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Zur Interpretation der Quantenphysik

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Academic year: 2022

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Zur Interpretation der Quantenphysik

Diplomarbeit

im Lehramtsstudium Mathematik und Physik

zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Naturwissenschaften

Filomena Orgler

Eingereicht an der

Fakult¨ at f¨ ur Mathematik, Informatik und Physik der Universit¨ at Innsbruck

Betreuer: Assoz. Prof. Mag. Dr. Wolfgang D¨ur, Institut f¨ur Theoretische Physik Innsbruck, J¨anner 2020

(2)

Eidestattliche Erkl¨ arung

Ich erkl¨are hiermit an Eides statt durch meine eigenh¨andige Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbstst¨andig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die w¨ortlich oder inhaltlich den angegebe- nen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ¨ahnlicher Form noch nicht als Magister-/Master-/Diplomarbeit oder Dissertation eingereicht.

Unterschrift:

Innsbruck, am

(3)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 5

1.1. Notation . . . 6

1.2. Verwendete Kurzschreibweisen . . . 6

1.3. Mathematische Grundlagen . . . 7

I. Grundstruktur der Quantenmechanik 11 2. Postulate 12 2.1. Zust¨ande . . . 13

2.2. Dynamische Entwicklung . . . 17

2.3. Observablen und Projektionsmessung . . . 19

3. Zu den Postulaten 22 3.1. Interferenz und Koh¨arenz . . . 22

3.2. Indeterminismus . . . 31

3.3. Unsch¨arfe- und Kommutatorrelation . . . 31

4. Zusammengesetzte Systeme 37 4.1. Tensorproduktraum . . . 37

4.2. Grundstruktur zusammengesetzter Systeme . . . 40

4.3. Verschr¨ankung . . . 41

4.4. Teilsysteme . . . 48

II. Zur Interpretation der Quantenmechanik 55 5. Aufbau physikalischer Theorien und die Rolle der Interpretation 55 6. Interpretation der Quantenmechanik 60 6.1. Minimalinterpretation . . . 60

6.2. Standardinterpretation . . . 62

6.3. Ontologieprobleme der Quantenmechanik – Realismus und Lokalit¨at . . . 62

6.4. Quantenmessproblem . . . 69

7. Dekoh¨arenzprogramm 74 III. Die Interpretation der Quantenphysik im Unterricht 81 8. Vorausgehende Auseinandersetzungen 83 8.1. Quantenphysik in ¨osterreichischen Lehrpl¨anen . . . 83

8.2. Allgemeine Bildungs- und Kompetenzziele von Schule und Physikunterricht 84 8.3. Sch¨ulervorstellungen . . . 93

(4)

9. Unterrichtseinheit: Vorstellungen zur Quantenphysik 101 9.1. Vor¨uberlegungen . . . 102 9.2. Ablauf . . . 106 9.3. Arbeitsmaterialien . . . 112

(5)

1. Einleitung

Um es etwas ¨uberspitzt, aber nicht allzu fern von der Realit¨at auf eine Zeile zusam- menzufassen, w¨urde ich sagen, die vorliegende Arbeit handelt vom Unverst¨andnis der Quantenphysik. W¨ahrend im fachlichen Teil (Teil I und II) vor allem die Interpretati- onsprobleme (insbesondere das Quantenmessproblem und die ontologischen Probleme) der Quantenphysik und die historischen und aktuellen Meinungsverschiedenheiten von Physikerinnen und Physikern zu diesem Thema behandelt werden, stehen im Fokus des schulischen Teils (Teil III) problematische Sch¨ulervorstellungen zur Quantenphysik.

Sollten Sie, liebe Leserin/ lieber Leser, noch nicht wissen, von welchen Interpretati- onsproblemen hier die Rede ist, so ist das kein Problem. Auf einem Streifzug durch die Wissenschaftstheorie und die historischen und aktuellen Debatten ¨uber die Interpreta- tion der Quantenphysik, welche von namhaften Physikerinnen und Physikern seit dem Entstehen der modernen Physik gef¨uhrt wurden und werden, m¨ochte ich Ihnen offenle- gen, wo die Schwierigkeiten der Theorie liegen und wie diese zu l¨osen versucht wurden.

Dabei beginnt unsere Auseinandersetzung beim grundlegenden mathematischen Forma- lismus und den Postulaten der Quantenphysik. Es ist also f¨ur das Verst¨andnis dieser Arbeit nicht n¨otig, ein hohes Maß an Vorwissen ¨uber die Interpretationsprobleme der Quantenphysik mitzubringen. Eines sei aber vorweg gesagt:

Die vorliegende Arbeit richtet sich an mathematikaffine und mathematisch versierte Leserinnen und Leser. Der Großteil der Themen im fachlichen Teil wird auf mathema- tischer Ebene behandelt. Jenen Leserinnen und Lesern, welche sich rein qualitativ mit den grundlegenden Problemen und Interpretationsfragen der Quantenphysik auseinan- dersetzen wollen, kann ich meine Arbeit nicht empfehlen. Sollten Sie, liebe Leserin/ lieber Leser, jedoch eine physikbegeisterte Mathematikerin bzw. ein physikbegeisterter Mathe- matiker sein, welche/r sich mit den Grundlagen und grundlegenden Interpretationsfragen der Quantenphysik auseinandersetzen m¨ochte, so k¨onnten Sie mit dem fachlichen Teil dieser Arbeit genau die richtige Lekt¨ure gefunden haben.

Im schulischen Teil der Arbeit wird auf eine mathematische Behandlung der Quanten- physik verzichtet. Sollten Sie, liebe Leserin/ lieber Leser, ausschließlich am schulischen Teil der Arbeit interessiert sein, so k¨onnen Sie die fachlichen Teile I und II ohne weiteres

¨

uberspringen. F¨ur das Verst¨andnis des schulischen Teils gen¨ugt ein Ausmaß an Fachwis- sen, welches man sich von einer praktizierenden oder angehenden Lehrperson der Physik erwarten kann.

Nachdem im fachlichen Teil die Vorstellungen von Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftlern zur Quantenphysik thematisiert wurden, stehen im Zentrum des schulischen Teils die Vorstellungen von Sch¨ulerinnen und Sch¨ulern zur Quantenphysik. Nach einer literarischen Auseinandersetzung mit Sch¨ulervorstellungen (insbesondere zur Quanten- physik) folgt die Planung einer Unterrichtseinheit (5 Unterrichtsstunden), in welcher Sch¨ulerinnen und Sch¨uler dazu angeregt werden sollen, die eigenen Vorstellungen – wel- che prim¨ar durch den vorhergehenden Unterricht zur Quantenphysik entwickelt wurden – zu reflektieren, mit den wissenschaftlichen Vorstellungen zu vergleichen und gegebe- nenfalls zu korrigieren.

(6)

Ich m¨ochte mich bei meiner Familie bedanken, welche mich und meinen Bildungsweg von klein auf unterst¨utzt hat und mir auch bei dieser Arbeit beiseite stand. Ein weiterer Dank gilt meinen besten Freundinnen und Freunden, insbesondere Jona und Daniele, welche mich beim Verfassen dieser Arbeit sowohl in fachlicher als auch in mentaler Hinsicht stets unterst¨utzten und mir durch unsere regelm¨aßigen und oftmals ausgiebigen Diskussionen ¨uber die Natur der Physik und der Quantenphysik halfen, meine Gedanken zu konkretisieren und Verst¨andnisprobleme aus dem Weg zu r¨aumen.

1.1. Notation

• σ(ρ) . . . Spektrum des Operatorsρ

• H . . . Hilbertraum

• H . . . der zu H duale Vektorraum

• L(H) . . . die Menge aller linearen Operatoren A:H → H

• |ψi ∈ H. . . Vektor des Hilbertraumes H (Dirac-Schreibweise)

• hψ| ∈ H . . . der zu|ψi duale Vektor (Dirac-Schreibweise)

• Komplex konjugiert und adjungiert

• ◦. . . Hintereinanderausf¨uhrung

• Anmerkung: Im endlichdimensionalen (d-dimensionalen) Fall handelt es sich bei H um einen zu Cd isomorphen Vektorraum. |ψi ∈ H und hψ| ∈ H k¨onnen dann als Spalten- bzw. Zeilenvektor und Operatoren A ∈ L(H) als d×d−Matrizen betrachtet werden. Beihψ|ϕi handelt es sich um eine komplexe Zahl.

1.2. Verwendete Kurzschreibweisen

• UVR . . . Untervektorraum

• ONB . . . Orthonormalbasis

• OEB . . . orthonormale Eigenbasis

• WB . . . Wirklichkeitsbereich

• MT . . . mathematischer Teil

• GB . . . Grundbereich

• hW . . . hypothetischer Wirklichkeitsbereich

• Messoperator . . . zu Observable geh¨origer selbstadjungierter Operator

• Messbasis . . . Eigenbasis des Messoperators

(7)

1.3. Mathematische Grundlagen

Im Folgenden finden Sie eine kurze Liste der in dieser Arbeit verwendeten mathemati- schen Konzepte inklusive einer kurzen Bemerkung, ob bzw. wo diese Konzepte in meiner Arbeit eingef¨uhrt werden. Im Anschluss f¨uhre ich noch einige mathematische Details, welche mir besonders wichtig erschienen, im Fließtext jedoch keinen geeigneten Platz fanden, kurz an. Diese Erl¨auterungen sind f¨ur eine erste Auseinandersetzung mit den Themen nicht geeignet, sondern dienen eher einer Auffrischung des bereits vorhandenen Wissens und einer Hervorhebung besonders wichtiger Details. Ich verwende in meiner Arbeit die in der Quantenmechanik ¨ubliche Dirac-Notation f¨ur Vektoren |ψi und deren Dual hψ|.

• Hilbertraum und Dualraum inkl. Eigenschaften (vorausgesetzt)

• Operatoren inkl. Darstellung (im Anschluss kurz behandelt)

• Spur und Spektrum eines Operators (vorausgesetzt)

• Tensorproduktraum (in Abschnitt 4.1 (Seite 37) eingef¨uhrt)

• Unit¨are Operatoren (in Abschnitt 2.2 (Seite 18) kurz eingef¨uhrt)

• Selbstadjungierte Operatoren inkl. Eigenbasen (im Anschluss kurz behandelt)

• Projektionen (im Anschluss kurz behandelt)

• Kommutator (in Abschnitt 3.3 (Seite 32) definiert)

• Grundlagen der Stochastik: Wahrscheinlichkeitsmaß und dessen frequentistische Interpretation, Wahrscheinlichkeitsraum, Zufallsvariable, Verteilung (vorausgesetzt) Operatoren

(Lineare) Operatoren sind allgemein (lineare) Abbildungen von einem VektorraumV in einen m¨oglicherweise anderen VektorraumW. In der grundlegenden Quantenmechanik arbeitet man beinahe ausschließlich mit linearen Operatoren, welche Elemente eines HilbertraumsH wieder in denselben abbilden, also mit Operatoren der Menge

L(H)..={A:H → H |Alinear}. (1)

In der vorliegenden Arbeit werden prim¨ar endlichdimensionale Vektorr¨aume und da- mit automatisch Hilbertr¨aume betrachtet. Auch wenn in der Quantenmechanik immer lineare Operatoren gemeint sind (außer es wird explizit anders angegeben) hat es sich vielerorts eingeb¨urgert, einfach von Operatoren zu sprechen. Die in dieser Arbeit verwen- dete Ausdrucksweise passt sich daran an; nichtlineare Operatoren werden also explizit als solche bezeichnet.

Jeder Operator der Menge L(H) l¨asst sich mithilfe einer Orthonormalbasis (ONB) {|vii}ni=1 von H und einem Tupel komplexer Zahlen {ai,j}ni,j=1 ∈ C2n mitn= dim(H) in der Form

A=

n

X

i,j=1

ai,j|vii hvj| (2)

(8)

schreiben. Man nennt diese Darstellung eines Operators Matrixdarstellung mit Eintrag ai,j =hvi|A|vjiin der i-ten Zeile und j-ten Spalte. (Motivation in [37, S. 16]) L¨asst sich ein Operator mittels einer ONB {|vii}ni=1 inDiagonalform

A=

n

X

i=1

ai|vii hvi| (3)

darstellen, so ist diese Orthonormalbasis eine orthonormale Eigenbasis – eine orthonor- male Basis bestehend aus Eigenvektoren – des Operators und die ai sind die zu den |vii geh¨origen Eigenwerte. (Man kann diese Aussage durch Anwendung des so dargestellten Operators auf die|viileicht nachpr¨ufen.) Insbesondere besitzen Operatoren, welche sich in dieser Form schreiben lassen, eine Eigenbasis, was nicht immer der Fall ist.

Der zu A∈L(H)adjungierte Operator A∈L(H) ist durch die Eigenschaft

hAu|vi=hu|A|vi=hu|Avi ∀u, v∈V (4) definiert.

Selbstadjungierte Operatoren

Auf einem endlichdimensionalen Vektorraum – wie wir ihn betrachten – nennt man Operatoren A , welche die Bedingung

hu|Avi=hAu|vi also A=A (5)

erf¨ullenselbstadjungiert.

Selbstadjungierte Operatoren weisen die beiden wichtigen Eigenschaften auf, dass sie immer eine orthonormale Eigenbasis und ausschließlich reelle Eigenwerte λ∈ σ(A) be- sitzen. Zweiteres folgt aus

λhv|vi=hλv|vi=hAv|vi=hv|Avi=hv|λvi=λhv|vi, (6) was f¨ur alle Eigenwerteλ∈σ(A) und alle zugeh¨origen Eigenvektoren|vi ∈ Hgilt. Erste- res beweise ich an dieser Stelle nicht und verweise auf [26, S. 176]. Stattdessen skizziere ich einige zugrundeliegende ¨Uberlegungen:

Jeder Vektor ist Eigenvektor zu h¨ochstens einem Eigenwert (Abbildungen sind eindeu- tig!) und aus

λihu|vi=hAu|vi=hu|Avi=λjhu|vi (7) folgt f¨ur alle Eigenvektorenu, v∈ H eines selbstadjungierten Operators zu unterschied- lichen Eigenwerten λi 6= λj, dass hu|vi = 0 sein muss. Aus diesen beiden Aussagen kann man schließen, dass die Eigenr¨aume (also die von den Eigenvektoren jeweils eines Eigenwertesλ∈σ(A) aufgespannten Untervektorr¨aume) selbstadjungierter Operatoren bis auf den~0 -Vektor disjunkt sind und orthogonal aufeinander stehen. W¨urde man nun zeigen, dass die Eigenr¨aume zus¨atzlich den gesamten Vektorraum aufspannen, so w¨are man bereits am Ziel. Man kann n¨amlich in jedem der aufeinander senkrecht stehenden

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Eigenr¨aume eine Orthonormalbasis w¨ahlen und h¨atte in diesem Fall mit der Menge al- ler ausgew¨ahlten Vektoren automatisch eine orthonormale Basis des gesamten Raums bestehend aus Eigenvektoren des selbstadjungierten Operators gew¨ahlt. In [26, S. 176]

wird die Aussage durch Induktion bewiesen.

Wenn keiner der Eigenwerte entartet ist, also zu jedem Eigenwert nur ein Eigenvektor existiert, so haben alle Eigenr¨aume des Operators Dimension 1 und die orthonorma- le Eigenbasis (OEB) ist eindeutig. Ist mindestens ein Eigenwert entartet, so ist auch mindestens ein Eigenraum mehrdimensional, weshalb es in diesem Untervektorraum un- endlich viele verschiedene M¨oglichkeiten gibt, eine ONB zu w¨ahlen. Damit existieren auch unendlich viele verschiedene OEBs.

Betrachten wir zur Veranschaulichung ein kurzes Beispiel, die Identit¨at. Der Operator A= n1 ·1besitzt nur den n-fach entarteten Eigenwertλ= 1n. Der Eigenraum zu diesem Eigenwert ist der gesamte n-dimensionale Vektorraum, auf welchem die Identit¨at defi- niert wurde. Jede beliebige Basis des Vektorraums ist eine Eigenbasis, insbesondere ist jede beliebige ONB eine OEB vonA= n1 ·1.

Projektionen

Selbstadjungierte Operatoren mit der Eigenschaft

P2=P◦P =P (8)

nennt man Projektoren. F¨ur jeden Projektor existiert ein orthonormales Tupel von Vek- toren {|eii}ki=1 mitk≤dim(H), anhand dessen P in der Form

k

X

i=1

|eii hei| (9)

ausgedr¨uckt werden kann. Selbstadjungierte Operatoren besitzen n¨amlich wie bereits erl¨autert eine orthonormale Eigenbasis und k¨onnen daher in Form von Gl. 3 (durch Ei- genwerte und Eigenvektoren in Diagonalform) beschrieben werden. Die einzig m¨oglichen Eigenwerte sind wegen P2 =P und daraus folgend λ2ii,∀λi ∈σ(P) aber 0 und 1, woraus durch einsetzen in Gl. 3 direkt Gl. 9 folgt.

Mithilfe der Darstellung in Gl. 9 wird ersichtlich, dass die Anwendung des ProjektorsP auf einen Vektor |vi ∈ H eine Orthogonalprojektion von |vi auf den von den {|eii}ki=1 aufgespannten k-dimensionalen Untervektorraum von H bewirkt. Die Erkenntnis, dass es sich bei der Anwendung eines Projektors um die Projektion auf einen Untervektor- raum von H handelt, macht auch die Definition eines Projektors (vgl. Gl. 8) leichter verst¨andlich. Die Projektion eines beliebigen Vektors liegt n¨amlich bereits im betrachte- ten Untervektorraum (UVR), weshalb eine weitere Projektion auf denselben UVR diesen Vektor nicht mehr ver¨andert.

Ich m¨ochte an dieser Stelle noch zwei Relationen anf¨ugen, welche auf Projektoren be- ruhen. Die erste Relation folgt aus der bereits erw¨ahnten Eigenschaft selbstadjungierter Operatoren, dass deren Eigenr¨aume erstens orthogonal aufeinander stehen und sie zwei- tens immer den gesamten Vektorraum aufspannen. Projiziert man also einen Vektor auf

(10)

jeden der Eigenr¨aume eines beliebigen selbstadjungierten OperatorsAund addiert diese projizierten Vektoren, so erh¨alt man demnach wieder den urspr¨unglichen. Mathematisch l¨asst sich das durch die Relation

1= X

λ∈σ(A)

Pλ (10)

ausdr¨ucken. Dabei sind die Pλ die Projektoren auf die zu den λ ∈ σ(A) geh¨origen Ei- genr¨aume. Bildlich gesprochen hat man nur eine Zerlegung eines Vektors in orthogonale Anteile vorgenommen und diese wieder aufaddiert. Man kann dies mit der Darstellung eines Vektors durch Koordinaten nach Wahl einer Orthonormalbasis vergleichen.

Aber auch jeder selbstadjungierte Operator A kann mittels der Projektionen auf seine eigenen Eigenr¨aume ausgedr¨uckt werden:

A= X

λ∈σ(A)

λ·Pλ (11)

Mithilfe von Gl. 9 kann man erkennen, dass diese Darstellung direkt aus der M¨oglichkeit folgt, selbstadjungierte Operatoren in Diagonalform (vgl. Gl. 3) darzustellen.

Spur

Die Spur eines OperatorsA∈L(H) ist f¨ur eine Orthonormalbasis{|eii}ni=1∈ Hndurch Sp(A)..=

n

X

i=1

hei|A|eii=

n

X

i=1

aii (12)

definiert.

Tats¨achlich ist die Spur unabh¨angig von der Wahl der Basis (Beweis in [1, S. 6]) und somit f¨ur einen Operator mit orthonormaler Eigenbasis – f¨ur einen diagonalisierbaren Operator (Gl. 3) – gleich der Summe der Eigenwerte. (Mehrfachz¨ahlung entarteter Ei- genwerte) Die Spur ist außerdem linear und es gilt:

Sp(AB) =Sp(BA). (13)

(11)

Teil I.

Grundstruktur der Quantenmechanik

In diesem Kapitel werde ich das Grundger¨ust der Quantenmechanik rekonstruieren und f¨ur meine Arbeit wichtige Aspekte herausarbeiten. Nach einem kurzen geschichtlichen Einblick folgt eine Erl¨auterung der drei Postulate der Quantenphysik. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Konzept gemischter Zust¨ande, weshalb die Postulate direkt mit- hilfe von Dichteoperatoren formuliert sind. Im Anschluss gehe ich auf einige wichtige Eigenschaften der Quantenmechanik ein um schlussendlich noch auf zusammengesetzte Systeme und im selben Zuge auf Verschr¨ankung, Separierbarkeit und reduzierte Dichte- operatoren zu sprechen zu kommen.

Geschichtlicher Einblick

Der heutigen Standardformulierung der Quantenmechanik geht eine interessante Ge- schichte voraus. Durch sie wird der Zusammenhang zwischen den Wellenfunktionen und der Hilbertraumformulierung der Quantenmechanik sch¨on sichtbar, denn zumindest teil- weise hat sich die Betrachtung von Vektoren aus der von Wellenfunktionen abgeleitet.

Beh¨alt man die Wellennatur von Zust¨anden im Hinterkopf, kann man sich viele Dinge in der Quantenmechanik besser vorstellen. Dies gilt insbesondere f¨ur die Diskussion von relativen Phasen und koh¨arenten ¨Uberlagerungen.

Die Anf¨ange der Quantenphysik liegen im Beginn des 20. Jahrhunderts. Bereits im Jahr 1900 ver¨offentlicht Planck sein ber¨uhmtes Strahlungsgesetz [35], f¨ur welches er die Annahme traf, dass die Strahlung eines Schwarzk¨orpers nur in Form diskreter Energie- quanten emittiert w¨urde. 1905 erkl¨art Einstein den Photoelektrischen Effekt anhand der Annahme, Licht weise unter bestimmten Umst¨anden Teilchencharakter auf [17].

Die Teilchennatur von Licht und die Quantisierung von Energie werden also erkannt und es beginnt sich ein neues Gebiet in der Physik aufzutun. Nachdem Bohr 1913 sei- ne Atomtheorie aufgestellt hat [8, 9, 10], spaltet sich die Quantenphysik in mehrere Richtungen auf. W¨ahrend sich Born, Heisenberg und Jordan der sogenannten Matrizen- mechanik widmen [13, 12], stellt de Broglie 1924 in seiner Dissertation [14] erstmals die These von Materiewellen vor. Er dreht die bisherige Betrachtung von

”Lichtteilchen“ also um und betrachtet zur Materie geh¨orige Wellen. F¨ur die Berechnung der Energie aus den klassischen Eigenschaften der Materie (Masse, Impuls) verwendet er Einsteins Energie- Masse-Relation. Aufbauend auf de Broglies Idee der Materiewellen versucht Schr¨odinger in Analogie zur Maxwellschen Theorie eine Wellengleichung f¨ur Teilchen zu finden. Im Jahr 1926 ver¨offentlicht er in den

”Annalen der Physik“ vier Mitteilungen [42, 43, 44, 45], in welchen er eine Wellengleichung f¨ur Materie – die Schr¨odingergleichung – postuliert und die nicht-relativistische Wellenmechanik weitgehend auf die heutige Form bringt.

Im M¨arz [46] schafft Schr¨odinger in seiner Arbeit “ ¨Uber das Verh¨altnis der Heisenberg-

(12)

Born-Jordanschen Quantenmechanik zu der meinen” [46] den Zusammenhang zwischen Wellen- und Matrizenmechanik herzustellen. Es entsteht eine Art

”vereinigte Quanten- mechanik“, welche sich vor allem durch Borns Wahrscheinlichkeitsdeutung [11] und von Neumanns Axiomatisierung der Quantenmechnik durch Verwendung von Hilbertr¨aumen und linearen Operatoren [31] in die heute gebr¨auchliche Form der Standardquantenme- chanik entwickelt. Heute wird das Grundger¨ust durch drei Postulate festgelegt, welche Gegenstand des ersten Abschnitts meiner Arbeit sein werden.1

2. Postulate

Das Grundger¨ust der Quantenmechanik besteht aus drei Postulaten und deren Interpre- tation. Die Postulate stellen einen geeigneten mathematischen Rahmen zur Verf¨ugung, um jegliche experimentelle Situation der Form

Pr¨aparation −→ zeitliche Entwicklung −→ Messung,

deren Erkl¨arung in den Bereich der Quantenmechanik f¨allt, zu beschreiben. Gegenstand der Beschreibung sind also Situationen, in welchen ein abgeschlossenes quantenmecha- nisches System pr¨apariert wird, sich dann unter bekannten Einfl¨ussen (Felder etc.) ent- wickelt und schlussendlich gemessen wird.

In den Postulaten wird der mathematische Formalismus der Standardquantenmecha- nik festgelegt und mathematische Objekte werden mit physikalischen Entit¨aten (Zu- stand, Messgr¨oße, ...) verkn¨upft. Durch die Postulate wird also mathematischen Ob- jekten eine physikalische Bedeutung verliehen. Trotz dieser ersten Zuweisung zwischen mathematischen und physikalischen Objekten, welche durch die Postulate festgelegt – und f¨ur eine physikalische Theorie wohl unerl¨asslich – ist, muss eine vollst¨andige Inter- pretation der mathematischen Struktur zus¨atzlich gegeben werden und ist nicht bereits implizit in den Postulaten enthalten. Genau dieser offen gelassene Interpretationsspiel- raum und die Schwierigkeit, f¨ur diese L¨ucke eine befriedigende (z.B. mit Wahrnehmung und Experimenten vereinbare) in sich konsistente Interpretation zu finden, stellen in meinen Augen die Kernproblematik des Teils II dieser Arbeit dar.

In diesem Abschnitt 2 habe ich mich dazu entschlossen, ein Gesamtbild der Standard- quantenmechanik zu konstruieren, anstatt diese Einf¨uhrung in die Quantentheorie auf die reine Formulierung der Postulate zu beschr¨anken. Die zus¨atzliche Interpretation, wel- che in diesem Abschnitt 2 implizit mitgegeben und teilweise hinterfragt und diskutiert wird, ist eine Form der sogenannten Standardinterpretation. Da diese – in Lehrb¨uchern und wissenschaftlichen Arbeiten oftmals implizit enthaltene Deutung – leider nicht ein- deutig definiert ist und somit leicht variierende Interpretationen umfasst, orientiere ich mich diesbez¨uglich an der in [1] implizit verwendeten und explizit dargestellten [1, S.

42f.] Form der Standardinterpretation. In Abschnitt 6.2 stelle auch ich diese Standar- dinterpretation nochmals explizit vor.

1Ein ¨ahnlicher Abriss der Geschichte der Quantenmechanik kann in zahlreichen B¨uchern gefunden werden. Meine Rekonstruktion fußt auf Informationen von Gerbers Aufbereitung der Geschichte der Wellenmechanik in [20].

(13)

Damit komme ich zum ersten der drei Postulate.

2.1. Zust¨ande

Widmen wir uns zuallererst einmal der Frage, was ein Zustand ¨uberhaupt ist. Diese erste Frage findet in der Quantentheorie keine einheitliche Antwort und ist bereits Gegenstand der in dieser Arbeit sp¨ater noch behandelten Interpretationsschwierigkeiten der Theorie.

Allgemein ist ein Zustand ein mathematisches Objekt, welches der Charakterisierung von physikalischen Systemen dient. Dabei kommt jedem System genau ein Zustand zu.

In der klassischen Mechanik ist der Zustand eines Massenpunktes beispielsweise ein Vek- tor P = (x, y, z, px, py, pz) im sechsdimensionalen Phasenraum. Man charakterisiert die Punktmasse also zu jedem Zeitpunkt durch drei Orts- und Impulskoordinatenx, y, zund px, py, pz. Wie wir sehen werden, k¨onnen wir quantenmechanischen Systemen im Sinne der Standardquantenmechanik im Regelfall keine fixen Eigenschaften, wie beispielsweise einen jeweils fixen Ort, Impuls oder Energiewert zuordnen. Stattdessen gibt man sich in dieser Theorie mit Wahrscheinlichkeitsaussagen zufrieden. Eine m¨ogliche Frage, welche im Rahmen der Quantentheorie beantwortet werden kann, w¨are zum Beispiel, wie wahr- scheinlich ein gewisser Energiewert bei einer Messung an einem System auftreten wird.

Demnach ist der Zustand in der Standardquantenmechanik ein mathematisches Objekt, anhand dessen man f¨ur ein System die Messstatistiken aller in der Quantentheorie vor- kommenden Messgr¨oßen bestimmen kann.

H¨aufig m¨ochte man Systeme nicht mit jenem Zustand beschreiben, anhand dessen die Messwertwahrscheinlichkeiten aller m¨oglichen physikalischen Gr¨oßen bestimmt werden k¨onnen. Dies ist auch nicht immer n¨otig. Man kann das System h¨aufig auch anhand eines Teilzustandes beschreiben, anhand dessen dann nur die Behandlung gewisser Observa- blen m¨oglich ist. M¨ochte man anhand des Zustandes ausschließlich Aussagen ¨uber den Spin des Teilchens treffen, so kann man das betrachtete System durch einen Zustand im sogenannten Spinraum beschreiben. M¨ochte man dahingegen sowohl Spin- als auch Orts- messungen beschreiben k¨onnen, ben¨otigt man dazu einen Zustand im Produktraum von Orts- und Spinraum. Wie dies genau verstanden werden kann, werden wir in Abschnitt 4 noch ausf¨uhrlich behandeln.

In der Quantenmechanik kann man zwischen zwei Arten von Zust¨anden unterschei- den. Ein System kann sich in einem reinen, oder einem gemischten Zustand befinden.

Ersterer kann durch einen Zustandsvektor in einem Hilbertraum H, dem sogenannten Zustandsraum dargestellt werden, w¨ahrend Zweiterer durch einen Operator mit speziel- len Eigenschaften beschrieben wird. Ich m¨ochte den Unterschied an dieser Stelle durch die Schilderung zweier Situationen kurz illustrieren, bevor ich die beiden Objekte genau definiere und auf deren wichstigste Eigenschaften eingehe.

• Reine Zust¨ande Betrachtet man ein abgeschlossenes quantenmechanisches Sys- tem, ¨uber das man die volle Information besitzt, so kann man dieses System durch einen auf die L¨ange 1 normierten Vektor in einem Hilbertraum (allgemein ¨uber C) beschreiben. In diesem Fall nennt man den Zustand des Systems einen rei- nen Zustand. Die Dimension des Hilbertraumes, der ¨ublicherweise Zustandsraum

(14)

genannt wird, h¨angt vom betrachteten System ab. So kann man den Spin eines Teilchens z.B. durch einen Vektor in einem zweidimensionalen Hilbertraum be- schreiben, w¨ahrend der Ortsraum – also der Zustandsraum des Ortes – eines freien Teilchens unendlichdimensional ist.

Sehen wir uns als Beispiel ein Teilchen mit einem beliebigen Spin an: Man be- schreibt diesen Zustand durch einen eindeutig festgelegten normierten Vektor |ψi im zumC2 isomorphen Spinraum. Wie in jedem Vektorraum ist es m¨oglich,|ψials Linearkombination – oder Superposition, wie die in der Quantenmechanik ¨ubliche Bezeichnung lautet – einer frei gew¨ahlten Basis zu schreiben. W¨ahlt man eine be- liebige Orthonormalbasis{|0i,|1i}, so existieren zwei komplexe Zahlenc0, c1∈C, sodass|ψi=c0|0i+c1|1igilt. Die Superposition mehrerer Zust¨ande ist also wieder ein Vektor im Zustandsraum. Auch er k¨onnte demnach ein quantenmechanisches System beschreiben – zum Beispiel das betrachtete System zu einem sp¨ateren Zeit- punkt.

• Gemischte Zust¨ande M¨ochte man nun eine Situation beschreiben, in der nicht die volle Information ¨uber das System vorhanden ist, muss man von den Zu- standsvektoren auf eine Art klassische Wahrscheinlichkeitsverteilung ¨uber m¨ogliche Zust¨ande ¨ubergehen.

Betrachten wir zur Veranschaulichung wieder das eben genannte Beispiel des Spin- raums. Jetzt wissen wir aber nur, dass sich das Teilchen mit Sicherheit in einem der beiden Zust¨ande|0ioder|1ibefindet, k¨onnen wie bei einem verdeckten W¨urfel aber nicht angeben, in welchem. Stattdessen k¨onnen wir f¨ur beide Zust¨ande Auf- trittswahrscheinlichkeitenp0, p1∈[0,1] angeben.

Dieser Zustand kann nun nicht mehr durch einen Vektor im Hilbertraum der reinen Zust¨ande beschrieben werden. Stattdessen m¨ussen wir zur Beschreibung dieses Zustandes einen erweiterten Raum, den Vektorraum der (linearen) Operatoren auf dem HilbertraumH

L(H)..={A:H → H |Alinear}, (14) zu Hilfe ziehen. Dies f¨uhrt uns auf das Konzept der Dichteoperatoren.

H¨atte man immer die M¨oglichkeit, die volle Information ¨uber Systeme zu erlangen, br¨auchte man das Konzept gemischter Zust¨ande nicht. Abgeschlossene quantenmechani- sche Systeme sind per se also immer in einem reinen Zustand, wir k¨onnen ihnen mangels vollst¨andigen Wissens aber manchmal nur einen gemischten Zustand zuordnen.

Es ist ¨ublich, die Postulate anhand der reinen Zust¨ande zu formulieren und das Kon- zept der Dichteoperatoren erst zu einem sp¨ateren Zeitpunkt einzuf¨uhren. Ich habe mich in meiner Arbeit daf¨ur entschieden, die Postulate gleich anhand der Dichteoperatoren zu formulieren. Einerseits weil gemischte Zust¨ande ein grundlegendes Konzept meiner Arbeit sind und deren Verst¨andnis f¨ur diese Arbeit essenziell ist. Andererseits weil es m¨oglich ist, die Vektoren eines Hilbertraums (die reinen Zust¨ande) in die Menge der Ope- ratoren auf dem Hilbertraum einzubetten und daher ohnehin beide Arten von Zust¨anden durch Dichteoperatoren dargestellt werden k¨onnen. (Wir werden sehen, dass die reinen

(15)

Zust¨ande durch eine Teilmenge aller Dichteoperatoren beschrieben werden, welche eine gewisse Eigenschaft aufweisen.)

Damit m¨ochte ich zum ersten Postulat kommen, in welchem quantenmechanische Zust¨ande nun endg¨ultig definiert werden:

Postulat 1: Zustand

Ein quantenmechanisches System wird mathematisch durch einen Operator ρ auf einem HilbertraumH mit den Eigenschaften

• ρist selbstadjungiert :⇔ρ

• ρist positiv semidefinit :⇔ ∀ |ψi ∈ H:hψ|ρ|ψi ≥0

• ρhat Spur 1 :⇔Sp(ρ) = 1

dargestellt. Man nenntρ einen Dichteoperator.

Eigenschaften

Gleich im Anschluss an dieses Postulat m¨ochte ich ein paar wichtige Eigenschaften von Dichteoperatoren erl¨autern. W¨ahrend einige davon bereits beim ersten Lesen einem bes- seren Verst¨andnis dienen k¨onnten, werden andere erst im Laufe der folgenden Kapitel ben¨otigt. Ich werde beim sp¨ateren Verwenden auf die jeweilige Eigenschaft verweisen.

1. Spur und Spektrum: Daρselbstadjungiert ist, positiv definit ist und Spur 1 hat, gilt f¨ur die Eigenwerte des Operators:

Sp(ρ) = X

λ∈σ(ρ)

λ= 1, λ∈[0,1] (15)

Sp(ρ2) = X

λ∈σ(ρ)

λ2 ≤1 (16)

2. Charakterisierung Rein-Gemischt: Existiert zu einem Dichteoperator ein normiertes|ψi ∈ H, sodass dieser sich in der Form ρ =|ψi hψ|– also als Projek- tion auf den eindimensionalen Untervektorraum{c|ψi |c∈C} von H – schreiben l¨asst, so ist der durch ρ beschriebene Zustand rein. Diese Eigenschaft f¨uhrt in Kombination mit den im Postulat genannten Eigenschaften von Dichteoperatoren darauf, dass bei reinen Zust¨anden das Spektrum immer aus den Eigenwerten 0 und 1 besteht und der Eigenraum zum Eigenwert 1 immer eindimensional ist; der restliche Hilbertraum ist Eigenraum zum Eigenwert 0. Man kann reine Zust¨ande also folgendermaßen charakterisieren:

ρ=ρ2 und somit Sp(ρ) =Sp(ρ2) = 1 (17)

(16)

F¨ur gemischte Zust¨ande gilt dahingegen, dass mindestens zwei Eigenvektoren nicht Teil des Eigenraumes zum Eigenwert 0 sind und damit:

ρ6=ρ2 und Sp(ρ2)<1 =Sp(ρ) (18) 3. Ensemblezerlegung: Wie im Kapitel zu den mathematischen Grundlagen erl¨autert, besitzt jeder selbstadjungierte Operator (insbesondere auch jeder Dichte- operator) mindestens eine orthonormale Eigenbasis und l¨asst sich bez¨uglich dieser Eigenbasis (bzw. Eigenbasen) {|eii}ni=1 ∈ Hn und seiner Eigenwerte λi ∈ σ(ρ) in der Form

ρ=

n

X

i=1

λi|eii hei| mit

n

X

i=1

λi= 1 (19)

schreiben. Dabei ist|eiijeweils Eigenvektor zum Eigenwertλiundndie Dimension des Hilbertraums H. Die einzelnen ρi = |eii hei| beschreiben reine Zust¨ande, wie aus Eigenschaft 2 hervorgeht.

Kann man einen Dichteoperator als Linearkombination ρ=

m

X

i=1

qiii hψi| ∀i∈ {1, . . . , m}:ψi ∈ H (20) von reinen Dichteoperatoren |ψii hψi| schreiben, so nennt man diese Darstellung eine Ensemblezerlegung des Zustandes ρ. Bei einer Ensemblezerlegung muss m nicht zwingend gleich der Dimension des HilbertraumesH sein, da{|ψii}mi=1 hier- bei keine Basis mehr sein muss. W¨ahrend man einen reinen Zustand nicht als Linearkombination anderer Dichteoperatoren schreiben kann, ist dies f¨ur einen ge- mischten Zustand immer m¨oglich. Die Zerlegung ist jedoch nicht eindeutig. Zum einen k¨onnen die Eigenwerte des Dichteoperators entartet sein (mehrere λi sind also gleich). Dann sind nicht alle Eigenr¨aume vonρ eindimensional und es existie- ren unendlich viele orthonormale Eigenbasen

|e1ii ni=1,

|e2ii ni=1 (Abschnitt 1.3, S. 9) und damit auch unendlich viele Ensembledarstellungen der Form

ρ=

n

X

i=1

λi|e1ii he1i|=

n

X

i=1

λi|e2ii he2i|=. . . (21) Zum anderen gibt es unendlich viele M¨oglichkeiten, den Dichteoperator als Ensem- ble nicht-orthogonaler Zust¨ande{|ψii}mi=1 darzustellen.

Anmerkung: Reine Zust¨ande

Wenn wir ausschließlich mit reinen Zust¨anden arbeiten, werden wir die handliche Vektor- schreibweise verwenden, anstatt bei der allgemeineren Operatorschreibweise zu bleiben.

In diesem Sinne m¨ochte ich abschließend das Postulat 1 noch einmal f¨ur reine Zust¨ande formulieren:

(17)

Postulat 1: Zustand (rein)

Ein quantenmechanisches System, welches sich in einem reinen Zustand befindet, wird mathematisch durch einen normierten Vektor |ψi in einem HilbertraumH dargestellt.

2.2. Dynamische Entwicklung

Nachdem im 1. Postulat der Zustand eines quantenmechanischen Systems zu einem gewissen Zeitpunkt definiert wurde, soll im folgenden Postulat festgelegt werden, wie sich abgeschlossene Systeme in der Quantenmechanik zeitlich entwickeln.

Postulat 2: Zeitentwicklung

Die Dynamik eines quantenmechanischen Systems wird durch den unit¨aren ZeitentwicklungsoperatorU(t, t0) beschrieben:

ρ(t0)−−−−→(Zeit) ρ(t) =U(t, t0)ρ(t0)U(t, t0) (22) Dabei istU(t, t0) die eindeutige L¨osung des Anfangswertproblems

i~d

dtU(t, t0) =H(t)U(t, t0), U(t0, t0) =1 (23) Die Differentialgleichung in Gl. 23 ist die Schr¨odingergleichung mit dem selbstadjungierten HamiltonoperatorHund dem operatorwertigen Anfangs- wert U(t0, t0) =1.

Ich m¨ochte auch dieses Postulat nochmal speziell f¨ur Zustandsvektoren, also f¨ur den Fall reiner Zust¨ande, formulieren. Das Vorgehen zum Beschreiben der zeitlichen Entwick- lung ist dabei dasselbe wie bei Dichteoperatoren: Man muss das Anfangswertproblem aus Gl. 23 l¨osen.

Postulat 2: Zeitentwicklung (rein)

F¨ur den Fall reiner Zust¨ande kann die Zeitentwicklung in folgender Form ausgedr¨uckt werden:

|ψit

0

(Zeit)

−−−−→ |ψit=U(t, t0)|ψit

0 (24)

Dabei ist U(t, t0) wiederum die L¨osung des Anfangswertproblems aus Gl.

23.

Oftmals wird im Fall reiner Zust¨ande das Anfangswertproblem direkt f¨ur den Zustandsvektor gel¨ost:

i~d

dt|ψit=H(t)|ψit (25)

(18)

Wie wir beim 3. Postulat noch sehen werden, werden physikalische Gr¨oßen wie Ener- gie, Impuls und Ort in der Quantenmechanik durch selbstadjungierte Operatoren aus- gedr¨uckt. Der Hamiltonoperator H(t) aus Gl. 23 ist jener Operator, durch welchen die Gesamtenergie des betrachteten Systems beschrieben wird. Dieser kann im Allgemeinen zwar explizit zeitabh¨angig sein, wir werden allerdings nur F¨alle mit zeitunabh¨angigem Hamiltonoperator betrachten. In diesem Fall ist die L¨osung der Schr¨odingergleichung (Gl. 23) einfach durch die Matrixexponentialfunktion gegeben:

U(t, t0) =e−i/~H(t−t0) (26) Theoretisch existiert nat¨urlich f¨ur jedes quantenmechanische System ein Hamiltonope- rator. Praktisch kann es allerdings – wie bei der klassischen Hamiltonfunktion – beliebig schwer werden, diesen zu formulieren. Ich werde mich in meiner Arbeit auf sehr einfache und teilweise sehr theoretische Beispiele beschr¨anken.

Unitarit¨at

Eine wichtige Eigenschaft des ZeitentwicklungsoperatorsU(t, t0) ist seine Unitarit¨at, also die Eigenschaft2

hU(t, t01 |U(t, t02i=hψ12i ∀ |ψ1i,|ψ2i ∈ H. (27) Aus dieser folgt, dass die Transformation|ψit

0 →U(t, t0)|ψit

0 das Skalarprodukt erh¨alt und damit auch, dass die Spur von Dichteoperatoren bei deren zeitlicher Entwicklung f¨ur alle t∈Rerhalten bleibt.

Sp(ρ(t))(Gl. 22)= X

i

hei|U(t, t0)ρ(t0)U(t, t0)|eii=X

i

hU(t, t0)ei|ρ(t0)|U(t, t0)eii=

(Gl. 27)

= X

i

hei|ρ(t0)|eii=Sp(ρ(t0)) (28) Aus derselben ¨Uberlegung bleibt auch das Quadrat der Spur zeitlich erhalten, also

Sp(ρ2(t0)) =Sp(ρ2(t)), (29)

wobeiρ(t) wieder der zeitentwickelte Zustand aus Gl. 22 ist. Da sich reine und gemischte Zust¨ande im Quadrat der Spur ihres Dichteoperators unterscheiden (vgl. Eigenschaft 2, Abschnitt 2.1), folgt aus Gl. 29, dass reine und gemischte Zust¨ande durch unit¨are Zeite- volution (Gl. 22) niemals ineinander ¨ubergehen k¨onnen. Dies verdeutlicht wiederum die im Abschnitt 2.1 hervorgehobene Grundverschiedenheit zwischen reinen und gemischten Zust¨anden.

2Betrachtet man unendlichdimensionale Vektorr¨aume, so ist ein Operator nur dann unit¨ar, wenn dieser Gl. 27 erf¨ullt und surjektiv ist.

(19)

Wegen der Unitarit¨at des Zeitentwicklungsoperators U(t, t0) gilt

1 |U(t, t0)U(t, t0)|ψ2i=hU(t, t01 |U(t, t02i(unit¨=ar)12i, (30) woraus die wichtige Beziehung

U(t, t0)−1=U(t, t0) (31) unit¨arer Operatoren folgt. Wegen dieser Eigenschaft gilt f¨ur Zustandsvektoren|ψi, dass die Norm von Zust¨anden unter der Zeitentwicklung erhalten bleibt:

|ψit

0

=hψt0t0i=hψt0 |U(t, t0)U(t, t0)|ψt0i=hψtti= |ψit

(32) Wie wir in Abschnitt 2.3 sehen werden, gew¨ahrleistet diese Invarianz der Norm, dass bei der Messung einer beliebigen physikalischen Gr¨oße die Wahrscheinlichkeit, irgendei- nes der m¨oglichen Messergebnisse zu erhalten, zu jedem Zeitpunkt 1 ist; dass man also bei einer Messung mit Sicherheit einen der m¨oglichen Messwerte erh¨alt.

Zuletzt stellt die Unitarit¨at sicher, dass der Zeitentwicklungsoperator invertierbar ist.

Das bedeutet, dass die Zeitentwicklung abgeschlossener Quantensysteme theoretisch im- mer umkehrbar ist, also jeder der so beschriebenen Prozesse r¨uckg¨angig gemacht werden kann.

Durch diese ersten beiden Postulate k¨onnen abgeschlossene Quatensysteme eigentlich vollst¨andig beschrieben werden. Es stellt sich nun aber die Frage, wie uns Beobachtern quantenmechanische Systeme zug¨anglich gemacht werden k¨onnen. Dieser Frage ist das 3. und letzte Postulat der Quantenmechanik gewidmet.

2.3. Observablen und Projektionsmessung

Wie ich im vorigen Abschnitt bereits angemerkt habe, entsprechen die Zust¨ande eines Systems in der Standardquantenmechanik nicht direkt etwas Beobachtbarem. Um die Theorie nun mit Beobachtungen und Messungen verkn¨upfen zu k¨onnen, muss ein Bezug zu beobachtbaren (observablen) physikalischen Gr¨oßen hergestellt werden. Dem Mess- postulat zufolge gibt es unendlich viele solcher observabler Gr¨oßen. Betrachtet werden in realistischen Modellen bis auf wenige Ausnahmen wie dem Spin aber ausschließlich klassische Observablen wie Energie, Impuls und Ort. Die Messgr¨oßen sind wie folgt in den Formalismus der Quantenmechanik eingebaut:

Jeder physikalischen Messgr¨oße ist ein selbstadjungierter Operator zugeordnet. Vom Beobachter wahrgenommen bzw. gemessen wird das Messergebnis – eine reelle Zahl oder ein Tupel reeller Zahlen, wie es auch in der klassischen Mechanik der Fall ist. (z.B.x= 3 oder (x, y, z) = (0,2,−3)) Die m¨oglichen Messergebnisse bei einer Messung sind die Ei- genwerte des zur Messgr¨oße geh¨origen Operators, welche wegen dessen Selbstadjungiert- heit alle reell sind. Welcher Eigenwert bei einer Einzelmessung tats¨achlich auftritt, ist zuf¨allig. Es kann lediglich eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ¨uber die m¨oglichen Mess- werte – auf dem Spektrum des Messoperators – angegeben werden. (Es kann also lediglich

(20)

angegeben werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Eigenwerte bei einer tats¨achlichen Messung auftreten.) Im Zuge der Messung ver¨andert sich der Zustand des gemessenen Systems. Nach der Messung einer Observable befindet sich das System stets in einem Eigenvektor des zugeh¨origen Messoperators. Man erh¨alt den Zustand nach der Messung, indem man den vor der Messung vorliegenden Zustand auf den zum gemessenen Eigen- wert geh¨origen Unterverktorraum des Zustandsraumes projeziert.

Durch dieses Postulat kommt ein stochastisches Element in die Quantentheorie, welche bis zu diesem Punkt absolut deterministisch war. Die Messung f¨uhrt zu indeterministi- schen und irreversiblen Prozessen, welche Ausl¨oser einiger Interpretationsschwierigkeiten der Quantentheorie sind, wie in Abschnitt 6 thematisiert wird.

Postulat 3: Projektive Messung von Observablen

Jeder physikalischen Messgr¨oßeAkann in der Quantenmechanik ein selbst- adjungierter Operator ˆAzugeordnet werden.

Messwert Die m¨oglichen Messergebnisse bei einer Messung der Obser- vable A sind, unabh¨angig vom Zustand ρ des gemessenen Systems, die Eigenwerte λ∈σ( ˆA) des zugeh¨origen Operators ˆA. Welcher Eigenwert bei einer einzelnen Messung schlussendlich auftritt, ist zuf¨allig.

Die Wahrscheinlichkeit daf¨ur, einen bestimmten Eigenwert λ ∈ σ( ˆA) bei einer Messung zu erhalten, ist vom Zustand ρ des gemessenen Systems abh¨angig und ist durch

Pρ(λ) =Sp(ρ Pλ) (33)

gegeben. Dabei istPλ der Projektor auf den von λerzeugten Eigenraum.

Projektion Wird bei einer Einzelmessung der Eigenwert λ gemessen, so erf¨ahrt der urspr¨ungliche Zustand ρ des Systems die instantane Zu- stands¨anderung

ρ−−−−−−−→(Messung) Pλρ Pλ

Sp(ρ Pλ) (34)

Erwartungswert Der Erwartungswert der Messergebnisse bei der Mes- sung der Observablen Aam System mit Zustand ρ ist gegeben durch

hAiˆ ρ..=Sp ρAˆ(a)

=Sp

ρ X

λ∈σ( ˆA)

λ·Pλ(b)

= X

λ∈σ( ˆA)

λ·Sp(ρ Pλ) =

= X

λ∈σ( ˆA)

λ·Pρ(λ). (35)

Er ist das gewichtete Mittel aller m¨oglichen Messwerte.

aJeden selbstadjungierten Operator ˆA kann man mittels der Projektoren auf seine Eigenr¨aumePλdurch ˆA=P

λ∈σ( ˆA)λ·Pλdarstellen. (vgl. Mathematische Grundlagen, Seite 7)

bDie Spur ist linear.

(21)

Nat¨urlich l¨asst sich auch dieses Postulat ¨uber die Observablen und Messungen in der Quantenmechanik wieder auf den Fall reiner Zust¨ande vereinfachen:

Postulat 3: Projektive Messung von Observablen (rein)

Jeder physikalischen Messgr¨oßeAkann in der Quantenmechanik ein selbst- adjungierter Operator ˆAzugeordnet werden.

Messwert Die m¨oglichen Messergebnisse bei einer Messung der Obser- vable A sind, unabh¨angig vom Zustand |ψi des gemessenen Systems, die Eigenwerte λ∈σ( ˆA) des zugeh¨origen Operators ˆA. Welcher Eigenwert bei einer einzelnen Messung schlussendlich auftritt, ist zuf¨allig.

Die Wahrscheinlichkeit daf¨ur, einen bestimmten Eigenwert λ ∈ σ( ˆA) bei einer Messung zu erhalten, ist vom Zustand |ψi des gemessenen Systems abh¨angig und ist durch

P|ψi(λ) =

Pλ|ψi

2 (36)

gegeben. Dabei ist Pλ der Projektor auf den von λ erzeugten Eigenraum.

Pλ|ψi ist also jener Vektor, den man durch Projektion des urspr¨unglichen Zustands auf den zu λ geh¨origen Eigenraum erh¨alt. Die Auftrittswahr- scheinlichkeit des Eigenwertsλentspricht dem Quadrat der L¨ange des pro- jezierten Vektors.

Projektion Wird bei einer Einzelmessung der Eigenwert λgemessen, so wird der urspr¨ungliche Zustand |ψi des Systems instantan auf den von λ erzeugten Eigenraum projiziert (und wieder auf die L¨ange 1 normiert).

|ψi−−−−−−−→(Messung) Pλ|ψi

kPλ|ψi k (37)

Erwartungswert Der Erwartungswert der Messergebnisse bei der Mes- sung der Observablen Aam System mit Zustand |ψi ist gegeben durch

hAiˆ |ψi..=hψ|Aˆ|ψi=hψ| X

λ∈σ( ˆA)

λPλ|ψi (c)= X

λ∈σ( ˆA)

λhψ|Pλ|ψi=

= X

λ∈σ( ˆA)

λ·

Pλ|ψi

2= X

λ∈σ( ˆA)

λ·P|ψi(λ). (38)

Er ist das gewichtete Mittel aller m¨oglichen Messwerte.

cDas Skalarprodukt ist linear.

3Ich habe in diesem dritten Postulat die zu Observablen geh¨origen Operatoren durch ein Dach gekennzeichnet, um den Unterschied zwischen den Observablen und den Operatoren – die nur deren zugeordnete mathematische Objekte sind – hervorzuheben. Im weiteren Verlauf meiner Arbeit werde ich wieder auf das Dach verzichten, da es f¨ur gew¨ohnlich aus dem Kontext hervor geht, welches der beiden Objekte gereade gemeint ist.

(22)

Durch das Messpostulat gewinnen Basen und Basisdarstellungen an Bedeutung, wel- che bis dato f¨ur die Theorie v¨ollig bedeutungslos waren. Die Auftrittswahrscheinlich- eiten der m¨oglichen Messwerte h¨angen n¨amlich von der Eigenbasis des betrachteten Messoperators ab. Betrachtet man reine Zust¨ande und Observablen mit nicht entarteten Eigenwerten, so ist dies leicht ersichtlich. Sehen wir uns beispielsweise den Messope- rator A = Pn

i=1λi|eii hei| mit den n nicht entarteten Eigenwerten {λi}ni=1 und den normierten Eigenvektoren {|eii}ni=1 an. Die Eigenvektoren {|eii}ni=1 bilden eine ONB des Zustandsraumes H. Deshalb l¨asst sich jeder beliebige reine Zustand |ψi ∈ H als Linearkombination der Eigenvektoren von Adarstellen:

|ψi=

n

X

i=1

hei|ψi |eii (39)

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Messung der Observable A der Messwert λi auf- tritt, ist durch

P|ψii) =| hei|ψi |2, (40) also durch das Betragsquadrat der Koordinate von|ψi bez¨uglich der Messbasis{|eii}ni=1 gegeben.

3. Zu den Postulaten

3.1. Interferenz und Koh¨arenz

Wir wollen an dieser Stelle, nach der Diskussion des Messpostulats, noch einmal einen genaueren Blick zur¨uck auf quantenmechanische Zust¨ande werfen. Streng genommen wird unter einem Zustand|ψin¨amlich kein einzelner Vektor im Hilbertraum verstanden, sondern eine Klasse von Zust¨anden {e|ψi |ϕ ∈ [0,2π]}, welche bis auf einen Phasen- verschub gleich sind. Bez¨uglich dieser Phase verh¨alt es sich bei quantenmechanischen Zust¨anden gleich wie bei Lichtwellen. W¨ahrend eine globale Phase keinen Einfluss auf die Messstatistiken der Observablen hat und daher bedenkenlos ignoriert werden kann, beeinflussen relative Phasen superponierter Zust¨ande durchaus die Messstatistik. In Ana- logie zu Lichtwellen entstehen durch relative Phasen bei Superpositionen quantenmecha- nischer Zust¨ande Interferenzeffekte.

Beispiel Interferometer

Betrachten wir als Beispiel quantenmechanische Teilchen in einem Interferometer. Wir k¨onnen diese durch einen Zustand in einem zweidimensionalen Hilbertraum (=C2) be- schreiben. Bewegt sich ein Teilchen entlang einem der beiden Wege im Interferometer, so befindet es sich in einem der beiden Zust¨ande |0i bzw. |1i, welche gemeinsam eine ONB des Zustandsraumes bilden.

Gibt es auf keinem der beiden m¨oglichen Wege einen Phasenverschub, so wird der Zustand der Teilchen im Interferometer durch die Superposition

|ψi=c0|0i+c1|1i (41)

(23)

der beiden m¨oglichen Wege |0i und |1i beschrieben. Erzeugt man am Weg |0i einen Phasenverschubϕ, so lautet der endg¨ultige Zustand

ϕi=ec0|0i+c1|1i. (42)

|ψi und |ψϕi sind nun verschiedene Zust¨ande. F¨uhrt man mittels eines (hinter dem Interferometer platzierten) Schirms eine Ortsmessung der Teilchen durch, so wird dies an den unterschiedlichen Interferenzmustern am Schirm deutlich.

Nat¨urlich schl¨agt sich der Unterschied auch in der mathematischen Beschreibung der Messung nieder. Betrachten wir beispielsweise den Messoperator

σx =|+i h+| − |−i h−| (43)

mit den beiden Eigenwerten +1,−1 und den zugeh¨origen Eigenvektoren

|+i..= 1

2(|0i+|1i) und |−i..= 1

2(|0i − |1i). (44) Dr¨uckt man die beiden obigen Zust¨ande |ψi und |ψϕi durch die Basis {|+i,|−i} aus, so l¨asst sich die Auftrittswahrscheinlichkeit des Messwerts +1 f¨ur die beiden Zust¨ande leicht berechnen:

P|ψi(1) =kP1|ψik2 =k |+i h+|1

2 (c0+c1)|+i+ (c0−c1)|−i k2 =

=k1

2(c0+c1)|+i k2 = |c0+c1|2

2 (45)

P|ψi(−1) =kP−1|ψik2 =k |−i h−|1

2 (c0+c1)|+i+ (c0−c1)|−i k2 =

=k1

2(c0−c1)|−i k2 = |c0−c1|2

2 (46)

Pϕi(1) =kP1ϕik2=k |+i h+|1

2 (ec0+c1)|+i+ (ec0−c1)|−i k2 =

=k1

2(ec0+c1)|+i k2 = |ec0+c1|2

2 (47)

Pϕi(−1) =kP−1ϕik2 =k |−i h−|1

2 (ec0+c1)|+i+ (ec0−c1)|−i k2 =

=k1

2(ec0−c1)|−i k2 = |ec0−c1|2

2 (48)

Man kann deutlich erkennen, wie die relative Phase die Messstatistik ver¨andert.

Analysiert man auch die Messstatistik der Observable

σz=|0i h0| − |1i h1| (49)

mit den beiden Eigenwerten +1,−1 und den zugeh¨origen Eigenvektoren |0i und |1i, so l¨asst sich ein wichtiges Detail quantenmechanischer Interferenzeffekte erkennen: Die

(24)

Interferenzf¨ahigkeit quantenmechanischer Teilchen wird nicht durch jede Messung sicht- bar gemacht. Es gilt: L¨asst sich der phasenverschobene Zustand durch die Eigenbasis des Messoperator{|e0i,|e1i}in der Form

ec0|e0i+c1|e1i (50) schreiben – sprich, findet die Phasenverschiebung in einem der Basiszust¨ande statt – , so schlagen sich keine Interferenzeffekte in der Messstatistik nieder. Deshalb treten bei der Messung der Observable σx relative Phasen in der Messstatistik auf, w¨ahrend die Auftrittswahrscheinlichkeiten der m¨oglichen Messwerte +1,−1 der Observablenσz

dahingegen unabh¨angig von der relativen Phase sind. Bei Messung der Observable σz

treten keine Interferenzeffekte auf. Man kann nicht zwischen den beiden Zust¨anden |ψi und |ψϕi unterscheiden.

P|ψi(1) =kP1|ψik2 =k |0i h0| c0|0i+c1|1i k2 =

=kc0|0i k2 =|c0|2 (51)

P|ψi(−1) =kP−1|ψik2 =k |1i h1| c0|0i+c1|1i k2 =

=kc1|1i k2 =|c1|2 (52)

Pϕi(1) =kP1|ψik2 =k |0i h0| ec0|0i+c1|1i k2 =

=kec0|0i k2 =|c0|2 (53)

Pϕi(−1) =kP−1|ψik2 =k |1i h1| ec0|0i+c1|1i k2 =

=kc1|1i k2 =|c1|2 (54)

Betrachtet man im Interferometer klassische Teilchen, welche jeweils entlang einem der beiden Wege|0ioder|1izum Schirm gelangen, so sollte am Schirm kein Interferenz- muster auftreten, wenn man einen Phasenverschubϕam Weg|0i erzeugt. Deshalb kann man zur Beschreibung dieser Situation nicht zum Zustand aus Gl. 41 greifen. Stattdessen eignet sich der Dichteoperator

ρ=p0|0i h0|+p1|1i h1|, (55)

weil dieser invariant gegen¨uber einer Phasenverschiebung ist. e muss n¨amlich beim Herausheben aus dem dualen Vektor komplex konjugiert werden, wodurch sich der Faktor weghebt.

ρϕ=ee−iϕp0|0i h0|+p1|1i h1|=ρ (56) Man kann anhand dieses Beispiels sch¨on erkennen, warum die Superposition von Zu- standsvektoren koh¨arente ¨Uberlagerung genannt wird, w¨ahrend die Linearkombination von Dichteoperatoren (das Gemisch) inkoh¨arente ¨Uberlagerung heißt. W¨ahrend die re- lative Phase beim ersten Typ durchaus von Bedeutung ist, hebt sie sich beim Gemisch

(25)

gerade weg.

Schreibt man auch die reinen Zust¨ande aus Gl. 41 und Gl. 42 als Dichteoperatoren

|ψi hψ|=|c0|2|0i h0|+c0c1|0i h1|+c1c0|1i h0|+|c1|2|1i h1|, (57)

ϕi hψϕ|=|c0|2|0i h0|+ec0c1|0i h1|+e−iϕc1c0|1i h0|+|c1|2|1i h1|, (58) so kann man erkennen, dass die Mischterme in Gl. 57 und Gl. 58 jene Terme sind, welche von der Phase abh¨angen. Sie werden deshalb oftKoh¨arenzen genannt.

An diesem Beispiel wird erstmals in dieser Arbeit eine Eigenschaft der Quantenme- chanik deutlich, welche deren Interpretation aus Sicht der klassischen Mechanik er- schwert. Es scheint, als w¨urde ein einzelnes quantenmechanisches Teilchen in einem Interferometer beide Wege nehmen oder zumindest

”Information” ¨uber beide Wege in sich tragen. Der quantenmechanische Zustandsvektor ist kein lokales Objekt mehr.4 Das Schw¨arzungsmuster am Schirm ist f¨ur den Fall, dass beide Wege ge¨offnet sind, nicht gleich jenem, welches man erh¨alt, wenn bei Passieren jeden Teilchens ein Spalt ge¨offnet und der andere geschlossen ist.

Man kann den Unterschied zwischen den beiden Situationen gut verdeutlichen, indem man den Erwartungswert der verschiedenen Situationen betrachtet: Blockiert man im Interferometer Weg|0i, so treffen nur Teilchen auf den Schirm, welche entlang des Weges

|1i dorthin gelangten. Der Erwartungswert der Schw¨arzungspunkte am Schirm kann mittels des passenden MessoperatorsA durch

hAi|1ih1|=Sp(|1i h1| A) (59)

ausgedr¨uckt werden. Umgekehrtes gilt nat¨urlich, wenn man Weg|1iblockiert. Blockiert man bei Passieren jedes einzelnen Teilchens einen der beiden Wege (mit den relativen H¨aufigkeiten |c1|2 und |c2|2), so stellt sich am Schirm jenes Muster ein, welches man erh¨alt, wenn man die Schw¨arzungspunkte der ersten beiden F¨alle – Weg |0i geschlossen, Weg|1ige¨offnet und Weg|1i geschlossen, Weg |0i ge¨offnet – auf einen Schirm auftr¨agt.

Dies entspricht auch dem Muster, welches durch klassisch beschreibbare Teichen am Schirm entst¨unde. Zur Berechnung der Auftreffwahrscheinlichkeiten k¨onnen einfach die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der ersten beiden F¨alle gewichtet aufaddiert werden.

Der Erwartungswert w¨are dann

Sp(ρk A) =|c0|2Sp(|0i h0|A) +|c1|2Sp(|1i h1|A), (60) der zugeh¨orige Zustand demnachρk =|c0|2|0i h0|+|c1|2|1i h1|. Zur Beschreibung quan- tenmechanischer Teilchen m¨ussen dahingegen bereits die Zustandsvektoren superponiert werden. Dabei ergibt sich eine andere Statistik der Schw¨arzungspunkte als bei Addition der Wahrscheinlichkeiten, was deutlich sichtbar wird, wenn man auch f¨ur diesen Zustand ρq = (c0|0i+c1|1i)(c0h0|+c1h1|) den Erwartungswert notiert.

Sp(ρqA) =|c0|2Sp(|0i h0|A) +c0c1Sp(|0i h1|A)+

+c1c0Sp(|0i h1|A) +|c1|2Sp(|1i h1|A) (61)

4Die Bedeutung von Nicht-Lokalit¨at wird in Abschnitt 6.3 noch detailliert erl¨autert.

(26)

Im Zustand ρk kommen keinerlei Koh¨arenzen vor, weshalb bei Messung einer belie- bigen Observable auch keine Interferenzeffekte auftreten werden. Im Zustand ρq treten solche Koh¨arenzen dahingegen auf, weshalb bei der Messung gewisser Observablen A5 in der Messstatistik Interferenzeffekte auftreten werden.

Wegen der Interferenzeigenschaft quantenmechanischer Objekte spricht man in der Standardinterpretation davon, dass quantenmechanische Teilchen im Interferometer ge- wissermaßen allen m¨oglichen Wege folgen. Es scheint, als w¨urden sich quantenmechani- sche Teilchen einerseits wie Lichtwellen, andererseits aber auch wie klassische Teilchen verhalten. Ihre Eigenschaften unterliegen Interferenz- und Beugungseffekten, am Schirm sind trotzdem immer einzelne lokale Schw¨arzungen zu sehen. Erst durch das Gesamt- muster der vielen einzelnen Schw¨arzungspunkte werden die Interferenzeffekte sichtbar.

Beispiel Stern-Gerlach-Apparat

Ein Stern-Gerlach-Apparat ist eine nach den beiden Erfindern Gerlach und Stern be- nannte Apparatur, anhand derer der Spin quantenmechanischer Teilchen in eine beliebige Raumrichtung gemessen werden kann. Im Prinzip besteht die Apparatur aus einem in- homogenen Magnetfeld (durch dessen Richtung die Messrichtung des Spins festgelegt werden kann) und einem dahinter positionierten Schirm. Wird ein Strahl identischer Teilchen (welche alle denselben Zustand im Spinraum besitzen) durch das Ger¨at ge- schickt, stellen sich im Regelfall zwei H¨aufungspunkte am Schirm ein. Im speziellen Fall, dass der Zustand der Teilchen genau ein Eigenzustand der gemessenen Spinrichtung ist, ergibt sich nur ein einzelner H¨aufungspunkt am Schirm.

Abbildung 1: Die schematische Darstellung eines Stern-Gerlach-Apparates.

Betrachten wir beispielsweise einen Stern-Gerlach-Apparat, anhand dessen man den

5Im Fall unseres Interferometers, wo sich die m¨ogliche Phasenverschiebung als Vorfaktor einer der beiden Wege|0ibzw.|1iniederschl¨agt, treten Interferenzeffekte bei jenen Observablen auf, bei welchen mindestens einer der beiden TermeSp(|0i h1|A) undSp(|0i h1|A) nicht verschwindet. Das r¨uhrt daher, dass sich der phasenabh¨angige Vorfaktorein diesen Termen befindet. Wie man leicht nachpr¨ufen kann, handelt es sich beiσx um eine solche Observable.

(27)

Spin in z-Richtung messen kann. Die Eigenzust¨ande des zugeh¨origen Messoperatorsσz

seien |0i, |1i und die zugeh¨origen Eigenwerte 1, −1. Lassen wir einen Strahl Elektro- nen mit einem beliebigen Spinzustand |ψi = c0|0i+c1|1i die Apparatur passieren, so wird ein relativer Anteil |c0|2 der Elektronen am oberen H¨aufungspunkt auftreffen und ein relativer Anteil |c1|2 am unteren. Der Zustand jedes einzelnen Teilchens nach dem Auftreffen am Schirm ist je nach Auftreffposition |0i oder |1i.

H¨aufig wird ein Vergleich zwischen Spin und magnetischem Moment angestellt, welcher die Vorstellung vermittelt, die Elektronen reagierten klassisch lokal. Dies ist aber nicht der Fall. Erstens unterscheidet sich der quantenmechanische Spin bereits dadurch vom klassischen magnetischen Moment, dass dieser diskrete Messwerte besitzt. W¨ahrend die m¨oglichen Messwerte des magnetischen Moments kontinuierlich verteilt sind, treten bei Messung des Spins lediglich zwei Messwerte auf. Zweitens werden die Elektronen bei der Spinmessung nicht einfach durch das Magnetfeld abgelenkt, um dann auf der eingeschla- genen Bahn zu verlaufen, ohne von Ereignissen am anderen Weg beeinflusst zu werden, wie es bei klassischen Teilchen mit magnetischem Moment in einem inhomogenen Ma- gnetfeld der Fall ist. Ihr Zustand l¨asst sich eben nicht durch ein inkoh¨arentes Gemisch der beiden m¨oglichen Wege beschreiben, sondern nur durch deren koh¨arente Superposition.

Dies kann man mittels eines Gedankenexperiments sch¨on erkennen. Dazu bedarf es einer leichten Modulation des Stern-Gerlach-Apparats: Man legt zwischen dem z-gerichteten Stern-Gerlach-Magneten und dem Schirm zwei weitere Magnetfelder an. Das erste ist so beschaffen, dass die beiden (klassisch m¨oglichen) Bahnen wieder zusammenengef¨uhrt werden. Beim zweiten handelt es sich um einen x-gerichteten Stern-Gerlach-Magneten.

Abbildung 2: Die schematische Darstellung eines modulierten Stern-Gerlach-Apparates, bei welcher die beiden (klassisch m¨oglichen) Bahnen hinter einem z-gerichteten Stern-Gerlach-Magneten wieder zusammengef¨uhrt werden um dann einen x- gerichteten Stern-Gerlach-Magneten zu durchlaufen.

Die Eigenvektoren des zur Observable Spin-x geh¨origen Operatorsσx werden mit|+i und |−ibezeichnet, da sie sich als Linearkombinationen

|+i= 1

2|0i+1

2|1i (62)

|−i= 1

2|0i −1

2|1i (63)

der beiden Eigenvektoren |0i und |1i von σz schreiben lassen. (vgl. Abschnitt [4.3; 2-

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