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Archiv "Cholesterinsenkung mit Statinen: Nicht über einen Kamm scheren" (26.03.2004)

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anchmal kommt es anders, als man denkt – dieses Sprichwort erfuhr eine erneute Bestätigung auf der 53. Jahresversammlung des American College of Cardiology (ACC) in New Orleans, als die Ergebnisse der PROVE-IT-Studie vorgestellt wurden.

Eigentlich war die „Pravastatin or Atorvastatin Evaluation and Infection Therapy“ von Bristol-Myers Squibb in- itiiert worden, um die Gleichwertigkeit beider Wirkstoffe und Dosierungen hinsichtlich des klinischen Nutzens für Patienten nach akutem Koronarsyndrom nachzuweisen. Das Pikante des Kopf-an- Kopf-Rennens: Pravastatin wurde in der Maximaldosis von 40 mg gegen die Maximaldosis von 80 mg des Pfizer-Konkurrenzproduktes Atorvasta- tin geprüft.

Nachdem 4 162 Patienten im Mittel 24 Monate nachbeobachtet worden wa- ren, war die angestrebte Gleichwertig- keit in weite Ferne gerückt. Stattdessen lieferte PROVE-IT den Beweis für die Überlegenheit der aggressiveren Lipid- senkung mit Atorvastatin, mit dem das LDL-Cholesterin im Mittel auf 62 mg/dl, mit Pravastatin auf „leitlinienge- rechte“ 95 mg/dl gesenkt wurde. Uner- wartet war, dass die zusätzliche LDL- Absenkung für die Patienten von klini- schem Nutzen ist.

Denn in der Gruppe mit hoch dosier- tem Atorvastatin konnte im Vergleich zur Standardtherapie das Risiko für kli- nische Ereignisse wie Tod, Myokardin- farkt, instabile Angina pectoris und Re- vaskularisation signifikant um weitere 16 Prozent gesenkt werden. Die Rate dieser Komplikationen verringerte sich im zweijährigen Behandlungszeitraum von 26,3 auf 22,4 Prozent. Auffallend war, dass der signifikante Vorteil der in- tensiven Lipidsenkung mit Atorvastatin sich bereits in den ersten 30 Tagen nach

Studienbeginn zeigte. Prof. Robert Eckel von der American Heart Asso- ciation kommt daher zu dem Schluss, dass eine Senkung des LDL-Choleste- rins unter den empfohlenen Grenz- wert von 100 mg/dl durchaus gerecht- fertigt ist.

Und für Studienleiter Prof. Christo- pher P. Cannon aus Boston zeigen die Resultate klar, dass „eine Therapie mit einem hoch dosierten Statin sofort nach einem akuten Koronar-Ereignis das Mortalitätsrisiko und das Risiko für kardiovaskuläre Folgekomplikationen im Vergleich zu einer Therapie mit Sta- tin-Standarddosis reduziert“.

Auf die maximal verträgliche Dosis eingestellt

Auch die in New Orleans vorgestellte ALLIANCE-Studie (Aggressive Lipid- Lowering Initiation Abates New Car- diac Events) bestätigt den Nutzen tiefer LDL-Cholesterin-Werte. Während die Hälfte der Teilnehmer auf die maximal verträgliche Dosis von Atorvastatin ein- gestellt wurde, um den Leitlinien zu

entsprechen (range: 10 bis 80 mg, mittle- re Dosis: 40 mg), wurde der Kontroll- gruppe „standardmäßig“ Empfehlun- gen für Lebensstiländerungen und (falls erforderlich) Lipidsenker mit auf den Weg gegeben. Beide Behandlungsstra- tegien der 2 442 KHK-Patienten sind über vier Jahre verglichen worden.

Der LDL-Cholesterinwert, der zu Studienbeginn bei durchschnittlich 147 mg/dl lag, fiel unter konventioneller Therapie auf 111 mg/dl. Erfolgreicher waren die Ärzte im Atorvastatin-Arm:

Hier seien 95 mg/dl erreicht worden, be- richtete Studienleiter Prof. Donald Hunninghake aus Minneapolis. Durch die intensivere Lipidsenkung mit Ator- vastatin wurde die Rate der tödlichen und nichttödlichen kardialen Ereignis- se im Vergleich zur Standard-Therapie signifikant um 17 Prozent verringert (289 versus 333 Ereignisse); dabei wur- de die Inzidenz von nichttödlichen Myokardinfarkten um 47 Prozent redu- ziert. Nach Ansicht von Hunninghake vermittelt die Studie einen Einblick in die Möglichkeiten eines effizienten Therapiemanagements für Risikopati- enten, bei denen die Zielwerte mit den üblichen Mitteln nicht erreicht werden.

Inzwischen gehören die Statine zur erfolgreichsten Substanzgruppe in der Pharmageschichte: Weltweit nehmen mehr als 20 Millionen Menschen Stati- ne ein, sodass die Hersteller jährlich ei- nen Umsatz von 19 Milliarden Dollar erzielen. Obwohl alle Statine einen ge- meinsamen Wirkmechanismus und ein vorteilhaftes Sicherheitsprofil haben, bestehen jedoch Unterschiede in der LDL-Cholesterinsenkung, der Pharma- kokinetik und dem klinischen Nutzen.

Einige dieser Unterschiede können und sollten im Einzelfall die Therapiewahl beeinflussen, wie die International Task Force for the Prevention of Coronary M E D I Z I N R E P O R T

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A830 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1326. März 2004

Cholesterinsenkung mit Statinen

Nicht über einen Kamm scheren

Die International Task Force for Prevention of Coronary Heart

Disease veröffentlicht ein Positionspapier zur Wertigkeit der einzelnen Wirkstoffe. Neue Studien belegen den Nutzen aggressiver Lipidsenkung.

Senkung des LDL-Cholesterins vom Aus- gangswert in Minimaldosierung (a) und Maximaldosierung (b)

Atorvastatin a) 10 mg/Tag –38 % b) 80 mg/Tag – 54 % Pravastatin a) 10 mg/Tag –19 % b) 40 mg/Tag –34 % Simvastatin a) 10 mg/Tag –28 % b) 80 mg/Tag –46 % Fluvastatin a) 20 mg/Tag –17 % b) 80 mg/Tag –36 % Lovastatin a) 20 mg/Tag –29 % b) 80 mg/Tag –48 % Textkasten

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Heart Disease in einem Positionspapier (www.chd-taskforce.com) mitteilt, das anlässlich des ACC in New Orleans vor- gestellt wurde. Darin wird zu vier – für den Praxisalltag wichtigen – Fragen Stellung bezogen.

So sei bei der Verordnung von Sta- tinen zu beachten, dass die verfügba- ren Wirkstoffe (in Deutschland Lova- statin, Simvastatin, Pravastatin, Atorva- statin und Fluvastatin) je nach Do- sierung das LDL-Cholesterin in sehr unterschiedlichem Maße senken; nach einer Metaanalyse von 164 Studien be- stehen Differenzen um den Faktor zwei und drei (Textkasten). Dr. David Waters vom San Francisco General Hospital zieht daraus den Schluss, dass es für die Gabe von „schwächeren“ Sta- tinen keine Rechtfertigung mehr gibt, da sie keine optimale Risikoreduktion bereithalten.

Nach der derzeitigen Studienlage ha- ben alle Statine einen positiven Einfluss auf die „harten“ Endpunkte Myokard- infarkt und Mortalität. In welchem Maß diese Risikoreduktion erfolgt, so die

„Task Force“, hänge im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Je gefährdeter der KHK-Patient, umso mehr profitiert er von der Statintherapie. Und: Je tiefer das LDL-Cholesterol gesenkt wird (in

diesem Punkt weisen die Statine eine unterschiedliche Potenz auf), umso grö- ßer ist der klinische Nutzen.

Unterschiede bestehen zwischen den einzelnen Substanzen auch in der Ge- schwindigkeit, mit der der klinische Nutzen statistisch sichtbar wird. So sei die Risikoreduktion für die Patienten in Studien mit Pravastatin, Simvastatin, Fluvastatin und Lovastatin erst nach Ablauf eines Jahres erfolgt, während dieser Effekt mit Atorvastatin bereits mit Studienbeginn einsetzte.

Die Frage, ob die klinischen Effekte der Statintherapie allein der Choleste- rinsenkung zugesprochen werden kön- nen oder ob antientzündliche, antioxi- dative oder direkte vaskuläre Wirkun- gen beteiligt sind, wird ausgiebig er- forscht. Schon jetzt werden die Unter- schiede dieser „pleiotrophen“ Wirkun- gen der einzelnen Substanzen von den Herstellern gerne als Marketinginstru- ment genutzt. Allerdings ist noch un- klar, ob die vorwiegend in Zellkulturen und Tierexperimenten beobachteten biologischen Wirkungen auch für den Menschen relevant sind, zumal die Sta- tinkonzentrationen in nichthepatischen Geweben äußerst gering sind.

Besonderes Interesse hatte die in zahlreichen Studien bewiesene Sen-

kung des C-reaktiven Proteins (CRP) als Entzündungsmarker gefunden. Mög- licherweise handle es sich hierbei aller- dings nicht um einen direkten Effekt der Statine auf die atherosklerosebe- dingte Entzündungsreaktion, erklärte Dr. Winfried Maerz von der Universität Graz. Die CRP-Senkung sei vielmehr auf eine Veränderung der Sterol-Syn- these in der Leber zurückzuführen.

Diese Hypothese werde gestärkt durch die Tatsache, dass andere Entzündungs- marker, wie Leukozyten, Fibrinogen und Interleukin-6, von der Statingabe unbeeinflusst bleiben.

Die einzelnen Statine sind nicht einfach austauschbar

Angesichts der millionenfachen Verord- nung handelt es sich bei den Statinen ge- nerell um eine „bemerkenswert sichere“

Arzneimittelklasse. Unterschiede der Pharmakokinetik führen jedoch dazu, dass Begleitmedikationen unterschied- lich toleriert werden. „Interaktionen sind weitaus häufiger und von größerer klinischer Relevanz als angenommen“, betonte Dr. Alberto Corsini, Klinischer Pharmakologe an der Universität Mai- land. Nach einer Dokumentation der Food and Drug Administration von 3 339 Rhabdomyolyse-Fällen waren 58 Prozent assoziiert mit der gleichzeitigen Einnahme von Gemfibrozil, Cyclospo- rin, Makrolid-Antibiotika, Warfarin, Di- goxin oder Azol-Antimykotika. Sollte das Lipidprofil des Patienten eine Kom- bination mit einem Fibrat bedingen, so sei Fenofibrat das Mittel der Wahl, sagte Corsini in New Orleans.

„Die seit mehr als einem Jahrzehnt ge- sammelten klinischen Daten zu den ver- schiedenen Statinen machen deutlich, dass die einzelnen Wirkstoffe bezüglich ihrer Nutzen-Risiko-Relation sehr un- terschiedlich – und somit nicht ohne wei- teres austauschbar – sind“, resümiert Prof. Gerd Assmann (Universität Mün- ster) als Organisator des Expertentref- fens in New Orleans das Positionspapier der Task Force. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

Was die aktuellen Studiendaten für den Praxisalltag be- deuten, wird in einer der nächsten Ausgaben im Rahmen einer Pro- und Kontra-Diskussion „Lipidsenkung mit Sta- tinen: Titrieren oder feste Dosis?“ thematisiert.

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A832 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1326. März 2004

(First) Lady in Red

Nach wie vor unterschätzen Frauen die gesund- heitliche Gefährdung des weiblichen Geschlechts durch den Herzinfarkt. US-Umfragen zufolge se- hen 80 bis 90 Prozent der Frauen Krebserkran- kungen wie das Mammakarzinom als Hauptbe- drohung für ihre Gesundheit an – obwohl kardio- vaskuläre Erkrankungen mit Abstand die häufig- ste Todesursache sind. Mit roten Designerkleidern von Top-Modeschöpfern, die auch auf dem ACC in New Orleans ausgestellt wurden, soll dem Thema

„Frauen und ischämische Herzerkrankung“mehr Bedeutung verliehen werden. Unterstützung fand die „Red Dress“-Kampagne durch First Lady Laura Bush,die den Kongress im symbolträchtigen roten Kostüm besuchte. „Ich habe bis vor wenigen Wo- chen nicht gewusst, dass in den USA im letzten Jahr 67 000 mehr Frauen als Männer am Herzin- farkt gestorben sind“, begründete Frau Bush ihr Engagement.

Dass die geschlechtsspezifischen Muster der

„weiblichen KHK“ nicht ausreichend berücksich-

tigt werden, war eine Botschaft des Kongresses. So weisen beispielsweise zwei Drittel der Frauen mit Angina pectoris im Angiogramm keine oder nur minimale

Koronarstenosen auf. Dennoch liegt die 2-Jahres-Sterblichkeit in dieser Gruppe bei zehn Prozent, wie die Ergebnisse der WISE-Studie (Women’s Ischemia Syndrome Evaluation) belegen. zyl

Foto:Jochen AumillerFoto:AP

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