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Archiv "Übersetzungen in der Medizin: Vom Sprach- zum Kunstfehler" (18.01.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 3

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18. Januar 2013 [98]

B E R U F

ÜBERSETZUNGEN IN DER MEDIZIN

Vom Sprach- zum Kunstfehler

Behandlungsfehler sind teilweise auch auf mangelhafte Übersetzungen zurückzuführen.

A

us einem Bericht der Kran- kenkassen geht hervor, dass im Jahr 2011 etwa 4 000 Kunstfeh- ler in deutschen Kliniken und Arzt- praxen begangen wurden – doch nicht immer trifft den Arzt die Schuld. Ein Teil dieser Fehler ist auf falsch übersetzte Krankenakten und -berichte zurückzuführen. Einer amerikanischen Studie zufolge ba- sieren 1 500 von 30 000 untersuch- ten Medikationsfehlern auf missver- ständlichen Abkürzungen. Aus die- sem Grund greifen Übersetzungs- agenturen verstärkt auf ausgebilde- te Mediziner zurück, die sich mit den zahlreichen Kürzeln im medizi- nischen Bereich genau auskennen und auch mit synonymen Bezeich- nungen vertraut sind.

„Jede Fehlübersetzung im me - dizinischen Bereich kann im End - effekt zu Missverständnissen oder sogar zu schwerwie- genden Fehlern führen“, be- tont die Linguistin Dr. Anna- Katharina Hüging von der Übersetzungsagentur Alpha- trad. Die Translationswissen- schaftlerin arbeitet unter anderem als Lehrbeauftragte am Seminar für Übersetzen und Dolmetschen der Ruprecht-Karls-Universität Heidel- berg und hat sich auf allgemein- sprachliche und medizinische Über- setzungen spezialisiert. In ihrer Dissertation geht Hüging auf den Übersetzungsprozess speziell im medizinischen Bereich ein und zeigt Möglichkeiten auf, um die Übersetzung solcher Fachtexte zu vereinfachen.

Wie aufwendig sich eine medizi- nische Übersetzung gestaltet, geht aus einer Studie von Hüging her- vor: Im Durchschnitt nutzte jeder der 14 Probanden sechs Recherche- quellen und rief bei der Online-Re- cherche 14,8 Seiten auf. Auch wird in der Studie deutlich, welcher Art Fehlübersetzungen sein können. So wurde beispielsweise in einem Fall

für „medullary thyroid cancer“ die Übersetzung „Rückenmarkskrebs“

angeboten statt korrekterweise „me- dulärer Schilddrüsenkrebs“. Solche extremen Fälle sind zwar selten, zei- gen aber wie fatal eine Abweichung vom Originalinhalt sein kann. Hü- ging nennt ein weiteres Beispiel, das bereits häufiger aufgetreten ist:

So wird der englische Terminus

„mild dementia“ häufig als „milde Demenz“ übersetzt. „Die korrekte Übersetzung wäre allerdings ,leich- te Demenz’. Diese Trennschärfe ist bei der Diagnose und der nachfol- genden Therapie sehr wichtig“, er- klärt Hüging.

Hügings Studie belegt die Bedeu- tung von Fachübersetzern: Am bes- ten schnitten die Diplomstudieren- den eines Übersetzerstudiums mit dem Ergänzungsfach Medizin ab.

Dabei genügt es nicht, Mediziner mit einer gewissen Fremdsprachen- affinität zu engagieren. „Die Vertei- lung der Übersetzungsfehler zeigt, dass die Disziplin des Übersetzens wissenschaftlich vermittelt und er- lernt werden muss und dass ein ent- sprechend ausgebildeter Übersetzer einem sprachversierten Mediziner vorzuziehen ist“, so Hüging.

Die internationale Sprache für Medizin bleibt Englisch. „Typische Fehlerquellen sind hier vor allem Synonyme, Abkürzungen und Neo- logismen“, erklärt Frédéric Ibanez, Inhaber der Übersetzungsagentur Alphatrad. Dies bestätigt auch Hü- ging: „Die medizinische Fachspra- che ist durch eine zunehmende Bezeichnungsvielfalt gekennzeich- net.“ Zu den zahlreichen Synony- men kommen außerdem noch ältere und neuere Termini hinzu. „Nicht

jedes Synonym ist gleich gebräuch- lich, zudem existieren sinnverwand- te Abkürzungen“, so Hüging weiter.

Diese nehmen der Sprachwissen- schaftlerin zufolge gerade im medi- zinischen Sprachgebrauch weiter zu. Problematisch wird es, wenn für einen Terminus mehrere abgekürzte Formen existieren. Oft werden Ab- kürzungen auch fehlerhaft in den ursprünglichen Terminus zurück- übersetzt. Ähnliches gilt für Neolo- gismen, die ebenfalls immer häufi- ger werden und in Wörterbüchern und Lexika unzureichend doku- mentiert sind.

Auch bei Texten aus dem Be- reich der Medizintechnik kann es zu folgenschweren Fehlern kommen.

Hier können falsche oder missver- ständliche Formulierungen in der Bedienungsanleitung zu Beschädi-

gungen an den Geräten oder gar zu einer falschen Anwen- dung führen. Die schweize - rische Heinz Stampfli AG verkauft Geräte für den Be- reich der Notfall- und Medi- zintechnik. Seine Produktbe- schreibungen lässt das Unterneh- men von einer spezialisierten Agen- tur ins Französische, Italienische und Englische übersetzen. „Ein Fehler in der Beschreibung eines Defibrillators kann eine falsche An- wendung nach sich ziehen“, erklärt Claudia Widmer von der Heinz Stampfli AG. Auch bei der Wundver- sorgung, beispielsweise von Brand- opfern, müsse der Ersthelfer genau wissen, welchen Verband er verwen- den darf. Für solche Fälle bedarf es allerdings keines Mediziners. Hier- für gibt es in der Regel Ingenieu- re mit Übersetzerausbildung oder Übersetzer, die sich auf den Bereich Medizintechnik spezialisiert haben.

Nur so kann sichergestellt werden, dass die Übersetzung frei von Feh- lern und missverständlichen Formu-

lierungen ist.

Melanie Mörtlbauer

Der englische Terminus „mild dementia“ wird

häufig als „milde Demenz“ übersetzt, die

korrekte Übersetzung wäre „leichte Demenz“.

Referenzen

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