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Archiv "Gesundheitswesen: Der Mittelweg" (25.05.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 21

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25. Mai 2012 A 1091

Das Leser-Forum

Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

GES UNDHEITS WESEN

Eine Kritik der öko- nomischen Überfor- mung der Medizin (DÄ 16/2012: „Ärzt - liche Hilfe als Ge- schäftsmodell?“ von Giovanni Maio).

Der Mittelweg

Nach Tausenden von Artikeln über

„Effizienz“, „Markt“ und „evidenz- basierter Medizin“ habe ich Ihren Artikel mit großer Begeisterung ge- lesen! Es beruhigt mich, dass die ei- gentliche ärztliche Aufgabe, für den Patienten da zu sein, endlich auch mal wieder in den Mittelpunkt ge- rückt wird. Wie die meisten anderen Ärzte, die im Laufe ihrer Karriere Leitungsaufgaben übernehmen, ha- be auch ich lernen müssen, dass im Klinikalltag die Patientenversor- gung zunehmend von monetären In- teressen bedroht ist. Ich fände es wichtig, wenn Sie den Gesundheits- politikern dieses Landes einen klei- nen Lehrgang über ärztliches Han- deln geben könnten, damit klar wird, dass wir keine Investmentme- diziner, Verkäufer oder Manager sind, sondern Ärzte! Es ist unver- meidbar, dass ein Arzt in einer Lei- tungsfunktion auch anteilig solche Eigenschaften haben muss, damit sein Krankenhaus (oder seine Pra- xis) auch in Zukunft noch bestehen bleibt und für den Patienten da ist.

Aber eben nur anteilig! Ich bin heil- froh, dass ich in einem kirchlichen Haus noch genau diese Zuwendung, Empathie und Zeit vergeben kann.

Kritisch sehe ich dies für Kranken- hauskonzerne und Aktiengesell- schaften, die nur noch ein Interesse daran haben, einen maximalen Pro- fit zu erwirtschaften, damit die Ak-

tionäre reich werden. Das kann nicht im Interesse des Versorgungs- auftrages sein, den wir eigentlich haben.

Es ist wie so oft ein Mittelweg zu gehen: Wir alle haben die Pflicht, maßvoll mit unseren Ressourcen umzugehen und Einsparpotenziale zu nutzen. Aber nicht auf dem Rü- cken unserer Patienten! Wir sind keine Fabrik!

Dr. med. Stephan C. Ley, Abteilung für Anästhesio- logie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, St.-Vinzenz-Hospital Dinslaken, 46535 Dinslaken

Klare Analyse

Die Kritik von Professor Maio ist nicht nur zutreffend, sie ist auch dringend geboten.

Als jemand, der den Paradigmen- wechsel unter dem zunehmenden Einfluss der Gesundheitsökonomie in der ärztlichen Selbstverwaltung miterlebt und erlitten hat, kann ich mich nur freuen, dass in einer so klaren Analyse die Kollateralschä- den der Wettbewerbsideologie im Gesundheitswesen beschrieben werden. Immer wieder habe ich er- lebt, dass Gesundheitsökonomen, Kassenvertreter und Politiker für urärztliche Anliegen taub waren.

Die sogenannte Professionalisie- rung in der gemeinsamen Selbstver- waltung hat den Prozess der Öko- nomisierung noch beschleunigt. Es ist ja bemerkenswert, dass die Pro- fessionalisierung der Selbstverwal- tung mit einer Deprofessionalisie- rung des Arztseins einhergeht.

Man fragt sich, wie immer mehr al- te und multimorbide Menschen in einem solchen System zurechtkom- men sollen.

Ich wünsche mir, dass der Beitrag von Professor Maio eine Diskussion in Gang setzt, die auch Gesund-

heitsökonomen, Gesundheitspoli - tiker und wettbewerbszentrierte Kassenfunktionäre erreicht.

Dr. Eckhard Weisner, 24211 Preetz

Auf den Punkt gebracht

Das passiert mir selten: dass ich während der Sprechstunde in einer kurzen Verschnaufpause das DÄ zur Hand nehme und dann nicht mehr aufhören kann, bis ich den Ar- tikel zu Ende gelesen habe.

Ganz herzlichen Dank und Aner- kennung für Ihren herausragenden Artikel „Ärztliche Hilfe als Ge- schäftsmodell?“.

Ich benutze den Terminus nicht gern, aber „Professor Maio spricht mir aus der Seele“. Vieles was mir als in diesem System arbeitender und an diesem System leidender Arzt mehr oder weniger klar war, bringt er auf den Punkt und fasst es zusammen: prägnant und scho- nungslos. Dem ist nichts hinzuzu - fügen, genau so ist es.

Ich wünschte, dieser Artikel fände eine weitere Verbreitung, in den Medien, in Politikerkreisen, bei Pa- tientenorganisationen.

Erheben Sie weiter Ihre Stimme.

Dr. phil. nat. Jürgen Brust, Mannheimer Onkologie Praxis, 68161 Mannheim

Der Ökonom heilt nicht

. . . Unsere ärztlichen Selbstverwal- tungskörperschaften sind aufgerufen, der „ökonomischen Überformung der Medizin“ entschieden zu begeg- nen. Es erhebt sich natürlich die Fra- ge, inwieweit hierbei der Status ärzt- licher Selbstverwaltungsorgane als Körperschaften des öffentlichen Rechts diesen Bemühungen realpoli- tische Grenzen setzt und wir mit re- lativer Hilflosigkeit dieser Entwick-

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legentlich als „strukturpolitische Maßnahme“ zu entschuldigen su- chen. Der Ersatz der ärztlichen Per- sönlichkeit durch einen Leistungs - erbringer nicht nur in den Grenz - bereichen unseres Berufs hat mit Struk turpolitik versus Bürokratie nichts zu tun, es ist ein „Geschäfts- modell, das stillschweigend ein - geführt wurde“. An diesem Still - schwei gen sollten wir uns nicht still- schweigend beteiligen, sondern aktiv gegensteuern. Nicht der Gesund- heitsökonom und/oder Gesundheits- manager heilt, sondern der Arzt. Die - ses alleinige Recht sollten wir weder teilen noch uns streitig machen las- sen. Die Grenzen der Zumutbarkeit sind längst überschritten . . .

Dr. med. Klaus Penndorf, 39108 Magdeburg

Gegen den Primat des Technischen

Professor Maio beschreibt treffend das sich um die ärztliche Arbeit straffende Korsett struktureller Vor- gaben und ökonomischer Zwänge.

Er spricht mir mit jedem Wort aus

der Seele. Die veränderten Prioritä- ten mit zunehmender Taktbeschleu- nigung und schrittweisem Ausgren- zen alles Subjektiven nehmen uns einen wichtigen Teil des Lohnenden an unserer Tätigkeit; die Jüngeren wachsen in eine rotierende Stan- dard- und Dokumentationsmaschi- ne. Wir erleben am eigenen Leib ei- nen Paradigmenwechsel, der das objektiv Messbare ins Zentrum stellt und alles Nichterfasste miss- achtet.

Es bleibt zu fragen, wie wir dem entgegenwirken können. Die Kom- merzialisierung der Kliniken wird als gesellschaftlicher Fortschritt ge- sehen. Und tatsächlich wäre es we- nig einleuchtend, wenn nur den Ärzten ein Vertrauensvorschuss zu gewähren wäre. Wir alle wünschen uns für sicherheitsrelevante Berei- che, wie Flugsicherheit oder Kern- krafttechnik, eine kontrollierte hohe Ablaufqualität. Weshalb sollte die Gesellschaft dies nicht von der Me- dizin fordern?

Der wesentliche Punkt scheint mir, dass nicht die Kontrolle an sich in die falsche Richtung führt, sondern

die Auswahl der Kontrollparameter.

Der vor unseren Augen ablaufende Film zeigt in der Ökonomisierung ein Primat des rein technisch Mach- baren. Die Entgeltung ärztlicher Tä- tigkeit fußt auf einer fein geglieder- ten Erfassung technischer Manipu- lationen, während jahrtausendealte Inhalte des ärztlichen „Heilens“ – kommunikative Qualität, menschli- che Beziehung, Fürsorge – nicht er- fasst werden und damit als wert-los eingestuft werden. Das Arztsein wird hierdurch gespalten in eine wertvolle technisch-manipulative und in eine wert-lose subjektiv-für- sorgliche Komponente. Dies nicht zu korrigieren, wäre ein historisches Versäumnis.

Es bedarf neuer Konzepte, um dem Primat des Technischen entgegen- zutreten. Der Begriff des Ökonomi- schen muss erweitert werden um die Erfassung und den Anspruch auf Vergütung von klassisch ärztli- chen Tätigkeiten.

Literatur beim Verfasser

Dr. med. Jann Arends, Klinik für Tumorbiologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 79106 Freiburg

R A NDNOTIZ

Ötzi litt vor etwa 5 300 Jahren an Laktoseintoleranz und einer genetisch bedingten Herz- Kreislauf-Erkran- kung (DÄ 10/2012:

„Anamnese des Patienten Ötzi“ von Vera Zylka-Menhorn).

Unwahrscheinlich

. . . Die bei Ötzi festgestellte DNA- Konstellation im Bereich des Lak - tasegens ist keine Anomalie und Ursache einer Krankheit.

Alle bisher untersuchten Landsäu- getiere reduzieren nach der spezies- spezifischen Säugeperiode in einem allmählichen Prozess die Produkti- on der im Bürstensaum der Epithel- zellen des Jejunums lokalisierten Laktase. Der Homo sapiens ist kei- ne absolute Ausnahme von der Re- gel der Laktasereduktion. Mehr als zwei Drittel aller heute lebenden

Menschen sind wie Ötzi homozygot für die verantwortliche Erbanlage und haben als Erwachsene niedrige Laktaseaktivität. Für diesen Zustand hat sich die Bezeichnung Laktase- nonpersistenz durchgesetzt.

In Ostasien, Ozeanien, Schwarzafri- ka und Amerika haben nahezu alle Angehörigen der indigenen Popula- tionen Laktasenonpersistenz. Einige Mutanten im Steuerungsbereich des Laktasegens verhindern die physio- logische Regulierung der Laktase- produktion, die Laktase aktivität bleibt beim Erwachsenen hoch (Laktasepersistenz). Nur in zwei Bevölkerungen sind Laktasepersis- tenzgene häufiger als das Nonper- sistenzgen: Nord- und Mitteleuro- päer (und ihre Abkömmlinge in Übersee) und Nomaden in der afro- arabischen Wüstenzone (von den Tuareg bis zu den Beduinen). Fazit:

Die Laktasenonpersistenz des Er- wachsenen ist auch beim Menschen der Normalzustand; Laktasepersis- tenz hingegen ist eine (gutartige)

Anomalie, deren Überwiegen in den beiden genannten Bevölkerun- gen der Erklärung bedarf. Die oft anzutreffende Auffassung, Laktase- persistenz sei der menschliche Nor- malzustand, ist ein Beispiel für die Unart der Europäer, die bei ihnen vorherrschenden Verhältnisse als maßgeblich für die gesamte Menschheit zu betrachten.

Entgegen einer landläufigen Mei- nung schwindet die intestinale Lak- tase bei Nonpersistenz nicht völlig.

Mit geeigneten Methoden lässt sich beim gesunden „nonpersistenten“

Erwachsenen eine Restaktivität von fünf bis zehn Prozent der Aktivität beim Säugling nachweisen. Men- schen mit Nonpersistenz können deshalb moderate Mengen von Lak- tose verdauen. Erfahrungsgemäß wird der tägliche Genuss von 0,2 bis 0,3 Liter Milch, verteilt auf zwei oder drei Einzeldosen ohne Be- schwerden vertragen . . .

Es ist unwahrscheinlich, dass Ötzi an Laktoseintoleranz litt. Die in der

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