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Archiv "Kunstfehler und Phantom-Risiken" (15.10.1999)

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Patienten oder Probanden. Häufigste Themen bei der Projektvorlage seien auch hier die Forschung an Nicht- einwilligungsfähigen und beschränkt Einwilligungsfähigen sowie die Un- terscheidung zwischen Heilversuch und Wissensversuch, so Richter.

Kerstin Magerkorth, Kranken- schwester aus Göttingen, begrüßte es, daß die Ethikkommissionen sich vor kurzem auch den Pflegeberufen ge- öffnet hätten, so daß Anträge von for- schenden Pflegekräften bearbeitet werden können. Durch diese neue Zuständigkeit seien die Ethikkom- missionen jetzt gefordert, „gemein- sam in Beratungsgesprächen mit den Antragstellern Lösungen für die Auf- klärung von Patienten zu finden, da die Aufklärung des Patienten eine rein ärztliche Tätigkeit ist“.

Forschungsbetrug

Die Ethikkommissionen hätten außerdem aber auch den Forscher zu schützen. Dieser solle davor bewahrt werden, im Drang nach neuen Er- kenntnissen die Grenzen des ethisch Zulässigen zu überschreiten. Daß For- schungsbetrug meistens nicht das Re- sultat krimineller Energie ist, sondern die logische Konsequenz des moder- nen Wissenschaftsbetriebs und seiner Auswüchse, darauf wies Marco Finetti, Leitender Redakteur der Deutschen Universitätszeitung, hin. Der immer irrwitzigere Wettlauf um Fördermittel, der immer härtere Publikationsdruck, die immer größeren Abhängigkeiten des Nachwuchses verleiteten auch deutsche Forscher zu Betrug und Fälschung. Schutzvorkehrungen und Ehrenkodizes, wie sie die deutschen Wissenschaftsorganisationen in letzter Zeit erlassen hätten, könnten helfen, vermeintlich selbstverständliche Re- geln für gutes wissenschaftliches Ar- beiten ins Bewußtsein zu verankern.

Die vielfältigen Gefahren im Hinblick auf medizinische Forschung am Menschen können durch Geset- ze, Richtlinien und Deklarationen eingedämmt und verringert werden.

Das machte die Tagung in Leipzig deutlich. Doch die berufsethische Verantwortung müsse auch ganz konkret eingeübt werden, betonte Richter. Gisela Klinkhammer

A-2575

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 41, 15. Oktober 1999 (31) TAGUNGSBERICHT/KOMMENTAR

b es als Kunstfehler zu werten sei, fragte ein Allgemeinarzt, wenn er dem Anliegen einer Mutter nachkäme, bei einem Sechsjährigen mit nachgewiesener Streptokokkenpharyngitis auf eine antibiotische Therapie wegen des Ri- sikos allergischer Reaktionen (und möglicher Resistenzentwicklungen) zu verzichten. Die Frage ist durchaus relevant, weil das Risiko einer Post- streptokokken-Glomerulonephritis oder eines akuten rheumatischen Fie- bers, dessen Häufigkeit mit ein bis drei Prozent angegeben wird, gegen- über den Risi-

ken einer Resi- stenzentwick- lung oder aller- gischen Reak- tion auf die antibiotische Therapie abzu- wägen ist. Ei- ne Literaturre- cherche sollte mehr Auf- schluß geben.

Mit Un-

terstützung des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information, Köln, wurde eine Re- cherche in 64 Datenbanken durchge- führt. Es wurden aber keine validen Daten gefunden, die das beschriebene Poststreptokokken-Risiko belegten.

Bei der Datenbankrecherche wurde ein Übersichtsartikel im „Med- ical Journal of Australia“ entdeckt, der das Risiko eines akuten rheumati- schen Fiebers nach Streptokokkenin- fektion als so gering einstuft, daß es für Länder mit gutem Hygienestan- dard in aller Regel keine Bedeutung habe und deshalb von einer Antibioti- katherapie abzuraten sei. Das in vie- len Lehrbüchern beschriebene Post- streptokokken-Risiko ist in Deutsch- land sehr wahrscheinlich ein „Phan- tom-Risiko“ weil auch durch sorgfäl- tige Recherchen keine wissenschaftli- chen Daten gefunden wurden, die die Existenz dieses Risikos bestätigen.

Wissenschaftler in Oxford haben kürzlich Empfehlungen zu antibioti- schen Therapien veröffentlicht und aufgrund der alarmierenden Resi- stenzentwicklung vom unkritischen Antibiotika-Gebrauch auch bei Streptokokkenpharyngitis abgeraten.

Die Moral der Geschichte: Allzu viele Allergien und Resistenzen kön- nen durch das Ergebnis der Recherche nicht vermieden werden, weil wahr- scheinlich viel weniger eingenommen als in der Apotheke nachgefragt wird.

Eine auf Daten gestützte Medizin (Evidence-Based Medicine, kurz:

EBM) ist wesentlich besser als ihr Ruf, weil sie in der Lage ist, Probleme der täglichen Praxis zu lösen. Man sollte dem anfragenden Allgemeinarzt im Szenario doch keinen Kunstfehler vorwerfen, wenn er auf eine Maßnah- me verzichtet, für deren Begründung es offensicht- lich keine Da- ten gibt.

EBM wird häufig falsch verstanden oder fehlinterpre- tiert: Wer sich der Mühe un- terzieht, nach gesicherten Da- ten zu suchen, wird wesentlich häufiger fest- stellen, daß Ungesichertes (Phantom- Wissen) behauptet als Gesichertes übersehen wird. Wenn Behauptungen mit nicht unerheblichen medizini- schen und ökonomischen Konsequen- zen ohne die notwendige Sorgfalt bei der Erhebung, Verarbeitung und In- terpretation der Daten aufgestellt werden, könnte mit Recht ein fahrläs- siger Umgang mit Daten abgenom- men werden.

Würde man der Datenqualität in der Medizin diesen Stellenwert zu- kommen lassen, hätte man eine soli- de Handhabe, das Gesundheitssystem effizient zu steuern. Darauf beruht die Zielsetzung der Klinischen Ökono- mik, das heißt, im Gesundheitssystem nicht eine Mark weniger – diese aller- dings sinnvoll, zum Nutzen der Pati- enten auszugeben. Wenn sich die Ärz- te in Praxis und Klinik nicht um diese Probleme kümmern, wird den Öko- nomen nichts anderes übrigbleiben, als es allein zu tun. Da diese Aufgaben zusätzlich kaum zu bewältigen sind, könnte man über ein Konzept „Klini- sche Ökonomik“ nachdenken.

Prof. Dr. med. Franz Porzsolt, Andrea Ohletz

Kunstfehler und Phantom-

Risiken

O

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