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Eine Sepsis nach Eintritt des Todes zuverlässig und eindeutig zu bestimmen ist nach wie vor eine schwierige und herausfordernde Aufgabe für den Rechtsmediziner. In der klinischen Routine hat sich Procalcitonin für die Diagnose einer Sepsis bewährt und bietet diagnostisch entscheidende Vorteile gegenüber dem C-reaktiven Protein. Wie schon die Ergebnisse von Tsokos et al. gezeigt haben, ist der BRAHMS PCT-Q Test® jedoch auch in der forensischen Diagnostik dazu geeignet, um mit Hilfe von Procalcitonin postmortal eine Sepsis zu erkennen.108 Auch wenn es sich bei PCT um keinen idealen Marker handelt, so ist er dennoch, zusammen mit den Ergebnissen der inneren und äußeren Leichenschau in der Lage, ein relativ eindeutiges Ergebnis bezüglich einer septischen Genese der Todesursache zu geben.

Auch in unserer Studie konnten die Ergebnisse von Tsokos et al. bestätigt werden. Der BRAHMS PCT-Q Test® war bei unseren Fällen in der Lage, statistisch signifikant zwischen Sepsis-bedingten und nicht-Sepsis-bedingten Todesursachen zu unterscheiden. In der Gruppe 4 wurde in 81,82 % der Fälle, die vor der Obduktion als Sepsis-bedingt eingestuft wurden, ein PCT-Wert von ≥2 ng/ml ermittelt. Insgesamt konnte der Test in 54,5 % der Fälle einen zu Beginn der Obduktion bestehenden Sepsis-Verdacht mit Hilfe eines positiven Testergebnisses bestätigen.

Auch wenn PCT als brauchbarer Marker für die forensische Diagnose einer Sepsis eingestuft werden kann, so gibt es auch hier Einschränkungen und Verbesserungen. PCT ist, wie zuvor beschrieben, nicht nur unter septischen Bedingungen, sondern auch bei verschiedenen anderen Erkrankungen erhöht. Hierzu gehören unter anderem Trauma, Operationen, Verbrennungen und der kardiogene Schock.121,206,207 So wurden 6 Fälle der Gruppe 4 der Todesfälle durch eine vermutete Sepsis trotz eines erhöhten PCT-Wertes von ≥ 2 ng/ml nicht als septisch-bedingt klassifiziert. Zudem wurde in Gruppe 3 in zwei Fällen trotz eines PCT-Wertes von ≥2 ng/ml eine natürliche Todesursache durch den Rechtsmediziner diagnostiziert. In beiden Fällen handelt es sich hierbei um einen Tod in Folge eines kardialen Ereignisses. Weder bei der Obduktion, noch in Hinblick auf die histologischen und mikrobiologischen Befunde lassen sich

69 Schlüsse auf eine septische Genese der Todesart ziehen. In einem Fall lag ein Re-Infarkt vor, im zweiten Fall erfolgte der Tod durch ein Aneurysma dissecans mit konsekutiver Herzbeuteltamponade. PCT-Erhöhungen im Zuge eines kardiogenen Schocks sind in der Literatur viele Male vorbeschrieben198, sodass sich hier die PCT-Erhöhung erklären lässt. Auch in der Gruppe der ungeklärten Todesursachen tritt einmalig ein PCT-Wert von ≥2 ng/ml auf.

Histologisch ließen sich hier im Rahmen postmortaler Untersuchungen Zeichen für eine Sepsis auffinden (Lunge, Herz und Leber). Im Oberschenkelvenenblut konnten die Keime Proteus vulgaris und Citrobacter farmeri nachgewiesen werden. Zusammenfassend kann man hier davon ausgehen, dass die Erhöhung durchaus im Rahmen eines entzündlichen Geschehens stattgefunden hat. Ob dieses Geschehen nun lokal oder systemisch ist lässt sich nicht mit ausreichender Sicherheit sagen. Es erfolgte zudem eine Antibiotika-Gabe, die eventuell einen noch höheren Test-Wert verhindert hat.

Hier muss darüber nachgedacht werden, ob die Referenzbereiche für das Erkennen einer Sepsis derzeit sinnvoll gestaltet sind. Mit dem Heruntersetzen des Referenzbereiches wird allerdings die Wahrscheinlichkeit von falsch-positiven Ergebnissen immer größer. In der vorliegenden Studie trat in Gruppe 1 (ungeklärte Todesursache) in 68 % ein PCT-Wert von ≥0,5 ng/ml auf.

In der Gruppe der natürlichen Todesursachen (Gruppe 3) wurde in 40 % ein PCT-Wert von

≥0,5 ng/ml gemessen. Gerade in Bezug auf das tägliche Patientenspektrum in der Rechtsmedizin sollte die Bestrebung sein, eher einen höheren Grenzwert für die Diagnose einer Sepsis anzusetzen. Patienten mit Leberzirrhose, koronarer Herzkrankheit und Zustand nach Myokardinfarkt sind in der Rechtsmedizin ein häufigeres Patienten-Klientel als in anderen medizinischen Disziplinen. Daher erscheint der derzeitige Referenzbereich von ≥2 ng/ml für die Diagnose einer Sepsis durchaus sinnvoll. Bei entsprechender Fragestellung kann der PCT-Test ein gutes Hilfsmittel zum Erkennen einer Sepsis sein. Allerdings ist auch der PCT-PCT-Test in großem Maße abhängig von der anfertigenden und auswertenden Person. Der Benutzer muss eingehend über die Bedeutung des Testergebnisses und mögliche Differentialdiagnosen informiert sein. In Zusammenschau mit den restlichen Obduktionsergebnissen, klinischen Angaben und den Angaben auf dem Totenschein lässt sich eine relativ genaue Aussage über eine mögliche septische Todesursache treffen.

Insgesamt konnte in der Gruppe 4 in elf Fällen ein PCT-Wert von ≥2 ng/ml gemessen werden (44 %). Zusätzlich zeigt sich in sieben Fällen ein PCT-Wert von ≥10 ng/ml (28 %). Aus der Zusammenschau aller Befunde kann nun eine weitere Aufteilung der Sepsis-Gruppe vorgenommen werden. Insgesamt können so von den 25 Fällen der Sepsis Gruppe zwölf Fälle

70 als Sepsis-bedingt klassifiziert werden (44 %). Die Aufteilung erfolgt hier anhand aller von uns erhobenen Daten.

Unter diesen Fällen ist sechsmal ein PCT-Wert von ≥10 ng/ml gemessen worden, fünfmal ein PCT-Wert von ≥2 ng/ml und einmalig ein PCT-Wert von ≥0,5 ng/ml. Somit werden nach Anfertigung des PCT-Tests in der Sepsis-Gruppe 13 Fälle als nicht Sepsis-bedingt eingestuft (56 %). Unter diesen 13 Fällen sind auch sechs Fälle bei denen der PCT-Wert bei ≥2 ng/ml lag.

In all diesen Fällen muss bei fehlenden histologischen und mikrobiologischen Hinweisen von einer anderen Ursache, wie zum Beispiel, Verbrennung, Trauma, Operation oder Aspiration für die PCT-Erhöhung ausgegangen werden. Auch prämortale Hinweise oder Ergebnisse der Obduktion sprechen hier zusammenfassend gegen eine septische Genese. Unter den sieben Fällen in denen ein PCT-Wert von ≥10 ng/ml ermittelt wurde befindet sich nur ein Fall, der als nicht Sepsis-bedingt klassifiziert wurde. In diesem Falle handelt es sich um eine fulminante Lungenarterienembolie, die todesursächlich war. Einen Tag vor Todeseintritt wurde der Patient bei Kreislaufstillstand bei Lungenarterienembolie erfolgreich reanimiert. Zudem wurde der Patient drei Tage vor seinem Tod an der Wirbelsäule operiert. Hier zeigen sich zwei weitere Gründe für eine PCT-Erhöhung. Zeichen für eine Sepsis konnten in der inneren und äußeren Leichenschau nicht gefunden werden. Mikrobiologisch konnten Enterococcus faecalis und Pseudomonas aeroginosa gefunden werden. In diesem Fall könnte der Herzstillstand einen Tag vor dem Tod des Patienten mit primär erfolgreicher Reanimation, sowie die Kombination mit der kürzlich erfolgten OP zu einer Erhöhung des PCT-Wertes geführt haben. In der Studie von Sinha et al. lässt sich ebenfalls ein Fall mit einem PCT-Wert von ≥10 ng/ml ohne septische Todesursache finden. Todesursächlich war in der Studie von Sinha et al. ein kardiogener Schock.31 Erhöhte PCT-Level bei Patienten mit kardiogenem Schock lassen sich, wie in Kapitel 2.2.9. erwähnt, auch bei anderen Autoren finden. In der Literatur zu PCT-Werten und den Cut-off-Werten für eine Sepsis wird von manchen Autoren postuliert, dass ein PCT-Wert von ≥10 ng/ml ein hoher positiver Vorhersagewert für eine Sepsis sei.208-210 Ramsthaler et al. fanden in ihren Studien bei einem Cut-off-Wert von ≥10 ng/ml keine falsch positiven Ergebnisse.64 Die einzelnen Fälle der Sepsis-bedingten Todesursachen sind in Tabelle 21 auf Seite 61 dargestellt.

In Bezug auf die Gruppe der Sepsis-bedingten Todesursachen scheint es in unserer Gruppe kein absolutes Kriterium für die Diagnose einer Sepsis zu geben. In den meisten Fällen zeigt sich hier eine Kombination aus vorhergegangener Hospitalisierung und der damit einhergehenden Diagnostik und Therapie als wegweisend. So zeigt sich in 9 von der 12 Sepsis-bedingten-Fälle

71 (75 %) eine prämortale Hospitalisierung. In zehn von zwölf Fällen (83,4 %) wurden Antibiosen verabreicht und in neun von zwölf Fallen (75 %) wurde ein Sepsis-Verdacht geäußert. In 100

% der hospitalisierten Fälle tritt dieses gemeinsam auf. Dabei weisen drei der sechs (50 %) Fälle mit einem PCT-Wert von ≥10 ng/ml und vier von fünf der Fälle mit einem PCT-Wert von

≥2 ng/ml diese Kombination auf. Hier zeigt sich bei guter klinischer Anamnese ein hoher Prädiktor für einen hohen PCT-Wert und konsekutiv für eine Sepsis. Dieses ist tabellarisch in der Tabelle 21 dargestellt. (siehe Tabelle 21).