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ie Diskussion um die Si- cherheit von Kalzium- Antagonisten bei ischä- mischer Herzkrankheit wird in Zukunft differenzierter ausfallen. Denn die generali- sierte Hypothese aufgrund ei- ner Fallkontrollstudie und ei- ner Metaanalyse, wonach diese Substanzgruppe in der antihypertensiven Therapie oder der Sekundärprävention ungünstiger sein soll als Beta- blocker, ist in dieser allgemei- nen Form nicht haltbar.Vergleichbare Ergebnisse
Zwei prospektive Studien – eine monozentrische aus Stockholm und eine euro- päische Multicenter-Unter- suchung – haben bei Patien- ten mit stabiler Angina pec- toris keine statistisch signifi- kanten Unterschiede hin- sichtlich der „harten“ End- punkte bei tödlichen oder nichttödlichen kardiovasku-
lären Ereignissen ergeben.
Verglichen wurden doppel- blind Betablocker und Kalzi- um-Antagonisten – einmal Metoprolol mit Verapamil, einmal Atenolol und retar- diertes Nifedipin.
Bei einer Veranstaltung der Knoll Deutschland GmbH in Frankfurt erläuter- te Prof. Paul Hjemdahl als Leiter der Stockholmer Stu- die die Ergebnisse, die bei über 800 Patienten mit stabi- ler Angina pectoris – über- wiegend Stadium NYHA II – erzielt wurden. Zur Behand- lung wurde entweder Meto- prolol 200 mg/die (Beloc- Zok®) oder Verapamil 240 mg/die (Isoptin® 2x1) einge- setzt. In den Überlebens- kurven zeigten sich laut Hjemdahl bis zu einem Zeit- raum von fünf Jahren keine Unterschiede, die Mortalität war mit 5,4 beziehungsweise 6,2 Prozent niedrig. Als ver- gleichbar stufte der Referent auch die Zahl der kar- diovaskulären Ereignisse (30,8 versus 29,3 Prozent) und der damit verbundenen Mor- talität (4,7 Prozent) sowie die nichttödlichen Ereignisse (26,1 versus 24,3 Prozent) ein.
Kein Unterschied fand sich in den Abbruchraten aufgrund von Nebenwirkun- gen (11,1 versus 14,6 Pro- zent). Verglichen mit gesun- den Personen zeigten die Patienten mehr psychosoma- tische Beschwerden, weniger Lebenszufriedenheit und mehr Schlafstörungen – in- nerhalb der beiden Gruppen
konnte jedoch wiederum kein Unterschied bei der Besse- rung dieser Symptome erho- ben werden.
Bei der vorläufigen Ana- lyse von Subgruppen hat das Stockholmer Team einige Trends gefunden, die aller- dings noch verifiziert werden müssen: So scheinen Frauen allgemein eine bessere Pro- gnose zu haben – unabhängig von der Substanzgruppe. Bei Hypertonikern sei die Pro- gnose negativ verändert und etwas besser unter Vera- pamil, während die ebenfalls schlechtere Prognose von Diabetikern durch Metopro- lol etwas abgemildert werden dürfte. „Wir werden diese Untergruppen genauer ver- folgen, um so eventuell klare Präferenzen für bestimmte Patientengruppen zu erarbei- ten“, erläuterte Hjemdahl.
Niedrige
Mortalitätsrate
Auch bei der TIBET-Stu- die (Total Ischemic Burden European Trial), bei der 682 Patienten entweder Atenolol (100 mg/die), retardiertes Ni- fedipin (40 mg/die) oder eine Kombination beider Substan- zen erhielten, zeigte sich eine vergleichbare Wirkung bei ei- ner durchschnittlichen Beob- achtungszeit von zwei Jahren hinsichtlich Herztod, nicht- tödlicher Myokardinfarkte und instabiler Angina pecto- ris. In beiden Studien lag die
Mortalität mit 1,2 Prozent jährlich relativ niedrig.
Hjemdahl sprach der Stockholmer Studie im Ver- gleich zwar eine höhere stati- stische Aussagekraft zu, zog aber ein ganz klares Fazit:
Betablocker senken die Komplikationsrate bei stabi- ler Angina pectoris – und die eingesetzten Kalzium-Ant- agonisten scheinen zumin- dest genauso effektiv zu sein.
Anzumerken ist aller- dings, daß die Kalzium-Ant- agonisten in recht hoher Do- sierung, aber in Form von Retardpräparaten eingesetzt wurden, was möglicherweise von erheblicher Bedeutung ist. Auf diesen Aspekt in einem entsprechenden Edito- rial des European Heart Journal (17, 1996, 1–2) ging auch Prof. Ulrich Borchard (Düsseldorf) ein: Kalzium- Antagonisten können nicht in einen Topf geworfen wer- den.
Für kurzlebige Dihydro- pyridine sieht der Pharmako- loge aufgrund der Re- flexaktivierung heute keine Indikation mehr – ausgenom- men vielleicht bei hypertensi- ven Krisen. Bei stabilen ischämischen Herzerkran- kungen komme es wesentlich auf eine langsame Anflutung und eine längerdauernde Wirkung an, die auch die ischämiegefährdeten Inter- valle überbrücke.
Bei instabilen Verhält- nissen wiederum, so betonte Prof. Reinhard Griebenow (Köln), müsse primär die Morphologie der Stenose beeinflußt werden. Bei der Prophylaxe einer Restenose nach PTCA ist ausschließlich für die Substanzgruppe der Kalzium-Antagonisten vom Verapamiltyp ein positiver Effekt nachgewiesen wor- den. Dr. Renate Leinmüller
A-2414 (66) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 38, 20. September 1996
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