• Keine Ergebnisse gefunden

Wie oben beschrieben können zahlreiche infektiöse oder nicht-infektiöse Krankheiten eine PCT-Erhöhung auslösen. Im Folgenden wird der PCT-Verlauf bei verschiedenen Krankheitsbildern dargestellt.

2.2.1. PCT bei viralen und bakteriellen Pneumonien

Als Pneumonie wird in der Klinik eine akute mikrobielle Infektion des Lungenparenchyms und angrenzender Organe angesehen.127 Dabei wird unterschieden, in welchem Umfeld die Pneumonie erworben wurde. Eine so genannte „Community-acquired-pneumonia“ (CAP) ist definiert als Pneumonie die ohne Kontakt zu einer Einrichtung des Gesundheitssektors und somit ambulant erworben wurde. Dem gegenüber steht die „Hospital-acquired-pneumonia“

(HAP) mit der Untergruppe der „Ventilator-associated-pneumonia“ (VAP).99 Zudem kann die Pneumonie bezüglich der verursachenden Erreger eingeteilt werden. Der am häufigsten isolierte Erreger ist studienübergreifend Streptococcus pneumoniae. Bedeutend seltener werden Mycobacterium pneumoniae, Haemophilus influenzae, Enterobacteriaceae oder Staphylococcus aureus nachgewiesen.127-129 Die Rate an positiven Blutkulturen ist mit 10 % angegeben.130 Klinisch betrachtet bestimmen Fieber, Dyspnoe, Husten, eitriger Auswurf und ein allgemeines Krankheitsgefühl das Krankheitsbild einer Pneumonie.127,131 Grundsätzlich induzieren bakterielle Pneumonien nur einen geringen PCT-Anstieg.132,133 Bei bakteriellen Erregern kann man allerdings eher einen PCT-Anstieg erwarten als bei viralen Erregern, atypischen Erregern oder bei der Tuberkulose.117,134,135 In einer Studie von Huang et al. hatten 28 % der in die Studie aufgenommenen Patienten mit Pneumonie einen PCT-Wert von

≤0,1 ng/ml. Hier war außerdem zu beobachten, dass Patienten mit einer weniger schwereren Pneumonie tendenziell einen geringeren PCT-Wert aufwiesen und ein geringeres letales Risiko hatten.136,137 Patienten mit einem bakteriell bedingten „acute-respiratory-distress-syndrome“

21 (ARDS) oder einer Aspirationspneumonie zeigten häufiger erhöhte PCT-Werte als Patienten mit einem ARDS nicht-bakterieller Ursache.138

2.2.2. PCT bei viraler und bakterieller Meningitis

Die akute Meningitis ist gekennzeichnet durch eine Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute des zentralen Nervensystems und kann durch Bakterien, Viren oder durch nicht-infektiöse Ursachen hervorgerufen werden.139 Einer Studie von van de Beek et al. zufolge präsentieren sich fast alle Patienten mit mindestens zwei der vier Symptome wie Kopfschmerzen, Fieber, Nackensteifigkeit und reduziertem Allgemeinzustand.140 Als Erreger werden bei Erwachsenen in 80 % aller Meningitiden Neisseria meningitidis oder Streptococcus pneumoniae als Erreger nachgewiesen.141 Eine virale Meningitis zeigt kaum PCT-Erhöhungen im Serum, während eine bakterielle Meningitis meist PCT-Serum-Werte von ≥0,5 ng/ml zeigt.99 Die Bestimmung von PCT aus dem Liquor cerebrospinalis liefert keine zusätzlichen Informationen zum Serum-PCT.142 PCT kann bei Meningitis also hilfreich bei der Diagnosestellung und beim Therapiemonitoring sein.99 So kann beispielsweise der Antibiotika-Verbrauch durch PCT-Bestimmung im Serum signifikant gesenkt werden.143 Lokale Infektionen wie zum Beispiel Shuntinfektionen induzieren keinen PCT-Anstieg. 144

2.2.3. PCT bei viralen Erkrankungen, Pilzerkrankungen und parasitären Erkrankungen

Besonders bei der Abgrenzung von bakteriellen zu viralen Erkrankungen wird die Stärke von PCT und seine Vorteile gegenüber anderen Markern für eine Sepsis deutlich. Virale Erkrankungen induzieren nur in wenigen Fällen PCT.145 Sollte dennoch PCT erhöht sein, so überschreitet der Wert in den seltensten Fällen 1 – 2 ng/ml.99 Andere Studien belegen für Atemwegserkrankungen, RSV-positive-Bronchiolitis und Ebstein-Bar-Virus-Infektionen gleiche Ergebnisse.146,147

Pilzerkrankungen können im fortgeschrittenen Stadium PCT-Erhöhungen induzieren.148 Allerdings gibt es auch Pilzinfektionen, die gar kein PCT produzieren.149-151 Bei lokal begrenzten Pilzinfektionen wird PCT sehr selten induziert.99 Liegt eine Erhöhung von PCT bei

22 Pilzinfektion vor, so korreliert der Verlauf des Markers häufig sehr gut mit dem Erfolg der Therapie.152 Patienten mit Candidämien zeigten im Vergleich mit Patienten mit Bakteriämien häufig einen geringeren PCT-Anstieg. In einer Studie von Charles et al. wurde der diagnostische Grenzwert für Candidämien bei 5,5 ng/ml PCT im Serum angegeben.153 Auch bei der unkomplizierten Malaria wird PCT in einer Studie als prognostisch nützlicher Parameter beschrieben.154

2.2.4. PCT bei Pankreatitis

Die akute Pankreatitis ist gekennzeichnet durch eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse durch Selbstdigestion.155 Auslösende Faktoren sind hauptsächlich Gallensteine und Alkoholmissbrauch.156 Procalcitonin wird bei diesem Krankheitsbild insbesondere zur Abschätzung des Schweregrads und der Unterscheidung von infizierten zu nicht-infizierten Nekrosen genutzt.157 Mehrere Studien ergaben eine gute Korrelation von Procalcitonin und dem Schweregrad der Pankreatitis. Bei schweren Pankreatitiden lagen die PCT-Werte bei ≥0,5 ng/ml.158-160 Bei einem PCT-Wert von ≥1,0 ng/ml wird die Wahrscheinlichkeit einer ungünstigen Prognose und das Vorhandensein infizierter Nekrosen als sehr hoch eingeschätzt.99

2.2.5. PCT bei Autoimmunerkrankungen

In der Regel wird PCT bei Autoimmunkrankheiten nicht vermehrt im Serum nachgewiesen.99 Bei der Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener`sche Granulomatose), beim Kawasaki Syndrom, dem Goodpasture Syndrom oder der Anti-neutrophilen-Antikörper-positiven-Vaskulitis können leicht erhöhte Werte für PCT nachgewiesen werden.122,161,162 Erhöhte PCT-Werte können bei Patienten mit einer Autoimmunerkrankung und einer zeitgleichen Infektion auch unter Immunsuppression nachgewiesen werden.126

Diagnose Cut-Off Werte Sensitivität Spezifität

Literatur

23

Tabelle 5: Serumkonzentrationen von PCT und deren Sensitivität/Spezifität bei verschiedenen Cut-Off Werten und verschiedenen Krankheitsbildern 99

2.2.6. PCT als Marker bei Sepsis und SIRS

Procalcitonin ist in der Lage bei Verdacht auf Sepsis, SIRS und septischem Schock wichtige Informationen bezüglich der Diagnose, dem Verlauf und der Therapie zu liefern. Hierbei ist zu beachten, dass ein Anstieg von Procalcitonin fast ausschließlich durch systemische Infektionen hervorgerufen wird, während bei den meisten lokalen Infektionen kein PCT-Anstieg gemessen werden kann.167 Obgleich Procalcitonin ein sehr guter Marker für die Routinediagnostik der Sepsis ist, ist es laut der Meta-Analyse von Tang et al. nicht eindeutig in der Lage, ein Systemisches-Inflammatorisches-Response-Syndrom (SIRS) von einer Sepsis zu unterscheiden.168 Eine Studie aus dem Jahre 2014 unterstreicht allerdings die Fähigkeit von PCT, ein SIRS in der Notfallsituation zu erkennen und beschreibt PCT mit einer „Area under

24 the curve (AUC)“ von 0.87 als den besten Marker für die Unterscheidung einer Sepsis zu einer nicht-infektiösen Ursache einer Inflammation.169 Je höher die gemessenen PCT-Werte werden, desto wahrscheinlicher wird ein schwerer Verlauf der Sepsis. So hat PCT bei der Diagnose des septischen Schocks oder der schweren Sepsis einen sehr hohen prädiktiven Wert.99 Betragen die PCT-Werte 10 ng/ml oder mehr, so sei die Diagnose einer schweren Sepsis nahezu sicher.170 Eine Meta-Analyse aus dem Jahre 2015 zeigte zudem, dass PCT-Werte in der Anfangszeit einer Infektion bei Überlebenden signifikant niedriger sind als bei nicht-Überlebenden.109,171

Nützlich kann der Einsatz von Procalcitonin auch in Bezug auf die Therapie von Patienten mit Sepsis sein. So lässt sich mit Hilfe von PCT die Verschreibungsdauer von Antibiotika signifikant verkürzen.172-174 Der Verlauf von PCT korreliert mit dem Verlauf, bzw. dem Erfolg der antibiotischen Therapie.175 Des Weiteren ist PCT laut Guo et al. in der Lage, Gram-negative von Gram-positiven Bakteriämien zu unterscheiden und kann so zu einer verbesserten antibiotischen Therapie beitragen.176,177 In Bezug auf das generelle Erkennen einer Bakteriämie sind die Ergebnisse von PCT von Jones et al. in einer Meta-Analyse als „moderat“ beschrieben worden.96

Wichtig für die Verwendung eines Markers in der Klinik ist zudem dessen Fähigkeit, in der Notfallsituation das frühzeitige Erkennen des Krankheitsbildes zu ermöglichen. Hierbei ist der Vergleich zu herkömmlichen Markern besonders wichtig und wird in dem unten angeführten Kapitel 2.3 weiter behandelt.

Diagnose PCT (ng/ml) Sensitivität (%) Spezifität (%) Literatur

Sepsis 0,6 68 61 178

Sepsis 1 89 94 179

Septischer Schock

5 88 67 180

SIRS/Sepsis 1,2 63 87 181

Tabelle 6: Sensitivität und Spezifität bei verschiedenen Cut-Off Werten für PCT 99

25

2.2.7. PCT Erhöhungen ohne Nachweis eines bakteriellen Fokus

Auch ohne den Nachweis eines bakteriellen Fokus kann es zu einer Erhöhung der PCT-Konzentration im Serum kommen. Insbesondere muss dieses bei Neugeborenen berücksichtigt werden, da es kurz nach der Geburt zu einem physiologischen Anstieg aller Entzündungsmarker kommt.182 Dennoch kann PCT hier unter Verwendung einer altersadaptierten Grenze für Referenzwerte von PCT genauso zur Detektion von Infektionen genutzt werden wie bei Erwachsenen.183 Zudem gibt es eine Reihe von anderen Zuständen, die eine PCT-Erhöhung bedingen können (siehe Tabelle 7). Unter anderem zählt hierzu auch die höhergradige Niereninsuffizienz. Hier wird mit einem veränderten Referenzbereich für PCT gearbeitet.

Werte von 0,5 ng/ml bis 1,5 ng/ml sind dann als normal anzusehen.184,185 Bei Tumorerkrankungen wird PCT mit Ausnahme des medullären Schilddrüsenkarzinoms nicht induziert.186,187

Nicht bakterielle Bildung von PCT bei den folgenden Zuständen:

chirurgische Eingriffe

schweres Polytrauma

schwere Verbrennungen

prolongierter kardiogener Schock

Multiorganversagen, schwere Pankreatitis

Hochgradige Niereninsuffizienz

Neugeborene

Schwere Leberzirrhose

Hitzschlag

Pilzinfektionen

Paraneoplastisch, besonders C-Zell Karzinom der Schilddrüse

Schwere Rhabdomyolyse

Prolongierte Reanimation

Tabelle 7: Zustände die eine nicht-bakterielle Erhöhung von PCT zur Folge haben.99

2.2.8. PCT bei Trauma, Operationen und Verbrennungen

Nach Operationen konnten, abhängig von Art und Ausmaß der Operation, Erhöhungen der PCT-Konzentration im Serum nachgewiesen werden.188,189 Dabei ist die Induktion nach

26 Operationen unabhängig von Infektionen, sondern spiegelt vielmehr das Ausmaß des Gewebetraumas und die nachfolgende systemische Entzündungsreaktion wider.99 Kleine Operationen induzieren meist kein PCT und bleiben unter dem Grenzwert von 0,5 ng/ml.123 Dagegen können größere Operationen, wie zum Beispiel abdominelle und retroperitoneale Eingriffe oder kardiochirurgische Interventionen PCT-Werte von bis zu 2 ng/ml induzieren.124,190 Es existieren nahezu für alle größeren Operation Referenzwerte für PCT.

Übersteigen die postoperativ gemessenen PCT-Werte die Referenzwerte, so ist von anderen Komplikationen wie zum Beispiel einer Sepsis auszugehen.191 Dieses gilt auch für Patienten mit einem akzidentiellen Trauma.123 Es ist zudem möglich, eine Trauma-induzierte PCT-Erhöhung von einer Sepsis-bedingten PCT-PCT-Erhöhung durch eine regelmäßige Verlaufsbestimmung von PCT zu unterscheiden. Postoperativ fallen die PCT-Werte ohne septischen Verlauf häufig schon nach dem ersten postoperativen Tag schnell wieder ab und erreichen nach wenigen Tagen wieder Normbereiche.192,193 Bei Patienten mit schweren Verbrennungen konnten ebenfalls erhöhte PCT-Werte ohne den Nachweis einer Infektion nachgewiesen werden.194

Auch nach verlängerter Reanimation konnten erhöhte PCT-Werte nachgewiesen werden.195

2.2.9. PCT bei Akutem Koronarsyndrom und kardiogenen Schock

Beim kardiogenen Schock wird regelmäßig eine Erhöhung von inflammatorischen Markern, wie zum Beispiel Procalcitonin, gemessen.196,197 Geppert et al. berichten von PCT-Konzentrationen von über 2ng/ml bei Patienten mit kardiogenem Schock.198

Die Rolle von Procalcitonin im akuten Koronarsyndrom ist weiterhin sehr umstritten.199 Während manche Autoren von einer Erhöhung des Procalcitonin-Spiegels beim akuten Koronarsyndrom sprechen und Procalcitonin als neuen Marker für die Frühdiagnose des Myokardinfarkts vorschlagen200, konnten andere Autoren keine signifikante Erhöhung von Procalcitonin beim Myokardinfarkt erkennen.201 Remskar et al. konnten eine Erhöhung von PCT beim Myokardinfarkt nur in Verbindung mit einem schweren Linksherzversagen, einer Reanimation nach kardialem Arrest oder einer Infektion beobachten.202 Von Picariello et al.

konnte vergleichend bei unkompliziertem STEMI und NSTEMI nur ein geringer Anteil (33 % und 8,3 %) an Patienten mit Procalcitonin-Erhöhungen gefunden werden, während alle

27 Patienten mit kardiogenem Schock nach Myokardinfarkt eine Procalcitonin-Erhöhung zeigten.203