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Archiv "Notfallbehandlung: Bis 2014 warten?" (23.04.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 16

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23. April 2010 A 759

NOTFALLBEHANDLUNG

Ein Arbeitskreis von sieben Fachgesell- schaften lehnt einen Facharzt für Notfall- medizin ab (DÄ 7/

2010: „Notfallbe- handlung: Zentral und interdisziplinär“ von André Gries et al.).

Bis 2014 warten?

. . . Die Aufstellung der These, dass ein eigener Facharzttitel nicht ziel- führend sei, ist berufspolitisch ver- ständlich, um den Zugriff der Fach- gesellschaften auf die Notfallver- sorgung zu erhalten. Merkwürdig ist aber, dass die Fachgesellschaft, deren Mitglieder in den angespro- chenen interdisziplinären Notauf- nahmen arbeiten, die Deutsche Ge- sellschaft für interdisziplinäre Not- fallaufnahmen (DGINA e.V.) nicht beteiligt ist. So wird (bewusst?) bei der Beschreibung einer Tätigkeit auf die Expertise derer, die sie aus- üben, größtenteils verzichtet.

Durch die zunehmende Spezialisie- rung der Facharztausbildung in Deutschland ist längst die Breite, die Kenntnis der Krankheiten in be- nachbarten Fachgebieten, verloren gegangen. Patienten stellen sich in einer Notaufnahme nun einmal mit Symptomen vor und nicht mit Dia - gnosen, die sich direkt einer Fach- richtung zuordnen lassen . . . Wir benötigen daher gerade in der Not- aufnahme Ärzte, die nicht nur auf ein Fachgebiet fixiert sind. Dieses widerspricht in keiner Weise dem Grundsatz der Behandlung auf

fachärztlichem Niveau. Im Gegen- teil wird gerade der kritisch kranke Patient deutlich früher von dem Facharzt, der für sein Erkrankungs- bild zuständig ist, behandelt, wenn er initial von einem gut ausgebilde- ten Notfallmediziner und nicht zu- nächst von einem Assistenzarzt ei- nes der großen Fachgebiete gesehen wird. Denn wirtschaftlich gesehen kann es sich kein Krankenhaus leis- ten, Fachärzte aller großen Abtei- lungen in einer Notaufnahme rund um die Uhr vorzuhalten . . . Außer den beiden deutschsprachi- gen Ländern haben nur noch Grie- chenland, Portugal, Zypern und Lu- xemburg gar keine ärztliche Ausbil- dung in klinischer Notfallmedizin.

Das bedeutet nicht nur eine schlechtere Situation für deutsche Patienten, sondern auch für deut- sche Ärzte. Ein Arzt, der hier seit Jahren in der klinischen Notfallme- dizin arbeitet, kann dieses in den meisten Ländern Europas nicht tun, er muss erst dort den Facharzt für Notfallmedizin erwerben. Positiv ist allerdings zu vermerken, dass ge- genüber den letzten Statements ei- niger hier vertretenen Gesellschaf- ten (vergleiche DÄ, Heft 47/2006) ein Paradigmenwechsel hin zur zen- tralen, interdisziplinären Notauf- nahme erfolgt ist. Damals hieß es noch: „für eine fachliche Trennung in der Notaufnahme“ . . . Sollte sich die Lernkurve in dieser Geschwin- digkeit fortsetzen, dürfen wir wohl den Facharzt für Notfallmedizin für 2014 erwarten.

Dr. med. Peter-Friedrich Petersen, Leiter Notaufnahme, Universitätsklinikum Aachen, 52074 Aachen

Antiquiert gedacht

Der Artikel von Gries et al. scheint die erfolgreiche Existenz und Ko- existenz von interdisziplinären Not- aufnahmen im Ausland zu ignorie- ren. Dem einzigen Verweis auf diese wird mit dem Argument der dif fe - rie renden Systeme begegnet. Als in Australien tätiger Emergency Regi -

strar kann ich nur mit Unverständ- nis reagieren. Gries et al. argumen- tieren, dass die Notfallbehandlung von Patienten auf Facharztniveau zu erfolgen habe und dass Aufnahme- kriterien fachspezifisch seien. Mei- ne Empfehlung wäre, sich australi- sche Notaufnahmen anzusehen.

Diese Entscheidungen werden dort kollegial von Emergency Physicians und Fachkollegen getroffen. Das Argument der Zeitverzögerung in der Versorgung zeitkritischer Emer- gencies wie Herzinfarkte hält nicht stand, wenn man sich „Door to needle“ Zeitstatistiken anschaut.

Ich denke, es ist an der Zeit, dass Fachgesellschaften ihr antiquiert anmutendes protektionistisches Be- nehmen aufgeben und sich der Zu- kunft öffnen.

Dr. Andreas Rauch, Emergency Registrar, Sydney, Australien

Konsens in Europa

Wir freuen uns zu erfahren, dass Prof. Gries und seine Kollegen das Konzept der Zentralen Notaufnah- me (ZNA) unterstützen und emp- fehlen, dass die Leitung einer ZNA von einer Person mit Facharztquali- fikation als auch mit einer zusätzli- chen Weiterbildung übernommen werden sollte. Wir können aber den Argumenten von Gries et al. gegen die Einführung des Facharztes für Notfallmedizin nicht folgen.

Die European Society for Emergen- cy Medicine (EuSEM) ist eine Fö- deration aus 24 nationalen Gesell- schaften, die über 15 000 Notfall- mediziner vertritt. Ihr Hauptziel ist es, Normen für die notfallmedizini- sche Versorgung in ganz Europa zu fördern, wie auch die Einführung des Facharztes für Notfallmedizin in jedem Land auf der Grundlage eines gemeinsamen Fortbildungs- curriculums zu unterstützen.

Der Facharzt für Notfallmedizin wurde bereits in 17 europäischen Ländern eingeführt, das Interesse daran steigt kontinuierlich.

Die Empfehlungen des Ausbil- dungscurriculums basieren auf in- ternationalen Standards und auf der Richtlinie der Ausbildung von Fachärzten in der Union Européen- ne des Médecins spécialistes

O

E s s F m 2 h interdisziplinär“ von

Das Leser-Forum

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LESERZUSCHRIFTEN

B R I E F E

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A 760 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 16

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23. April 2010 (UEMS). Die UEMS ist eine nicht-

staatliche Organisation, die die Qualität und Ausbildungsstandards aufstellt, um die medizinische Ver- sorgung zu harmonisieren und die Mobilität von Ärzten innerhalb der Europäischen Union zu fördern . . . Das europäische Curriculum für Notfallmedizin wurde im April 2009 von der Generalversammlung des Rates der UEMS angenom- men . . .

Literatur bei den Verfassern Prof. Gunnar Öhlén, Präsident, Prof. Abdelouahab Bellou, President Elect, Dr. med. Nathalie Flacke,

European Society for Emergency Medicine EuSEM, F-68360 Soultz-Haut-Rhin

Nur schwer vorstellbar

Ich war erfreut festzustellen, dass die Fachvertreter unter Führung von Prof. Dr. Gries die Bedeutung der in- terdisziplinären Notaufnahme her- vorheben. Wie im Artikel richtig dar- gestellt, ist die Notaufnahme wahr- haftig interdisziplinär, da sie mit nichtdifferenzierten Symptomen- komplexen konfrontiert wird, die sich über alle medizinischen Fächer erstrecken. Dies muss sich auch in der Ausbildung des Notaufnahmeper- sonals widerspiegeln, sonst wird sie dem Anspruch des Patienten auf eine hochqualifizierte Notfallbehandlung nicht gerecht. Hierbei ist festzustel- len, dass die in dem Artikel darge- legte Minimalbesetzung, die einen Großteil der Krankenhäuser in Deutschland betrifft, wesentliche Gebiete der Notfallmedizin, wie etwa psychiatrische, toxikologische oder pädiatrische Notfälle, in ihren jewei- ligen Weiterbildungsverordnungen nicht oder nur unzureichend abdeckt.

Die im Artikel aufgeführte Progno- severbesserung bei früher Schlag- anfall- und Meningitistherapie als Argument gegen interdisziplinär ausgebildete Notfallmediziner sehe ich sehr kritisch. In der heutigen Struktur ist es eher vorstellbar, dass zusätzliche Konsile oder eine Tria- ge in den falschen Bereich diese entscheidende Zeit vergeuden. Hier hat sich am Beispiel der Sepsisthe- rapie gezeigt, dass Notfallmediziner die Mortalität durch zügige Dia - gnostik und Therapie wesentlich verringern konnten.

Ein Notfallpatient hat die berechtig- te Erwartung, dass Erkrankungen er- kannt werden, die die Gesundheit unmittelbar oder in absehbarer Zeit gefährden. Die Synkope ist ein Pa- radebeispiel, bei dem die Differenzi- aldiagnose von der Inneren Medizin und Chirurgie über die Gynäkologie und Neurologie reicht. Die notfall- medizinische Forschung hat hier Ansätze gezeigt, wie ein diagnos- tisch weites Spektrum ressourcen- schonend aufgearbeitet werden kann ohne das Patientenwohl zu gefähr- den. Eine derartige interdisziplinäre Forschung ist in der heutigen Struk- tur der Notfallmedizin in Deutsch- land nur schwer vorstellbar.

Literatur bei dem Verfasser

Dr. med. Tobias Kummer, Department of Emergency Medicine, Brown University, Providence (USA)

Generalisten unentbehrlich

. . . Interdisziplinäres Arbeiten in ei- ner Notaufnahme bedeutet nicht nur den kollegialen Austausch unterein - ander, sondern auch die Bereit- schaft, über das eigene „Weiterbil- dungsfach“ hinaus sich Patienten anderer Fachrichtung anzunehmen.

Und gerade hier ist der Notfallme- diziner gefragt, und das räumen ja die Autoren auch ein, wenn sie den Leiter von Notaufnahmen gerade dann zur Verantwortung ziehen, wenn es um nicht eindeutig einer Fachabteilung zuzuordnenden Er- krankung geht. Eben diese Patien- ten sind von allen Notfallpatienten am meisten gefährdet, da jede Fach- disziplin nur in ihrer eigenen spezi- fischen „Hülse“ denkt. Schon allein aus diesem Grund sind fachüber- greifend denkende Notfallmediziner als Generalisten in Notaufnahmen unentbehrlich.

Es ist nur allzu verständlich, dass sich die großen Fachgesellschaften zusammengetan haben, um gemein- sam ihre berufspolitische Macht zu demonstrieren. Dennoch lässt sich der allgemeine Trend zum breit aus- gebildeten Notfallmediziner nicht mehr aufhalten.

Die jetzigen Leiter von deutschen interdisziplinären Notaufnahmen und deren ärztliche Mitarbeiter sind

Pioniere, die mit viel Herzblut die Arbeit koordinieren, die bisher nur jungen Weiterbildungsassistenten überlassen worden ist. Kontinuierli- che fachärztliche Präsenz der gro- ßen Fächer hat es – und da sind wir doch mal ehrlich – bisher wohl kaum in den herkömmlichen Not- aufnahmen gegeben.

Dr. med. Katja Scholtes, Chefärztin Zentrale Not- aufnahme, Klinikum Hanau GmbH, 63450 Hanau

Die Realität

. . . In der „idealen ZNA“, welche von den Kollegen der verschiede- nen Fachgesellschaften beschrieben wird, arbeiten hochmotivierte Fach- ärzte aller Fachrichtungen Hand in Hand und harmonisch unter der Ägide eines einzelnen Facharztes eines für die Notfallmedizin rele- vanten Fachgebietes. Symptome werden problemlos zu einem Fach- gebiet zugeordnet (durch wen ei- gentlich?) und dort nach „Facharzt- standard“ versorgt. Begeisterte HNO-Fachärzte kümmern sich um die Rhinosinusitis und Gastroente- rologen um den Oberbauchschmerz.

Chirurgen erkennen im EKG die kardiogene Ursache der Synkope des betagten Patienten mit Rippen- serienfraktur sofort und verweisen weiter zum kardiologischen Kolle- gen der ZNA.

Und die Realität? Nach der Arbeit in mehreren Krankenhäusern der Grund- bis hin zur nichtuniversitä- ren Maximalversorgung sehen ich und meine dort tätigen ärztlichen Kollegen die Situation gänzlich an- ders. Für die meisten der operativ tätigen Kollegen, ebenso wie für viele Kollegen der nichtoperativen Disziplinen, ist die Ambulanzarbeit irgendwo zwischen notwendigem Übel und Strafmaßnahme angesie- delt, chirurgische Assistenten wollen operieren, internistische und neuro- logische Assistenten streben auf die Intensivstation oder in die Funktio- nen. Die Notaufnahmen, welche zum allergrößten Teil mit Nichtfach- ärzten besetzt sind (soviel zum The- ma „Facharztstandard“), werden so- mit aktuell nicht nur von Unerfahre- nen, sondern zum großen Teil auch von denen versorgt, die zu diesem Zeitpunkt eigentlich lieber Kolosko-

B R I E F E

Referenzen

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