinisch seit vielen Jahren etabliert und bildet in vielen Studien, neben anderen Parametern, die Referenzgröße zu einer Beurteilung von PCT. Zudem werden zahleiche Biomarker und Messgrößen wie Temperatur, WBC, BSG, Interleukine und Neopterin für einen Vergleich herangezogen. Obwohl CRP der meistgenutzte Marker in der klinischen Diagnostik ist, ist es in vielen Punkten dem Procalcitonin unterlegen.112

Der erste Unterschied von CRP zu PCT liegt in der Kinetik des C-reaktiven Proteins. Die Sekretion erfolgt 4 – 6 Stunden nach Stimulus und erfährt ihren Höhepunkt erst nach 2 – 3 Tagen.113 Nargis et al. bemerkten, das CRP, im Gegensatz zum PCT, noch bis zu 3 – 7 Tage nach Stimulus erhöht sein kann.12

Zwar zeigt das C-reaktive Protein in Bezug auf die Sensitivität beim Erkennen einer infektiösen Genese vergleichbare Ergebnisse wie PCT, allerdings unterliegt CRP in Bezug auf die Spezifität.12 Bezüglich der Unterscheidung eines SIRS von einer Sepsis berichten alle Autoren übereinstimmend von einer Überlegenheit von PCT gegenüber dem C-reaktiven Protein.113-117 Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2005 von Simon et al. zeigt für PCT eine Sensitivität/Spezifität von 88 %/81 % gegenüber dem CRP (75 %/67 %).100 Die Meta-Analyse von Wacker et al. aus dem Jahr 2013 bestätigt diese Daten und nennt für PCT eine gemittelte Sensitivität/Spezifität von 77 %/79 %.118 Auch bezüglich des Erkennens einer Bakteriämie wird PCT von vielen Autoren im Vorteil gegenüber CRP gesehen.115,116

Ein weiterer Punkt ist, dass CRP nur gering mit dem Schweregrad und dem Mortalitätsrisiko einer Infektion korreliert. 119,120 Nargis et al. betonen die Überlegenheit von PCT gegenüber CRP bezüglich der Beurteilung des Schweregrads der Sepsis.12,113,115

Obgleich auch bei Procalcitonin eine Induktion ohne infektiösen Fokus beschrieben ist, ist CRP noch unspezifischer als Marker für einen inflammatorischen Reiz. So finden sich erhöhte Werte auch nach Operationen, Verbrennungen, Myokardinfarkten und rheumatischen Erkrankungen.121,122 Auch kleine, lokale Infektionen oder Operationen erhöhen den CRP- Spiegel für mehrere Tage.123,124 Im Gegensatz dazu fallen erhöhte PCT-Werte nach Operationen

(28)

28 meistens schon am ersten postoperativen Tag wieder ab und ermöglichen so eine Beurteilung über den postoperativen Verlauf im Hinblick auf eventuelle Infektionen.125

2.4. Sepsis-Diagnostik in der Rechtsmedizin

Während in der Klinik eine eindeutige Diagnose des Krankheitsbilds Sepsis trotz vorhandener Diagnosekriterien schwierig ist, gestaltet sich die sichere Diagnosestellung in der Rechtsmedizin als nahezu unmöglich. In vielen Fällen fehlen sichere anamnestische Angaben zur Vorgeschichte des Patienten. Dennoch führen Tsokos et al. einige Kriterien an, die in der Zusammenschau als Indizien für eine Sepsis gewertet werden können.16 So können bei der äußeren Leichenschau unter anderem eine relativ frühe (im Vergleich zum postmortalen Intervall) und fortgeschrittene Leichenfäulnis, Haut- und Schleimhautblutungen oder ein ikterisches Hautkolorit auffallen. Die Befunde der inneren Leichenschau werden hauptsächlich durch drei verschiedene Veränderungen hervorgerufen. Tsokos et al. nennen hier zum einen den Infektionsherd, den septikopyämischen Abszess (nur in 10 % der Fälle nachweisbar) und Veränderungen im Sinne eines septischen Schocks. Die pathomorphologischen Korrelate dazu sind reaktiv-eitrige Gewebeveränderungen und septikopyämische Mikroabszesse. Dabei sind die Veränderungen weder sensitiv noch spezifisch, können aber synoptisch in Zusammenschau mit immunhistochemischen, biochemischen, mikrobiologischen und histologischen Befunden eine forensische Sicherheit erlangen.16

Hotchkiss et al. zeigten in ihren Untersuchungen, dass es häufig eine große Diskrepanz zwischen den histologischen Befunden eines Patienten mit Sepsis und den ante mortem festgestellten organischen Dysfunktionen gibt.17 Hier divergiert die vorherrschende Klinik mit den nachher nachweisbaren postmortalen Veränderungen im Rahmen der Obduktion. Dennoch führen Tsokos et al. einige, nachfolgend erläuterte, histologische Veränderungen an, die synoptisch auf eine Sepsis als Todesursache hinweisen können.16

Bei 70 % der Patienten mit Sepsis lässt sich eine reversible septische Enzephalopathie nachweisen.18 Mikroinfarkte können hier histologisch entweder als Ausdruck der septischen Enzephalopathie oder als Ausdruck einer disseminierten intravasalen Koagulation (DIC) interpretiert werden. Im Rahmen der DIC können zudem Hämorrhagien nachgewiesen werden.

Abszesse sind hier als Zeichen einer bakteriellen Absiedlung zu sehen, stehen allerdings nicht im pathophysiologischen Zusammenhang mit einer septischen Enzephalopathie.

(29)

29 Die Veränderungen am Herzen werden unter dem Überbegriff „septische Kardiomyopathie“

zusammengefasst. Hierbei handelt es sich um eine reversible Schädigung des Herzens die im Wesentlichen durch ein vermindertes Herzzeitvolumen, im Vergleich zum ebenfalls reduzierten totalen peripheren Gefäßwiederstand krankheitsbestimmend wird.19 Levy et al.

bezeichnet die Anpassung des Herzens auf Ischämie und Hypoxie als „myocardial hibernation“.20 Im Rahmen dessen können, wie von Tsokos et al. beschrieben, Einzelfaser- oder Gruppennekrosen auftreten. Bei der interstitiellen Myokarditis und der akuten Perikarditis handelt es sich um bakterielle Entzündungen des Herzens mit einer unbestimmten, fibrinös- eitrige Entzündungsreaktion. Hämorrhagien sind auch hier als Ausdruck einer DIC zu werten.

Ein interstitielles Ödem kann als Zeichen für einen septischen Schock gesehen werden. Relativ häufig ist eine Koronararteriitis zu beobachten.

Die Veränderungen an der Lunge stehen laut Tsokos et al. unter dem zusammenfassenden Krankheitsbild der Schocklunge. Klinisch werden die Veränderungen an der Lunge bei Sepsis dem „Akute respiratory distress syndrom“ zugeordnet.21,22 Pathophysiologisch handelt es sich hier um ein akutes, diffus inflammatorisches Krankheitsbild der Lunge, welches durch eine erhöhte Durchlässigkeit in den Lungengefäßen und einen alveolären Schaden charakterisiert wird.22,23 Tsokos et al. führen an, dass sich alveoläre und interstitielle Ödeme nachweisen lassen. Als Reaktion auf ein aktiviertes Immunsystem lässt sich in der Lunge ein so genanntes Leukozyten-Sticking nachweisen. Hierbei handelt es sich um eine Ansammlung von

Abbildung 1.: Einzellfaser- bzw. Gruppennekrosen im Herzen (HE 400:1)

(30)

30 neutrophilen Granulozyten in den Lungengefäßen und Kapillaren. Ebenfalls zu beobachten sind hyaline Membranen. Es handelt sich dabei um eine Ausfällung von Fibrin und Zelltrümmer nekrotischer Materialien. Wiederum im Rahmen einer DIC kann es zu Mikrothrombosierungen in den Lungengefäßen kommen.

Bereits in der Frühphase einer Sepsis kann es zum Leberversagen kommen.24 Tsokos et al.

nennen hier in der Leber die granulozytäre Anschoppung der Portalfelder als fast regelhaft nachweisbar bei Sepsis. Die granulozytäre Anschoppung in den Sinusoiden ist analog dem Leukozyten-Sticking in der Lunge zu sehen (s.o.). Auch eine feintropfige Verfettung kann beobachtet werden, allerdings kann diese bei Schädigungen der Leber auch durch toxische Stoffe hervorgerufen werden. Ein Leberzellschaden wird durch Einzelzellnekrosen bis hin zu zentroazinären Nekrosen sichtbar. Mikroabszesse sprechen für eine bakterielle Absiedlung in der Leber.

Abbildung 2.: Leukozytensticking in der Lunge (HE; Vergr. 200:1)

(31)

31 Die Milz weist laut Tsokos et al. Follikelnekrosen und eine Hyperplasie der weißen Pulpa mit Ansammlungen von Granulozyten und Makrophagen auf.

Abbildung 3. (a): granulozytäre Infiltration der Portalfelder (HE;

Vergr. 400:1)

Abbildung 3. (b): zentroazinäre Nekrosen (HE; Vergr. 100:1)

(32)

32 In der Niere ist bei Sepsis das Bild des akuten Nierenversagens („acute kidney injury, AKI) klinisch dominant. Ischämie und tubuläre Nekrosen, bedingt durch einen verringerten renalen Blutfluss, bestimmen das histologische Bild.25 Eine Sepsis ist mit ≥50 % die häufigste Ursache für ein AKI.26 Es zeigen sich laut Tsokos et al. akute Tubulusnekrosen mit vakuoliger Auflockerung. Hierbei handelt es sich im häufigsten Fall um mikrozirkulatorisch bedingte Ischämien. Auch hier kann es bei einer Immunantwort zum gehäuften Vorkommen von Lymphozyten, Monozyten und unreifen Zellen in den Blutgefäßen kommen. Auch in der Milz können Mikroabszesse im Sinne einer lokalen bakteriellen Aussaat lokalisiert sein.16

Abbildung 4.: akute Tubulusnekrosen mit Abflachung und vakuoliger Auflockerung in der Niere (HE; Vergr.

400:1)

Abbildung 5.: Follikelnekrosen in der Milz (HE; Vergr. 400:1)

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