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Archiv "Calcium-Antagonisten bei koronarer Herzerkrankung: Wirkungsmechanismen und therapeutische Möglichkeiten" (22.07.1983)

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Heft 29 vom 22. Juli 1983

Calcium-Antagonisten

bei koronarer Herzerkrankung:

Wirkungsmechanismen und therapeutische Möglichkeiten

Burkhart Krämer und Wolfgang Kübler

Aus der Abteilung Innere Medizin III (Kardiologie) (Direktor: Professor Dr. med. Wolfgang Kübler) der Medizinischen Universitätsklinik

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Die medikamentösen Thera- pieprinzipien der KHK durch Ca++-Antagonisten beinhal- ten im wesentlichen eine Ver- ringerung des myokardialen 0 2-Bedarfs durch Verminde- rung der Herzarbeit, Abnahme der Kontraktilität und zum Teil Verringerung der Vorlast.

Gleichzeitig führen die Ca++- Antagonisten zu einer Erwei- terung der großen epikardia- len Herzkranzgefäße und vor allem der großen sogenann- ten Leitungsarteriolen. Die an Myokard und Gefäßmuskula- tur verschiedenen Mechanis- men des Ca-Einstromes reagieren jedoch unterschied- lich gut auf Ca - ±-Antagoni- sten. Zudem bestehen ausge- prägte Unterschiede in der Empfindlichkeit von Myokard und Gefäßmuskulatur auf die einzelnen Substanzen, so daß eine differenzierte Anwen- dung bei verschiedenen Krankheitsbildern (z. B. su- praventrikuläre paroxysmale Tachykardie) sowie bei Kom- bination mit anderen Medi- kamenten erforderlich ist.

Die Therapie der koronaren Herz- krankheit beruht auf dem Prinzip, das Mißverhältnis zwischen Sauer- stoffangebot über das Koronarsy- stem und myokardialem Sauer- stoffverbrauch zu verbessern.

Grundsätzlich kommen dabei fol- gende Möglickeiten in Betracht:

0

Eine Steigerung der myokardia- len Durchblutung,

C) eine Beeinflussung der we- sentlichen hämodynamischen De- terminanten des myokardialen Sauerstoffverbrauchs: systoli- scher Blutdruck, Herzfrequenz und Kontraktionsgeschwindigkeit (19, 88)*). Diese Ziele können me- dikamentös durch kardiale ((3- Blocker) und periphere (Nitrate) Angriffspunkte erreicht werden, wobei das Endergebnis von einer Interaktion simultaner Änderun- gen von Herzfrequenz, myokar- dialer Vorlast, Nachlast, Kontrak- tilität und koronarer Durchblu- tung bestimmt wird.

Durch eine geeignete Kombina- tion medikamentöser Maßnahmen können additive Effekte erzielt werden. Im folgenden soll haupt-

sächlich auf Ca"-Antagonisten und ihre Kombination mit (3-Re- zeptoren-Blockern eingegangen werden.

Die Gesamtwirkung der Cail-Ant- agonisten auf den Kreislauf be- steht aus der durch das autonome Nervensystem modulierten Grund- wirkung der Hemmung des trans- membranösen Ca"-Einstromes sowohl in die Herzmuskelzellen als auch in die glatten Muskelzel- len der Gefäße einschließlich der Koronararterien.

Wirkung

des Calciums am Myokard

Die Erregung der Myokardzellen wird wesentlich membranpoten- tialabhängig von zwei depolarisie- renden einwärtsgerichteten Ionen- strömen bestimmt (Darstellung 1 ) :

0

dem schnellen Natriumein- strom, verantwortlich für die ra- sche Erregungsausbreitung am Vorhofmyokard, His-Pu rkinje-Sy- stem und ventrikulären Arbeits- myokard,

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 29 vom 22. Juli 1983 25

(2)

extrazelluläre Flüssigkeit Zellmembran

vl

*

Troponin C + Ca++ Troponin C - Ca Tropomyosin 4- Sarkomer

Aktin Aktin

Myosin

Diastole 1

Tropomyosin

Troponin C Ca++ Troponin C — Ca

Systole

Ca++-Speicher

Ca ++ Na' Ca + +

IV RNI JRN

v

vl

intrazelluläre Ca++-Speicher

Aktivator-Ca + + 4-

•(

Darstellung 1: Vereinfachte Darstellung der Wirkung von Ca++ am Myokard. V = po- tentialabhängiger Ca++-Kanal; RN = rezeptorenabhängiger Ca++-Kanal (der jedoch nur durch Änderungen in der Höhe des Membranpotentials geöffnet werden kann).

Weitere Einzelheiten siehe Text Zur Fortbildung

Aktuelle Medizin Calcium-Antagonisten

dem langsameren, im SA- und AV-Knoten ausschließlich vorkom- menden Calciumeinstrom (im ge- ringeren Umfange auch Natrium- einstrom), der die Plateauphase des Aktionspotentiales bildet (102). Dieser Ca"-Einstrom pas- siert die Zellmembran bei einer be- stimmten Abnahme des Membran- potentials über Kanäle („slow channels"), die einmal nur von Än- derungen des membranären Po- tentials gesteuert (potentialabhän- gige Kanäle), zum andern auch über Rezeptoren (rezeptorabhän- giger Kanal: Verstärkung z. B.

durch Katecholaminwirkung) be- einflußt werden (103).

Das Ausmaß des Ca++-Einstromes wird u. a. durch die maximale Leit- fähigkeit, d. h. durch die Summe aller der Zellmembran zur Verfü- gung stehenden Ca±±-Kanäle, be- stimmt. Diese können in unter- schiedlichen Funktionszuständen vorliegen, nämlich je nach Mem- branpotential und zeitlichem Ab- lauf entweder geschlossen, akti- viert oder aber inaktiviert sein (60).

Die Wirkung der während eines Aktionspotentials in die Myokard- zelle eintretenden Ca++-Ionen be-

steht einmal in der Aktivierung der Ca++-Freisetzung aus den intra- zellulären Ca++-Speichern (z. B.

sarkoplasmatisches Retikulum) sowie zum andern in der Bindung des Ca++ an Ca++-Rezeptor-Pro- teine, die dadurch unter ATP-Ver- brauch die Interaktion zwischen den kontraktilen Proteinen Aktin und Myosin einleiten (elektrome- chanische Kopplung) (31). Zur Re- laxation durch Dissoziation von Aktin und Myosin kommt es nach Reduzierung der zytoplasmati- schen Ca++-Konzentration durch Zurückpumpen des Ca++ in die in- trazellulären Speicher.

Wirkung des Calciums

an der glatten Gefäßmuskulatur In der glatten Muskelzelle führt ei- ne zytoplasmatische Ca++-Erhö- hung zu einer Bindung an das Re- zeptorprotein Calmodulin, wel- ches seinerseits das Enzym Myo- sin-Leichtketten-Kinase aktiviert (Darstellung 2). Dadurch wird die Phosphorylierung des Myosins der glatten Muskelzelle katalysiert und damit der Kontraktionsvor- gang eingeleitet (47).

Die Ca"-Kanäle der glatten Mus- kelzelle können einmal potential- abhängig durch Membrandepola- risation geöffnet werden, im Un- terschied zu den Myokardzellen jedoch auch ohne Depolarisation allein rezeptorabhänig durch die Einwirkung von Neurotransmit- tern, Pharmaka oder Hormonen.

Die über potentialabhängige oder über rezeptorabhängige Kanäle eintretenden Ca++-Ionen triggern intrazellulär ihrerseits wiederum — wenngleich in geringerem Ausmaß als am Herzen — eine intrazelluläre Ca"-Freisetzung aus den Spei- chern. Diese intrazelluläre Ca"- Freisetzung kann an der glatten Muskulatur — wieder im Gegensatz zur Herzmuskelzelle —, auch direkt (z. B. durch Noradrenalin) und un- abhängig von der Öffnung rezep- torabhängiger Ca"-Kanäle indu- ziert werden (18). Die Freisetzung der für den Exzitations-Kontrak- tions-Prozeß erforderlichen intra- zellulären Calciumkonzentration kann also durch unterschiedliche Mechanismen zustande kommen.

(Darstellung 2).

Diese können an den unterschied- lichen Gefäßprovinzen von unter- schiedlicher Bedeutung sein.

Ca++-Antagonisten:

Spezifische und

unspezifische Wirkungen

Die Ca++-Antagonisten stellen ei- ne chemisch heterogene Gruppe organischer Verbindungen dar, deren Gemeinsamkeit in einer hy- drophoben und hydrophilen Re- gion am Molekül besteht.

Es ist noch unklar, ob die hem- mende Wirkung auf die Ca++-Ka- näle zustande kommt über modifi- zierende Einflüsse auf die Lipid- doppellage der Zellmembran mit konsekutiver Beeinflussung des potentialabhängigen Öffnungsme- chanismus (106, 112) oder ob der Hemmeffekt erst nach Eintritt in die Zelle und nach Zugang zum Ca++-Kanal von der Innenseite entsteht (11, 95). Neben der unmit- telbaren Wirkung auf die Ca++-Ka- 26 Heft 29 vom 22. Juli 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(3)

Myosin ADP ATP

Myosin-P + Aktin Kontraktion Calmodulin + Calmodulin-Ca

Myosin-Leicht- kettenkinase

Transmitter, Hormone, Ca++ Na+ Pharmaka Ca++

extrazelluläre Flüssigkeit

IV IRI RI

intrazellu- i lärer i Messen- 4.ger intrazelluläre Ca++-Speicher

4.l

Aktivator-Ca+ +

IR

Zellmembran

iv vl v I

Nifedipin

Ca"-Kanal inaktiviert

4. Verapamil +

inaktiviert blockiert

• •

Ca++-Kanal offen Ca++-Kanal

geschlossen

4 offen

blockiert geschlossen

blockiert

Darstellung 2 (links): Vereinfachte Darstellung der Wirkung von Ca++ an der glatten Gefäßmuskulatur. V = potentialabhängiger Ca++-Kanal; R = rezeptorabhängiger Ca++-Kanal, = Rezeptor der Zellmembran: über intrazelluläre „messenger" kommt es zur Ca++-Freisetzung aus intrazellulären Ca++-Speichern. Weitere Einzelheiten siehe Text - Darstellung 3 (rechts): Schematisches Modell der Funktionszustände der Ca++-Kanäle, die geschlossen, offen = aktiviert oder inaktiviert sein können. Die normale Sequenz verläuft: geschlossen - offen - inaktiviert - geschlossen. Ca++-Antagonisten vom Nifedipintyp unterscheiden sich von Ca++-Antagonisten vom Verapamiltyp: Nifedipin blockiert den Ca++-Kanal in geschlossenem Zustand, wirkt also frequenz- und potentialunabhängig, Verapamil blockiert den Ca++-Kanal in geöffnetem und in inaktiviertem Zustand, wirkt also frequenz- und in gewisser Weise auch potentialabhängig

näle, die nur potentiell spezifisch ist, wurden blockierende Effekte an muskarinartigen, alpha-adren- ergen, dopaminergen und Opiat- Rezeptoren beschrieben (17, 26, 35, 43, 55).

Außerdem bestehen — allerdings erst bei wesentlich höheren Kon- zentrationen — deutliche lokalan- ästhetische Wirkungen, die nicht über eine Blockade der Ca++-Ka- näle, sondern als „Detergentienef- fekte" gedeutet werden.

Spezifische Ca++-Antagonisten, z. B. Nifedipin (Adalat®), Verapamil (Isoptin®, Cardibeltin®), Gallopamil (Procorum®), Diltiazem (Dilzem®), Prenylamin (Segontin®), Fendilin (Sensit®), werden von unspezifi- schen Ca++-Antagonisten, wie z. B. Perhexilin (Pexid®), die sich aufgrund ihrer hohen erforderli- chen Konzentrationen vermutlich in die Zellmembran einlagern und dort zu Funktionsänderungen füh- ren, unterschieden (13).

Wirkung der Ca++-Antagonisten auf das Myokard

Ca++-Antagonisten verringern Am- plitude und Dauer des myokardia- len Aktionspotentials hauptsäch- lich über eine Hemmung potential- abhängiger Ca++-Kanäle und füh- ren in vitro zu einer Verringerung der Ca++-getriggerten intrazellulä- ren Ca++-Freisetzung, somit zu ei- ner negativ inotropen Wirkung am Arbeitsmyokard (38, 70) (Nifedipin

> Verapamil > Diltiazem) sowie zu einer Verlängerung der Sinuskno- tenerholungszeit und AV-Überlei- tungszeit (61). Grundlegende Un- terschiede zwischen den einzelnen Ca++-Antagonisten werden durch den Zustand bedingt, in dem sich ein Ca++-Kanal befinden muß, um blockiert zu werden (Darstellung 3).

Im Modell (50) kann ein solcher Kanal entweder geschlossen, akti- viert — d. h. offen — oder inaktiviert sein, wobei die Überführung von einem in einen anderen Zustand

durch zeit- und membranpo- tentialabhängige Variable gesteu- ert wird (60).

Ca++-Antagonisten vom Verapa- mil-Typ (z. B. Verapamil, Gallopa- mil, Diltiazem, Fendilin (13)) wirken dabei überzwei Mechanismen: Ein- mal inhibieren sie den Ca++-Kanal in offenem Zustand, d. h., die Wir- kung dieserSubstanzen nimmt mit steigender Herzfrequenz zu, da pro Zeiteinheit mehr Ca++-Kanäle in aktiviertem Zustand blockiert wer- den können (13, 32, 79).

Zum anderen werden die Ca++- Kanäle durch Verapamil länger in inaktiviertem Zustand gehalten (79), d. h., die Wirkung ist ausge- prägter an partiell depolarisierten Zellen, wie z. B. in Ischämierandzo- nen (30). Nifedipin andererseits und Prenylamin inhibieren den Ca++-Kanal in geschlossenem Zu- stand. Sie sind also in ihrer Wirkung weder vom Membranpotential noch von der Herzfrequenz abhän- gig (13, 67).

Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 29 vom 22. Juli 1983 27

(4)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Calcium-Antagonisten

Die klinische Bedeutung dieserUn- terschiede liegt darin, daß z. B. nur Verapamil (3) oder Diltiazem (16) zur Behandlung tachykarder su- praventrikulärer Arrhythmien-ins- besondere der AV-junktionalen Reentry-Tachykardie - geeignet sind. Andererseits ist bei Patienten mit nurgeringer Reserve der Pump- funktion insbesondere bei Vera- pamil Vorsicht geboten, da hierder negativ inotrope Effekt bei allen physiologischen und pathophysio- logischen Vorgängen, die zum Herzfrequenzanstieg führen, ge- steigert ist.

Wirkung der Ca++-Antagonisten auf die glatte Gefäßmuskulatur Generell besteht die Wirkung der Ca++.Antagonisten auf die glatte Gefäßmuskulatur in einem relaxie- renden Effekt, bedingt durch Re- duktion des für die Kontraktion er- forderlichen Aktivator-Calciums.

Diese Wirkung ist jedoch außeror- dentlich variabel und hängt von Gefäßtyp und -Iokaiisation ab (18, 121 ). Der Effekt wird von der Her- kunft des Aktivator-Ca++ und dem Mechanismus des Ca++-Eintritts in die Zelle bestimmt. Ferner ist die Interaktion eines spezifischen Ca++.Antagonisten mit dem Ca++- Kanal entscheidend (81 ). So wird der Eintritt von Aktivator-Ca++ aus dem extrazellulären Raum stärker als die Freisatzung aus intrazellu- lären ca++-speichern inhibiert, d. h., Gefäße mit geringen intrazel- lulären Ca++.speichern (z. B. Ko- ronararterien, Splanchnikusve- nen) reagieren ausgeprägter auf die Gabe von Ca++-Antagonisten als Gefäße mit größeren intrazellu- lären Ca++.speichern, wie z. B.

die Aorta. Insgesamt wird der Ca++-Eintritt über potentialabhän- gige Kanäle stärker inhibiert als der Ca++.Einstrom über rezeptor- abhängige Kanäle, die z. B. durch Noradrenalin aktiviert werden (18, 107, 120, 121).

Die wichtigste Determinante des Gefäßtonus, die Aktivierung al- phaadrenerger Rezeptoren, wird- wenn auch in unterschiedlichem

Ausmaß- vom Ca++-Antagonisten inhibiert. Generell hemmen diese Substanzen die Effekte der mei- sten natürlichen Vasokonstrikto- ren an den präkapillären Arterio- len (122) und senken damit den peripheren Widerstand.

Von praktischer Bedeutung sind die deutlichen Unterschiede in der Wirksamkeit der einzelnen Sub- stanzen:

...,. Nifedipin ist quantitativ der bei weitem wirksamste Vasodilatator (Effektivität von Nifedipin : Vera- pamil : Diltiazem = 1 : 10 : 26 (91 ).

Qualitativ reagieren die Venen des Splanchnikusgebietes am sensi- tivsten auf Nifedipin, gefolgt von den kleinen muskulären Arterien/

Arteriolen und dann von den gro- ßen elastischen Arterien (45).

Eine gewisse Sonderstellung neh- men die Koronararterien ein, bei denen es durch sehr unterschied- liche Faktoren zu einer gestei- gerten Spannungsentwicklung kommt (18, 42, 46, 64, 118, 123).

Die karonarrelaxierende Wirkung der Ca++.Antagonisten durch Ver- minderung des ca++-lnfluxes in die glatten Muskelzellen der Koro- nararterien kann dabei durch Hemmung membranpotential- oder rezeptorabhängiger Ca++- Kanäle erfolgen, durch Hemmung rezeptorvermittelter Ca++ -Freiset- zung aus intrazellulären Spei- chern (z. B. Verapamil, Diltiazem) oder durch kompetitive Hemmung von Rezeptoren vaseaktiver Sub- stanzen (z. B. Lidoflazin (Cii- nium®) (118, 119, 123).

Die Wirksamkeit eines Ca++.Ant- agonisten als Koronardilatator wird dabei wesentlich bestimmt durch die relative Anzahl der ca++-Einstromkanäle, den Ca++- kanalabhängigen relativen Anteil des Aktivator-Ca++ und die Sensi- tivität eines Ca++.Kanals für einen speziellen Ca++ Antagonisten.

Nifedipin ist am isolierten Papillar- muskel 1 Omal wirksamer als Vera- pamil und 26mal wirksamer als

Diltiazem: Nifedipin steigert also die Koronardurchblutung in Do- sierungen, die die Spannungsent- wicklung im Papillarmuskel (91) und die AV-Überleitung (115) un- beeinträchtigt lassen.

Verapamil andererseits steigert die Koronardurchblutung erst in einem Dosisbereich, der auch schon die Spannungsentwicklung und die AV-Überleitung herabsetzt (91, 70). Im intakten Organismus werden die Auswirkungen der di- rekten Koronardilatation auf die Durchblutung des gesamten Myo- kards durch folgende Faktoren modifiziert:

0

Durch Änderung peripherer Kreislaufparameter, hauptsächlich Blutdrucksenkung durch Relaxa- tion von Widerstandsgefäßen, kommt es zum Auftreten autono- mer sympathischer Reflexe (Baro- rezeptorenreflex).

f) Die Beeinträchtigung der myokardialen Kontraktilität führt zur Abnahme des intramyokardia- len Druckes und zum Anstieg des linksventrikulären enddiastoli- schen Druckes.

Angriffspunkte der Ca++ -Antagonisten bei Angina pectoris

Aufgrund ihrer Wirkung auf Myo- kard und glatte Gefäßmuskulatur kann die antianginöse Wirkung der ca++.Antagonisten im wesent- lichen auf folgende Mechanismen bezogen werden:

Verringerung des myokardialen 02-Bedarfs durch

...,. Abnahme der Kontraktilität, ...,. Verminderung der Herzarbeit infolge Senkung des peripheren Widerstandes durch arterielle Va- sodilatation (Nachlastreduktion),

...,. Verringerung der Vorlast infol- ge eines venösen "pooling" (77) (wahrscheinlich geringerer Ef- fekt).

28 Heft 29 vom 22. Juli 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

(5)

Nifedipin Verapamil Diltiazem 13-Blocker peripherer

Gesamtwiderstand Koronarwiderstand systolischer Blutdruck linksventrikulärer enddiastolischer Druck Herzzeitvolumen Herzfrequenz

Sinusknotenerholungszeit AV-Überleitungszeit Refraktärzeit des AV-Knotens

= Zunahme; = Abnahme; = unverändert.

111 11 11

111. 11 111 T

11 1 --1 1

1 1

T 1

1

-->

1T

TT 1T

1

Tabelle 1: Hämodynamische und elektrophysiologische Wirkungen von einzelnen Ca++-Antagonisten und von ß-Rezeptorenblockern (9, 11, 33, 39, 52, 61, 83)

Die Wertigkeit der einzelnen Me- chanismen ist untereinander wie auch für verschiedene Ca++-Ant- agonisten unterschiedlich. Die we- sentliche Rolle dürfte der Relaxa- tion der glatten Gefäßmuskulatur zukommen: Senkung des system- arteriellen peripheren Widerstan- des sowie Aufhebung von Koro- narspasmen. Diese Effekte treten bereits bei Konzentrationen auf, die 10- bis 100fach niedriger als die zur Beeinträchtigung der Kon- traktilität erforderlichen Dosen sind (13). Die Relaxation der glat- ten Gefäßmuskulatur ist beson- ders ausgeprägt bei Nifedipin. Vor allem nach Gaben dieser Substanz wurden reflektorische Anstiege der Herzfrequenz beobachtet (Ta- belle 1) (83), die den durch Sen- kung des peripheren Widerstan- des erreichten 0 2-sparenden Ef- fekt vermindern können. Die re- flektorische Tachykardie nach Ni- fedipin konnte sogar eine Zunah- me pektanginöser Beschwerden auslösen (14, 54); durch eine Kom- bination mit Betarezeptorenblok- kern könnte dies verhindert werden.

Die Auswirkungen der Ca++-Ant- agonisten auf die myokardiale Kontraktilität sind bei klinischer Anwendung vergleichsweise ge- ring. Sie sind abhängig von der Substanz und vom Ausgangszu- stand der linksventrikulären Funk- tion (74). Bei normaler linksventri- kulärer Funktion werden die Aus- wirkungen der Kontraktilitätsmin- derung auch nach Verapamil durch die sympathische Stimula- tion über den Barorezeptorenre- flex weitgehend ausgeglichen (23, 56) beziehungsweise überkom- pensiert (37, 116). Nach Nifedipin (56, 75, 77, 100) wurde bei einge- schränkter Ventrikelfunktion unter akuten Bedingungen - wahr- scheinlich reflektorisch bedingt - eine Verbesserung hämodynami- scher Parameter (linksventrikulä- rer Füllungsdruck, Herzzeitvolu- men) beobachtet.

Zunahmen der globalen Koronar- durchblutung wurden bislang bei Verapamil (108) und Nifedipin (34)

beobachtet. Unter Nifedipin steigt die Durchblutung im Versor- gungsgebiet einer stenosierten Koronararterie relativ mehr an als im normalperfundierten Myokard (34). Diese Befunde wurden als Zunahme des myokardialen 02 Angebotes unter Ca++-Antagoni- sten gedeutet (109). Indirekte Hin- weise für eine Zunahme des myo- kardialen 02-Angebotes fanden sich auch nach Diltiazem (124).

Andererseits wurde bei Ausbela- stung bis zum Auftreten pektangi- nöser Beschwerden nach Gabe von Ca++-Antagonisten kein An- stieg des Druck-Frequenz-Produk- tes - indirektes Maß für den myo- kardialen Sauerstoffverbrauch (88) - beobachtet (25, 68, 98, 116), so daß' eine Verbesserung des myokardialen 0 2-Angebotes nicht anzunehmen ist.

Diese scheinbare Diskrepanz könnte meßtechnisch zu erklären sein: Während die die Belastung limitierende lschämie vornehmlich die endokardnahen myokardialen Innenschichten betrifft, werden bei der Messung der regionalen Koronardurchblutung mit der Xe- Technik vor allem die epikardna- hen Herzmuskelabschnitte erfaßt.

Ca++-Antagonisten

bei der stabilen Angina pectoris Die klinische Wirksamkeit von Ca++-Antagonisten wurde 'in zahl- reichen Studien anhand der fol- genden Kriterien nachgewiesen (Tabelle 2):

1. Frequenz pektanginöser An- fälle,

2. Belastungshöhe, 3. Belastungsdauer, 4. Nitroglyzerinverbrauch,

5. ST-Strecken-Verhalten im Bela- stungs-EKG.

Widerspruchsfreie Ergebnisse fanden sich für Diltiazem (5, 51, 52, 68), Etafenon (51), Gallopamil (51, 89), Nifedipin (5, 25, 51, 57, 84), Perhexilin (51) und Verapamil (5, 51, 57, 58, 98).

Auffällig sind die relativ hohen in der Literatur angegebenen wirksa- men Dosierungen (Tabelle 2), die die Beachtung möglicher Neben- wirkungen erfordern (Tabelle 3).

Von praktischer Bedeutung er- scheint die Interaktion von Nifedi- Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 29 vom 22. Juli 1983 29

(6)

Wirkung von Calcium-Antagonisten allein oder

in Kombination mit [3-Blockern bei der stabilen belastungsabhängigen Angina pectoris

n Medikamente AP/Wo NTG/Wo Bel.- HF in RRsyst (HFxRR) max ST-Strecke

u. Dosierung dauer Ruhe in Ruhe x10 2 ST1 in mm min bis

in mg/die (min) (min) -1 (mmHg) mm

Brodsky CO, DB, 26 Placebo 5,6 3,4 6,4 69 125 208 2,3 4,3

1982 (20) LB Verapamil 480 2,2 1,2 7.5 61 120 196 1,8 5,7

Pine (98) CO, DB, 18 Placebo 4,5 3,5 5,8 80 123 199 1,5

1982 FE Verapamil 2,4 1,6 8,2 73 117 190 0,97

240-480 Studie Design

B. Subra- DB, CO, 28 Placebo

manian LB Verapamil 360

1980 (6)

7,1 9,8 6,6 74 x 179 1,9 4,4

2,0 2,2 11,2 65 x 149 0,9 7,2

Sadick CO, DB, 18 Placebo 5,2 x 6,8 74 128 277 2,6 4,5

1982 (110) FE Verapamil 320 1,0 x 7,8 72 122 264 1,3 6,6

Propranolol 320 1,0 7,6 56 115 164 0,05 6,6

Johnson DB, CO, 18 Placebo 7,9 12,0 x 73 143 x 2,1 8) x

1981 (57) FE, AM, Verapamil 480 1,7 2,4 x 69 129 x 0,6 x

Propranolol 320 3,1 5,4 x 55 137 x 1,2 x

Lynch DB, CO, 16 Placebo 23,00 19,00 x x x 240 5,3 8) x

1980 (76) FE, AM, Nifedipin 60b) 14,00 12,00 x x x 235 2,7 x

Propranolol 480 8 7 x x x 159 1,4 x

N+ P 60/480 5 4 x x x 125 0,5 x

B. Subra- DB, CO, 22 Placebo x x 4,8 76 x 207 18,0 8) x

manian LB, AM, Verapamil 360 x x 8,0 74 x 205 6,0 x

1982 (8) Propranolol 240 x x 6,8 55 x 161 7,0 x

14 V+ P 360/120 x x 10,1 54 x 177 4,0 x

Leon EB, CO, 11 Placebo x x 5,1 79 132 183 x 3,0

1981 (71) FE Verapamil 480' ) x x 8,5 70 123 159 x 6,0

Propr. 160-320 x x 6,4 63 130 125 x 4,1

V + P 480/160-320 x x 9,8 54 111 97 x 7,9

B. Subra- DB, CO, 28 Placebo x x 5,7 74 x x x 3,9

manian LB Nifedipin 60 x x 7,9 77 x x x 5,8

1982 (5)

EB, CO 28 Placebo x x 5,6 75 x x x 3,4

LB Diltiazem 360 x x 9,5 64 x x x 5,5

Moscowitz DB. CO, 10 Placebo 11,2 8,9 7,7 73 130 216 1,83 0

1979 (84) LB, Nifedipin 60 6,3 4,2 8,7 79 119 213 1,59

Brügmann DB, CO, 14 Placebo x x x 67 134 201 2,6 x

1982 (21) FE Nifedipin 10d) x x x 66 133 198 2,5 x

Placebo x x x 81 126 220 1,5 x

Nifedipin 20d ) x x x 81 126 220 1,5 x

Placebo x x x 67 135 202 2,4 x

Nifedipin 30d ) x x x 84 132 216 1,6 x

Bassan CO, DB, 10 Propr. 60-360 x x 4,1 58 112 144

1982 (10) FE P + Nifedipin 10d ) x x 6,4 62 97 127

Kober DB, CO, 10 Placebo x x x x x x 10,1 x

1981 (66) KT Nifedipin 101 x x x x x x 6,5 x

Placebo x x x x x x 10,6 x

Diltiazem 60 d) x x x x x x 7,6 x

Placebo x x x x x x 9,7 x

Koiwaya DB, CO, 9 Placebo x x 4,4 74 123 192 x 3,7

1981 (68) LB Diltiazem 90d ) x x 6,9 72 117 214 x 6,1

Pool DB. CO, 15 Placebo x x 9,9 x x x x 7,8

1980 (101) LB Diltiazem 240 b) x x 10,8 x x x x 9,1

Hossack DB, CO, 57 Placebo x x 6,0 74 126 225 x 4,3

1982 (53) LB Diltiazem 240 , x x 7,1 69 125 222 x 5,1

Ferlemann DB, CO, 15 Placebo x x x x x x 1,64 x

1979 (36) KT, Perhexilin 200 x x x x x x 1,21 x

13 Perhexilin 400 x x x x x x 1,06 x

Goebel DB, CO, 1977 (44) FE

Placebo Perhexilin 300

5,8 4,3 3,7 66 133 191 1,48

2,7 1,5 4,9 67 135 190 0,97

16

Design: DB = Doppelblind; EB = Einfachblind; CO = Crossover; LB = Laufband; FE = Fahrradergometer; AM = ambulantes Monitoring; KT = Klettertest. AP/Wo: Anzahl pektanginöser Anfälle pro Woche; NTG/VVo: Verbrauch an Nitroglyzerinkapseln pro Woche; (HFxRR)max: Druck-Frequenz- Produkt bei maximaler Belastung; a) Häufigkeit von ST-Strecken-Senkungen 1 mm pro 24 Stunden, b) kleinere Dosen mit signifikanten, aber weniger deutlichen Ergebnissen. c) bei maximaler Belastung, d. h. ungleiche Belastungsdauer, d) Test nach Einzeldosis, e) Summe der ST-Senkungen im mapping, f) bei kleineren Dosen keine signifikanten Effekte. x: keine Angaben

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Calciu m-Antagonisten

Tabelle 2

30 Heft 29 vom 22. Juli 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(7)

Nifedipin: Hypotonie, Kopfschmerz, Knöchelödeme, Schwindel, Tremor, Nasenschleimhautschwellung„,flushing", Zunahme der Plasma-Digoxinspiegel

Verapamil: Konstipation, Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit, Schlaflosigkeit, Palpitationen, Hypotonie, Knöchel- ödeme, AV-Überleitungsstörungen bei vorgeschädigtem Reizleitungssystem, Verstärkung einer latenten Herzin- suffizienz, Zunahme der Plasma-Digoxinspiegel Diltiazem: Kopfschmerz, „flushing",

Schwindel, Nervosität, Schlaflosigkeit

Tabelle 3: Nebenwirkungen einiger Calcium-Antagonisten (8, 15, 72, 94)

pin (15) und Verapamil (65, 96, 113) mit Digoxinspiegeln zu sein, die dosisabhängig verläuft (65):

Nach chronischer Gabe der in Ta- belle 2 angegebenen effektiven Verapamildosen muß mit einer Verdopplung der Plasma-Digoxin- Spiegel gerechnet werden (65).

Insgesamt ist die Inzidenz der Ne- benwirkungen, die einen Thera- pieabbruch erfordern, nach Ca"- Antagonisten jedoch erstaunlich gering: etwa 1 Prozent aller Pa- tienten bei Verapamil, 5 Prozent aller Patienten bei Nifedipin und etwa 4 Prozent aller Patienten bei Diltiazem (72).

Ca++-Antagonisten bei der vasospastischen Angina pectoris Eine besondere Bedeutung kommt den Ca"-Antagonisten für die Behandlung der vasospasti- schen Angina zu. Koronarspas- men mit Ruheangina können bei normalen Koronararterien und er- haltener Belastungstoleranz und bei Koronargefäßen mit angiogra- phisch nachgewiesenen Stenosie- rungen, wie etwa exzentrische Stenosen mit erhaltener intakter Restmuskulatur der Koronararte- rie im stenosierten Bereich (z. B.

Ruheangina bei disproportionaler Belastungsangina), auftreten (24, 73, 105) und eventuell durch Beta- rezeptorenblocker verstärkt wer- den (78, 105).

Die auslösenden Faktoren bei Ko- ronarspasmen sind nicht bekannt.

Diskutiert werden eine gesteigerte Plättchenaggregation mit Freiset- zung von Thromboxan A2 (104), ein erhöhter alphaadrenerger oder parasympathischer Tonus (125) sowie eine sympathische Stimula- tion durch körperliche Belastung (126) oder — experimentell — durch Gabe von Ergonovin bzw. Vaso- pressin (49, 99).

In einer multizentrischen Studie an 284 Patienten mit vasospasti- scher Ruheangina wurden die An- fälle durch Nifedipin in etwa 70 Prozent der Fälle aufgehoben und bei 90 Prozent der Patienten in

Intensität und Häufigkeit vermin- dert, durch Diltiazem in 80 Prozent aufgehoben und in 90 Prozent ge- bessert und durch Verapamil in 10 Prozent aufgehoben (dieser Wert ist erstaunlich gering und ohne Bestätigung durch andere Studien kaum zu akzeptieren) und in 85 Prozent gebessert. Betablocker waren nur in 11 Prozent der Fälle effektiv (63). In einer weiteren Stu- die an 127 Patienten mit vasospa- stischer Angina — 43 Prozent der Patienten hatten eine signifikante KHK — wurde Nifedipin in 63 Pro- zent voll wirksam und in 87 Pro- zent der Fälle teilweise wirksam gefunden (2).

Ca++-Antagonisten und Nitrate Ca"-Antagonisten können mit Ni- traten kombiniert werden (29). Im Einzelfall ist sicher ein synergisti- scher Effekt nachweisbar, wobei allerdings aufgrund des nicht sehr unterschiedlichen Wirkungsme- chanismus diskutiert werden muß, ob eine Dosiserhöhung der Mono- substanz nicht einen ähnlichen Ef- fekt gehabt hätte. Im Gegensatz zu den Nitraten (117) wird für die Ca"-Antagonisten (7) keine To- leranzentwicklung beobachtet.

Ca++-Antagonisten und Betablocker bei der stabilen Belastungsangina

Bei der stabilen belastungsabhän- gigen Angina pectoris, bedingt durch fixierte Koronarstenosen,

können die vorwiegend beta- adrenerg bedingten Steigerungen von Herzfrequenz, Kontraktilität, Wandspannung bzw. Blutdruck stenokardische Anfälle auslösen.

Die wesentliche Wirkung der Beta- rezeptorenblocker besteht somit in einer Minderung dieser Einzelfak- toren, insbesondere der Bela- stungsherzfrequenz, sowie in einer Erniedrigung des Herzzeitvolu- mens. Sekundär folgt eine Erhö- hung von enddiastolischem Druck und Volumen, wodurch eine latente Herzinsuffizienz unter Umständen manifest werden kann. Aufgrund partiell differierender Angriffs- punkte von Ca"-Antagonisten und Betablockern (Tabelle 1) wur- den bei Kombinationstherapie ad- ditive Effekte gefunden (Tabelle 2).

Verapamil und Betablocker wirken auf hämodynamische und elektro- physiologische Parameter weitge- hend parallel, so daß unter dieser Kombination bei Patienten mit ein- geschränkter linksventrikulärer Funktion oder Störungen des Reizleitungssystems bradykarde Rhythmusstörungen oder die Zu- nahme einer Herzinsuffizienz be- schrieben wurden (8, 93). Die Kombination von Verapamil mit Betablockern sollte daher zurück- haltend und wenn, dann aus- schließlich bei Patienten mit guter linksventrikulärer Funktion und mit normalem Reizbildungs- und Erregungsleitungssystem einge- setzt werden. Die Kombination von Nifedipin mit Betablockern bietet sich dagegen als relativ si- chere Möglichkeit an, die antiangi- 32 Heft 29 vom 22. Juli 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(8)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Calcium-Antagonisten

nösen Wirkungen beider Substan- zen zu verstärken. Allerdings wur- den unter dieser Kombinations- therapie auch schon Einzelfälle von übermäßigem Blutdruckabfall (92) oder das Auftreten einer kon- gestiven Herzinsuffizienz beob- achtet (1). Die Kombinationsthera- pie von Ca++-Antagonisten, vor al- lem vom Nifedipintyp, mit Nitraten und Betablockern dürfte heute die aussichtsreichste Kombination in der konservativen Therapie der Angina pectoris darstellen — dies dürfte insbesondere auch für die instabile Angina gelten (41).

Praktische Konsequenzen

Die Ca++-Antagonisten stellen zweifelsohne eine Bereicherung des therapeutischen Spektrums bei der KHK dar. Sie sind Mittel der Wahl zur Behandlung der vaso- spastisch bedingten Variant- oder Prinzmetal-Angina. Bei der Be- handlung der stabilen Angina dürften die Ca++-Antagonisten den Nitraten beziehungsweise Be- tablockern in ihrer antianginösen Wirkung zumindest nicht unterle- gen sein. Bei der instabilen Angina stellt die aussichtsreichste Kombi- nation die Gabe von Ca++-Antago- nisten und Betablockern dar.

Den Ca*'- -Antagonisten ist zwar ein Wirkungsprinzip, die Hem- mung des intrazellulären Ca — - Einstromes gemeinsam, es beste- hen jedoch in den Wirkungsme- chanismen zwischen den einzel- nen Substanzen erhebliche Unter- schiede, die eine differenzierte An- wendung erforderlich machen.

Literatur beim Verfasser (Sonderdruck)

Anschrift der Verfasser:

Dr. med. Burkhart Krämer Professor Dr. med.

Wolfgang Kübler

Abteilung Innere Medizin III (Schwerpunkt Kardiologie) Klinikum der

Universität Heidelberg Bergheimer Straße 58 6900 Heidelberg 1

Die unterschiedliche Prognose von Rumpf- und Extremitätenmelanomen

Den klinischen Faktoren beim malignen Melanom wurde bisher ein sehr unterschiedliches pro- gnostisches Gewicht gegeben.

Nach der vorliegenden Untersu- chung wird die Prognose des pri- mären malignen Melanoms neben histopathologischen Kriterien vor allem durch die Lokalisation des Primärtumors bestimmt. Die gün- stigere Prognose bei Frauen ist mit Wahrscheinlichkeit nicht auf weniger weit fortgeschrittene Pri- märtumoren, hormonelle Faktoren oder auf eine geringere Metasta- sierungsneigung zurückzuführen, sondern vielmehr auf die unter- schiedliche Häufigkeitsverteilung von Rumpf- und Extremitätenme- lanomen bei Männern und Frauen.

So war in dem Beobachtungszeit- raum von 1969 bis 1980 bei 242 Frauen in 15 Prozent (n = 37) der Primärtumor am Rumpf und bei 85 Prozent (n = 205) an den Extre- mitäten lokalisiert. Bei 138 Män- nern betrug das Verhältnis zwi- schen Rumpf- und Extremitäten- melanomen 1:1. Als indirekter Be- weis für die überragende progno- stische Bedeutung der Lokalisa- tion wird von den Autoren die Tat- sache angesehen, daß bei elektiv dissezierten Patienten vom klini- schen Stadium 1 mit Rumpfmela- nomen (n = 71) in 28 Prozent (n = 20) histologisch Lymphknotenme- tastasen nachgewiesen wurden, während die Häufigkeit von okkul- ten Metastasen bei dissezierten Patienten (n = 209) mit Extremitä- tenmelanomen nur 8 Prozent (n = 17) betrug. Bei gleicher Lokalisa- tion des Primärtumors fanden sich indessen keine unterschiedlichen Häufigkeitsverteilungen der okkul- ten lymphogenen Metastasen zwi- schen Männern und Frauen. Beim Vergleich weiterer die Prognose beeinflussender Faktoren, wie Mi- krostadium, Tumordicke, Mela- nomtyp, Exzisionsgröße des Pri- märtumors und elektive Dissek- tion, konnten keine wesentlichen Unterschiede zwischen beiden

FÜR SIE GELESEN

Geschlechtern nach dieser Unter- suchung festgestellt werden. Die Autoren vertreten die Meinung, daß geschlechtsspezifische unter- schiedliche Verhaltensweisen des malignen Melanoms höchstens ei- ne sehr untergeordnete prognosti- sche Bedeutung besitzen kön- nen. Tnk, Hra

Tonak, J.; Hermanek, P.: Die unterschiedliche Prognose von Rumpf- und Extremitätenmela- nomen, Lebensvers.-Med. 35 (1983) 61, Maxi- miliansplatz 1,8520 Erlangen

Niedrigere

Ranitidindosis bei Leberzirrhose

Die weite Verbreitung der H 2-Blok- ker Cimetidin und Ranitidin hat das Interesse an pharmakologi- schen Daten bei bestimmten Grundkrankheiten geweckt. Plas- maranitidinbestimmungen nach oraler und intravenöser Gabe bei 10 Gesunden, 9 Zirrhotikern und 8 geriatrischen Patienten ergaben recht unterschiedliche Werte. Bei gesunden Jugendlichen betrugen die Bioverfügbarkeit 51 ± 4 Pro- zent, die Halbwertszeit 161 ± 11 Minuten nach oraler und 124 ± 5 Minuten nach intravenöser Appli- kation. Bei den Patienten mit Le- berzirrhose waren die Bioverfüg- barkeit auf 70 ± 7 Prozent gestei- gert, die Clearance vermindert und die Halbwertszeit mäßig ver- längert. Bei alten Menschen ent- spricht die Bioverfügbarkeit der von Jugendlichen, die Clearance war jedoch deutlich herabgesetzt und die Halbwertszeit auf 243 ± 7 Minuten nach oraler bzw. 194 ± 11 Minuten nach intravenöser Ga- be verlängert. Aufgrund der vorge- legten Daten darf angenommen werden, daß bei alten Patienten und solchen mit einer Leberzirrho- se bei kontinuierlicher oraler Ein- nahme der Substanz die Blutspie- gel um 50 bis 60 Prozent höher liegen als bei gesunden Jugendli- chen.

Young, C. J.; Daneshmend, T. K.; Roberts, C. J.

C.: Effects of cirrhosis and ageing an the elimi- nation and bioavailability of ranitidine, Gut 23 (1982) 819-823, Clinical Pharmacology Unit, Department of Medicine, Bristol Royal Infir- mary, Bristol

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 29 vom 22. Juli 1983 33

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